68 A. Staats-rechtliche
Entscheidungen. .... Ahschnitt. Kantonsverfassungcn,

mässigkeit eines Gesetzes oder sonstigen Erlasses zu entscheiden. Auch von
diesem Gesichtspunkte aus ist daher kein begründeter Anlass vorhanden,
die im vorliegenden Falle erfolgte Anwendung jener Stempelverordnung
als verfassungswidrig zu erklären, und zwar ganz abgesehen von der
auffallenden Disproportion zwischen dem vom Rekurrenten angestrebten
Ziele Aufhebung einer Stempelbusse von 3 Fr. und dem zur Erreichung
dieses Zieles angewendeten Mittel des staatsrechtlichen Rekurses wegen
Eingriffs in das Gesetzgebungsrecht des Volkes

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

·14. Anteil vom 23· Februar 1911 in Sachen Musiker-Hüft und glitt-theilte
gegen erneuten Si.-Yi}.

Rechtliche Natur der Kantonalbank von Appenzell A. Rh. sie ist keine
Staatsanstalt, sondei n eine selbständige im istische Pei son, dei en
Interessen mit denjenigen des Fiskus bloss eng verknüpft sind, weshalb
in administrativer Hinsicht eine weitgehende Abhängigkeit der Bank
von den Organen des Staates besteht. Infolgedessen sind die in der K
antonsverfassung aufgestellten Bestimmungen betreffend die Kompetenz zur
'Dehreti'erung von Ausgaben (d. h. natürlich Staatsausgaben) auf die
Ausgaben der Kantonalbank nicht anwendbar.

A. Seit einer Reihe von Jahren machte sich bei der Kantonalbank von
Appenzell A.-Rh. das Bedürfnis nach einem, den modernen Anforderungen
entsprechenden Bankgebäude geltend. Um die Unterbringung der Bank in
einem geeigneten Gebäude zu ermöglichen, wurde am 28. April 1901 durch
einen Beschluss der Landsgemeinde Art. 32 des Kantonalbankgesetzes vom
24. April 1887, welcher lautete:

Der nach Verzinsung des Gründungskapitals, nach Abschreibung sämtlicher
Unkosten und Verluste sich ergebende jährliche Reingewinn wird
folgendermassen verteilt:

30 0/0 werden dem Reservefonds zugeschieden, bis derselbe die Höhe von
20 0/0 des Gründungskapitals erreicht hat,Gewaltentrennung. N° 14. 69

70 0/0 fallen in die Staatskasse, durch folgende Bestimmung ersetzt:

Der nach Verzinsung des Gründungskapitals und nach Abschreibung
sämtlicher Unkosten und Verluste sich ergebende jährliche Reingewinn
wird folgendermassen verteilt:

150/0 werden ausgeschieden zum Zwecke der Beschaffung pafsender
Banklokalitäten;

15 0/0 werden dem Reservefonds zugeschieden, bis derselbe 30 0/0 des
Gründungkapitals erreicht haben wird;

70 0/0 fallen in die Staatskasse-

Ferner wurde dem Art. 33 des Bankgesetzes, soweit er hier in Betracht
kommt, folgende Fassung gegeben:

Sobald der Reservefonds ZOO/0 des gründungskapitals erreicht hat, hören
die im Art. 32 demselben zugewiesenen Gewinnanteile auf, und es fliessen
alsdann die betreffenden Beträge der Staatskasse zu. Die Gewinnanteile
werden dem Reservefonds erst dann wieder zufliessen, wenn dieser unter
den in Art. 32 festgesetzten Betrag herabsinken sollte.

Die dem Konto für Beschaffung passender Banklokalitäten bestimmten Anteile
fallen der Staatskasse zu, sobald der gedachte Zweck? erreicht ist oder
sich mit dem geäufneten Fonds erreichen lässt/'

Am 25. November 1909 genehmigte der Kantousrat einen Liegenschaftentausch,
durch den die Kantonalbank in den Besitz eines für die Errichtung des
Bankgebäudes bestimmten Bauplatzes kam.

Am 24. November 1910 beschloss nun der Kantonsrat:

Der Regierungsrat ist beauftragt, dem Kantonsrat auf die Märzsitzung,
eventuell auf eine früher abzuhaltende, ausserordentliche Sitzung, Plan
und Kostenvoranschlag für ein auf Rechnung der Kantonalbank zu bauendes
Bankgebäude, welches auch an den Staat zu vermietende Lokale für die
bereits heute schon in Herisau befindlichen Zweige der Staatsverwaltung
enthält, vorzulegen.

Des ferneren erklärte sich der Kantonsrat kompetent, von sich aus in
dieser Frage zu entscheiden, d. h. von einer Vorlage an die Landsgemeinde
abzusehen.

70 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. Ill. Abschnitt. Kantonsvertassungen.

B. Gegen diesen letzteren, die Kompetenzfrage betreffenden Beschluss
des Kantonsrates richtet sich der vorliegende, rechtzeitig und
formrichtig ergriffene staatsrechtliche Returs mit dem Antrag, es sei
der angesochtene Beschluss wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV, Art. 32 und
33 des Kantonalbankgesetzes (in der Fassung der Novelle) und Art. 42
Ziff. 4 KV aufzuheben und die Landsgemeinde als zur Beschlussfassung in
dieser Sache allein kompetent zu erklären. Eventuell:

Die Landsgemeinde sei zu befragen, ob sie die Kompetenz beireffend die
Erstellung eines Bankund Staatsgebäudes für sich beaäispruche, oder ob
sie dieselbe dem Kantonsrate einräumen wo e.

Sämtliche Returrenten sind unbestrittenermassen stimmberechtigte Einwohner
des Kantons Appenzell A.-Rh.

C. Der Kantonsrat von Appenzell A.-Rh. hat auf Abweisung des Rekurses
angetragen, da Art. 42 Ziff. 4 KV sich nur aus die Ausgaben der
Landeskasse, also nicht auf Ausgaben der Kantonalbank beziehe, und da
der angefochtene Beschluss ausserdem in Art. 32 und 33 des Bankgesetzes
eine Stütze finde.

D. Die in Betracht kommenden Bestimmungen der Kantonsverfassung lauten:

Art. 40 Abs. 1: Die Landsgemeinde besteht aus allen stimmberechtigten
Kantonseinwohnern.

Art. 42: Der Landsgemeinde als gesetzgebender Behörde steht der
Entscheid zu:

1. über Revision der Verfassung nach Massgabe von Art. 83z

2. über Annahme oder Verwerfung der Gesetze;

3. über Staatsverträge gesetzgeberischer Natur;

4. über Kantonsratsbeschlüsse, welche für den gleichen Gegenstand eine
neue einmalige Ausgabe von mehr als 30,000 Fr. oder eine neue jährlich
wiederkehrende Ausgabe von mehr als 10,000 Fr. zur Folge haben;

5. über Genehmigung der Jahresrechnung

Art. 48: Der Kantonsrat hat folgende Obliegenheiten und Befugnisse:

12. Beschlussfassung über neue einmalige Ausgaben, welche
fürGewaltentrennung. N° 14. 71

den gleichen Gegenstand höchstens 30,000 Fr., oder über neue jährlich
wiederkehrende Ausgaben, die höchstens 10,000 Fr. beragen.

Die im Kantonalbankgesetz vom 24. April 1887 enthaltenen wesentlichsten
Bestimmungen über Organisation, Geschäftsführung und Beaufsichtigung
der Kantonalbank sind aus Erw. 2 hienach ersichtlich.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. A Da sich die Rekurrenten über einen Eingriff des Kantonsrates in
die verfassungsmässigen Kompetenzen der Landsgemeinde, bezw. in das
Gesetzgebungsrecht des Volkes, sowie über eine angeblich bei diesem
Anlass begangene willkürliche Gesetzesverletzung beschweren, und also
nicht etwa das Zustandekommen eines fakultativen Referendums in Frage
steht, so ist das Bundesgericht zur Behandlung des Rekurses kompetent.

Aus dem gleichen Grunde ist auch die Aktivlegitimation der Rekurrenten
als gegeben zu erachten, da sie unbestrittenermassen stimmberechtigte
Kantonseinwohner und daher gemäss Art. 40 KV Mitglieder der Landsgemeinde
sind, die Landsgemeinde aber als solche kein Organ besitzt, das zur
Wahrung ihrer Prärogativen gegenüber den Behörden, insbesondere gegenüber
dem Kantonsrate, berufen wäre.

2. Ein verfassungswidriger Eingriff in die Kompetenzen der Landsgemeinde
liegt nur dann vor, wenn gesagt werden muss, dass der angefochtene
Kantonsratsbeschluss im Sinne des Art. 42 Ziff. 4 KV eine neue einmalige
Ausgabe von mehr als 30,000 Fr. zur Folge hatte.

Nun handelte es sich im vorliegenden Falle allerdings um eine ,neue
einmalige Ausgabe von mehr als 30,000 Fr." Dagegen fragt es sich, ob die
zitierte Verfassungsbestimmung nicht aus dem Grunde hier unanwendbar
war, weil sie sich offenbar nur an Ausgaben des Staates bezieht, der
angefochtene Beschluss aber keine Ausgabe des Staates, sondern eine
solche der Kantonalbank zum Gegenstand hat.

Jn dieser Beziehung ist vor allem zu konstatieren, dass die Kantonalbank
von Appenzell A.-Rh., wie übrigens die meisten schweizerischen
Kantonalbanken und kantonalen Ersparniskassen

72 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

(vergl. BGE 5 S. 609, 6 S. 59 ff. Erw. 2, S. 228 f., llf' S. 65), keine
blosse Staatsanstalt ist, sondern dass sie neben demStaate, und von
diesem in ökonomischer Hinsicht durchaus unabhängig, ihre besondere
Existenz führt und sogar die juristische Persönlichkeit besitzt. Es
ergibt sich dies deutlich aus den Bestimmungen des Kantonalbankgesetzes
über das Gründungskapital (Art. 2), über die der Bank hiefür vom Staate
zu berechnenden Zinsen (Art. 3), über die Befugnis der Bank zur Ausgabe
von Banknoten (Art. 6 ff., wobei zu beachten ist, dass die Banknoten,
solange die Notenemission dauerte, nicht etwa namens des Staates,
sondern namens der Kantonalbank als solcher ausgegeben wurden), über
die Berechtigung zur Aufnahme eines Anleihens (Art. 10), Über die
Ausstellung der Obligationentitel (Art. 11), über die Verwendung des
Reingewinnes (Art. 32), namentlich aber aus den Art. 4 und 8, worin
der Staat für die Verbindlichkeiten der Bank die Haftbarkeit übernahm,
soweits ihre eigenen Mittel nicht ausreichen, und wonach er für 60 0/0
der jeweiligen Notenemisfion beim Bunde Garantie zu leisten hatte. Es
ist klar, dass es einer solchen Garantieleistung nicht bedurft hätte,
wenn die Kantonalbank nur ein Zweig der Staatsverwaltung wäre, und dass
alsdann auch in Art. 4 nicht von einer bloss subsidiären Haftung des
Staates für die Verbindlichkeiten der Bank gesprochen worden ware.

An dieser ökonomischen Selbständigkeit der Bank wird dadurchnichts
geändert, dass nach den Bestimmungen des Kantonalbankgesetzes dem
Staate ein Oberaufsichtsrecht über die Bank zusteht: dass es z. B. der
Kantonsrat ist, welcher die Höhe der Notenemission bestimmt, sowie
über eine allfällige Erhöhung des Obligationenkapitals Beschluss fasst
(Art. 6 und 10); dass ferner die Übernahme neuer Geschäftszweige
vom Kantonsrat zu bewilligen ist (am. 14), der Erlass der nötigen
Verordnungen und Geschäftsreglemente ihm zusteht (Art. 20), der jährliche
Rechnungsabschluss ihm vorzulegen ist (Art. 31), die Bankverwaltung,
die Bankkommission, der Direktor und der Kasfier von ihm, und dieübrigen
Angestellten vom Regierungsrat gewählt werden (Art. 23, 25 u. 30),
usw. Aus allen diesen Bestimmungen ergibt sich zwar in administrativer
Hinsicht eine weitgehende Abhängigkeit det" Kantonalbank vom Staate;
dagegen wird dadurch keineswegs einGewaltentrennung. N° 14. 73

Aufgehen der Bank im Staate, bezw. des Bankvermögens im, Staatsvertnögen,
oder der Bankrechnung in der Staatsrechnung bedingt. Die Rekurrenten
haben denn auch selber ausdrücklich zu_ gegeben, dass die Kantonalbank
ein Geschäft für sich ist, m. a. W. dass sie ihre eigene ökonomische
Existenz führt.

3. Bei dieser Sachlage ist nun nicht anzunehmen, dass Art. 42 Ziff. 4
KV auch für die Ausgaben der Kantonalbank gelte. Denn da der Zweck
einer jeden Staatsverfassung in erster Linie die Organisation
des Staatswesens ist, erscheint es gewiss als das nächstliegende
(vergl. übrigens betreffend einen ähnlichen Fall: BGE 18 S. 480
Erw. 3), diejenigen Bestimmungen einer konkreten Verfassung, durch
welche die Kompetenz zur Dekretierung von Ausgaben geregelt wird, auf
die Ausgaben des Staates und nur auf diese zu beziehen. Speziell, was
die Verfassung desKantons Appenzell A.-Rh. betrifft, so ergibt sich aus
demBerichte des Verfassungsrates (Revifionsrates) vom Jahre 1908, dass
bei der Aufstellung der Bestimmungen der Art. 42 Ziff. 4 und 48Ziff.
12 nur an diejenigen Ausgaben gedacht wurde, die dasBudget, d. h. das
Staatsbudget belasten. Für die Limitierung des vom Staate hinsichtlich
der Kantonalbank übernommenen Risikos war bereits durch die Vorschriften
des Kantonalbankgesetzess über die Kontrollbefugnisse des Kantonsrates
gesorgt worden, undzwar in einer offenbar wirksameren und angemesseneren
Weise, als dies durch eine Bestimmung von der Natur des Art. 42 Biff. 4
KV hätte geschehen können. Es ist denn auch klar, dass schon der normale
Betrieb einer Bank mit zwei Millionen eigenemVermögen und ebensoviel
Obligationenkapital zahlreiche Geldbewegungen von über 30,000 Fr. umfasst,
die sich als Ausgaben" im Sinne der angeführten Verfassungsbestimmung
darstellen würden, wenn diese wirklich auch auf die Kantonalbank amvendbar
ware. Es würde aber geradezu einer Vernnmöglichung des Geschäftsbetriebes
der Bank gleichkommen, wenn für jede solche Ausgabe von mehr als 30,000
Fr. ein besonderer Beschluss der ordentlicherweise nur einmal im Jahre
abzuhaltenden Lands gem eindeerforderlich ware.

. 4. Im weiteren ist festzustellen, dass es sich, entgegen den
Ausführungen der Rekurrenten, im vorliegenden Falle in der Tat um eine
Ausgabe der Kantonalbank und nicht des Staates

74 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. III. Abscnnitt. Kantonsverfassungen.

handelte. Es ist unbestritten, dass nach den Intentionen des Kantonsrates
die erforderliche Bausumme dem Vermögen der Kantoualbank entnommen
bezw. auf Rechnung der Bank beschafft werden soll. Allerdings besteht
die Absicht, ein Gebäude zu errichten, welches ausser den für die
unmittelbaren Bedürfnisse der Bank selber bestimmten Lokalitäten auch
noch passende Räumlichkeiten für staatliche Bureaur enthalten soll, wobei
vorgesehen ist, dass der Staat zur Kantonalbank in ein Mietverhältnis
trete. Es mag nun richtig sein, dass durch die Erstellung eines solchen
Gebäudes, das mehr Lokalitäten enthält, als die Bank momentan benötigt,
der Zeitpunkt, in welchem nach Art. 33 des Kantonalbankgesetzes der
volle Reingewinn der Bank für den Staat verfügbar sein wird, in eine
weitere Zukunft hinausgerückt wird, als wenn nur ein den gegenwärtigen
Bedürfnissen entsprechendes Gebäude errichtet würde. Dadurch wird
indessen die zur Erstellung des Bankgebäudes erforderliche Ausgabe nicht
zu einer Ausgabe der Staatskasse, sondern sie bleibt eine solche der
Bank. Würde entsprechend dem Postulat der Rekurrenten bei der Frage,
ob eine Staatsausgabe vorliege, auf das Interesse des Staates an der
Prosperität der Kantonalbauk bezw. an der Erzielung eines möglichst
hohen und möglichst ungeschmälert in die Staatskasse fliessenden
Gewinnes der Bank abgestellt, so müssten Überhaupt alle Ausgaben der
Bank als Staatsausgaben, sowie alle von ihr abgeschlossenen zweiseitigen
Rechtsgeschäfte als Belastungen des Staates betrachtet und, sofern es
sich um ein Geschäft von über 30,000 Fr. handeln würde, der Landsgemeinde
unterbreitet werden, eine Konsequenz, die, wie bereits konstatiert,
praktisch durchaus unannehmbar wäre.

5. Da sich aus den vorstehenden Ausführungen ergiht, dass der Kantonsrat
mit dem angefochtenen Beschluss jedenfalls nicht in die durch Art. 42 KV
geregelten Befugnisse der Landsgemeinde eingegriffen hat, so bedarf es
keines Eintretens auf den in der Rekursantwort eingenommenen Standpunkt,
dass sich die Kompetenz des Kantonsrates zum Erlasse jenes Beschlusses
eventuell aus der m Jahre 1901 von der Landsgemeinde genehmigten
Abänderung der Art. 32 und 33 des Bankgesetzes ergeben würde (wonach
vom Reingewinn der Kantonalbank vor allen andern Dotationeu zunächst 15
0/0 zum Zwecke der Beschaffung passender Banklokalitäten auszuscheiden
sind). Und ebensowenig braucht mit den Gewaltentrennnng. N° 14. 75

Rekurrenten untersucht zu werden, ob die Frage der Errichtung eines
Kantonalbankgebäudes bereits durch den im Jahre 1909 vom Kantonsrat
gutgeheissenen Landabtausch präjudiziert worden war. Wohl aber ist
festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, entgegen einer Behauptung
der Rekursschrift, weder eine Abänderung eines von der Laudsgemeinde
angenommenen Gesetzes- (gemeint ist wiederum die Kantonalbanknovelle
vom 28. April 1901), noch seine willkürliche Gesetzesverletzung in
sich schliesst. Durch die Novelle vom Jahre 1901 war bloss bestimmt
worden, dass alljährlich 15 0/0 des Reingewinns der Bank zum Zwecke der
Beschaffung passender Banklokalititäten au szus ch ei den seien. Darüber
jedoch, ob, wann und wie gebaut werden solle, war nichts beschlossen
worden Wenn also nachträglich ein solcher Beschluss erfolgt ist, so kann
darin nur eine Ergänzung und nicht eine Abänderung der Novelle erblickt
werden. Ob aber der Kantonsrat zu einer solchen Ergänzung kompetent war,
oder ob es eines Beschlusses der Landsgemeinde bedurfte, ist eine nicht
nach der mehrerwähnten Gesetzesnovelle, sondern nach der Verfassung
zu entscheidende Frage, die denn auch, wie dargetan, wenigstens vom
Standpunkte des Art. 42 KB aus, im ersteren Sinne zu beantworten war.

Eine willkürliche Gesetzesverletzung ist endlich auch darin nicht zu
erblicken, dass, wie bereits konstatiert, der Kantonsrat einem Projekte
die Genehmigung erteilt hat, welches, ausser der Beschaffung der für die
Bank selber nötigen Räumlichkeiten, auch noch die Kreierung geeigneter
Lokale für die Staatsverwaltung vorsieht. Es ist klar, dass unter der
Beschaffung passender Vatiklokalitäteu sehr wohl auch die Errichtung
eines mehr Räumlichkeiten, als momentan absolut notwendig, umfassenden
Monumentalbaues verstanden werden konnte, sei es mit Rücksicht auf
spätere Bedürfnisse, sei es um die Bedeutung der Kantonalbank nach aussen
hervortreten zu lassen, oder auch nur zum Zwecke einer rationellen
Ausnützung des vorhandenen Bauplatzes. Ob aber die Errichtung eines
solchen Monumentalbaues wirklich im Jnteresse der Kantonalbank liege,
bezw. inwieweit hiebei auch die Interessen der gegenwärtig in mehr oder
weniger ungeeigneten Lokalitäten untergebrachten Staatsverwaltung zu
berücksichtigen seien, und ob daher die für die Kantonalbank momentan ent-

76 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. .... Abschnitt. Kantonsverfassungen.

behrlichen Räumlichkeiten dem Staate zu vermieten seien, oder ob sich im
Gegenteil die Vermietung an Private empfehle, usw., waren alles blosse
Zweckmässigkeitsund Angemessenheitsfragen,deren Überprüfung nicht Sache
des Bundesgerichtes ist.

6. Was das Eventualbegehren der Rekurrenten betrifft (es möchte
Über die streitige Kompetenzfrage die Landsgemeinde um ihre Meinung
angegangen werben), so ist vor allem zu bemerken, dass eine Gutheissung
dieses Begehrens höchstens dann hätte in Frage kommen können, wenn
über die Nichtanwendbarkeit des Art. 42 Ziff. 4 KV auf Ausgaben der
Kantonalbank irgendwelche Zweifel möglich wären, was jedoch nach den
vorstehendenAusführungen nicht der Fall isi.

Jm übrigen könnte jener Eventualantrag allerdings auchdahin aufgefasst
werden, dass für die Landsgemeinde die sog. Kompetenzkompetenz vindiziert
werden wollte, d. h. dass nach der Auffassung der Rekurrenten der
Kantonsrat von vornherein verpflichtet gewesen wäre, die Landsgemeinde
darüber zu befragen, ob sie die Kompetenz zur Beschlussfassnng
über die Errichtung eines Bankgebändes für sich in Anspruch nehme,
und dass somit der Kantonsrat schon durch die Unterlassung einer
solchen Anfrage, bezw. durch die selbständige Beantwortung der
Kompetenzfrage, in die Entscheidungsbefugnisse der Landsgemeinde
eingegriffen habe. Dieser Standpunkt wäre indessen ohne weiteres als
unbegründet zu bezeichnen· Weder haben die Rekurrenten irgend eine
positive Verfassungsoder Gefetzesbestimmung angeführt, gemäss welcher
derartige Kompetenzfragen der Landsgemeinde vorgelegt werden müssten,
noch würde ein solches Verfahren überhaupt mit dem staatsrechtlichen
Charakter der Landsgemeinden im allgemeinen und speziell derjenigen von
Appenzell A.-Rh. (deren Geschäftsordnung gemäss Art. 45 Abs. 1 KV vom
Kantonsrat festgesetztwird, und an welcher nach Art. 45 Abs. 3 keine
Diskussion gestattet ist) im Einklang stehen.

Demnach hat das. Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird
abgewiesen.Gewaitentrennung. N° 15. 77

15. Eli-teil vom 23. Februar 1911 in Sachen TMW gegen glattem-un

Angebtteher Eingriff in das Gebiet der gesetzgebenden Gewalt dadurch,
dass einem Beamten eine im Gesetz nicht vorgesehene Besoldungserhöhnng
nur unter der Bedingung eines im Gesetz ebenfalls nicht vorgesehenen
Verzichts auf bestimmte Arten von Nebenbesohdftignngen gewährt wird.

A. _ Das Schulwesen ist im Kanton Baselland in den meisten Beziehungen
noch Sache der Gemeindeverwaltung. Jusbesondere existieren über die Höhe
der Lehrerbefoldungen keine kantonalen Bestimmungen Der Staat gewährt den
Gemeinden lediglich (gemäss § 52 Ziff. 2 KB) auf jede Primarlehrerstelle
einen bestimmten Beitrag (wenigstens 500 Fr.) und Überlässt es den
Gemeinden, mit Hilfe dieses Beitrages, sowie der Bundessubvention
(170 Fr.,) für die Lehrerbesoldungen aufzukommen Über sdie Frage der
Nebenbeschäftigungen bestimmt dagegen der noch in

Kraft stehende § 36 des Schulgesetzes vom 6. April 1835:

Die Schullehrerstelle darf mit keiner Beamtung verbunden werden, wodurch
der Lehrer in seinem Schulgeschäfte gestört wird.

Die Betreibung von Wirtschaften und Krämerei, sowie das Jagen ist dem
Lehrer untersagt.

Jn Sissach betrug bis Ende 1909 der Anfangsgehalt der

Primarlehrer. . . . . Fr. 1800 die Alterszulage (je 100 Fr alle fünf
Jahre) . . 400 die Bundessubvention (wie erwähnt) . . . . . 170 der
Marimalgehalt infolgedessen . . . . . · . Fr. 2370

Diesen Marimalgehalt bezog insbesondere der, wie es scheint,

seit mehr als 20 Jahren als Primarlehrer im Amt stehende

Rekurrent.

B Am 5. Dezember 1909 beschloss die Gemeindeverfammlung von Sissach,
auf Grund einer Vorlage der Schulpflege und des Gemeinderates, eine
Erhöhung des Anfangsgehaltes aller

Lehrer um 400 Fr Gleichzeitig wurden aber über die Frage der

Nebenbeschäftigungen u. a. folgende Bestimmungen aufgestellt:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 37 I 68
Datum : 23. Februar 1911
Publiziert : 31. Dezember 1911
Quelle : Bundesgericht
Status : 37 I 68
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 68 A. Staats-rechtliche Entscheidungen. .... Ahschnitt. Kantonsverfassungcn, mässigkeit


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kantonalbank • landsgemeinde • kv • frage • bundesgericht • kantonsverfassung • reservefonds • einmalige ausgabe • verfassung • stimmberechtigter • gemeinde • wiederkehrende ausgabe • unkosten • regierungsrat • banknote • unternehmung • autonomie • bauarbeit • rechtsbegehren • legislative
... Alle anzeigen