BGE 76 III 60
16. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Mai 1950 i. S. Karrer
& Cie. A. G. gegen Narodowy Bank Polski.
Regeste:
Arrest für eine Forderung gegen einen ausländischen Staat. Ansprache einer
öffentlichen Anstalt (der Nationalbank) des betreffenden Staates an den
arrestierten Guthaben. Einrede, dass die Ansprecherin keine selbständige
(eigene Rechtspersönlichkeit besitzende) öffentliche Anstalt sei. Anwendbares
Recht. Vorbehalt des schweizerischen ordre public.
Séquestre en garantie d'une créance contre un Etat étranger. Prétention élevée
par un établissement officiel de cet Etat (Banque nationale) sur les avoirs
séquestrés. Exception tirée du fait que la revendiquante ne serait pas un
établissement officiel autonome (possédant une personnalité juridique
distincte). Droit applicable. Réserve de l'ordre public suisse.
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Sequestro per garanzia di un credito contro uno Stato estero. Pretesa avanzata
da un'istituzione di diritto pubblico (Banca nazionale) dello Stato estero
sugli averi sequestrati. Eccezione fondata sul fatto che la rivendicante non ò
un'istituzione di diritto pubblico autonoma (avente personalità giuridica
propria). Diritto applicabile. Riserva dell'ordine pubblico svizzero.
Die Firma Karrer & Cie. A.G. in St. Gallen erwirkte für eine Forderung, die
sie wegen Bruchs eines Kaufvertrages gegen den polnischen Staat geltend macht,
einen Arrest auf zwei (clearingrechtlich freie) Guthaben der Polnischen
Nationalbank bei der Schweiz. Nationalbank in Zürich. Die Polnische
Nationalbank sprach diese Guthaben als ihr zustehend an. Im
Widerspruchsprozess gemäss Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
|
1 | Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
1 | Klagen nach Artikel 107 Absatz 5; |
2 | Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat. |
2 | Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen. |
3 | Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt. |
4 | Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227 |
5 | Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still. |
und das Bundesgericht ihre Ansprache.
Aus den Erwägungen:
1.- Das Bundesgericht hat als Berufungsinstanz von Amtes wegen zu untersuchen,
ob der vorliegende, unzweifelhaft in die Zuständigkeit der schweizerischen
Gerichte fallende Rechtsstreit nach schweizerischem oder nach ausländischem
Rechte zu beuUrteilen sei (BGE 56 II 180, 64 II 92). Für den Entscheid
hierüber ist unerheblich, dass beide Parteien das schweizerische Recht für
anwendbar halten. Der Umstand, dass sich die Parteien im Prozess
übereinstimmend auf ein bestimmtes Recht berufen, ist höchstens dann von
Bedeutung, wenn zu entscheiden ist, nach welchem Recht die Wirkungen eines
Vertrages sich bestimmen (BGE 62 II 125, 63 II 44, 386, 65 II 170). Im
vorliegenden Falle bestehen jedoch zwischen den Parteien keine vertraglichen
Beziehungen.
2.- Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass die Voraussetzungen und
Wirkungen der Arrestlegung in der Schweiz sich nach schweizerischem Recht
bestimmen, auch wenn diese Massnahme Vermögenswerte von Ausländern mit
ausländischem Wohnsitz treffen soll bzw. getroffen hat. Nach diesem Rechte
beurteilt sich also dem Grundsatze nach insbesondere die Frage, was Gegenstand
des Arrestes
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sein kann. Soweit jedoch das schweizerische Recht in diesem Zusammenhang
bestimmten materiellrechtlichen Verhältnissen Bedeutung beimisst, ist für
deren Beurteilung nicht ohne weiteres ebenfalls das schweizerische Recht
massgebend, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint. Die betreffenden
materiellrechtlichen Fragen sind vielmehr nach dem gleichen Rechte zu
beurteilen, das anwendbar wäre, wenn sich diese Fragen nicht in einem durch
den Arrest veranlassten, sondern in einem selbständigen Rechtsstreite stellen
würden.
Nach schweizerischem Vollstreckungsrecht wird ein Vermögensstück vom
Arrestbeschlag befreit, wenn ein Dritter im widerspruchsverfahren gemäss Art.
275
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
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1 | Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
2 | Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist. |
3 | Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes. |
nicht dem Schuldner, sondern ihm zu eigen gehöre. im Widerspruchsprozess hat
der Richter über die materiellrechtliche Frage zu entscheiden, ob das vom
Dritten beanspruchte Recht am Arrestgegenstand bestehe (BGE 69 III 40). Als
Vorfrage kann in einem solchen Prozess die ebenfalls dem materiellen Recht
angehörige Frage auftreten, ob der Drittansprecher überhaupt rechtsfähig sei.
Diese Frage stellt sich hier, da die Klägerin der Ansprache der Beklagten an
den arrestierten Guthaben in erster Linie den Einwand entgegenhält, die
Beklagte sei keine selbständige, Rechtspersönlichkeit besitzende öffentliche
Anstalt, sondern nur eine Stelle der polnischen Staatsverwaltung, und die auf
ihren Namen lautenden Guthaben seien schon aus diesem Grunde in Wirklichkeit
Guthaben des Arrestschuldners.
Wie allgemein und insbesondere auch von der schweizerischen Rechtsprechung und
Lehre angenommen wird, beuUrteilt sich die Rechtsstellung einer ausländischen
öffentlichen Körperschaft oder Anstalt und namentlich die Frage, ob diese
Körperschaft oder Anstalt Rechtspersönlichkeit besitze oder nicht, nach dem
Rechte des Landes, dem sie angehört. Ausländische öffentliche Körperschaften
oder Anstalten, denen das Recht ihres eigenen Landes
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Rechtspersönlichkeit zuerkennt, werden in der Schweiz wie anderwärts
grundsätzlich als rechtsfähig anerkannt. (Vgl. zu diesem Absätze BGE 73 II
131; MAMELOK, Die juristische Person im internationalen Privatrecht - IPR, S.
201 ff., 199; SCHNITZER, Handbuch des IPR, 3. Aufl., I S. 307; PILET, Des
personnes morales en droit international privé, No. 228 S. 330 f., No. 49 S.
72, Nos. 222 ff. S. 324 ff.; NIBOYET, Traité de droit international privé
français, V Nos. 1544 f. S. 563 ff., II No. 795 S. 320 ff. LEWALD, Das
deutsche IPR, S. 50; NUSSBAUM, Deutsches IPR, S. 195; WOLFF, Das IPR
Deutschlands, 2. Aufl., S. 95, 97). Da die Beklagte eine öffentliche Anstalt
Polens ist, hängt also der Entscheid darüber, ob sie in der Schweiz als
selbständige Rechtsperson auftreten und als solche eigene Guthaben besitzen
kann, davon ab, ob ihr nach polnischem Rechte Rechtspersönlichkeit zukommt.
3.- Dem polnischen Rechte hat die Vorinstanz insofern Rechnung getragen, als
sie auf das Dekret vom 15. Januar 1945 über die Polnische Nationalbank
abgestellt hat. Dieses Statut bildet jedoch beim Entscheid darüber, ob der
Beklagten Rechtspersönlichkeit zukomme, nur ein Element des Tatbestandes.
Neben diesem Tatbestandselement hätte die Vorinstanz auch die rechtlichen
Kriterien für die BeuUrteilung der eben erwähnten Frage dem polnischen Recht
entnehmen müssen. Für die Annahme, dass sie das getan habe, bietet ihr Urteil
keinen Anhaltspunkt. Es wird darin nichts davon gesagt, unter welchen
Voraussetzungen das polnische Recht einer öffentlichen Anstalt die
Rechtspersönlichkeit zubilligt. In ihren materiellen Ausführungen darüber,
dass die Beklagte nach der aus dem Gründungsdekret ersichtlichen Struktur eine
öffentliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit sei, nimmt die Vorinstanz
allerdings auch nicht ausdrücklich auf die schweizerische Gesetzgebung,
Rechtsprechung oder Lehre Bezug. Ihre einleitende Bemerkung, der Streit gehe
im Grunde (nur) um Rechtsbeständigkeit und Wirkungen des Arrestes, und in
dieser Beziehung könne nur
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schweizerisches Recht massgebend sein, lässt jedoch darauf schliessen, dass
sie die nach ihrer Ansicht im schweizerischen Rechte geltenden Kriterien
angewendet hat.
In Streitfällen, die wie der vorliegende in bestimmten Punkten nach
ausländischem oder kantonalem, im übrigen dagegen nach eidgenössischem Recht
zu beuUrteilen sind, pflegt das Bundesgericht von der Befugnis, die Anwendung
des von der Vorinstanz nicht beachteten ausländischen oder kantonalen Rechts
selber vorzunehmen (Art. 65
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
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1 | Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
2 | Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist. |
3 | Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes. |
wenn es über Unterlagen verfügt, die ihm gestatten, mit Sicherheit
festzustellen, wie in den betreffenden Punkten nach dem massgebenden
ausländischen oder kantonalen Recht zu entscheiden ist (vgl. BGE 42 11 567/68,
60 11 78). Nach dieser Praxis wäre die vorliegende Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit sie nach polnischem statt nach schweizerischem Recht
darüber befinde, ob die Beklagte Rechtspersönlichkeit besitze. Es ist jedoch
mit Bestimmtheit vorauszusehen, dass die Vorinstanz in ihrem neuen Urteil
letztlich auf Grund der gleichen Erwägungen wieder zum gleichen Ergebnis käme.
Nach § 100 Abs. 2 der zürcherischen Zivilprozessordnung darf nämlich der
Richter, der vom Inhalt des anwendbaren fremden Rechts keine sichere Kenntnis
hat, dessen Übereinstimmung mit dem einheimischen Recht annehmen, sofern nicht
von einer Partei Abweichungen behauptet und nachgewiesen worden sind. Die
Vorinstanz würde zweifellos nicht für sich in Anspruch nehmen, dass sie sich
über die einschlägigen polnischen Rechtsgrundsätze von sich aus zuverlässig zu
unterrichten vermöge; dies umso weniger, als die Klägerin mit der Behauptung,
die Beklagte könne in Anbetracht ihrer wirklichen Stellung trotz der sie als
juristische Person bezeichnenden Dekretsbestimmung nicht als selbständige
Anstalt gelten, eine Frage aufgeworfen hat, deren Beantwortung wie im
schweizerischen, so auch im polnischen Recht ein eingehendes Studium nicht nur
der Gesetzgebung, sondern auch der Rechtsprechung und Literatur
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erfordern dürfte. Die Parteien sodann haben das polnische Recht nicht einmal
angerufen, geschweige denn Abweichungen vom schweizerischen Rechte behauptet
oder gar nachgewiesen. Unter diesen Umständen bliebe der Vorinstanz im Falle
der Rückweisung gar nichts anderes übrig, als von der Ermächtigung von § 100
Abs. 2 ZPO Gebrauch zu machen und anzunehmen, dass das polnische Recht mit dem
schweizerischen übereinstimme. Dass sie dieses im neuen Urteil anders auslegen
oder den Tatbestand anders würdigen würde als bisher, ist nicht zu erwarten.
Eine Rückweisung wäre daher zwecklos. Die Sache ist so zu behandeln, wie wenn
die Vorinstanz schon im angefochtenen Urteil schweizerisches Recht als
polnisches angewendet hätte (vgl. BGE 60 II 324, 65 11 171 oben).
Werden schweizerische Rechtssätze als angenommener Inhalt des massgebenden
ausländischen Rechts angewendet, so ist ihre Anwendung der Überprüfung durch
das Bundesgericht entzogen (BGE 5811 437, 60 11 324, 61 II 19 E. 4).
Es ist demnach als feststehend anzusehen, dass die Beklagte nach dem
anwendbaren polnischen Recht eine öffentliche Anstalt mit eigener
Rechtspersönlichkeit ist. Daraus folgt nach dem in Erw. 2 erwähnten
Grundsatze, dass sie auch in der Schweiz als vom Staat verschiedene
juristische Person anzuerkennen ist.
4.- Der Grundsatz, dass ausländische öffentliche Körperschaften und Anstalten,
die nach dem Rechte des betreffenden Landes Rechtspersönlichkeit besitzen,
auch in der Schweiz als rechtsfähig anerkannt werden, gilt als Regel des IPR
immerhin nur unter dem Vorbehalte des schweizerischen ordre public. Dieser
Vorbehalt gehört dem Bundesrecht an, sodass das Bundesgericht seine Anwendung
überprüfen kann (BGE 64 11 93). Ihm ist die Aufgabe zugedacht, die Anwendung
eines inländischen Rechtssatzes zu gewährleisten oder die Anwendung eines
ausländischen zu verhindern, wenn sonst das einheimische Rechtsgefühl in
unerträglicher Weise verletzt würde (BGE
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64 II 97 und dort zitierte Entscheide, 68 II 381, 72 II 415, 74 II 227). Die
Anerkennung als selbständige juristische Person ist der Beklagten also zu
versagen, wenn es sich als mit dem schweizerischen Rechtsempfinden schlechthin
unvereinbar erweist, dass eine ausländische öffentliche Anstalt, die gegenüber
Staat und Dritten so gestellt ist wie die Beklagte, in der Schweiz eigene
Rechtspersönlichkeit für sich beanspruchen kann.
In der irrigen Vorstellung befangen, dass die Anwendung polnischen Rechts
ohnehin nicht mehr zur Diskussion stehe, hat es die Klägerin vor Bundesgericht
anders als vor erster Instanz unterlassen, sich ausdrücklich auf den
schweizerischen ordre public zu berufen. Die Frage, ob die Anerkennung der im
polnischen Recht begründeten Rcchtsfähigkeit der Beklagten dem schweizerischen
ordre public zuwiderlaufe, ist dennoch zu prüfen, da der Vorbehalt des ordre
public von Amtes wegen zur Geltung zu bringen ist. Sie muss verneint werden.
a) Auf Grund des polnischen Dekrets vom 15. Januar 1945, dessen Auslegung das
Bundesgericht gemäss Art. 43
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
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1 | Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
2 | Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist. |
3 | Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes. |
festgestellt, der polnische Staat habe die Beklagte mit der Regelung des
Geldumlaufs und Kreditwesens betraut, sie mit dem Notenprivileg ausgestattet
und ihr ausdrücklich die Rechtspersönlichkeit zuerkannt und ein unentziehbares
Dotationskapital zugewiesen; die Beklagte handle im eigenen Namen und werde
aus den Rechtsgeschäften, die sie mit Dritten abschliesse, allein berechtigt
und verpflichtet; für die Einlösung der von ihr ausgegebenen Banknoten hafte
primär sie selber und erst subsidiär, auf Grund besonders übernommener
Garantie, der Staat; die Beklagte besitze eine Organisation ausserhalb des
Staatsapparates; das Recht des Ministerrates bzw. des Präsidenten der
Deputiertenkammer zur Bestellung und Abberufung der obersten Bankorgane ändere
nichts an der Autonomie der Bankorgane, ebensowenig das oberaufsichtsrecht des
Finanzministers; die Bank habe bei der Führung ihrer Geschäfte
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nur die im Dekret enthaltenen Vorschriften zu befolgen und darüber hinaus
keine Weisungen von Staatsorganen entgegenzunehmen: dem Bankkommissar, den der
Finanzminister «zwecks Führungsnahme zwischen Finanzministerium und Bank»
ernennen könne, komme keine Entscheidungsbefugnis und kein Vetorecht gegenüber
den Entscheidungen der Bankorgane zu; dass der nach Speisung des Reservefonds
verbleibende Reingewinn in den Staatsschatz fliesse, bedeute eine
Gegenleistung der Bank für die Gewährung der Steuerfreiheit und die
Überlassung des (nicht zu verzinsenden) Dotationskapitals einen Einbruch in
die Handlungsfreiheit der Bankorgane bilde die Ermächtigung des
Staatsschatzes, Kredite in laufender Rechnung bei der Bank aufzunehmen; aber
auch wenn der Staatsschatz sich derart einen unbeschränkten Kredit ausbedungen
habe, werde er durch dessen Ausnützung doch Schuldner der Bank.
Nach diesen Feststellungen erscheint die Beklagte keineswegs als ein Gebilde,
das mit einer selbständigen öffentlichen Anstalt im Sinne des schweizerischen
Rechts nichts oder fast nichts als den Namen gemein hätte, was allenfalls ein
Grund dafür sein könnte, ihr die Anerkennung zu verweigern. Vielmehr ist sie
danach so gestellt, dass ihr die eigene Rechtspersönlichkeit nach
schweizerischer Rechtsauffassung sehr wohl zugestanden werden kann. Abgesehen
davon, dass sie im Gründungsdekret ausdrücklich als juristische Person
bezeichnet wird, was nach der schweizerischen Rechtsprechung entgegen der
Ansicht der Klägerin ein gewichtiges Indiz für den Besitz der
Rechtspersönlichkeit darstellt (vgl. BGE 4 S. 290, 53 II 411), fällt hier
namentlich in Betracht, dass sie ein unentziehbares Dotationskapital erhalten
hat und somit offenbar über eigenes Vermögen verfügt (BGE 5 S. 135, 6 S. 59 u.
228, 29 I 194, 37 I 72, 44 II 315, 49 I 127, 51 I 225 ff.), im Verkehr unter
ihrem eigenen Namen auftritt und aus den von ihr abgeschlossenen
Rechtsgeschäften selber berechtigt und verpflichtet wird (BGE II S. 134 u.
609, 6 S. 60 u. 228,
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29 I 194), auch dem Staate selber als Gläubigerin gegenübertreten kann (BGE 5
S. 609, 6 S. 60 u. 228) und eine besondere, ausserhalb der allgemeinen
Staatsverwaltung stehende Organisation besitzt (BGE 6 S. 61 u. 229, 29 I 194,
44 II 314, 49 I 127, 51 I 228 ff.), und dass der Staat für ihre
Verbindlichkeiten nur subsidiär, auf Grund einer besonders übernommenen
Garantie, haftet (BGE 37 I 72, 51 I 227). Die Kantonalbank von Bern, die der
bernische Grosse Rat nach BGE 51 I 212 ff. als unselbständige Anstalt des
bernischen Staates behandeln durfte, unterscheidet sich von der Beklagten in
entscheidender Weise u.a. dadurch, dass keine Bestimmung besteht, die ihr
ausdrücklich eigene Rechtspersönlichkeit zuerkennen würde, und dass das ihre
Stellung ordnende Gesetz ihr Vermögen als Teil des Staatsvermögens und ihren
Geschäftsbetrieb als Teil der staatlichen Vermögensverwaltung erklärt (a.a.O.
S. 225 f.). Aus der BeuUrteilung, die die Kantonalbank von Bern erfahren hat,
lässt sich daher keineswegs ableiten, dass auch die Beklagte als
unselbständige Anstalt angesehen werden müsse, wie die Klägerin es tun möchte.
Viel eher als mit dieser Bank lässt sich die Beklagte nach den nicht
bundesrechtswidrigen Feststellungen der Vorinstanz mit den übrigen in der Form
der Staatsbank errichteten schweizerischen Kantonalbanken vergleichen, denen
die herrschende Meinung die Rechtspersönlichkeit zubilligt (vgl. BGE 6 S. 59
und 228, 37 I 71, 37 I 53 11 411, 57 I 79 ff.; LANG, Die Rechtsstellung der
schweiz. Kantonalbanken im Verkehr, 1935, S. 22 ff.; OBRECHT, Über die
Rechtsnatur der schweiz. Kantonalbanken, 1936 S. 120 ff.).
b) Der von der Klägerin hervorgehobene Umstand, dass in Polen die
kollektivistische, hierarchisch geordnete und gelenkte Staatswirtschaft an die
Stelle der frühern Privatwirtschaft getreten sei, und dass die Beklagte in
dieser kommandierten Wirtschaft eine zentrale Stellung einnehme, ist so wenig
wie der von der Vorinstanz verbindlich festgestellte Inhalt des Bankstatuts
geeignet, die Berufung auf die eigene Rechtspersönlichkeit der Beklagten als
mit
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dem schweizerischen Rechtsempfinden unvereinbar erscheinen zu lassen. Die in
Staat und Wirtschaft bestehenden Machtverhältnisse mögen zwar die den
Bankorganen vom Gründungsdekret verliehene Handlungsfreiheit faktisch stark
beeinträchtigen. Die Errichtung einer öffentlichen Anstalt ist jedoch für den
Staat immer ein Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben. Die öffentliche Anstalt
bleibt letztlich ein Werkzeug des Staates, auch wenn ihr die
Rechtspersönlichkeit zuerkannt wird. ihre Selbständigkeit kann also immer nur
eine beschränkte sein (vgl. BURCKHARDT, Die Organisation der
Rechtsgemeinschaft, 2. Aufl. S. 321 ff.). Weitgehende Abhängigkeit vom Staate
(sei sie in Rechtsvorschriften oder in den Tatsachen begründet) kann daher
kein zureichender Grund dafür sein, einer öffentlichen Anstalt des Auslandes
in der Schweiz die Rechtsfähigkeit abzusprechen. Die Selbständigkeit einer
öffentlichen Anstalt zeigt sich weniger im Verhältnis zum Staat als im
Verhältnis zu den Dritten, mit denen sie den Vermögensverkehr pflegt; diesen
gegenüber muss eine öffentliche Anstalt als berechtigt erscheinen, über die
ihr zugewiesenen Mittel selbständig zu verfügen, wenn sie als juristische
Person gelten soll (vgl. BURCKHARDT a.a.O. S. 322 f.). Dass diese
Voraussetzung bei der Beklagten erfüllt ist, lässt sich nach den
Feststellungen der Vorinstanz nicht bezweifeln und wird denn auch von der
Klägerin nicht bestritten. - Ob es mit den schweizerischen Rechtsanschauungen
auch dann noch vereinbar wäre, die Beklagte in der Schweiz als rechtsfähig
anzuerkennen, wenn es in Polen ausser dem Staate niemanden (keine Personen des
Privatrechts und keine öffentlichen Körperschaften oder Anstalten) mehr gäbe,
der als Vermögensträger mit ihr in Verkehr treten könnte, braucht nicht
untersucht zu werden, da eine so weit getriebene Verstaatlichung nicht
behauptet, geschweige denn nachgewiesen ist.
c) Es ist schliesslich denkbar, dass einer öffentlichen Anstalt, die
angesichts ihrer Stellung im eigenen Lande als rechtsfähig anerkannt werden
könnte, die Anerkennung
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in der Schweiz deswegen zu versagen ist, weil angenommen werden muss, der
betreffende Staat habe sie im wesentlichen zum Zwecke der Benachteiligung
seiner ausländischen (namentlich schweizerischen) Gläubiger oder zu einem
andern den schweizerischen Interessen abträglichen Zwecke gegründet oder lasse
sie hauptsächlich zu einem solchen Zwecke fortbestehen. im vorliegenden Falle
sind jedoch für eine solche Annahme selbst nach den Vorbringen der Klägerin
keinerlei Anhaltspunkte vorhanden.
Der Ansprache der Beklagten au den streitigen, auf ihren Namen lautenden
Guthaben lässt sich also nicht entgegenhalten, die Beklagte könne in der
Schweiz nicht als Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit auftreten.