S. 219 / Nr. 39 Obligationenrecht (d)

BGE 58 II 219

39. Urteil dar I. Zivilabteilung vom 6. Juli 1932 i. S. Verband
Schweizerischer Seidendruckereien gegen Textil Aerographia A.-G.

Regeste:
Boykottierung eines Aussenseiters durch einen Verband dadurch, dass letzterer
die Erzeugnisse des erstern seinem Schutz - Skonto unterstellt. Deren
Unzulässigkeit, weil keine gewichtigen Interessen des Verbandes bezw. seiner
Mitglieder ein solches Vorgehen erheischen.

A. - Der Verband Schweizerischer Seidendruckereien, der heutige Beklagte, ist
eine im Handelsregister eingetragene Genossenschaft zum Zwecke: der Förderung
und Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Schweiz.
Seidendruckereien, der Festsetzung angemessener Preise und Bedingungen und des
Abschlusses von Gegenseitigkeitsverträgen mit gleichartigen Firmen oder
Organisationen des In- und Auslandes. Nach den allgemeinen Verbandsbedingungen
wird denjenigen Kunden ein sog. Schutz-Skonto gewährt, die ihre sämtlichen
Aufträge in bestimmten Arbeiten den dem Verband angehörigen Firmen oder den
diesem angeschlossenen gleichartigen Verbänden (folgt eine Aufstellung dieser
Verbände) erteilen. Dieser Skonto beträgt beim Verband schweizerischer
Stückfärbereien und Appreturen ganz- und halbseidener Gewebe 50%, bei allen
übrigen Verbänden 15%.

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Hiebei besteht bei den fünf genannten Verbänden eine Vereinbarung, wonach ein
Kunde, dem der Schutz-Skonto von einem Verband entzogen wurde, auch des
Schutz-Skontos bei den übrigen vier Verbänden verlustig geht.
Die Textil-Aerographie A.-G, die heutige Klägerin, die nicht dem Beklagten
Verbande und den ihm angeschlossenen Verbänden angehört, befasst sich mit
«Aerographie von Geweben aller Art, Fabrikation und Aerographie von
Wandstoffen». Sie wendet für das Bedrucken baumwollener und seidener Stoffe
den sog. Schablonendruck an, den sie Albisdruck nennt. Dieses Verfahren war in
andern Ländern schon früher bekannt, doch benützt die Klägerin Schablonen, die
sie selber nach einem durch das schweizerische Hauptpatent No. 131.418
geschützten Verfahren herstellt.
Am 31. Mai 1929 schrieb der Beklagte der Klägerin, die Mehrzahl seiner
Mitglieder habe sich entschlossen, ihren Handdruckereien eine Abteilung für
Schablonendruck anzugliedern. Infolgedessen habe der beklagte Verband
beschlossen, diesen sog. Schablonen-Druck zu tarifieren und unter
Schutz-Skonto zu stellen. Dabei sei in Aussicht genommen, die Verrechnung
dieses Schablonendruckes bis auf weiteres zu den gleichen Preisen und
Bedingungen vorzunehmen, wie den Handdruck. Die Klägerin werde ersucht, dem
Beklagten mitzuteilen, ob sie bereit sei, sich in dieser Beziehung den
gleichen Pflichten zu unterstellen wie seine Mitglieder. In einem weitern
Schreiben vom gleichen Tage wünschte der Beklagte von der Klägerin Näheres
über ihre Methode für die Herstellung der Schablonen zu vernehmen. In der
Folge, nachdem die Klägerin sich zu Verhandlungen geneigt zeigte, tönte der
Beklagte den allfälligen Erwerb einer Lizenz an. Die Klägerin antwortete ihm
jedoch, sie beabsichtige nicht, die Lizenz für die Schweiz zu vergeben. Sodann
schlug sie vor, die Preise für den Albisdruck so festzusetzen, dass sie
zwischen die Preise für Rouleaudruck und Modelldruck zu liegen kommen.

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Die Angelegenheit wurde daraufhin in der Verbandssitzung des Beklagten vom 21.
Juni 1929 beraten, worüber folgendes Protokoll aufgenommen wurde: «Ad.
Traktandum III. Betr. Diskussion über die mit der Aufnahme des
Schablonendruckes (Filmdruckes) zusammenhängenden Fragen. Nach Kenntnisnahme
des Antwortschreibens der Firma Textil-Aerographie A.-G. Albisrieden, aus dem
hervorgeht, dass 1. Herr Ewald die Lizenz für die patentierte verbesserte
Herstellungsmethode der Schablonen für die Schweiz nicht abgibt, 2. wonach er
darauf beharrt, dass er für den Schablonendruck niedrigere Preise als die zur
Zeit gültigen Handdruckpreise angesetzt sehen möchte, wird folgender Beschluss
gefasst: Beschluss 104/29: 1. Das weitere Verhandeln mit der Firma
Textil-Aerographie A.-G. Albisrieden wird als zwecklos erachtet, und die
Geschäftsleitung wird ermächtigt, dies dieser Firma zu einem ihr
gutscheinenden Zeitpunkt und in ihr gutscheinender Weise schriftlich
mitzuteilen. 2. Der Schablonendruck, auch Filmdruck, und von der Firma
Textil-Aerographie A.-G. «Albisdruck» genannte Druck, wird mit Wirkung ab 1.
August 1929 unter Schutz-Skonto gestellt. 3. Jedem Mitglied ist es
freigestellt, Schablonendruck-Aufträge auch mit dem Handdruckverfahren
auszuführen. 4. Für sämtliche Schablonendruck-Arbeiten sind die Ansätze und
sämtliche Bestimmungen, seien es die Lieferungs-Bestimmungen der Tarife I, I
W, II und III zur Anwendung zu bringen, oder seien es Verbandsbeschlüsse und
zwar sowohl diejenigen, die der Kundschaft offiziell auf dem Zirkularwege
bekanntgegeben worden sind, als auch sämtliche zur Zeit noch gültigen internen
Beschlüsse. 5. Der gesamten Kundschaft, die Aufträge erteilt, die gemäss den
Ansätzen der Tarife I, I W, II und III verrechnet werden, ist von dieser
Neuerung auf schnellstem Wege Kenntnis zu geben.» Diese Kenntnisgabe erfolgte
dann durch ein am 29. Juni an die Kundschaft erlassenes Zirkular. Darin wurde
erwähnt, dass der Beklagte mit Wirkung ab 1. August 1929 «auch

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den sog. Schablonendruck, nach amerikan. Gepflogenheit auch Filmdruck und in
der Schweiz auch Albisdruck genannt» unter Schutz-Skonto stelle. Die
Verbandsmitglieder und die durch Vertrag angeschlossenen Firmen seien gerne
bereit, «auch diesen Schablonendruck (auch Filmdruck oder Albisdruck genannt)
zu den Preisen und Bedingungen, die für die Handdruck-Arbeiten festgesetzt
sind, auszuführen». Schliesslich wurde noch speziell darauf hingewiesen, dass
nur diejenigen Auftraggeber, die sämtliche Aufträge in allen unter
Schutz-Skonto gestellten Arbeiten ausschliesslich den Verbandsmitgliedern und
den durch Vertrag angeschlossenen Firmen, sowie den Mitgliedern der
Druckerei-Vereinigung Krefeld übergeben, den Schutz-Skonto geniessen. Am 1.
Juli 1929 schrieb der Beklagte der Klägerin: «Aus der Ausdauer, mit der Sie
diesen Vorschlag aufrecht erhalten, trotzdem Ihnen bekannt ist, dass die
Mitglieder unseres Verbandes diesem Vorschlag ihre Zustimmung versagen müssen
(siehe unser Schreiben vom 31. Mai 1929), kann man schliessen, dass Sie zur
Zeit noch nicht geneigt sind, sich den Beschlüssen, die unsere
Verbandsmitglieder in dieser Angelegenheit fassen, anzuschliessen. Diese
Tatsache und Ihre Mitteilung, dass Sie die Lizenz für das von Ihnen
patentierte, verbesserte Verfahren zur Herstellung der Schablonen für die
Schweiz nicht zu vergeben gedenken, hat uns gezwungen, diese Frage ohne Ihre
Mitwirkung einer Erledigung entgegenzuführen. - Aus dem Ihnen vergangenen
Samstag gleichzeitig mit der Kundschaft zugestellten Zirkulare haben Sie
ersehen, dass unser Verband die Ausführung dieser Schablonen-Druckarbeiten
seinen Schutz-Skonto Bestimmungen unterstellt hat. - Im Falle Sie jetzt oder
erst in einem spätern Zeitpunkt geneigt sind, Ihren Vorschlag betreffend
Preisfestsetzung des Schablonen-Druckes zu ändern im Sinne einer Anpassung an
die von unserem Verband festgesetzten Schablonen-Druckpreise, sind wir gerne
bereit, mit Ihnen von neuem in Verhandlungen wegen des Anschlusses Ihrer
geschätzten Firma an die

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Gruppe der Schablonen-Drucker unseres Verbandes einzutreten.»
Die Klägerin erliess dann am 15. November 1929 ebenfalls ein Zirkular an die
Kundschaft, worin sie gegen das Vorgehen des Beklagten protestierte und sich
rechtliche Schritte vorbehielt. Sie erblickt in der Unterstellung des
Albisdruckverfahrens unter die Schutz-Skonto-Bestimmungen einen
widerrechtlichen Boykott. Infolgedessen liess sie dem Beklagten durch ihren
Anwalt eine Frist zu dessen Aufhebung ansetzen. Und als der Beklagte dieser
Aufforderung nicht nachkam, reichte sie Klage auf Bezahlung einer
Schadenersatzsumme von 50000 Fr. nebst 5% Zins seit 10. Dezember 1929 ein.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.
B. - Mit Urteil vom 9. November 1931 - den Parteien zugestellt am 22. Dezember
1931 - hat das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage im reduzierten
Betrage von 10000 Fr. nebst 5% Zins seit 10. Dezember 1929 gutgeheissen.
C. - Hiegegen hat der Beklagte am 9. Januar 1932 die Berufung an das
Bundesgericht erklärt, indem er erneut um volle Abweisung der Klage ersuchte.
Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung und verlangt im Wege einer
am 25. Januar 1932 erhobenen Anschlussberufung die Gutheissung der Klage im
Betrage von 20000 Fr. nebst 5% Zins seit 10. Dezember 1929.
D. - Gleichzeitig mit der Berufung hat der Beklagte gegen das Urteil des
Handelsgerichtes auch die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde beim
Kassationsgericht des Kantons Zürich erhoben, welche jedoch von diesem mit
Urteil vom 7. Mai 1932 abgewiesen worden ist.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Vorinstanz hat mit der Klägerin bejaht, dass in der Unterstellung des
Albisdruckverfahrens unter den Schutz-Skonto eine Boykottierung der Klägerin
erblickt werden müsse; denn diese Massnahme habe diejenigen

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Kreise, die als Kunden der Klägerin hauptsächlich in Betracht gekommen wären,
veranlasst, keinen Geschäftsverkehr mit ihr zu pflegen, da diese Kunden durch
die Aufgabe von Bestellungen bei der Klägerin des Schutz-Skontos verlustig
gingen und zwar auch für andere, bei Verbandsmitgliedern aufgegebene
Druckaufträge, was sie nicht auf sich nehmen könnten. Diesen Erfolg habe der
Beklagte angestrebt; er habe bezweckt, die Klägerin durch den ihr hiedurch
entstehenden Schaden seinen Wünschen gefügig zu machen, d. h. er habe sie
hiedurch zwingen wollen, an Stelle der für den Beklagten angeblich ruinösen
Preise die ihm genehmen Preisansätze für den Albisdruck zu akzeptieren,
eventuell auch die Verbandsmitglieder durch Erteilung einer Lizenz an dem
Vorteil ihres patentierten Verfahrens zur Herstellung der Albis-Schablonen
teilnehmen zu lassen. Demgegenüber bestreitet der Beklagte nach wie vor das
Vorliegen eines Boykottes; eine Verrufserklärung sei nie erfolgt; er habe nie
ein Verbot erlassen, wonach seine Kunden bei der Klägerin keine Bestellungen
machen dürften. Die Unterstellung des fraglichen Verfahrens unter den
Schutz-Skonto sei lediglich deshalb erfolgt, weil die Mehrzahl der Mitglieder
des beklagten Verbandes den Schablonendruck ebenfalls ausführe; an eine
Schädigung der Klägerin habe der Beklagte nicht gedacht. Diese Einwendungen
sind nicht zu hören. Zwar ist richtig, dass in dem fraglichen Zirkular keine
ausdrückliche Verrufserklärung bezw. ein bezügliches Verbot enthalten war. Aus
den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ergibt
sich aber, dass angesichts der Wirkung, die die Unterstellung des
Schablonendruckverfahrens unter den Schutz-Skonto erzeugt, diese Massnahme
faktisch einer Boykottierung gleichkam, da den in Frage kommenden Kunden
hiedurch praktisch verunmöglicht wurde, mit der Klägerin geschäftlich zu
verkehren. Der Beklagte hat allerdings zur Entkräftigung der vorinstanzlichen
Feststellung zu behaupten versucht, von seinen Kunden beanspruchten

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nur 247 den Schutz-Skonto, während 190 darauf verzichteten. Die Vorinstanz ist
jedoch auf diesen Einwand aus prozessualen Gründen (weil es an einer
genügenden Substanziierung mangle) nicht eingetreten, so dass er auch vom
Berufungsrichter nicht berücksichtigt werden kann. Zu Unrecht behauptet sodann
der Beklagte, dass die streitige Massnahme nicht gegen die Klägerin gerichtet
gewesen sei. Er hat im Verfahren vor der Vorinstanz wiederholt die Klägerin
der Preisschleuderei bezw. des Unterbietens bezichtigt und darauf hingewiesen,
dass hiedurch die Existenz beider Parteien gefährdet werde. Damit hatte er
implicite den wahren Grund, warum er die streitige Massnahme ergriff, zu
erkennen gegeben. Wenn daher die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid
ausführte: «Nun behauptet aber der Beklagte, der Albisdruck sei deswegen den
Schutz-Skonto-Bestimmungen unterstellt worden, weil die von der Klägerin
angesetzten Preise für sie selber ruinös seien und die Verbandsmitglieder zu
einer Preisschleuderei gezwungen hätten, bei der sich beide Parteien zu Grunde
richten würden», so entsprach dies dem Sinne nach durchaus der Stellung, die
der Beklagte vor der Vorinstanz eingenommen hat, wenn er sich auch nicht in
dieser positiven Weise ausgedrückt haben mag. Von einer Aktenwidrigkeit, wie
sie der Beklagte behaupten will, ist daher keine Rede. Dass der Beklagte durch
sein Vorgehen die Klägerin treffen wollte, geht übrigens aus dem Protokoll
über die beklagtische Verbandssitzung vom 21. Juni 1929 hervor, aus dem sich
deutlich ergibt, dass der Beschluss, den Schablonendruck unter Schutz-Skonto
zu stellen, ausschliesslich im Hinblick auf die erwähnte Stellungnahme der
Klägerin gefasst worden war.
2.- Es fragt sich nun, ob in diesem Verhalten des Beklagten eine unerlaubte
Handlung zu erblichen sei. Das Bundesgericht hat in seiner neuern
Rechtsprechung stets die Auffassung vertreten, dass der Boykott an sich kein
unerlaubtes wirtschaftliches Kampfmittel sei. Nur

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unter bestimmten Voraussetzungen ist er unzulässig, nämlich dann, wenn er in
einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise erfolgt. Eine Unsittlichkeit
kann in den angewandten Mitteln oder im verfolgten Zwecke, oder aber in einem
offensichtlichen Missverhältnis zwischen dem angerichteten Schaden und dem
erstrebten Vorteil liegen (vgl. BGE 51 II S. 529 f.). Dass das hier vom
Beklagten angewandte Mittel nicht unsittlich war, hat die Vorinstanz
zutreffend hervorgehoben; denn in der Gewährung eines derartigen
Schutz-Skontos kann an sich, sofern damit kein anstössiger Zweck verfolgt
wird, keine moralwidrige, gegen die Regeln eines anständigen Geschäftsgebarens
verstossende Massnahme erblickt werden, da jeder Geschäftsmann grundsätzlich
frei darüber bestimmen kann, mit wem er geschäftlich verkehren will und unter
welchen Bedingungen. Dieses Recht verliert er auch dann nicht, wenn er sich
mit Andern zu einem Verbande zusammenschliesst. Indessen hat die Vorinstanz
mit Recht den vorliegend zu beurteilenden Boykott im Hinblick auf den vom
Beklagten angestrebten Zweck als unsittlich und deshalb unerlaubt erachtet.
Sie hat auf Grund eines von ihr eingeholten Expertengutachtens, sowie
insbesondere an Hand eingehender eigener Untersuchungen festgestellt, dass das
Albisdruckverfahren gegenüber dem Handdruckverfahren wesentlich billiger zu
stehen komme, dass hiebei aber auch weniger gute Resultate erzielt würden;
immerhin sei die nach dem Albisdruckverfahren bedruckte Ware im regulären
Handel verkäuflich, sofern dafür billigere Preise angesetzt würden.
Demgegenüber wendet der Beklagte ein, dem Gerichte und dem von ihm bestellten
Experten habe die nötige Sachkunde zur Beurteilung dieser Verhältnisse
gemangelt; das Albisdruckverfahren sei gänzlich unzulänglich, so dass die auf
diese Weise bedruckten Stoffe nur als Ramsch verkauft werden könnten;
Beklagter habe dies an Hand zweier Privatgutachten nachgewiesen, die die
Vorinstanz in aktenwidriger Weise unberücksichtigt gelassen habe.

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Diese Einwendungen sind nicht zu hören. Das Bundesgericht ist als
Berufungsinstanz nicht in der Lage zu prüfen, ob die Vorinstanz über die zur
Beurteilung der vorliegend streitigen Tatsachen notwendige Sachkenntnis
verfügt habe oder nicht. Darüber hatte das kantonale Kassationsgericht zu
entscheiden, und dieses hat die Bemängelung des Beklagten ausdrücklich als
unbegründet bezeichnet. Dasselbe trifft auch zu mit Bezug auf die angeblich
mangelnde Fachkenntnis des Experten. Dass aber unter diesen Umständen in der
Nichtberücksichtigung der vom Beklagten eingelegten, widersprechenden
Privatgutachten keine Aktenwidrigkeit liegt, bedarf keiner weitern Erörterung.
Die erwähnten Feststellungen der Vorinstanz sind daher, da sie tatsächliche
Verhältnisse beschlagen und eine Aktenwidrigkeit nicht nachgewiesen werden
konnte, für das Bundesgericht verbindlich. Darnach steht aber fest, dass, wenn
die Klägerin für nach dem Albisdruckverfahren ausgeführte Arbeiten
grundsätzlich billigere Preise verlangen will, als der Beklagte sie für den
Druck nach dem Handdruckverfahren verlangt, von Preisschleuderei keine Rede
sein kann. Die niedrigeren Verfahrenskosten erlauben ihr auch die Ansetzung
billigerer Preise, und die minderwertigere Qualität dieses Druckes zwingt sie
sogar direkt hiezu, da niemand die schlechtere Ausführung in den Kauf nehmen
würde, wenn nicht gleichzeitig ein billigerer Preis bezahlt werden müsste.
Wenn daher der Beklagte der Klägerin zumuten will, ihre Preise für den
Albisdruck trotzdem gleich hoch zu bemessen wie diejenigen für den Handdruck,
so kann er damit nur die Absicht verfolgen, der Klägerin die Anwendung dieses
Verfahrens überhaupt zu verunmöglichen. Darin liegt aber, auch wenn die
Klägerin hiedurch nicht direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffen
werden sollte, ein derart schwerer Eingriff in ihre Interessen, dass dieses
Verhalten des Beklagten, vom Standpunkt eines anständigen Geschäftsgebahrens
aus gewertet, nur dann gebilligt werden könnte, wenn die Wahrung

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gewichtiger eigener Interessen des Beklagten ein derartiges Vorgehen
erheischen würden. Denn es darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der
Boykott keine Massnahme ist, die sich als natürlicher Ausfluss der freien
Konkurrenz darstellt, sondern dass es sich hiebei vielmehr um ein künstliches
Zwangsmittel handelt, das den Zweck verfolgt, einen unbequemen Konkurrenten
mit Gewalt gefügig zu machen. Die schrankenlose Zulassung solcher Massnahmen
würde daher dem Rechtsmissbrauch Tür und Tor öffnen. Nun hat aber der Beklagte
kein derartiges eigenes Interesse nachzuweisen vermocht, das sein Verhalten
der Klägerin gegenüber rechtzufertigen vermöchte. Seine nach dieser Richtung
aufgestellten Behauptungen sind unklar und widersprechend. Er wirft ihr
Preisschleuderei vor und behauptet gleichzeitig, die mit dem
Albisdruckverfahren bearbeiteten Waren seien nur als «Ramsch» verkäuflich.
Diese beiden Tatsachen schliessen sich gegenseitig aus. Sowohl die eine wie
die andere würden freilich, wenn sie zuträfen, die Handlungsweise des
Beklagten rechtfertigen, da in diesem Falle das Verhalten der Klägerin selber
als verpönt und für den Beklagten bezw. dessen Mitglieder schädlich zu
erachten wäre und es deshalb dem letztern nicht verwehrt werden könnte, sich,
selbst unter Anwendung des Zwangsmittels des Boykottes, zur Wehre zu setzen.
Wie vorgehend auf Grund der verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
dargetan worden ist, treffen jedoch beide Behauptungen nicht zu. Die von der
Klägerin in Aussicht genommenen billigeren Preisansätze sind sowohl im
Hinblick auf die geringeren Verfahrenskosten, wie auch zufolge der geringeren
Qualität des Druckausfalles gerechtfertigt. Dabei handelt es sich aber doch um
im regulären Handel verkäufliche Waren, so dass hier nicht von einer derart
minderwertigen Produktion die. Rede sein kann, dass darin eine Gefährdung des
Ansehens des gesamten Industriezweiges erblickt werden müsste. Das ergibt sich
übrigens auch aus dem eigenen Verhalten des Beklagten; dieser

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hätte sich sicherlich nicht für das Verfahren der Klägerin interessiert und
sogar den Erwerb einer Lizenz angestrebt, wenn damit so minderwertige,
unzulängliche Resultate erzielt würden, wie er heute geltend machen will.
Endlich stellt er sich auch nicht etwa auf den Standpunkt, dass durch die
Einführung des klägerischen Druckverfahrens seine Verbandsmitglieder, die noch
nach anderen Verfahren arbeiten, in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet
würden; denn er hat in seiner schriftlichen Klageantwort an die Vorinstanz
ausdrücklich erklärt, der Schablonendruck sei nicht geeignet, den Hand- oder
Rouleaudruck zu verdrängen. Ob, wie die Vorinstanz annimmt, ein Boykott
überhaupt grundsätzlich immer als unsittlich bezeichnet werden muss, wenn er
den Zweck verfolgt, «Neuerungen, die eine Verbilligung der Produktion zur
Folge haben, nicht aufkommen zu lassen, damit dem bereits Bekannten kein
Abbruch geschehe», braucht daher nach dem Gesagten hier nicht untersucht zu
werden.
3.- Muss darnach der vorliegend zu beurteilende Boykott als unerlaubt
bezeichnet werden, so ist die Schadenersatzpflicht des Beklagten gemäss Art.
41 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OR grundsätzlich ohne weiteres zu bejahen; denn dass der Beklagte
die Absicht hatte, der Klägerin hiedurch Schaden zuzufügen, ist
selbstverständlich. Dadurch sollte ja gerade - wohin jeder derartige Boykott
abzielt - die Klägerin dem Willen des Beklagten gefügig gemacht werden. Auch
ist kein Zweifel, dass die Klägerin tatsächlich geschädigt worden ist. Der
Beklagte bestreitet dies, indem er behauptet, dass die Klägerin zufolge der
von ihr betriebenen Preisschleuderei sowie wegen der Mangelhaftigkeit des
Druckausfalles mit ihrem Verfahren gar nichts hätte verdienen können. Aus den
vorgehenden Ausführungen ergibt sich ohne weiteres die Haltlosigkeit dieses
Einwandes. Eine genaue ziffermässige Bewertung des Schadens ist hier der Natur
der Sache nach nicht möglich. Die Vorinstanz hat ihn daher zutreffend gemäss
Art. 42 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen.
1    Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen.
2    Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen.
3    Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26
OR nach freiem Ermessen festgesetzt,

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wobei sie sich, soweit die Anwendung von Bundesrecht in Frage steht, von
richtigen rechtlichen Grundsätzen hat leiten lassen. Es kann demnach in diesem
Punkte auf ihre Ausführungen verwiesen werden. Ob es - was die Klägerin
bestreitet - richtig war, nur den der Klägerin in der Wintersaison 1929/30
entstandenen Schaden zu bemessen, weil sie im Prozess nur diesen geltend
gemacht habe, entzieht sich der Beurteilung des Bundesgerichtes, da diese
Feststellung auf dem kantonalen Prozessrecht fusst.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Haupt- und die Anschlussberufung werden abgewiesen, und es wird das Urteil
des Handelsgerichtes des Kantons Zürich vom 9. November 1931 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 58 II 219
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 06. Juli 1932
Quelle : Bundesgericht
Status : 58 II 219
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Boykottierung eines Aussenseiters durch einen Verband dadurch, dass letzterer die Erzeugnisse des...


Gesetzesregister
OR: 41 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
42
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen.
1    Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen.
2    Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen.
3    Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26
BGE Register
51-II-525 • 58-II-219
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • skonto • vorinstanz • boykott • bundesgericht • druck • wille • lizenz • kundschaft • schaden • weiler • verhalten • frage • bedingung • stelle • produktion • zins • handelsgericht • richtigkeit • gewebe
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