556 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. [. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

tigt. Fragen könnte es sich nur, ob er zur formell gültigen
Pfandbestellung gemäss Art. 215
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 215 - 1 Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
1    Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
2    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er ohne einen solchen Verkauf die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Markt- und Börsenpreis zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR dem Verpfändungsakt eine schriftliche
Verurkundung jener Ermächtigung hätte beifügen sollen, oder ob
es nicht vielmehr genügte, dass er bei Vornahme der Verpfändung
der Beklagten bezw. ihrer Zürcher Filiale von der ihm erteilten
Ermächtigung zur Verpfändung des Titels mündlich Kenntnis gab, wie
dies zweifellos geschehen ist. Diese Frage aber ist im letztern Sinne
zu entscheiden. Art. 215
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 215 - 1 Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
1    Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
2    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er ohne einen solchen Verkauf die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Markt- und Börsenpreis zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR stellt das Erfordernis der Schriftlichkeit,
als Voraussetzung der Gültigkeit des Aktes, nur für den Verpfändungsakt
selbst auf; zu diesem gehört jedoch die für die materielle Zulässigkeit
der Verpfändung einer fremden Forderung zu eigenen Gunsten notwendige
Ermächtigung des Verpfänders seitens des Forderungsberechtigten,
in diesem Sinne Über die Forderung zu verfügen, nicht. Für dieses
besondere Rechtsverhältnis der Ermächtigung gilt vielmehr die in Art. 9
Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 9 - 1 Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem andern zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten.
1    Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem andern zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten.
2    Dasselbe gilt für den Widerruf der Annahme.
OR aufgestellte Regel, dass Verträge zu ihrer Gültigkeit keiner
besondern Form bedürfen; denn das OR enthält keine Ausnahmebestimmuug,
wonach die Übertragung des Verpfändungsrechts an einer eigenen Forderung
auf einen Dritten nur bei Beachtung einer bestimmten Form, speziell
der Schriftlichkeit, gültig wäre im Gegensätze zu seiner Regelung der
Forderung-Bübertragung zu Eigentum d. I). zu vollem Recht und Genuss
(Abtretung), für die allerdings am. 184, wenigstens als Erfordernis
der Wirksamkeit gegenüber Drittpersonen, die schriftliche Beurkundung
vorschreibt Es muss somit das von der Beklagten geltend gemachte
Pfandrecht anerkannt und deshalb der Anspruch des Klägers auf unbeschwerte
Herausgabe der streitigen Obligation mit der Vorinstanz als unbegründet
abgewiesen werden.

Zum gleichen Ergebnis führt auch die Erwägung, dass der Kläger die
von Bürgisser vorgenommene Verpfändung nach dem Grundsatze von Treu
und Glauben nicht wegen formell ungenügender Ermächtigung seinerseits
anfechten darf, nachdem er, wie festgestellt, diese Ermächtigung
jedenfalls materiell in unzweideutiger Weise erteilt und die Beklagte sich
in guten Treuen hierauf verlassen hat. Seiner Anfechtung kann unter diesen
Umständen vielmehr mit Grund die Einrede der Arglist entgegengehalten
werden; -Berufungsinstaaz: 2. Allgemeines obligationemeeht. N° 81. 557

erkannt: Die Berufung des Klägers wird abgewiesen und damit das Urteil
der I. Appellationskammer des zürcherischen Obergerichtes vom 11. Juni
1910 in allen Teilen bestätigt

st. Anteil vom 17. Dezember 1910 in Sachen Bäcketmeiftervereiu der Htadt
Eiern und gimgebung Bekl., Widerkl. u. Haupt-Ber.-Kl., gegen (Judi,
Kl Widerbekl. u. Anschluss-Ver.-Kl.

Bussenverfügung und Boykott als Zwangsund Diszipl-zînarmitzel ein-Dr
Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern. Umfang der gen-notscitzztcben
Zntiissigjreit des Boykotls. Mangelnde Widerrechtlickkeet seiner
Verhdngung im gegebenen Faèle. Abweisung der auf die Art. 50
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
emd 55 OR
gesmtztessze Entschädigungsibe'derImg des boykottierten Genossen

A. Durch Urteil vom 19. Mai 1910 hat der Appellationshof des Kantons
Bern in vorliegender Streitsache erkannt:

1. Dem Kläger ist das Rechtsbegehren der Vorklage zugesprochen für einen
Betrag von 1000 Fr. nebst Zins davon a 5 0/0 seit 20. November 1907.

2. Dem Beklagten ist sein Widerklagsbegehren zugesprochen für einen
Betrag von 20 Fr. nebst Zins davon à 5 0/0 seit 3. Mai 1907. '

3. Der Saldo, den der Veklagte dem Kläger heransschuldig bleibt, wird
festgesetzt auf den Betrag von 979 Fr. 45 Cis. nebst Zins davon à 50/0
seit 20. November 1907.

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte gültig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen mit dem Anfrage, es dahin abzuändern, dass die
Vorklage abgewiesen merde.

C. Der Kläger hat sich der Berufung angeschlossen .mtt dem Antrage: Das
Rechtsbegehren der Vorklage sei für einen Betrag von mindestens 5000
Fr. oder einen vom Bundesgerichte zu bestimmenden angemessenen Betrag
nebst Zins zu 90/0 seit dem 20. November 1907 zuzusprechen.

558 A. Oberste Zivilgerichtsinsianz. , Materiellrechtliche Entscheidungen.

D. In der heutigen Verhandlung haben die Vertreter der Parteien die in
der Berufungsinstanz gestellten Anträge erneuert und auf Abweisung der
gegnerischen Begehren geschlossen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der beklagte Bäckermeisterverein der Stadt Bern und Umgebung ist eine
im Jahre 1891 im Handelsregister eingetragene Genossenschaft, die sich
laut dem § 1 ihrer Statuten die

Hebung und Wahrung des Berufes, der Standesehre und die

Pflege der Kollegialität unter den Mitgliedern zum Zwecke gesetzt hat.

Jin August 1892 hatte der Verein beschlossen, die Presshefes

gemeinsam anzukausen, und es wurden zwei Mitglieder als
Presshefedepothalter bezeichnet. Im Jahre 1894 erging ein Beschluss, der
den Bezug der Presshese bei den Vereinsdepots für die Vereinsmitglieder
als obligatorisch erklärte. Im Jahre 1899 wurde an diesem Obligatorium
festzuhalten beschlossen, mit der Erklärung, dass der Vorstand, wie
bisher, diesen Beschluss in aller Milde handhaben solle. Die Depothalter
mussten die Hefe 20 Ets. über den Ankaufspreis verkaufen Von dem Gewinne
fiel die eine Hälfte den Depothaltern und die andere der Vereinskasse zu.
Diese Eingänge bildelen in den letzten Jahren die Haupteinnahme des
Vereins (rund 1300 Fr. jährlich).

Hinsichtlich der Mehlbestellungen besteht seit Jahren eine Vereinbarung
zwischen den bemischen Müllern und dem kantonalhernischen Bäckerverband,
dem der beklagte Verein als Sektion angehört. Danach ist bei allen
Bestellungen, solchen von Mitgliedern oder Nichtmitgliedern des Verbandes,
ein bestimmtesSouchenbuch zu verwenden, das in den Händen des Müllers
bleibt, während der Käufer den davon losgetrennten Ausweis über die
Bestellung erhält. Auf der Rückseite dieses Ausweises finden sich die
Bedingungen des Kaufsabschlusses abgedruckt, deren erste zwei §§ wie
folgt lauten:

§ 1. Der aus der Vorderseite unterzeichnete Beriäufer verpflichtet sich
bei einer Konventionalstrafe von mindestens 100 bis 250 Fr., mit keinem
Bäcker oder Brotverkäufer in irgendwelche geschäftliche Beziehungen zu
treten, sobald derBetrefsende dem Verkäufer als Gegner von allgemein
verbind-Berulungsinstanzt È. Allgemeines Obligationen-echt N° 81. 559,

lichen Beschlüssen zur Kenntnis gebracht wird. Bei Rückfällen soll die
Busse entsprechend erhöht werden

§ 2. ·Die Lieferung des gekausten Mehles oder sonstiger Mühlenprodukte
bleibt solange sistiert, bis der Fehlbare sich mit der ihn als Gegner
bezeichnenden Sektion des kantonal-bernischen Bäckermeistervereins
endgültig abgefunden hat.

Am 26. März 1907 beschlon der beklagte Verein eine Erhöhung des
Brotpreises Entsprechend diesem Beschlusfe teilte derVerein der Kundschaft
im Anzeiger der Stadt Bern vom 30. März 1907 mit, dass die Brotpreise
vom 1. April hinweg für das Halbweissbrot 32 und für das Ruchbrot 28
Cts· per Kg. betragen. Durch Zirkular vom 1, April sodann brachte er
den Mitgliedern diese Preiserhöhung zur Kenntnis mit der Einladung,
sie in ihren Geschäften einzuführen und pünktlich zu halten, undmit der
Bemerkung, dass Zuwiderhandlungen laut Vereinsbeschluss mit einer Busse
bis zu 100 Fr· belegt würden.

2. Der Kläger, Bäckermeister Lüdi, der Mitglied des beklagten Vereins
ist, hat in seinem Geschäft die Preis-erhöhung erst am 5. April
eintreten lassen und noch bis zum 10. April einigen armen Kunden zu
den alten Preisen verkauft. Infolgedessen wurde er vom Vereinsvorstand
am 11. April in eineBusse von 20 Fr. verfällt, deren Bezahlung er
aber verweigerteDie für den Bussbetrag angehobene Betreibung hemmte
er durchs Rechtsvorschlag Im Herbste 1907 wollte dann der Sohn Vögeli,
Teilhaber des Müllereigeschäfts J. J. Vögeli & Sohn, bei dem der Kläger
unter Verwendung des Souchenhestes Mehl bezogen hatte, im Auftrage des
Klägers die 20 Fr. dem Vereinssekretäre bezahlen. Dieser lehnte aber die
Annahme des Betrages mit der Begründung ab, Lüdi müsse selbst zahlen,
es seien noch andere Sachen mit ihm zu erledigen.

Jm Sommer 1907 hatte nämlich der Kläger aus DeutschlandPresshefe kommen
lassen und sie zu 1 Fr. 40 Cis. das Kg. verkauft, während sie der Verein,
der seinem Lieferanten Witschi 1 Fr. 40 Cts. bezahlte, durch seine
Depothalter zu 1 Fr. 60 Cis. per Kg. abgab. Der Klager, dessen Absatz
an Hefe rasch stieg, liess dem Verein nichts vom Erlöse zukommen. Dieser
sah sich nunmehr genötigt, die Hefe zum Selbstkostenpreis von 1 Fr.

560 A. Oberste Zivilgerictiisinstam. [. Materiellrechfliche
Entscheidungen.

40 Cts. abzugeben, wodurch der Vereinskasse eine wesentliche Einnahme
entging. In der Folge liess sich Witschi herbei, den vom Verein bezahlten
Bezugspreis auf 1 Fr. 30 Cis. herabzusetzen und für jedes bezogene
Kg. der Vereinskasse 5 Ets· zurückzuvergiiten. Im Februar 1908 reduzierte
der Kläger seinen Preis auf 1 Fr. 20 (Età., was eine Herabsetzung des
Ankaufspreises durch Witschi auf 1 Fr. 10 Cts und des Verkaufspreises
durch den Verein auf 1 Fr. 20 Ets. zur Folge hatte. Ferner wurden um
diese Zeit noch fünf weitere vom Verein unabhängige Verkaufsdepots,
aber nicht auf Veranlassung des Klägers, errichtet.

Wegen dieses selbstständigen Verkauf-s von Presshefe und wegen
der Weigerung, die auferlegte Busse zu bezahlen, wurde Lüdi in der
Vorstandssitzung vom 9. September 1907 als Gegner des Vereins erklärt
und beschlossen, ihn gestützt auf die Bedingung des Souchenbuches den
Müllern als solchen anzugeben. Letzteres geschah insoweit,· als die
Verrufserklärung sieben bernischen Müllereigeschäften (den Vereinigten
Mühlen A.-G., Vögeli & Sohn, Schenk, Lauper, Müller, Stettler und den
Gebrüder Kindler) zur Kenntnis gebracht wurde. Den andern Müllern stand
die Lieserung von Mehl an den Kläger frei.

Unter Berufung auf diese Verrufserklärung und seine Büssung hat nunmehr
der Kläger das Klagebegehren gestellt, es habe ihm der beklagte Verein
nach Art. 50
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
und 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR eine vom Gerichte zu bestimmende Summe nebst
gesetz-lichem Verzugszins als Entschädigung zu bezahlen. Der Veklagte
hat auf Abweisung der Klage und widerklageweise auf Bezahlung des
Bussenbetrages von 20 Fr. nebst 5% Zins seit der Zahlungsaufforderung
(3. Mai 1907) angetragen.

3. Mit der Vorinstanz ist zunächst das auf Bezahlung des Bussenbetrages
von 20 Fr. gerichtete Widerklagebegehren zu schützen und demnach die
Anschlnssberufung des Klägers abzuweisen. Der § 13 der Vereins-statuten
sieht Bussen in der Höhe von 20 bis 200 Fr. wegen Übertretung von
Vereinsbeschlüssen vor, und der Beschluss vom 26. März 1907 betreffend die
Erhöhung des Brotpreises hält sich innerhalb der dem Verein zustehenden
Kompetenzen: Freilich bezeichnen die Statuten als Vereinszweck nur in
allgemeiner Weise die Hebung und WahrungBerufungsinstanz: 2. Allgemeines
Ohligalionenrecht. N° 81, 561

des Berufes, der Standes-ehre und die Pflege der Kollegialität.
Aber die einheitliche Preisregulierung fällt bei den wirtschaftlichen
Jnteressenverbänden vorliegender Art naturgemäss in den ordentlichen
Bereich ihrer Tätigkeit, und man darf daher annehmen, dass sie in jener
allgemeinen Umschreibung des Bereinszweckes inbegriffen sei. Endlich
steht nach den Akten fest, dass der Kläger spätestens am 5. April 1907
von dem genannten Vereinsbeschlusse Kenntnis gehabt und ihn trotzdem
bis zum 10. April nicht befolgt hat. Somit erweist sich die auferlegte
Busse als eine durchaus berechtigte Massregel

4. Was die Hauptklage betrifft, so sind bei der Entscheidung der Frage,
ob der gegen den Kläger verhängte Boykott widerrechtlich sei, die Rechte
und Pflichten des Klägers als Vereinsmitglied zu berücksichtigen Nun steht
grundsätzlich nichts entgegen, dass ein Verein den Boykott gegenüber
seinen Mitgliedern als Zwangsund Disziplinarmittel soweit anwenden als
derselbe im allgemeinen auch gegenüber Dritten rechtlich zulässig ist,
soweit er also nicht auf die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des
Boykottierten abzielt (AS 32 11 S. 366 sf.; 33 II S. 118). Das ist hier
nicht der Fall gewesen, da die Verrufserklärung nur einer beschränkten
Zahl von Müllern mitgeteilt worden ist und den Gewerbebetrieb des
Klägers jedenfalls nicht vollständig zu untergraben geeignet war. Der
beklagte Verein hat auch die Befugnis zur Verhängung des Boykottes
gegenüber renitenten Mitgliedern besessen. Wenn auch die Statuten
darüber ausdrücklich nichts bestimmen, so muss diese Kompetenz doch
aus der Einführung und der für die Mitglieder bei den Mehlankäufen
obligatorischen Verwendung des Souchenbuches geschlossen werden, in
dessen gedruckten "Bedingungen der Käufer darauf aufmerksam gemacht wird,
dass sein Lieferant zum Abbruche der weitern geschäftlichen Beziehungen
verpflichtet sei, sobald ihm der Käufer als Gegner von allgemein
verbindlichen Beschlüssen zur Kenntnis gebracht- merde. Die Einrichtung
dieses Buches und die betreffende Vereinbarung mit den Müllern beruht auf
einem Vereinsbeschlusse, der nach § 13 der Statuten für alle Mitglieder
verbindlich ist. Hienach haben die Mitglieder des Vereins sich insoweit
der Zwangsgewalt des Vereins unterworfen, als dieser sie

562 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrecbfliche Entscheidungen

nunmehr bei Vorhandensein der erforderlichen Voraussetzungen in Verrus
erklären farm, worin nach dem Gesagten keine zu weit gehende und daher
unsittliche Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit zu erblicken ist. Zum
mindesten aber muss eine Verrufserklärung gegenüber jenen Mitgliedern
zulässig fein, die, wie der Kläger, das Souchenbuch tatsächlich verwendet
und damit von der Sachlage Kenntnis erhalten haben.

Hat sonach der Verein gegenüber dem Kläger von einem ihm gesetzlich
und statutarisch zustehenden Machtmittel Gebrauch gemacht, und zwar
in einem Umfange, der rechtlich als zulässig erscheint, so fragt es
sich nur noch, ob ein genügender Grundvorlag, um dieses Zwangsmittel
gegen den Kläger zur Anwendung zn Bringen, Der Boykott greift nun
freilich, selbst wenn er nur in beschränkt-ein Masse angewendet wird,
regelmässig so tief in die wirtschaftliche Freiheit des Betroffenen
ein, dass er jedenfalls nur gegenüber schweren Pflichtverletzungen
eines Verband?mitgliedes statthaft ist. Die Verrufserklärung würde
daher dann eine rechtswidrige Handlung in sich schliessen, wenn sie zur
Verfehlung, gegen welche eingeschritten werden soll, in keinem Verhält-
nisse steht, oder wenn weniger einschneidende Zwangsmassnahmen angezeigt
wären. Dies trifft aber hier insoweit nicht zu, als sich die über den
Kläger verhängte Sperre gegen den Betrieb des Presshefedepots durch den
Kläger richtet. Auch hier hat sich der Kläger gegen einen verbindlichen
Vereinsbeschiuss vergangen, indem der Verkan der Presshese vom Verein
gegenüber seinen Mitgliedern als Monopol erklärt worden war. Es ist
nicht einzusehen,. warum das nicht gültig hätte geschehen können. Sm
besondern steht dem genannten Vereinsbeschlusse der Umstand nicht
entgegen, dass die Massnahme nicht eigentlichen Vereinszwecken biente,
sondern darauf abzielte, der Vereins-lasse erhöhte Einnahmen zuzuführen.
An der Verbindlichkeit der den Pressheseverkans betreffenden Beschlüsse
für die Vereinsmitglieder ändert dies nichts. Der Kläger, der sich
mit seinem Eintritt in den Verein auch jenen bereitsergangenen, ihm
bekannten Beschlüssen unterzog, hat ihnen nun zuwidergehandelt, und zwar
in besonders schwerer Weise. Denn einmal hat er nach den aktenmässigen
Feststellungen der Bornistanz die Vereinskasse empfindlich geschädigt
Sodann war das-siss. -..,-...-.-.... ..,.si-si

Berufungsinslanz: "2. Allgemeines Odligationenrecht. N° 81. 563

Vorgehen des Klägers geradezu provokatorisch, indem er dem Verein
einen eigentlichen Preiskanipf aufzwang und ihn zu wiederholten Malen
zur Herabfetzung der Preise nötigte. Dadurch hat der Kläger ferner
die Veranlassung gegeben, dass dem Verein auch von anderer Seite beim
Presshefeoerkauf Konkurrenz erwuchs. Unter diesen Umständen lässt sich
der Über den Kläger verhängte Boykott als eine gerechtfertigte Abwehrund
Vergeltungsmassregel des Vereins gegenüber einem Mitgliede ansehen,
das unter Missachtung seiner Vereinspslichten den Verein bekämpft hat
und bewusst der Verfolgung seiner Zwecke entgegengetreten ist. Der
Vorstand -der zum Erlass der Verrufserklärung laut Art. 699 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 699 - 1 Die Generalversammlung wird durch den Verwaltungsrat, nötigenfalls durch die Revisionsstelle einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren und den Vertretern der Anleihensgläubiger zu.
1    Die Generalversammlung wird durch den Verwaltungsrat, nötigenfalls durch die Revisionsstelle einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren und den Vertretern der Anleihensgläubiger zu.
2    Die ordentliche Generalversammlung findet jährlich innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres statt.
3    Aktionäre können die Einberufung einer Generalversammlung verlangen, sofern sie zusammen mindestens über eine der folgenden Beteiligungen verfügen:
1  bei Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind: 5 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen;
2  bei anderen Gesellschaften: 10 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen.
4    Sie müssen die Einberufung schriftlich verlangen. Die Verhandlungsgegenstände und Anträge müssen im Begehren enthalten sein.
5    Entspricht der Verwaltungsrat dem Begehren nicht innert angemessener Frist, längstens aber innert 60 Tagen, so können die Gesuchsteller dem Gericht beantragen, die Einberufung anzuordnen.
OR
zuständig war konnte von der Anwendung milderer Zwangsmittel absehen,
nachdem sich der Kläger bereits hinsichtlich der Bezahlung der Busse
renitent gezeigt hatte. Wenn auch der Vorstand durch Vereinsbeschluss
angewiesen war, das Verbot des Pressheseverkauss durch die Mitglieder
in aller Milde zu vollziehen, so war hier, besonders angesichts der
Hartnäckigkeit des Klägers, eine besondere Schonung nicht am Platze. Die
vom Kläger behauptete Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor Und daher
ist die Hauptberufung zu schützen und die Klage gänzlich abzuweisen.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Hauptberufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil des
bernischen Appellationshofes vom 19. Mai 1910 aufgehoben und die
Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung wird verworfen und das
Widerklagebegehren mit der Vorinstanz geschützt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 36 II 557
Datum : 01. Januar 1909
Publiziert : 31. Dezember 1910
Quelle : Bundesgericht
Status : 36 II 557
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 556 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. [. Materiellrechtliche Entscheidungen. tigt.


Gesetzesregister
OR: 9 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 9 - 1 Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem andern zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten.
1    Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem andern zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten.
2    Dasselbe gilt für den Widerruf der Annahme.
50 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
55 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
215 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 215 - 1 Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
1    Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
2    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er ohne einen solchen Verkauf die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Markt- und Börsenpreis zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
699
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 699 - 1 Die Generalversammlung wird durch den Verwaltungsrat, nötigenfalls durch die Revisionsstelle einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren und den Vertretern der Anleihensgläubiger zu.
1    Die Generalversammlung wird durch den Verwaltungsrat, nötigenfalls durch die Revisionsstelle einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren und den Vertretern der Anleihensgläubiger zu.
2    Die ordentliche Generalversammlung findet jährlich innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres statt.
3    Aktionäre können die Einberufung einer Generalversammlung verlangen, sofern sie zusammen mindestens über eine der folgenden Beteiligungen verfügen:
1  bei Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind: 5 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen;
2  bei anderen Gesellschaften: 10 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen.
4    Sie müssen die Einberufung schriftlich verlangen. Die Verhandlungsgegenstände und Anträge müssen im Begehren enthalten sein.
5    Entspricht der Verwaltungsrat dem Begehren nicht innert angemessener Frist, längstens aber innert 60 Tagen, so können die Gesuchsteller dem Gericht beantragen, die Einberufung anzuordnen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • kenntnis • busse • boykott • zins • bundesgericht • rechtsbegehren • mehl • frage • hefe • vorstand • bedingung • vorinstanz • zahl • entscheid • genossenschaft • besteller • sektion • bezogener • kundschaft
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