86 II 365
56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1960 i.S. Wwe. Alfred Giesbrecht Söhne gegen Vertglas, Genossenschaft der Schweizerischen Glasgrosshändler.
Regeste (de):
- 1. Art. 839
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 839 - 1 In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden.
1 In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden. 2 Die Statuten können unter Wahrung des Grundsatzes der nicht geschlossenen Mitgliederzahl die nähern Bestimmungen über den Eintritt treffen; sie dürfen jedoch den Eintritt nicht übermässig erschweren. - 2. Art. 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. 2 Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. - a) Auch wer sich dem Willen des Boykottierenden bis zum Entscheid des Richters beugt, kann Ansprüche aus Boykott erheben (Erw. 2).
- b) Der Unterlassungsanspruch aus unmittelbarem Boykott hat zur Folge, dass der Richter den Boykottierenden verpflichten muss, Verträge bestimmten Inhalts auch mit dem Boykottierten abzuschliessen (Erw. 3).
- c) Der Boykott verletzt das Persönlichkeitsrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung und ist daher grundsätzlich widerrechtlich. Nur wer mit dem Boykott offfensichtlich überwiegende berechtigte Interessen verfolgt, die er auf keine andere Weise wahren kann, verstösst nicht gegen das Recht (Erw. 4).
- d) Den Beweis solcher Rechtfertigungsgründe hat der Boykottierende zu leisten (Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
Regeste (fr):
- 1. Art. 839 CO. Celui qui poursuit des buts contraires, en tout ou en partie, aux intérêts que la société favorise ou garantit, n'a en tout cas aucun droit à être admis comme associé (consid. 1).
- 2. Art. 28 CC, boycott.
- a) Celui qui s'incline devant la volonté de l'auteur du boycott jusqu'à la décision du juge peut également élever des prétentions du chef du boycott (consid. 2).
- b) L'action en cessation découlant du boycott direct a pour conséquence que le juge peut obliger l'auteur du boycott à conclure, avec le boycotté aussi, des contrats ayant un contenu déterminé (consid.3).
- c) Le boycott viole le droit de la personnalité tendant au libre exercice d'une activité économique; il est donc en principe illicite. Seul n'agit pas d'une manière contraire au droit celui qui, par le moyen du boycott, défend des intérêts légitimes manifestement prépondérants et qu'il ne peut sauvegarder d'aucune autre manière (consid. 4).
- d) La preuve des motifs justifiant le boycott incombe à l'auteur de celui-ci (art. 8 CC) (consid. 4 litt. e).
Regesto (it):
- 1. Art. 839 CO. Chi persegue scopi totalmente o parzialmente contrari agli interessi che la società promuove o garantisce, non ha in alcun caso diritto ad essere ammesso come socio (consid. 1).
- 2. Art. 28 CC, boicottaggio.
- a) Chi si piega alla volontà dell'autore del boicottaggio fino alla decisione del giudice, può nondimeno far valere delle pretese per titolo di boicottaggio (consid.2).
- b) L'azione di liberazione dal boicottaggio diretto ha per conseguenza che il giudice può costringere l'autore del boicottaggio a concludere, anche col boicottato, dei contratti aventi un contenuto determinato (consid. 3).
- c) Il boicottaggio viola il diritto della personalità nel libero esercizio di un'attività economica; in principio è quindi illecito. Non agisce contro il diritto soltanto chi, mediante il boicottaggio, difende interessi legittimi manifestamente prevalenti e che non possono essere salvaguardati in altro modo (consid. 4).
- d) La prova dei motivi che giustificano il boicottaggio incombe all'autore di questo (art. 8 CC) (consid. 4 lett. e).
Sachverhalt ab Seite 366
BGE 86 II 365 S. 366
A.- Die "Vertglas, Genossenschaft der Schweizerischen Glasgrosshändler", die den "gemeinsamen Einkauf von Fensterglas aller Dicken" und die "Regelung des Verkaufes" bezweckt (Art. 1 der Statuten), schliesst mit den in- und ausländischen Herstellern Kaufverträge ab, "um den gesamten inländischen Bedarf an Fensterglas aller Stärken zu decken" (Art. 2 Abs. 1 der Statuten). Die beiden schweizerischen Glashütten Moutier und Romont und die ausländischen Hüttenorganisationen haben sich ihr gegenüber verpflichtet, Fensterglas für den schweizerischen Bedarf nur an die ihr angehörenden Firmen zu liefern. Die Mitglieder der Vertglas dürfen Fensterglas für diesen Bedarf ausschliesslich bei der Vertglas beziehen (Art. 2 Abs. 1 der Statuten). Diese "regelt die Bezugsberechtigung für Fensterglas aller Stärken, Dimensionen und Qualitäten vermittelst Kontingentierung und stellt die Verkaufsbedingungen auf" (Art. 2 Abs. 2 der Statuten). "Als Mitglied der Vertglas kann jede im schweizerischen Handelsregister eingetragene Glashandelsfirma aufgenommen werden, die in den der Aufnahme vorausgegangenen, aufeinanderfolgenden fünf Jahren ausschliesslich durch die Vertglas-Organisation gekauft, den Händlervertrag unterschrieben und je Kalenderjahr im Durchschnitt
BGE 86 II 365 S. 367
1 1/2% des Schweizerbedarfs, aber mindestens jährlich 200 Tonnen Fensterglas aller Stärken zu Vertglas-Preisen abgesetzt hat" (Art. 3 Abs. 1 der Statuten). Die Genossenschafter dürfen kein Fensterglas einsetzen (Art. 11 Abs. 1 der Statuten, Art. 1 des Händlervertrages). "Die direkte oder indirekte Übernahme sowie die Ausführung von Fensterglas-Verglasungen auf Holz" ist ihnen verboten. Sie dürfen aber Kristallglas in Schaufenster-Anlagen einsetzen, ferner die Verglasung auf Eisen- oder Betonrahmen übernehmen, wenn sie den Einsatz durch selbständige Glaser ausführen lassen (Art. 11 Abs. 1 der Statuten).
Die Kollektivgesellschaft Wwe. Alfred Giesbrecht Söhne in Bern, die sowohl Glashandel betreibt als auch das Verglasen, namentlich auf Holz, besorgt, wurde von der Vertglas am 1. Juni 1949 vertraglich als Grosskonsument anerkannt und verpflichtete sich, während der Dauer des Vertrages alles benötigte Fensterglas bei den Mitgliedern der Vertglas oder bei den dieser Genossenschaft vertraglich angeschlossenen Händlern oder Grosskonsumenten zu kaufen. Sie bezog von 1954-1958 jährlich 356-522 Tonnen Fensterglas. Auf den Preisen werden ihr 8% Mengenrabatt gewährt. Am 24. Juli 1958 ersuchte die Firma Wwe. Alfred Giesbrecht Söhne die Vertglas, sie als Genossenschafterin aufzunehmen. Die Vertglas antwortete am 29. August 1958, der Vorstand habe das Gesuch abgelehnt, da sie den Händlervertrag nicht unterschrieben habe und folglich die Voraussetzungen der Mitgliedschaft nicht erfülle.
B.- Am 29. Juni 1959 klagte die Firma Wwe. Alfred Giesbrecht Söhne beim Handelsgericht des Kantons Zürich mit den Begehren: 1. die Vertglas zu verpflichten, sie als Mitglied aufzunehmen, eventuell sie zu den für die Mitglieder geltenden Bedingungen zu beliefern; 2. die Vertglas zu verpflichten, ihr Fr. 13'690.-- nebst 5% Zins seit 14. April 1959 sowie von der Klageeinleitung an bis zur Aufnahme als Mitglied monatlich Fr. 3900.-- nebst 5% Zins zu bezahlen.
BGE 86 II 365 S. 368
Das Handelsgericht wies am 10. Juni 1960 die Klage entsprechend dem Antrage der Beklagten ab.
C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 839
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 839 - 1 In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden. |
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1 | In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden. |
2 | Die Statuten können unter Wahrung des Grundsatzes der nicht geschlossenen Mitgliederzahl die nähern Bestimmungen über den Eintritt treffen; sie dürfen jedoch den Eintritt nicht übermässig erschweren. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
BGE 86 II 365 S. 369
Bern 1957 231 ff.; MONNIER, De l'entrée dans une société coopérative, Diss. Neuchâtel 1957 128 f.). Mag sie standhalten oder nicht, so lässt sich aus Art. 839
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 839 - 1 In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden. |
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1 | In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden. |
2 | Die Statuten können unter Wahrung des Grundsatzes der nicht geschlossenen Mitgliederzahl die nähern Bestimmungen über den Eintritt treffen; sie dürfen jedoch den Eintritt nicht übermässig erschweren. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 839 - 1 In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden. |
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1 | In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden. |
2 | Die Statuten können unter Wahrung des Grundsatzes der nicht geschlossenen Mitgliederzahl die nähern Bestimmungen über den Eintritt treffen; sie dürfen jedoch den Eintritt nicht übermässig erschweren. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 828 - 1 Die Genossenschaft ist eine als Körperschaft organisierte Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften, die in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe bezweckt oder die gemeinnützig ausgerichtet ist.705 |
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1 | Die Genossenschaft ist eine als Körperschaft organisierte Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften, die in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe bezweckt oder die gemeinnützig ausgerichtet ist.705 |
2 | Genossenschaften mit einem zum voraus festgesetzten Grundkapital sind unzulässig. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 52 - 1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister. |
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1 | Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister. |
2 | Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten sowie die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.82 |
3 | Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen. |
BGE 86 II 365 S. 370
Firmen, die ausserdem die Verglasung auf Holz besorgen und die daher nicht notwendigerweise die gleichen Interessen haben wie die gegenwärtigen Genossenschafter. Ob die Beschränkung, die sie sich auferlegt, wegen unnützen Zwischenhandels oder übersetzter Zwischengewinne die Ware auf dem Wege vom Hersteller zum Verbraucher verteuert und daher diesem schadet, ist unerheblich. Jedermann ist im Rahmen des Gesetzes frei, sich wirtschaftlich so zu betätigen, wie ihm beliebt, mag das auch den Interessen anderer, ja selbst denen der Allgemeinheit, widersprechen. Da das schweizerische Recht auf dem Boden der Privatwirtschaft und der Verbandsfreiheit steht, darf der Richter nicht eingreifen. Das wäre nicht Rechtsprechung, sondern staatliche Lenkung der Wirtschaft. Auch Art. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
BGE 86 II 365 S. 371
haben sollen, stellt das Handelsgericht verbindlich fest, dass die Beklagte gegen die Verletzungen eingeschritten ist. Nach den ersten Massnahmen von 1957, die nicht sehr wirksam gewesen sein mögen, änderte die Beklagte am 30. Juni 1959 die Statuten dahin ab, dass den Genossenschaftern auch irgendwelche Beteiligung an einer Firma verboten sei, die sich mit Verglasungen befasst, deren Ausführung den Genossenschaftern selber untersagt ist, und dass die Zuwiderhandlung nach fruchtloser Mahnung zum Verlust der Mitgliedschaft führe. Die Beklagte hat diese Bestimmung tatsächlich angewendet, und es ist ihr nach der Feststellung des Handelsgerichts nicht gleichgültig, ob die Genossenschafter sie befolgen oder nicht. Unter diesen Umständen ist die Beklagte nicht verpflichtet, die Klägerin, welche die Statuten zum vornherein nicht einhalten will, als Mitglied aufzunehmen.
2. Die Klägerin leitet den Anspruch, von der Beklagten zu den für die Genossenschafter geltenden Bedingungen beliefert zu werden, sowie die Schadenersatzforderung daraus ab, dass die Beklagte sie boykottiere. Das Handelsgericht ist dagegen der Meinung, solange die Klägerin den Vertrag von 1949 mit der Beklagten aufrecht halte und folglich auf unmittelbare Belieferung durch in- und ausländische Hersteller von Glas verzichte, könne von einem Boykott nicht die Rede sein. Ein Boykott, der, wenn er widerrechtlich ist, Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz gibt, liegt in der organisierten Meidung eines Gewerbetreibenden oder Arbeitnehmers zu dem Zwecke, ihn zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu zwingen oder ihn für ein solches zu massregeln (BGE 76 II 285, BGE 81 II 122, BGE 82 II 297). Organisiertem Zwange im Sinne dieser Rechtsprechung setzt die Beklagte die Klägerin aus, denn nach den Feststellungen des Handelsgerichts kann diese sich das für ihren Betrieb benötigte Fensterglas nicht zu konkurrenzfähigen Preisen verschaffen, wenn sie sich der den Markt beherrschenden Beklagten nicht fügt. Unter dem Zwange der von der
BGE 86 II 365 S. 372
Beklagten durchgesetzten Marktregelung schloss die Klägerin mit ihr den Vertrag vom 1. Juni 1949. Damit hörte der Zwang aber nicht auf. Er dauert solange an, als die Beklagte mit Hilfe der Ausschliesslichkeitsverträge, die sie mit den Herstellern von Fensterglas verbinden, unter Festsetzung der Preise und Kontingente den Markt beherrscht und sich weigert, die Klägerin zu den gleichen Bedingungen zu beliefern wie die Genossenschafter. Solange der Zwang nicht aufhört, sind die Voraussetzungen des Art. 29
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich. |
|
1 | Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich. |
2 | Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten. |
BGE 86 II 365 S. 373
Zwange Widerstand leistet und dadurch geschädigt wird, sondern auch dem, der sich bis zum Entscheid des Richters beugt, damit der Schaden möglichst klein bleibe. Durch dieses Vorgehen verletzt der Betroffene keine Interessen des Boykottierenden. Dieser erreicht vorläufig was er will, wenn der Boykottierte sich bis zum Entscheid des Richters fügt.
3. Das Begehren der Klägerin, der Richter habe die Beklagte zu verpflichten, sie zu den gleichen Bedingungen zu beliefern wie die Genossenschafter, ist nicht schon deshalb abzuweisen, weil es auf einen Zwang zum Abschluss von Verträgen abzielt, also in die Vertragsfreiheit eingreift. Da dem Boykott die organisierte Unterbindung oder Erschwerung wirtschaftlicher Beziehungen mit dem Boykottierten eigen ist, schränkt der Unterlassungsanspruch, den die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Falle unerlaubten Boykottes anerkennt, diese Freiheit stets ein. Jeder unerlaubte Boykott, gehe er dahin, dass ein Verband seinen Mitgliedern oder Dritten Vertragsabschlüsse mit einer bestimmten Person verbietet (mittelbarer Boykott), oder bestehe er darin, dass ein über ein tatsächliches Monopol verfügender Verband die Abschlüsse unterlässt oder nur zu erschwerten Bedingungen vornimmt (unmittelbarer Boykott), beruht auf einem Missbrauch der Vertragsfreiheit. Es liegt kein grundsätzlicher Unterschied darin, dass in jenem Falle die richterliche Aufhebung des vom Verbande erlassenen Verbotes genügt, um dem Boykottierten zu seinem Recht zu verhelfen, während in diesem Falle die Untersagung des Boykottes durch den Richter das Gebot an den Boykottierenden in sich schliesst, Verträge zu bestimmten Bedingungen auch mit dem Boykottierten abzuschliessen. Die Zulässigkeit dieses Gebotes verneinen, hiesse den Unterlassungsanspruch davon abhängig machen, wie der Verband die Verfolgung seiner Ziele organisiert. Ein wirksames Einschreiten gegen den unmittelbaren Boykott wäre nicht möglich. Das kann das Gesetz nicht wollen.
BGE 86 II 365 S. 374
Der Vertragsfreiheit sind durch das Recht des Boykottierten auf Teilnahme am freien Wettbewerb im Falle des unmittelbaren Boykottes die gleichen Grenzen gezogen wie beim mittelbaren Boykott.
4. a) Das Bundesgericht vertrat ursprünglich die Auffassung, wenn ein Verband von Gewerbetreibenden durch Drohung oder Zwang Kunden oder Lieferanten vom Verkehr mit einem Aussenseiter abhalte, begehe er eine unerlaubte Handlung (BGE 22 184 f.). Bald darauf erklärte es den von Arbeitnehmerverbänden ausgeübten Zwang für zulässig, wenn er einem erlaubten Zwecke diene und mit rechtmässigen Mitteln erfolge (BGE 25 II 801f.,BGE 30 II 282ff.). Die Rechtsprechung entwickelte sich dann dahin weiter, dass der organisierte Zwang zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen als in der Regel zulässig erklärt wurde. Als unerlaubt bezeichnete das Bundesgericht ihn nur, wenn er sich zur Vernichtung des wirtschaftlichen Auskommens des Betroffenen eigne oder wenn der mit ihm verfolgte Zweck oder die angewendeten Mittel rechtswidrig seien oder den guten Sitten widersprächen (BGE 32 II 366ff.,BGE 33 II 116ff.,BGE 34 II 252ff.,BGE 36 II 562,BGE 37 II 383ff., 423,BGE 40 II 619ff.,BGE 41 II 443f., 511,BGE 44 II 479ff.,BGE 48 II 327). Später entschied es, dass eine nach Zweck und Mitteln nicht zu beanstandende kollektive Zwangsmassnahme dann unerlaubt sei, wenn der erstrebte Vorteil zum zugefügten Schaden in einem offenbaren Missverhältnis stehe, dass also sogar die Vernichtung des wirtschaftlichen Auskommens des Betroffenen sie nicht notwendigerweise rechtswidrig mache, aber anderseits die Widerrechtlichkeit unter Umständen auch schon bejaht werden müsse, wenn dieses Auskommen nicht gefährdet sei (BGE 51 II 529ff.,BGE 52 II 383,BGE 54 II 175,BGE 56 II 435f.,BGE 58 II 226,BGE 61 II 252f.,BGE 62 II 105, 280,BGE 69 II 82,BGE 73 II 76,BGE 75 II 313,BGE 76 II 287, BGE 81 II 125,
BGE 82 II 299, 315, BGE 85 II 496, 552; vgl.BGE 57 II 341, 491). Im neueren Schrifttum (s. namentlich F. GUISAN, La protection de la personnalité et le boycott commercial,
BGE 86 II 365 S. 375
Festgabe für Carl Wieland, Basel 1934 174; O. A. GERMANN, Unlauterer Wettbewerb, Zürich 1945 302 ff.; A. SIMONIUS, Ein verkanntes Freiheitsrecht, Festgabe für Erwin Ruck, Basel 1952 261 ff.; H. MERZ, Über die Schranken der Kartellbindung, Bern 1953 29 ff.; M. KUMMER, Anwendungsbereich und Schutzgut der privatrechtlichen Rechtssätze gegen unlauteren und gegen freiheitsbeschränkenden Wettbewerb, Bern 1960 129 ff.; JÄGGI, ZBJV 96 389; H. MERZ, ZBJV 96 460 ff.) wird teils gelehrt, der Boykott sei immer widerrechtlich und auf eine Abwägung der Interessen des Boykottierenden gegenüber denen des Boykottierten komme nichts an, teils wird der Rechtsprechung zum mindesten vorgehalten, sie verkenne die grundsätzliche Unerlaubtheit des Boykottes und trage dem Interesse des Boykottierten an freier wirtschaftlicher Betätigung zu wenig Rechnung. b) Die Auffassung, der Boykott sei grundsätzlich erlaubt, lässt sich nicht damit begründen, es stehe jedem frei, sich des Abschlusses von Rechtsgeschäften zu enthalten, und jeder dürfe sich zur Verfolgung seiner Interessen mit anderen zusammenschliessen. Gewiss begeht an sich nichts Unerlaubtes, wer es ablehnt, mit jemandem ein Rechtsverhältnis einzugehen, mag seine Haltung auch verabredet sein. Im Boykott liegt aber mehr als ein verabredetes Nichtabschliessen von Verträgen. Er besteht in der organisierten Meidung eines Gewerbetreibenden oder Arbeitnehmers mit dem Zwecke, ihn zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu nötigen, sei es zur Aufgabe oder Nichtaufnahme einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit (Vernichtungsboykott, Verdrängungsboykott), sei es zur Ausrichtung derselben auf die ihm auferlegten Bedingungen (Unterwerfungsboykott). Die verabredete Unterlassung bestimmten rechtsgeschäftlichen Verkehrs ist nur das Mittel zur Erreichung dieses Zieles. Die Erlaubtheit des Mittels macht das auf einen Erfolg gerichtete oder ihn bewirkende Verhalten nicht rechtmässig. Massgebend ist, ob dieser vom Rechte nicht missbilligt ist. Verletzt die
BGE 86 II 365 S. 376
Handlung oder Unterlassung ein fremdes Rechtsgut oder trachtet der Täter mit ihr auf eine solche Verletzung, so ist sie widerrechtlich, wenn nicht besondere Gründe, z.B. berechtigte Notwehr oder erlaubte Selbsthilfe (Art. 52
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 52 - 1 Wer in berechtigter Notwehr einen Angriff abwehrt, hat den Schaden, den er dabei dem Angreifer in seiner Person oder in seinem Vermögen zufügt, nicht zu ersetzen. |
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1 | Wer in berechtigter Notwehr einen Angriff abwehrt, hat den Schaden, den er dabei dem Angreifer in seiner Person oder in seinem Vermögen zufügt, nicht zu ersetzen. |
2 | Wer in fremdes Vermögen eingreift, um drohenden Schaden oder Gefahr von sich oder einem andern abzuwenden, hat nach Ermessen des Richters Schadenersatz zu leisten. |
3 | Wer zum Zwecke der Sicherung eines berechtigten Anspruches sich selbst Schutz verschafft, ist dann nicht ersatzpflichtig, wenn nach den gegebenen Umständen amtliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt und nur durch Selbsthilfe eine Vereitelung des Anspruches oder eine wesentliche Erschwerung seiner Geltendmachung verhindert werden konnte. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
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1 | Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
2 | Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen. |
3 | Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist. |
4 | Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
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1 | Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
2 | Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. |
BGE 86 II 365 S. 377
(BGE 52 II 383) und schützt niemanden vor den Ausflüssen eines sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben abwickelnden Wettbewerbes, mögen die Mitbewerber dem andern einzeln oder geschlossen in die Quere kommen. Boykott aber geht über das hinaus, was jeder als Folge eines normalen freien Wettbewerbes dulden muss. Wer jemanden boykottiert, trachtet darnach, ihn auf dem Wege organisierten Zwanges als Mitbewerber zu vernichten, zu verdrängen oder zu unterwerfen oder ihn zu massregeln. Das darf er nicht tun. Gewiss treten die Grenzen zwischen solchem Vorgehen und erlaubtem Wettbewerbe nicht immer klar zutage. Die gegenseitige Macht der Wettbewerber, die um Bezugsquellen oder Absatzmöglichkeiten ringen, ist oft im Wirtschaftskampf entscheidend. Wird ein Mitbewerber durch die Macht anderer ausgeschaltet oder behindert, so ist er nicht notwendigerweise in seiner Persönlichkeit verletzt. Wann das zutreffe, ist aber eine Frage der Umschreibung des Boykottes, nicht seiner Widerrechtlichkeit. Liegt ein Boykott vor, so verletzt er notwendigerweise das Persönlichkeitsrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung und ist er daher grundsätzlich widerrechtlich. d) Freilich haben auch die Boykottierenden Persönlichkeitsrechte: die Vertragsfreiheit und die Freiheit des Zusammenschlusses. Diese erlauben ihnen aber nicht, absichtlich auf Eingriffe in fremde Rechte hinzuarbeiten. Sie finden eine Grenze im erwähnten Persönlichkeitsrecht des Boykottierten. Das ist keine absolute Grenze. Die verabredete Unterlassung wirtschaftlicher Beziehungen zum Boykottierten ist, entgegen Simonius a.a.O. 276, nicht immer unerlaubt. Das Recht, keine solchen Beziehungen zu unterhalten, ergibt sich aus der Autonomie der Person im Privatrecht. Im Falle des Boykottes entfällt es wegen des Zieles, das mit ihm verfolgt wird. Nun lässt sich aber nicht sagen, dieses Ziel, bestehend in der Vernichtung, Verdrängung, Unterwerfung oder Massregelung des Boykottierten, sei
BGE 86 II 365 S. 378
notwendigerweise unerlaubt. Es gibt Fälle, in denen es den Boykott rechtfertigt (vgl. Urteil der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 25. Juni 1955 i.S. Film-Verleih-Verband in der Schweiz gegen Reinegger). Der Konflikt zwischen den beiden qualitativ gleichwertigen Rechten kann nicht ein für allemal entschieden werden, in dem Sinne, dass das eine dem andern als überlegen erklärt würde. Es verhält sich gleich wie in anderen Fällen, in denen Persönlichkeitsrechte aufeinanderstossen, z.B. das Recht auf Kritik und Aufklärung einerseits und das Persönlichkeitsrecht des durch sie Betroffenen anderseits. Der Richter hat im einzelnen Falle das von der Rechtsordnung höher eingeschätzte Recht zu bestimmen. Dabei wird er den sich gegenüberstehenden Interessen Rechnung tragen, die durch die in Frage stehenden Rechte geschützt sind. Jene des Boykottierenden sind gleich wie die des Boykottierten privater Natur und gehen diesen nicht grundsätzlich vor. Auch geben nicht die wirtschaftlich wichtigeren Interessen notwendigerweise den Ausschlag. Der Boykottierende handelt nicht schon dann rechtmässig, wenn die von ihm erstrebten Vorteile den dem Boykottierten zugefügten Schaden übertreffen. Nur wer mit dem Boykott offensichtlich überwiegende berechtigte Interessen verfolgt, die er auf keine andere Weise wahren kann, verstösst nicht gegen das Recht (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER Art. 41 N. 25/7). e) Der Boykottierende hat solche Interessen zu beweisen (Art. 8
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 86 II 365 S. 379
der sich übrigens von jenem nicht scharf abgrenzen lässt. Für den Unterwerfungsboykott kann nichts anderes gelten. Er bedient sich der Drohung mit Vernichtung oder Verdrängung als Mittel zur Unterwerfung. Sind Vernichtung und Verdrängung durch kollektiven Zwang grundsätzlich widerrechtlich, so kann auch die Bedrohung mit solchen Folgen in der Regel nicht zulässig sein. Der Boykottierte braucht daher nur darzutun, dass der Boykottierende auf Unterwerfung ausging. Dieser seinerseits hat zu beweisen, dass er offensichtlich überwiegende berechtigte Interessen hatte, die er nicht auf andere Weise wahrnehmen konnte.
f) Die II. Zivilabteilung, die wiederholt wie die I. Zivilabteilung den Boykott als grundsätzlich erlaubt bezeichnete (BGE 51 II 525, BGE 85 II 552), hat im Verfahren gemäss Art. 16
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
5. a) Da die Klägerin von der Beklagten boykottiert wird und Boykotte grundsätzlich widerrechtlich sind, muss die Sache zur Neubeurteilung an das Handelsgericht zurückgewiesen werden. Wenn und soweit die Beklagte dem kantonalen Prozessrecht gemäss die nötigen Behauptungen aufgestellt und taugliche Beweise dafür angeboten hat, wird zu prüfen sein, ob sie mit dem Boykott offensichtlich überwiegende berechtigte Interessen verfolgt, die sie auf andere Weise nicht wahrnehmen kann. Was die Beklagte in der Berufungsantwort vorbringt, genügt nicht zur Rechtfertigung ihres Boykottes. Das gilt vorab für den Einwand, die Klägerin könnte durch tief angesetzte Verglasungspreise den Handel mit Fensterglas weitgehend an sich reissen, wodurch die reinen Glashändler ausgeschaltet und die Schreiner und Glaser gefährlich konkurrenziert würden. Die Tatsache, dass ein Unternehmer durch angemessene Organisation seines Betriebes in der Lage ist, die Gestehungskosten und damit die von seinen Kunden zu zahlenden Preise herabzusetzen, ist kein vom Recht anerkannter Grund, ihn zu boykottieren, mag auch sein Vorgehen den hergebrachten Aufbau eines Wirtschaftszweiges erschüttern. Wenn der
BGE 86 II 365 S. 380
Glasgrosshändler ein nützliches Zwischenglied ist, dessen Verdienst tatsächlichen Leistungen entspricht, dann entstehen der Klägerin sowohl die Kosten des Grosshändlers als auch jene des Verglasers, weil sie beide Tätigkeiten ausübt. Dann ist sie nicht in der Lage, zu wesentlich tieferen Preisen zu verglasen als andere. Sollte dagegen richtig sein, dass sie das tun kann, weil sie sowohl Grosshändler als Verglaser ist, dann stände fest, dass der Boykott einer unzweckmässig aufgezogenen Wirtschaft zu Hilfe kommen soll. Das wäre kein berechtigter Grund, durch Kollektivzwang in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin auf Teilnahme an einem freien Wettbewerb einzugreifen. Unerheblich ist auch der Einwand, die der Klägerin auferlegten Preise unterschieden sich von denen der Genossenschafter so wenig, dass das Geschäft der Klägerin nicht nur zugrunde gerichtet worden sei, sondern sich günstig entwickelt habe. Die Widerrechtlichkeit des Boykottes hängt nicht von den auferlegten Bedingungen ab, sondern ist gegeben, weil dem Boykottierten durch die Drohung mit Unterbindung der Lieferungen die Freiheit genommen wird, seine Tätigkeit so zu organisieren, wie ihm beliebt, d.h. weil er durch kollektive Massnahmen gezwungen wird, einer Organisation beizutreten oder einen Vertrag zu unterzeichnen. Es ist nicht nötig, dass ausserdem die auferlegten Bedingungen seine geschäftliche Entwicklung verhindern, d.h. der Unterwerfungsboykott sich in einen Verdrängungs- oder Vernichtungsboykott verwandle. Wenn die Behauptung der Beklagten, der Einstandspreis für Fensterglas sei im Verhältnis zu den Bearbeitungskosten von völlig untergeordneter Bedeutung, richtig sein sollte, wäre übrigens nicht zu verstehen, dass die Aufhebung des von der Klägerin zu zahlenden Mehrpreises, der nach der Darstellung der Beklagten nur etwa 4% erreichen soll, sich eigne, den ganzen Wirtschaftszweig zugrunde zu richten, wie die Beklagte angeblich befürchtet. b) Falls das Handelsgericht zum Schlusse kommt, der
BGE 86 II 365 S. 381
vorliegende Boykott lasse sich nicht rechtfertigen, ist das Begehren der Klägerin, die Beklagte habe sie zu den für die Genossenschafter geltenden Bedingungen zu beliefern, grundsätzlich begründet. Immerhin ist denkbar, dass die Verpflichtungen der Beklagten gegenüber ihren Lieferanten, namentlich gegenüber den schweizerischen Glashütten, oder andere Umstände, wie die von den Genossenschaftern im Interesse der schweizerischen Glaserzeugung gebrachten Opfer, einen Preisunterschied rechtfertigen, und zwar unter dem gleichen Gesichtspunkt, unter dem die Beklagte von der Klägerin im Falle der Aufnahme in die Genossenschaft ein Eintrittsgeld hätte erheben können (vgl. BGE 82 II 303 Erw. 6 lit. b). Wenn die Kosten der von der Beklagten besorgten Organisation des Glasmarktes nicht nur aus den Erträgen der Verkäufe, sondern auch aus Leistungen der Genossenschafter (besonders in Form von Beiträgen, abzüglich Rückvergütungen) gedeckt werden, ist es billig, dass die Klägerin, die aus dieser Tätigkeit Nutzen zieht, ihren Teil daran beitrage. Das Handelsgericht wird diesen Punkt immerhin nur zu prüfen haben, wenn die Beklagte für die massgebenden Behauptungen entsprechend dem kantonalen Prozessrecht geeignete Beweise angeboten hat. Sollte sich eine Erhöhung der Preise gegenüber denen, die den Genossenschaftern bewilligt werden, rechtfertigen, so darf sie nur unter dem erwähnten Gesichtspunkt stattfinden. Ausgeschlossen ist es, von der Klägerin höhere Preise zu verlangen, weil sie nicht nur Glashandel treibt, sondern auch Verglasungen ausführt. Der Gebrauch, den der Käufer von der gekauften Ware macht, berührt den Verkäufer nicht; dieser hat ihm in der Bestimmung der Preise nicht Rechnung zu tragen. Nur die den Grosshändlern eingeräumten Preise und Lieferbedingungen dürfen entscheidend sein. Da die Klägerin im grossen einkauft, hat sie Anspruch auf die gleichen Mengenrabatte wie die andern Grosshändler. Die Zuschläge, welche die Beklagte der Klägerin einzig zum Zwecke auferlegt, gewisse Mindestpreise beim Verbraucher zu gewährrleisten und so die
BGE 86 II 365 S. 382
Konkurrenzierung der Schreiner und Glaser zu verhindern, sind nicht zulässig. c) Wenn die Beklagte keinen vom Recht anerkannten Grund hat, die Klägerin zu boykottieren, wird das Handelsgericht zu den weiteren Voraussetzungen der Schadenersatzansprüche und zu deren Höhe Stellung nehmen müssen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Juni 1960 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.