S. 79 / Nr. 15 Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 57 I 79

15. Urteil vom 16. Mai 1931 i. S. Luzerner Kantonalbank gegen
Einwohnergemeinde Luzern.

Regeste:
1. Gemeindesteuerpflicht des Staates für seine nicht öffentlichen Zwecken
dienenden Grundstücke:
· Unter dem Staat können ohne Willkür auch die selbständigen staatlichen
Anstalten verstanden werden. Erw. 2 u. 3.
· Rechtsungleichheit. Erw. 4.
· Unter öffentlichen Zwecken können ohne Willkür nur die Aufgaben verstanden
werden, welche nur vom Staate und von

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· diesem seinem Begriffe nach notwendig zu erfüllen sind. Erw. 5.
· Rechtsungleichheit. Erw. 6.
2. Aufhebung der widersprechenden Bestimmungen des bisherigen Rechts: vor Art.
4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV zulässige Auslegung. Erw. 7.

A. - Das luzernische Steuergesetz vom 22. September 1922 bestimmt:
unter «A. Staatssteuer».
§ 3. «Von der Einkommenssteuer sind befreit:
Ziff. 2. Der Staat und seine Anstalten.»
§ 10. «Von der Vermögenssteuer sind befreit:
Ziff. 1. Das Vermögen der gemäss § 3 von der Einkommenssteuer Befreiten.»
unter «B. Gemeindesteuern».
§ 64. «Zu Gemeindezwecken sind auch das Einkommen und das Vermögen von
Grundstücken, welche dem Staate oder andern Gemeinden gehören und nicht
öffentlichen Zwecken dienen, steuerpflichtig.»
Die heutige Rekurrentin, die Luzerner Kantonalbank ist gemäss § 1 des
luzernischen Kantonalbankgesetzes «ein staatliches Bankinstitut mit dem Rechte
der juristischen Persönlichkeit». Der Staat stellt ihr das Dotationskapital
und haftet für ihre Verbindlichkeiten, soweit die eigenen Mittel nicht
ausreichen; dafür fällt der Reingewinn in die Staats-, bezw. Armenkasse des
Kantons. Der Grosse Rat des Kantons Luzern übt die Oberaufsicht aus und wählt
die obersten Verwaltungsorgane. Die Rekurrentin ist zu allen soliden
Bankoperationen ermächtigt und hat als Depositenanstalt für alle öffentlichen
Gelder zu dienen, für die der Staat verantwortlich ist.
Die kantonale Einschätzungskommission für die juristischen Personen hat am 1.
März 1927 die Rekurrentin wie folgt eingeschätzt:
Vermögen:
Kantonalbankgebäude: Katasterschatzung
Fr. 1120000.- 50% steuerbar, weil nicht zu Bankzwecken benützt .
Fr. 560000
Hotel Brünig: Katasterschatzung Fr. 185000, Nicht dem Bankbetrieb dienend
und daher steuerbar .
Fr. 123500
Somit steuerpflichtiges Vermögen . Fr. 683500
Einkommen: 7% auf dem steuerbaren Vermögen Fr. 47845

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Im Einspracheentscheid vom 3. Februar 1928 wurde die Vermögensveranlagung auf
683000 Fr. beibehalten, die Einkommensveranlagung dagegen auf 4,47% des
steuerbaren Vermögens = 30000 Fr. herabgesetzt.
Auf eine von der Rekurrentin gegen diesen Einspracheentscheid eingereichte
Beschwerde zog die kantonale Steuerrekurskommission in Erwägung:
§ 7 des Kantonalbankgesetzes, wonach die Kantonalbank von ihren nicht dem
Bankbetrieb dienenden Liegenschaften (nur) die Katastersteuer zu entrichten
gehabt habe, gelte seit Inkrafttreten des Steuergesetzes vom 22. September
1922 in der Tat nicht mehr, weil § 107 StG alle ihm widersprechenden
Vorschriften aufgehoben habe und weil der Gesetzgeber die im gleichen Gesetz
abgeschaffte und mit dem System unvereinbare Katastersteuer doch wohl nicht
gerade inbezug auf die Kantonalbank habe aufrecht erhalten wollen. Die
Luzerner Kantonalbank sei also für die hier in Frage stehende Steuerperiode
1924-1927 auf Grund des Steuergesetzes vom 22. September 1922 zu veranlagen.
Aus § 3 Ziff. 2 in Verbindung mit § 10 StG folge die vollständige
Steuerbefreiung der Rekurrentin in Vermögen und Einkommen gegenüber dem Staat.
Gegenüber der Gemeinde dagegen sei die Rekurrentin nach der Praxis steuerfrei
inbezug auf das fahrende Vermögen und das hieraus sowie das aus gewerblicher
Tätigkeit fliessende Einkommen, und beschränkt steuerpflichtig inbezug auf das
liegende Vermögen und das aus diesem fliessende Einkommen; nämlich:
§ 64 StG finde ausser auf den Staat auch auf die staatlichen Anstalten
Anwendung, bezw. es seien unter dem

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vom Gesetzgeber verwendeten Worte «Staat» auch die staatlichen Anstalten zu
verstehen. Diese Vorschrift wolle ja nur, dass den Gemeinden der gelegenen
Sache nicht infolge der Steuerfreiheit von Staat und Gemeinde als Eigentümer
oder Nutzniesser auch nicht öffentlichen Zwecken dienender Grundstücke «das
feste Fundament jeder Steuerhoheit, Grund und Boden», entzogen werde. Diese
Erwägungen träfen auf die grundbesitzenden staatlichen Anstalten wie auf den
grundbesitzenden Staat selber zu.
Nach der dem § 64 StG in der Praxis gegebenen Auslegung (welche Praxis in BGE
vom 27. Juli 1926 i. S. Ortsbürgergemeinde Luzern bestätigt worden sei), sei
der Staat (eine staatliche Anstalt) für ihre Grundstücke gegenüber den
Gemeinden nur insoweit steuerfrei, als diese Grundstücke unmittelbar
öffentlichen Zwecken dienen. Ein unmittelbares Dienen zu öffentlichen Zwecken
könne aber bloss dann angenommen werden, wenn die Liegenschaft selbst, nicht
nur ihrem Ertrage nach der Öffentlichkeit diene.
Dieses Kriterium treffe bei den der Rekurrentin gehörenden Grundstücken nur
insoweit zu, als sie als Depositenanstalt für öffentliche Gelder, nicht
insoweit sie dem eigentlichen Bankbetriebe dienten, oder sogar vermietet
seien. Denn der Bankbetrieb im besondern gehe nicht in Erfüllung einer dem
Staate obliegenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung vor sich, wenn er auch
in weitem Masse im öffentlichen Interesse liege und seine Erträgnisse zur
Erfüllung öffentlicher Aufgaben verwendet würden.
Für den Umfang der Steuerpflicht sei folgendes massgebend:
Da die vom Staate, bezw. den staatlichen Anstalten zu bezahlende
Vermögenssteuer eine Objektsteuer sei, so könnten vom Katasterwert der der
Rekurrentin gehörenden Grundstücke nur allfällig vorhandene Hypothekarschulden
abgezogen werden. Da solche nicht beständen, so sei der

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volle Katasterwert als das rekurrentische Immobiliarvermögen anzusehen, und
von diesem sei nur die dem Depositengeschäft im Verhältnis zum gesamten
Bankgeschäft entsprechende Quote steuerfrei. - Der steuerbare Vermögensbetrag
sei nach Massgabe dieser Ausführungen von der Einschätzungskommission zu
errechnen.
Das steuerbare Einkommen aus diesen Grundstücken sei in der Weise zu
berechnen, dass vom rohen Grundstückeinkommen (Mietzinse der vermieteten und
Mietwert der dem Bankbetrieb dienenden Räumlichkeiten) 1% der
Katasterschatzung als Unterhaltsaufwendungen abgezogen und vom verbleibenden
reinen Grundstückeinkommen die dem Verhältnis des Depositengeschäftes zum
gesamten Bankgeschäft entsprechende steuerfreie Quote abgerechnet werde. - Der
so verbleibende steuerbare Einkommensbetrag sei von der
Einschätzungskommission zu errechnen.
Demgemäss erkannte die Steuerrekurskommission des Kantons Luzern am 20.
November 1930:
1. Der Rekurs ist abgewiesen.
2. Der Einspracheentscheid vom 13. Februar 1928 wird aufgehoben und die Sache
zur Neueinschätzung im Sinne der Motive an die kantonale
Einschätzungskommission für die juristischen Personen zurückgewiesen.
B. - Gegen diesen am 2. Dezember 1930 zugestellten Rekursentscheid erhebt die
Rekurrentin am 31. Dezember 1930 staatsrechtliche Beschwerde, mit dem Antrag:
er sei aufzuheben und die streitige Besteuerung der Rekurrentin durch die
Einwohnergemeinde Luzern als unzulässig zu erklären; eventuell sei zu
erkennen, dass die Rekurrentin Steuerfreiheit geniesse nicht bloss soweit sie
die Eigenschaft einer amtlichen Depositenanstalt besitze, sondern auch soweit
sie die in §§ 2 und 10 des Bankgesetzes festgelegten Zweckbestimmungen und
Geschäftskreise erfüllt und zu diesem Zwecke ihre Gebäulichkeiten in Anspruch
nimmt.
Zur Begründung wird ausgeführt:

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Nach dem luzernischen Steuergesetz seien alle der luzernischen Hoheit
unterworfenen physischen und juristischen Personen zur Entrichtung der
Einkommens- und der Vermögenssteuer an Staat und Gemeinde (§ 1) verpflichtet,
insofern sie von dieser Steuerpflicht nicht besonders ausgenommen seien. Das
treffe gemäss § 3 (Ziff. 2) StG u. a. für den Staat und die staatlichen
Anstalten zu. Deren Befreiung von der Einkommens- und der
Vermögenssteuerpflicht erfolge hier vorbehaltlos, und zwar gegenüber dem Staat
und den Gemeinden. Letzteres insbesondere folge nicht nur aus dem Zusammenhang
des § 3 mit dem grundlegenden § 1 (Statuierung des Steuerrechtes von Staat und
Gemeinde), sondern auch aus der Tatsache, dass das neue Steuergesetz den § 7
des Kantonalbankgesetzes (Katastersteuerpflicht der Kantonalbank) aufgehoben
habe.
Die Steuerrekurskommission des Kantons Luzern wolle allerdings die
Steuerpflicht des Kantonalbank für ihr liegendes Vermögen und das daraus
fliessende Einkommen auf § 64 StG gründen. Allein diese Begründung gehe fehl.
§ 64 StG unterstelle nur den Grundbesitz des Staates (und der Gemeinden),
nicht auch den der staatlichen Anstalten der Gemeinde-Einkommens- und
Vermögenssteuer. In § 3 StG sei die Steuerfreiheit ausdrücklich für den Staat
und seine Anstalten statuiert; und wenn § 64 StG inbezug auf die
Gemeindesteuer für den Staat wie für dessen Anstalten eine Ausnahme davon
hätte machen wollen, so hätte das ausdrücklich gesagt werden müssen. Nach dem
klaren Wortlaut des Gesetzes aber sei nur die Steuerfreiheit des Staates
selbst zu Gunsten der Gemeinden beschränkt, diejenigen der staatlichen
Anstalten dagegen bestehe vorbehaltlos. Eine andere Auslegung sei willkürlich.
Im übrigen widerspreche der angefochtene Entscheid der bisherigen kantonalen
Praxis. Die Steuerrekurskommission habe in ihrem Entscheid vom 12. Februar
1927 betreffend die Erziehungsanstalt Rathausen erklärt:

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Die Anstalt sei eine selbständige staatliche Anstalt im Sinne von § 3 Ziff. 5
und § 10 StG (Anstalten, Stiftungen und Vereine, soweit deren Einkommen (und
Vermögen) wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken dient), und demgemäss wie
der Staat von der Einkommens- und der Vermögenssteuer befreit. § 64 StG
beschränke die Steuerfreiheit nur des Staates, nicht auch die der Anstalten zu
Gunsten der Gemeinden. - Auch bestehe kein Grund, unter dem wohltätigen und
gemeinnützigen Zwecken dienenden Einkommen und Vermögen nur das unmittelbar
solchen Zwecken dienende Einkommen und Vermögen zu verstehen, also die für den
Staat (und die Gemeinden) getroffene Regelung auch auf die
Wohltätigkeitsanstalten zu übertragen.
Alle die im Entscheid i. S. Erziehungsanstalt Rathausen für die
Steuerbefreiung aufgestellten Voraussetzungen träfen auch bei der Luzerner
Kantonalbank zu. Sie sei eine gegenüber dem Staate selbständige juristische
Person. Ihr Reingewinn falle dem Staat, bezw. der kantonalen Armenkasse zu.
Das Kantonalbankgebäude diene als einheitliches Ganzes den Zweckbestimmungen
der Bank. Nach der bisherigen Praxis komme ihr gemeinnütziger Charakter zu,
denn abgesehen von der Verwendung ihres Reingewinnes zu kantonalen
Armenzwecken leiste sie der Öffentlichkeit auch durch Vermittlung billigen
Geldes und durch Festhaltung am Zinsfussmaximum unschätzbare Dienste.
Ausserdem unterscheide § 3 Ziff. 5 StG nicht zwischen unmittelbarem und bloss
mittelbarem Dienen. Demgegenüber könne nicht etwa darauf verwiesen werden,
dass die Zwangsarbeitsanstalt Sedel nicht steuerfrei erklärt worden sei; denn
diese sei nicht juristische Person, sondern nur unselbständige Staatsanstalt.
Die von der Steuerrekurskommission dem Gesetze gegebene Auslegung sei zu eng
und stehe im Widerspruch mit der bundesgerichtlichen Praxis. Damit eine
Beziehung der Immobilien der Luzerner Kantonalbank zum Bankbetrieb gegeben
sei, sei es nicht nötig, dass die Einrichtung,

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um die es sich handle, für den Betrieb schlechterdings unentbehrlich sei und
er ohne sie überhaupt nicht aufrechterhalten werden könnte; es genüge, dass
sie tatsächlich Betriebszwecken diene oder doch bestimmt sei, für dessen
Regelmässigkeit und Sicherheit günstige Bedingungen zu schaffen. Auch könne
nicht verlangt werden, dass die Verwendung zu Betriebszwecken die allein
mögliche sei und eine andere Ausnützung daneben überhaupt nicht in Betracht
falle. Der Bund beanspruche gegenüber den Kantonen Steuerfreiheit in eben
solchem Umfang.
Eventuell sei zu bemerken, dass die von der Steuerrekurskommission dem Gesetz
gegebene Auslegung auch insofern als willkürlich abgelehnt werden müsse, als
der Rekurrentin bloss Steuerfreiheit zuerkannt werden wolle, soweit sie die
Funktionen einer amtlichen Depositenanstalt erfülle. Das im Kantonalbankgesetz
enthaltene Steuerprivileg sei im Steuergesetz weder aufgehoben noch
eingeschränkt worden.
Die Steuerrekurskommission des Kantons Luzern und der Stadtrat von Luzern
schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Auf die Beschwerde kann infolge der rein kassatorischen Funktion des
staatsrechtlichen Rekurses aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV nur soweit eingetreten werden, als
sie auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides geht, nicht auch soweit sie
darüber hinaus materielle Begehren stellt.
2. - Die Rekurrentin behauptet in erster Linie, das luzernische Steuergesetz
habe in § 3 Ziff. 2 und § 10 den Staat und seine Anstalten dem Staate und den
Gemeinden gegenüber von jeder Einkommens- und Vermögenssteuer befreit, und es
hätte es infolgedessen ausdrücklich sagen müssen, wenn es die in § 64 StG zu
Gunsten der steuerberechtigten Gemeinden ausgesprochene Beschränkung der
Steuerfreiheit des Staates auch auf die staatlichen Anstalten beziehen wollte.
Sowie das Gesetz laute. sei

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aber nur der Staat selber gemäss § 3 Ziff. 2 und § 10 in Verbindung mit § 64
StG gegenüber den Gemeinden beschränkt steuerpflichtig, die staatlichen
Anstalten dagegen seien gemäss § 3 Ziff. 2 und § 10 StG vorbehaltlos
steuerfrei.
Dieser Einwand geht aber deswegen fehl, weil die §§ 3 und 10 unter dem
Abschnitt «A. Staatssteuern» (§§ 2-62) stehen und demgemäss schon ihrer
systematischen Einordnung nach unmittelbar nur die Voraussetzungen der
Befreiung von der Staatssteuerpflicht umschreiben. Die Voraussetzungen der
Befreiung von der Gemeindesteuerpflicht dagegen werden selbständig unter dem
Abschnitt «B. Gemeindesteuern» (§§ 63-74) umschrieben, und zwar in der Weise,
dass nach § 63 die Gemeindesteuern auf Grund der Staatssteuerregister
veranlagt werden, worauf eine ergänzende Veranlagung der nach § 64 StG nur
gemeindesteuerpflichtigen Objekte vorgenommen wird. So wie die Rekurrentin
will, kann also unmittelbar aus § 3 Ziff. 2 und § 10 in Verbindung mit § 64
StG die völlige Steuerfreiheit der staatlichen Anstalten auch gegenüber den
Gemeinden nicht abgeleitet werden.
Es fragt sich deshalb nur, ob § 64 StG für sich genommen insoweit willkürlich
ausgelegt worden sei, als im angefochtenen Entscheid unter den dem Staate
gehörenden auch die den staatlichen Anstalten gehörenden Grundstücke
verstanden werden. Das ist aber nicht der Fall:
3. - Die Rechtsnatur der selbständigen staatlichen Anstalt ist in Doktrin und
Praxis sehr umstritten. Inbezug auf wenige Fragen nur haben sich so bestimmte
Auffassungen durchgesetzt, dass von ihnen abzuweichen schon Willkür bedeuten
würde. So kann mangels gegenteiliger Gesetzesvorschrift ohne Willkür das einer
solchen Anstalt zugeschriebene Vermögen als zweckgebundenes Staatsvermögen
angesehen werden, mit der Besonderheit bloss, dass seine Verwaltung in dem aus
der Zweckerfüllung sich ergebenden Rechtsverkehr mit Dritten wie eine
besondere (juristische) Person auftritt. - Denn in der Tat ist es

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immer der Staat, der durch diese Anstalt nur sein Eigentumsrecht an dem
betreffenden Vermögen ausübt.
Der Rechtsverkehr einer staatlichen Anstalt mit den steuerberechtigten
Gemeinden wickelt sich nun nicht in Erfüllung des dem Anstaltsvermögen
gesetzten Zweckes ab. Hier tritt somit nach der eben als vor Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV
zulässig erklärten Auffassung die Anstaltsverwaltung gerade nicht wie ein
besonderes Rechtssubjekt, sondern als Staatsorgan auf; und das
Anstaltsvermögen erscheint demgemäss gegenüber den steueransprechenden
Gemeinden nicht als Vermögen einer selbständigen juristischen Person, sondern
als Vermögen des Staates selbst.
Da die Rekurrentin keine Vorschrift des luzernischen Rechtes angerufen hat,
die einer solchen Auffassung vom Wesen der selbständigen Staatsanstalt positiv
entgegenstehen würde, so fehlt der Nachweis dafür, dass die luzernische
Steuerrekurskommission ohne Willkür nicht von dieser Auffassung ausgehend das
Kantonalbankvermögen als Staatsvermögen im Sinne von § 64 StG habe behandeln
können. Wenn inbezug auf die Staatssteuerpflicht die staatlichen Anstalten
ausdrücklich dem Staate gleichgestellt werden, so kann das sehr wohl als
blosse Präzisierung in dem Sinne verstanden werden, dass im Staate auch die
staatlichen Anstalten mitbegriffen seien. Inbezug auf die Gemeindesteuer
bedurfte es demgemäss keiner neuerlichen Präzisierung in diesem Sinne mehr.
Der dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegenden Auffassung entspricht
übrigens auch der vom luzernischen Gesetzgeber mit § 64 StG verfolgte Zweck.
Nach den - nicht etwa als unhaltbar nachgewiesenen - Ausführungen der
Rekurskommission will nämlich § 64 StG verhindern, dass der Staat und die
Gemeinden durch Erwerbung des Eigentums oder der Nutzniessung an Grundstücken
den Gemeinden der gelegenen Sache ihr Steuersubstrat entziehen können. Diese
Grundstücke sollen vielmehr, auch wenn sie dem Kanton oder einer Gemeinde
gehören, im Vermögen und Einkommen

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gemeindesteuerpflichtig bleiben, sofern sie nicht unmittelbar einem
öffentlichen Zweck gewidmet werden. Diese gesetzgeberische Absicht würde nun
teilweise vereitelt, wenn die den selbständigen staatlichen Anstalten
gehörenden Grundstücke ohne Rücksicht auf ihre Zweckbestimmung
gemeindesteuerfrei sein sollten; ganz abgesehen davon, dass es weitgehend in
der Macht des Staates läge, seine mit immobilem Substrat ausgestatteten
Anstalten als juristische Personen zu verselbständigen und so die betreffenden
Grundstücke trotz allem der Gemeindesteuer zu entziehen.
4. - Die Rüge der rechtsungleichen Behandlung, liegend in der grundsätzlichen
Unterstellung der Rekurrentin unter die Gemeindesteuerpflicht, will durch den
Hinweis auf den Rekurskommissionsentscheid in Sachen der Erziehungsanstalt
Rathausen begründet werden. Diese Anstalt sei nämlich deswegen steuerfrei
erklärt worden, weil es bei solchen Anstalten nach § 3 Ziff. 5 StG mit
selbständiger juristischer Persönlichkeit nicht wie gemäss § 64 beim Staat
darauf abkomme, ob ein Grundstück unmittelbar oder bloss mittelbar (dem
Ertrage nach) öffentlichen Zwecken diene. Allein die Rekurrentin übersieht
dabei, dass sie bei der Veranlagung zur Staatssteuer als Anstalt im Sinne von
§ 3 Ziff. 2 und nicht wie die Erziehungsanstalt Rathausen als Anstalt im Sinne
von § 3 Ziff. 5 StG behandelt worden ist. Bei der Staatssteuer hatte das den
Vorteil für sie, dass sie völlig und nicht nur gemäss Ziff. 5 beschränkt
steuerfrei erklärt worden ist; bei der Gemeindesteuer aber bringt diese
unterschiedliche Behandlung mit sich, dass die Veranlagung nicht gemäss § 63
auf Grund des Staatssteuerregisters, also mittelbar nach § 3 Ziff. 5 StG,
sondern selbständig nach § 64 StG erfolgt. In diesem aber ist der Umfang der
Steuerpflicht anders umschrieben als in § 3 Ziff. 5 StG, so dass die
unterschiedliche Behandlung zweier Anstalten da, wo die eine gemäss § 3 Ziff.
2 und die andere gemäss § 3 Ziff. 5 StG behandelt worden ist, an sich noch
keine Verletzung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit bedeutet.

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Dass die Anstalten im Sinne von § 3 Ziff. 2 StG zugleich solche im Sinne von §
3 Ziff. 5 seien, hat die Rekurrentin nicht behauptet, und zwar mit Recht: denn
sonst hätte die gesonderte Aufführung der beiden Anstaltsarten unter
verschiedenen Ziffern keinen Sinn. Unter den Anstalten der Ziff. 5 sind
vielmehr wohl diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu
verstehen, welche infolge ihres wohltätigen oder gemeinnützigen Zweckes auch
als juristische Personen des zivilen Rechts (nach der gleichen Ziffer) und im
gleichen beschränkten Umfange steuerpflichtig wären; die Staatssteuerbefreiung
nach Ziff. 2 dagegen betrifft dann nur diejenigen Anstalten, die ihrem Zwecke
nach entweder überhaupt nicht juristische Personen des zivilen Rechts sein
könnten (mit Zwangsgewalt ausgerüstete Anstalten) oder dann als solche
vollumfänglich steuerpflichtig wären.
Die Rekurrentin hat auch nicht behauptet, dass sie unter § 3 Ziff. 5 StG falle
und dass der gegenteilige Entscheid willkürlich wäre. Sie macht nur eine
Andeutung dahin, wenn sie behauptet, sie sei von ebenso gemeinnützigem
Charakter, wie die Erziehungsanstalt Rathausen; ohne dass in dieser Andeutung
die formelle Rüge der willkürlichen Einordnung unter Ziff. 2 statt Ziff. 5
erblickt werden könnte. Eine solche Rüge wäre zudem unbegründet; denn es
versteht sich von selbst, dass die Kantonalbank als privatrechtliche
juristische Person vorbehaltlos und nicht als «wohltätige oder gemeinnützige»
Institution gemäss § 3 Ziff. 5 nur in beschränktem Umfang steuerpflichtig
wäre. Infolgedessen war es nach dem Ausgeführten nicht willkürlich, sie gemäss
Ziff. 2 zu veranlagen.
5. - Es fragt sich noch, ob den nach Einkommen und Vermögen zur Besteuerung
herangezogenen Liegenschaften willkürlich die Eigenschaft des Dienens zu
öffentlichen Zwecken im Sinne von § 64 abgesprochen worden sei:
a) Die Rekurrentin bestreitet nicht, dass unter den öffentlichen Zwecken
dienenden Grundstücken im Sinne

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von § 64 StG ohne Willkür nur die unmittelbar mit der Substanz, nicht auch die
bloss mittelbar mit ihrem Ertrag öffentlichen Zwecken dienenden Grundstücke
verstanden zu werden brauchen. (Ihre diesbezüglichen Ausführungen beziehen
sich nicht auf § 64 StG, der ihrer Auffassung nach auf die selbständigen
staatlichen Anstalten überhaupt nicht anwendbar ist, sondern auf die hierin
ganz andern Regeln unterliegenden wohltätigen und gemeinnützigen Anstalten.)
Im übrigen hat das Bundesgericht in BGE vom 2. Juli 1926 i. S.
Ortsbürgergemeinde Luzern (Erw. 2) diesen Standpunkt bereits aus dem
Gesichtspunkte von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV geschützt, weil damit die Steuerpflicht des
Staates gegenüber den Gemeinden umfänglich gleich wie nach § 3 Ziff. 3 StG die
der Gemeinden gegenüber dem Staat geregelt wird, und weil anders jeder
staatliche Grundbesitz als dem Ertrage nach öffentlichen Zwecken dienend
gemeindesteuerfrei würde.
Es ist also vorab keineswegs willkürlich, wenn die der Rekurrentin gehörenden
Grundstücke insoweit gemeindesteuerpflichtig erklärt worden sind, als sie
einen Mietzins abwerfen; denn insofern dienen sie nur dem (in die staatliche
Kasse fliessenden) Ertrage nach, also bloss mittelbar öffentlichen Zwecken.
Dass die vermieteten Räumlichkeiten im Hinblick auf eine mögliche Ausdehnung
des Bankbetriebes erstellt worden seien, vermag hieran nichts zu ändern. Die
von der Rekurrentin in dieser Beziehung angerufenen Präjudizien beziehen sich
auf den Umfang der Steuerpflicht des Bundes und seiner Anstalten gegenüber den
Kantonen, die sich nach andern, eidgenössischen Vorschriften bestimmt, wobei
diese Vorschriften vom Bundesgericht frei und nicht nur aus dem Gesichtspunkt
von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV auszulegen sind.
b) Eine andere Frage ist die, ob die Grundstücke nicht insoweit öffentlichen
Zwecken dienen, als sie für den Kantonalbankbetrieb verwendet werden; mit
andern Worten: ob nicht der Kantonalbankbetrieb selber in Erfüllung eines
öffentlichen Zweckes sich abwickle.

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Das Gesetz selber definiert die öffentlichen Zwecke nicht. Der Begriff kann
also in den Schranken von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV von den kantonalen Steuerbehörden in
freier Auslegung gefunden werden; und zwar kann aus dem Umstand, dass diese
öffentlichen Zwecke im Gesetze einerseits den wohltätigen und gemeinnützigen
und anderseits eben den nicht öffentlichen Zwecken gegenübergestellt werden
(vgl. § 3 und § 64 in Verbindung mit § 3 Ziff. 5 StG), ohne Willkür gefolgert
werden, dass unter den Erstern nur die Aufgaben zu verstehen seien, welche dem
öffentlichen Gemeinwesen wesentlich und eigentümlich sind. Sind sie das nicht,
so sind die ihr dienenden Grundstücke ohne Rücksicht auf deren Eigentümer oder
Nutzniesser der Gemeinde gegenüber steuerpflichtig, sofern diese Grundstücke
nicht wegen der wohltätigen oder gemeinnützigen Natur des mit ihnen verfolgten
Zweckes die Steuerfreiheit geniessen.
Nun ist der Bankbetrieb, wie er im luzernischen Kantonalbankgesetz umschrieben
wird, keineswegs eine notwendig dem Staat obliegende oder vorbehaltene
Aufgabe. Der Staat kann seinem Begriffe nach auch ohne Staatsbank bestehen,
und die der Bank hier zugewiesenen Verrichtungen können insgesamt auch von
Privaten übernommen werden. Wenn der Kanton Luzern eine Staatsbank errichtete,
so geschah das zweifelsohne wie anderswo in der Erwägung, dass das öffentliche
Wohl an der Art, wie das Bankgewerbe betrieben wird, weitgehend interessiert
sei, und dass es deshalb für den Staat sich empfehle, durch einen eigenen
Bankgewerbebetrieb regulierend einzugreifen. Dadurch soll verhindert werden
dass das öffentliche Interesse an einer bestimmten Führung dieses
Gewerbebetriebes den allenfalls abweichenden privaten Interessen des
Betriebsinhabers hinangesetzt werde. Der Staat eröffnet einen Gewerbebetrieb
(als selbständige oder unselbständige Staatsanstalt), um ihn den öffentlichen
Interessen entsprechend zu führen, ohne dass der Betrieb deswegen den
Charakter eines Gewerbebetriebes verlieren würde.

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Die der Kantonalbank gehörenden Grundstücke hätten deshalb ohne Willkür in
vollem Umfange gemeindesteuerpflichtig erklärt werden können. Wenn davon
insofern eine Ausnahme gemacht worden ist, als diese Grundstücke dem
öffentlichen Depositenverkehr dienen, so ist das vom Standpunkt des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV
aus gesehen ein Entgegenkommen, aus welchem die Rekurrentin keine weitern
Rechte für sich ableiten kann.
6. - Die Rekurrentin erblickt in ihrer Besteuerung für die Grundstücke, soweit
sie einen Mietertrag abwerfen oder dem Bankbetriebe dienen, auch eine
rechtsungleiche Anwendung von § 64 StG. Allein ihre diesbezüglichen Verweise
betreffen wiederum entweder Anstalten im Sinne von § 3 Ziff. 5 StG, die
infolgedessen für die Gemeindesteuer nicht dem § 64 StG unterliegen, oder aber
bundesgerichtliche Entscheidungen über die Steuerpflicht des Bundes und seiner
Anstalten gegenüber den Kantonen. Dass die gleiche Vorschrift des § 64 StG
bisher anders als im angefochtenen Entscheide angewendet worden sei, ist damit
nicht dargetan.
7. - Die Rekurrentin behauptet schliesslich, § 7 des Kantonalbankgesetzes
(nach welchem die Bank nur der Katastersteuer unterlag) gelte auch unter dem
neuen Steuergesetz insofern weiter, als die Kantonalbank nun nach Aufhebung
der Katastersteuer überhaupt keiner Besteuerung mehr unterliege, und die
gegenteilige Auffassung der Vorinstanz sei willkürlich. Allein das
Steuergesetz erklärt in § 107 alle widersprechenden Bestimmungen für
aufgehoben. Unter diesen aber dürfen ohne Willkür die bisherigen Vorschriften
über solche Tatbestände verstanden werden, für welche das Steuergesetz eine
(abweichende) Vorschrift enthält. Das Steuergesetz enthält nun Vorschriften,
welche für die Frage der Steuerpflicht der Kantonalbank dem Grundsatz wie dem
Umfange nach eine abschliessende Lösung geben; und diese weicht von derjenigen
des § 7 des Kantonalbankgesetzes, sowie die

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Rekurrentin ihn noch weiterbestehen lassen will, erheblich ab.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 I 79
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 16. Mai 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 I 79
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 1. Gemeindesteuerpflicht des Staates für seine nicht öffentlichen Zwecken dienenden Grundstücke:·...


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BGE Register
57-I-79
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gemeinde • kantonalbank • juristische person • weiler • bundesgericht • depositenanstalt • wille • frage • einspracheentscheid • charakter • geld • treffen • funktion • eigenschaft • obliegenheit • rechtsgleiche behandlung • grundstück • autonomie • abgabefreiheit • steuerhoheit
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