324 _ Obligatlonenrecht. N50.

IV. OBLIGATIONENRECHT

DROIT DES OBLIGATIONS

50. Urteil der I. Zivilsbteilungvom 19. Juni 1922 11. S. Blatter gegen
Handelsgärtnewerein Zürich. Boykott, rechtswidriger, wegen Benützung
einer den Tat-

sachen nicht entsprechenden Darstellung des Sachverhaltes in öffentlichen
Kundgebungen.

A. Die Klägerin, die in Zürich eine von ihrem Ehemann
geleitete Staudengärtnerei betreibt, ist Mitglied des
Schweiz. Handelsgàrtnerverbandes. Unterm 15. März 1920 ersuchte
sie der Beklagte auch dem Handelsgärtnerverein Zürich beizutreten,
oder sich doch wenigstens zu verpflichten, die von diesem Vereine
festgesetzten Lohnansätze einzuhalten und Gartenarbeiten nicht in Akkord
zu übernehmen. Dieser Einladung war die Androhung beigefügt: sollte uns
innert sechs Tagen weder die eine noch die andere Erklärung Ihrerseits
zugeben, so wären wir zu unserm Bedauern gezwungen, im Interesse unseres
Berufes weitere Schrittein der Sache zu tun. Mit Schreiben vom 7. April
1920 verwahrte sich die Klägerin gegen ein solches Vorgehen, erklärte sich
aber zum Abschluss eines Gegenseitigkeitévertrages, den sie im Entwurf
beilegte, bereit. Der Beklagte lehnte diese Offerte unterm 15. April 1920
jedoch ab und wandte sich sodann an den Schweiz. Handelsgärtnerverband,
der der Klägerin am 26. Juli 1920 mit dem Ausschluss drohte, sofern sie
die Tarife und übrigen Vereinbarungen des Beklagten nicht einhalte.

In der Folge trug der Beklagte die Angelegenheit in die Presse, indem
er zu verschiedenen Malen (z. B. am 18. September) im Offertenblatt der
Schweiz. Handelsgärtner die Namen derjenigen Firmen veröffentlichen liess,
dieObligationenrecht. N° 50. 325

sich geweigert hatten, dem beklagten Verein beizutreten oder sich
auf dessen Lohnansätze zu verpflichten und mit denen daher der
Geschäftsverkehr abgebrochen werden sei.

Am 16. Oktober 1920 erschien im gleichen Blatte folgende
von den Vorständen des beklagtischen Vereins und des
Schweiz. Handelsgärtnerverbandes unterzeichnete Bekanntmachung :

Der Handelsgärtnerverein Zürich sieht sich genötigt, eine Anzahl
Landschaftsgärtner auf dem Platze Zürich, die als Wilde die dort üblichen
Tarife und Geschäftsordnungen nicht einhalten wollen, zu massregeln. Der
Verein hat den Schweiz. Handelsgärtnerverband ersucht, diese Massnahmen
auf das Gebiet der ganzen Schweiz auszudehnen und sich mit den Kollegen
des Handelsgärtnervereins Zürich solidarisch zu erklären. Genannter
Verein erblickt eine wichtige Massnahme darin, dass alle schweizerischen
Handelsgärtner und Baumschulenbesitzer mit den weiter unten genannten
Landschaftsgärtnern den GeschäftsVerkehr vollständig abbrechen, ihnen
also keine Waren mehr liefern. Ebenso sei zu erwarten, dass nicht nur
unser Oifertenblatt, sondern auch dasjenige in Solothurn die Aufnahme
von Inseraten der betreffenden Firmen verweigere. Wir appellieren an
die Solidarität unserer Berufskollegen.

Anschliessend folgte die namentliche Anführung dieser wilden Firmen .

B. Frau A. M. Blatter erblickte in diesem Vorgehen eine unerlaubte
Handlung und belangte den Beklagten mit der vorliegenden Klage auf 3000
Fr. Schadenersatz und auf Zahlung von 250 Fr. vom 1. Dezember 1920 hinweg
für jeden weitem Monat der Boykottverhängung. Ferner beantragte sie,
der Beklagte sei zu verpflichten, eine sechsmalige Gegenpublikation auf
seine Kosten im Offertenblatt der Schweiz. Handelsgärtner zu erlassen.

In der Begründung bestritt sie, dass sie sich geweigert

326 Obligationenrecht. N° 50.

habe, die Lohnansätze einzuhalten. In der Übernahme von
Gartenunterhaltungsarbeiten zu Akkordlöhnen liege nichts Unsittliches. Der
Beklagte sei daher zu der auf unwahren Behauptungen beruhenden
Boykotter-klärung nicht berechtigt gewesen. Dieser Massnahme gegenüber
habe sie sich nicht wehren können, weil einerseits die Mitglieder des
beklagtischen Vereins statutarisch unter hohen Konventionalstrafen zur
Beobachtung des Boykotts verpflichtet waren, und anderseits der Beklagte
eine förmliche Inseratensperre bei den Fachzeitungen erwirkt habe. Die
Festsetzung des durch die wissentlich unwahren Angaben verursachten
Schadens werde dem richterlichen Ermessen anheimgestellt. Laut Schreiben
des Schweiz. HandelsgärtnerVerbandes habe der Beklagte alle und jede
Verantwortung für sein Vorgehen übernommen ; er sei daher auch passiv
legitimiert.

Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Für die fraglichen
Publikationen sei er nicht verantwortlich, da dieselben vom
schweizerischen Verbande ausgegangen seien. Jede Organisation habe aber
das Recht, Mitglieder, die ihr in den Rücken schiessen, öffentlich bekannt
zu geben. Es handle sich gar nicht um einen Boykott, sondern bloss um
eine Empfehlung an die Vereinsmitglieder, von einem GeschäftSVerkehr mit
den betreffenden Firmen Umgang zu nehmen. Die kreditschädigende Wirkung
der Bekanntmachung werde bestritten, da das Geschäft der Klägerin ohnehin
nie mit Erfolg gearbeitet habe.

C. Mit Urteil vom 12. Dezember 1921 hat das Obergericht des Kantons Zürich
die Klage in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheides abgewiesen.

D. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
erklärt mit den Begehren um grundsätzliche Gutheissung der Klage
und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Festsetzung der
Entschädigung.Obligationenrecht. N° 50. 327

Der Beklagte hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen
Urteils beantragt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Mit dem angefochtenen Urteil ist davon auszugehen, dass in der vom
Beklagten im Offertenblatte der Schweiz. Handelsgärtner erlassenen
Aufforderung an die Verbandsmitglieder, den Geschäftsverkehr mit
der Klägerin vollständig abzubrechen, weil sie die aufgestellten
Arheitsbedingungen nicht einhalte, eine sog. Boykotthandlung zu erblicken
ist. Es fragt sich daher in erster Linie, ob dieselbe nach der Behauptung
der Klägerin widerrechtlich war. Die Vorinstanz verneint dies mit der
Begründung, dass einerseits der Beklagte in Wahrnehmung berechtigter
Interessen gehandelt habe, und anderseits die Durchführung der Sperre
nicht geeignet gewesen sei, die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen
zu vernichten. Inwieweit indessen der mit der fraglichen Massregelung
erstrebte Erfolg als ein mit der Rechtsordnung und den guten Sitten
Vereinbares Ziel zu gelten habe und in einem gerechten Verhältnis zu dem
dadurch der Klägerin zugefügten Schaden stehe, kann hier dahingestellt
bleiben, da jedenfalls die hiezu gewählten Mittel als unzulässig zu
betrachten sind und daher auch einen erlaubten und gerechten Zweck nicht
zu rechtfertigen vermöchten.

Nach der in zahlreichen Entscheidungen niedergelegten Rechtsprechung
des Bundesgerichts ist der Boykott an sich ein statthaftes gewerbliches
Kampfmittel (vgl. AS 40 II 619; 44 II 479); ob er, wie die Vorinstanz
anzunehmen scheint, auch nicht ohne weiteres dadurch zu einer unerlaubten
Massnahme werde, dass dabei durch die Presse die Unterstützung weiterer
Kreise angerufen wird, ist nicht zu entscheiden, da sich das Vorgehen
des Beklagten unter den vorliegenden Umständen jedenfalls deshalb als
unerlaubte Handlung darstellt, weil ein Nachweis für die Richtigkeit
des in den öffentlichen

328 _ Obligationenrecht. N° 50.

Kundgebungen gegebenen Sachverhaltes fehlt. In dieser Beziehung ist
nämlich festzustellen, dass die Klägerin den ihr gemachten Vorwurf der
Preisunterbietung von Anfang an entschieden als unbegründet zurückgewiesen
hat. Demgegenüber aber hat der Beklagte, der seine Angriffe auf den
wirtschaftlichen Gegner gerade auf diese Tatsache stützte, den ihm
obliegenden Beweis für deren Richtigkeit nicht erbracht. Allerdings
hat die Klägerin den mit Zwang versuchten Beitritt zum beklagten
Verein abgelehnt und sich zur Annahme des Tarifes nur unter bestimmten
Bedingungen bereit erklärt. Allein dieses Verhalten rechtfertigt mangels
irgendwelcher gegenteiliger Anhaltspunkte keineswegs den Schluss, dass
sie auch tatsächlich unter dem Tarif gearbeitet habe. Insbesondere liegt
auch nichts für ihre Mit-

wirkung an den vom Verband der freien Handelsgärtner _

erlassenen Publikationen Vor, Worin Arbeitsofferten zu billigeren als
den Vom Beklagten festgesetzten Preisen gemacht worden sind. Auf den
Umstand einzig, dass sie nach ihrem eigenen Zugeständnis in Unkenntnis
des neuen Tarifs einige Zeit zu niedrigem Ansätzen gearbeitet hat, kann
bei dieser Sachlage nicht entscheidend abgestellt werden. Was sodann die
Ausführung von Akkordarbeiten anbetrifft, deren Übernahme der Beklagte
als Zuwiderhandlung gegen seine Grundsätze erklärt, so fehlt auch nach
dieser Richtung der Nachweis für eine Verletzung der von ihm normierten
Preisansätze.

Können somit die vom Beklagten aufgestellten Behauptungen nicht als
erwiesen gelten und muss daher davon ausgegangen werden, dass er zur
Begründung der über die Klägerin verhängten Sperre eine den Tatsachen
nicht entsprechende Darstellung benützt hat, so kann seine Handlungsweise,
durch die die Verbandsmitglieder zu einem der Klägerin ökonomisch
nachteiligen Verhalten veranlasst wurden, Vor der Rechtsordnung und
den guten Sitten nicht standhalten. Sein Vorgehen ist aber nicht nur in
Ansehung der unzulässigen MittelObligationenrecht. N° 50. 329

ein widerrechtliches, sondern auch ein schuldhaftes und zwar jedenfalls
grob fahrlässiges. Denn an seine Sorgfaltspflicht muss hier, abgesehen
davon, dass es sich beim Boykott um ein in das wirtschaftliche Leben
empfindlich einschneidendes Kampfmittel handelt, das bestimmungsgemäss
auf eine Schädigung des Gegners am Vermögen abzielt, schon deshalb ein
strenger Massstab angelegt werden, weil er diese Massregel nicht nur im
beschränkten Kreise seiner Vereinsmitglieder, sondern im schweizerischen
Verbande, für welchen er die Verantwortung persönlich übernommen hat,
zur Durch--

s führung brachte.

2. Enthält danach die Verhängung des Boykotts eine unerlaubte Schädigung
der Klägerin, so hat der Beklagte für diese Folgen seines Vorgehens
aufzukommen, gleichviel oh man für die Beurteilung derselben auf Art. 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
2    Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.

ZGB in Verbindung mit Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR oder Art. 41 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
. bezw. speziell
48 OR als Entscheidungsnorm abstellt. Nach den eigenen Angaben der
Klägerin nun in ihrem Schreiben an die Redaktion des Offertenblattes
der Schweiz. Handelsgärtner ist die finanzielle Einbusse keine
erhebliche, sodass es einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur
ziffernmässigen Fest-_ stellung des Schadens nicht bedarf. In Würdigung
aller Umstände erscheint eine Entschädigung von 100 Fr. als angemessen. -

3. Aus dem Gesagten folgt ohne weiteres auch die grundsätzliche
Begründetheit des klägerischen Begehrens um Zurücknahme der vom
Beklagten aufgestellten Behauptungen durch Erlass ven Gegenpublikationen.
Dabei wird den Interessen der Klägerin mit einer Veröffentlichung des
Urteilsdispositives und zwar mit einer einmaligen, deren Kosten der
Beklagte zu tragen hat, völlig Genüge geleistet.

Demnach erkenni das Bundesgericht : Die Berufung wird teilweise begründet
erklärt, das

330 Obligationenrecht. N° 51.

Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. Dezember 1921
aufgehoben und die Klage dahin gutgeheissen, dass der Beklagte zur
Zahlung einer Entschädigung von 100 Fr. an die Klägerin und zur einmaligen
Publikation des Urteilsdispositives im Offertenblatte der schweizerischen
Handelsgärtner auf seine Kosten verurteilt wird.

51. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. d'i-1111922 i. S. Bucher
gegen Dames.

Fra chtvertrag: Oertliche Rechtsanwendung. Unriehtige Ausstellung des
Frachtbriefes durch den Unterspediteur. Haftung des Spediteurs nach
Art. 399 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 399 - 1 Hat der Beauftragte die Besorgung des Geschäftes unbefugterweise einem Dritten übertragen, so haftet er für dessen Handlungen, wie wenn es seine eigenen wären.
1    Hat der Beauftragte die Besorgung des Geschäftes unbefugterweise einem Dritten übertragen, so haftet er für dessen Handlungen, wie wenn es seine eigenen wären.
2    War er zur Übertragung befugt, so haftet er nur für gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Dritten.
3    In beiden Fällen kann der Auftraggeber die Ansprüche, die dem Beauftragten gegen den Dritten zustehen, unmittelbar gegen diesen geltend machen.
und Art. 449
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 449 - Der Frachtführer haftet für alle Unfälle und Fehler, die auf dem übernommenen Transporte vorkommen, gleichviel, ob er den Transport bis zu Ende selbst besorgt oder durch einen anderen Frachtführer ausführen lässt, unter Vorbehalt des Rückgriffes gegen den Frachtführer, dem er das Gut übergeben hat.
OR ? Verjährung der frachtrechtlichen
Ersatzklage, Art. 454
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 454 - 1 Die Ersatzklagen gegen Frachtführer verjähren mit Ablauf eines Jahres, und zwar im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Verspätung von dem Tage hinweg, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen, im Falle der Beschädigung von dem Tage an, wo das Gut dem Adressaten übergeben worden ist.
1    Die Ersatzklagen gegen Frachtführer verjähren mit Ablauf eines Jahres, und zwar im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Verspätung von dem Tage hinweg, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen, im Falle der Beschädigung von dem Tage an, wo das Gut dem Adressaten übergeben worden ist.
2    Im Wege der Einrede können der Empfänger oder der Absender ihre Ansprüche immer geltend machen, sofern sie innerhalb Jahresfrist reklamiert haben und der Anspruch nicht infolge Annahme des Gutes verwirkt ist.
3    Vorbehalten bleiben die Fälle von Arglist und grober Fahrlässigkeit des Frachtführers.
OR. Die versehentliehe Nichtanbringun'g der
Transitklausel auf dem Frachtbrief ist kein grobes Verschulden

si im Sinne von Art. 454 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 454 - 1 Die Ersatzklagen gegen Frachtführer verjähren mit Ablauf eines Jahres, und zwar im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Verspätung von dem Tage hinweg, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen, im Falle der Beschädigung von dem Tage an, wo das Gut dem Adressaten übergeben worden ist.
1    Die Ersatzklagen gegen Frachtführer verjähren mit Ablauf eines Jahres, und zwar im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Verspätung von dem Tage hinweg, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen, im Falle der Beschädigung von dem Tage an, wo das Gut dem Adressaten übergeben worden ist.
2    Im Wege der Einrede können der Empfänger oder der Absender ihre Ansprüche immer geltend machen, sofern sie innerhalb Jahresfrist reklamiert haben und der Anspruch nicht infolge Annahme des Gutes verwirkt ist.
3    Vorbehalten bleiben die Fälle von Arglist und grober Fahrlässigkeit des Frachtführers.
OR. Der Auftrag zur 'h'ansportversicherung
schliesst nicht ohne weiteres auch den Auftrag zur Lagerversicherung
in sich.

A. Mit Klage vom 5. Dezember 1921 belangte das Speditionsgeschäft
Danzas & Cie A. G. in St. Gallen den G. Bucher, Stickereigeschäft
in St. Gallen, auf Bezahlung von 9843 Fr. 75 für von ihr besorgte
Speditionen. Vor Handelsgericht Verglichen sich die Parteien über die
Forderung der Klägerin. Dagegen blieb eine Widerklage auf Zahlung von
46,414 Fr. streitig, die der Beklagte seinerseits erhoben hatte. Dieser
Widerklage, liegen folgende Tatsachen zu Grunde:

Mit Brief vom 5. Dezember 1919 beauftragte der Widerkläger die
Widerbeklagte 14 Kisten Stickereiwaren, die er naeh Stockholm Verkauft
hatte, die aber dort vom Käufer nicht angenommen worden waren, von
Stockholm via Rotterdam nach Köln zu spedieren und zwar an die Adresse :
Arthur Vrancken, Köln a. Rh.Obligationenrecht. N° 51. 25:51

Nachdem die Parteien, wie sich aus zwei Briefen der Widerbeklagten vom
23. Januar 1920 und 29. Januar 1920 ergibt, über eine Änderung des
Bestimmungsortes verhandelt hatten, und nachdem der Widerkläger die
Widerbeklagte mit der Versicherung der Ware für den Transport bis Köln
für 120,000 Fr. beauftragt hatte,

gab die Widerheklagte am 5. Februar 1920 ihrer Unter-

spediteurin, der Firma Burger & Zoon in Rotterdam, den Auftrag, die
Ware in Transit an die mit Arthur Vrancken identische Speditionsund
Lagerhaus-A.-G. 111 Köln weiterzuleiten und sie gegen Transport--
und Diebstahlsrisiko ab Rotterdam bis Köln für 120,000 Fr. zu
versichern. Zufolge eines in Rotterdam ausgebrochenen Streikes der
Hafenarbeiter verzögerte sich die Spedition. Nachdem die Ware von
Rotterdam abgegangen war, schrieb die Viderbeklagte unterm 5. Mai
1920 dem Spediteur Vrancken, er solle auch die Lagerversiehernng
der Sendung decken. Vrancken bestätigte diesen Auftrag umgehend und
bemerkte dabei, die Versicherung sei fur einen Wert von 852,840 Mark =
120,000 Fr., umgerechnet zum Tageskurs (vom 11. Mai 1920), abgeschlossen
werden. Am 15. Mai 1920 forderte der Widerkläger den Spediteur Vrancken
auf, die Waren über Passau nach Wien zu spedieren. Inzwischen waren
jedoch die Buckereien auf dem Transport Rotterdam-Köln vom deutschen
Reichsbeauftragten in Duisburg beschlagnahmt _worden. In Duisburg
wurden am 13. Juli 1920 aus drei Kisten je über die Hälfte des Inhalts
gestohlen. Dafür zahlte die Versicherungsgesellschaft 62,751 Mk. 50
aus. Erst nach langwierigen Verhandlungen wurde der Best der Ware im
Frühjahr 1921 zum Verkauf in Berlin freigegeben.

Mit der 'Widerklage verlangte der Widerkläger einmal einen Betrag von
50,000 Fr. Er machte geltend und stellte zum Beweis, dass ihm durch die
Beschlagnahme und die Unmöglichkeit, die Ware wie beabsichtigt nach
Wien zu spedieren, ein Schaden von mindestens 50,000 Fr. entstanden
sei. Hiefür müsse die Widerbeklagte ank-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 48 II 324
Datum : 19. Juni 1922
Publiziert : 31. Dezember 1922
Quelle : Bundesgericht
Status : 48 II 324
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 324 _ Obligatlonenrecht. N50. IV. OBLIGATIONENRECHT DROIT DES OBLIGATIONS 50.


Gesetzesregister
OR: 41 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
49 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
399 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 399 - 1 Hat der Beauftragte die Besorgung des Geschäftes unbefugterweise einem Dritten übertragen, so haftet er für dessen Handlungen, wie wenn es seine eigenen wären.
1    Hat der Beauftragte die Besorgung des Geschäftes unbefugterweise einem Dritten übertragen, so haftet er für dessen Handlungen, wie wenn es seine eigenen wären.
2    War er zur Übertragung befugt, so haftet er nur für gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Dritten.
3    In beiden Fällen kann der Auftraggeber die Ansprüche, die dem Beauftragten gegen den Dritten zustehen, unmittelbar gegen diesen geltend machen.
449 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 449 - Der Frachtführer haftet für alle Unfälle und Fehler, die auf dem übernommenen Transporte vorkommen, gleichviel, ob er den Transport bis zu Ende selbst besorgt oder durch einen anderen Frachtführer ausführen lässt, unter Vorbehalt des Rückgriffes gegen den Frachtführer, dem er das Gut übergeben hat.
454
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 454 - 1 Die Ersatzklagen gegen Frachtführer verjähren mit Ablauf eines Jahres, und zwar im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Verspätung von dem Tage hinweg, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen, im Falle der Beschädigung von dem Tage an, wo das Gut dem Adressaten übergeben worden ist.
1    Die Ersatzklagen gegen Frachtführer verjähren mit Ablauf eines Jahres, und zwar im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Verspätung von dem Tage hinweg, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen, im Falle der Beschädigung von dem Tage an, wo das Gut dem Adressaten übergeben worden ist.
2    Im Wege der Einrede können der Empfänger oder der Absender ihre Ansprüche immer geltend machen, sofern sie innerhalb Jahresfrist reklamiert haben und der Anspruch nicht infolge Annahme des Gutes verwirkt ist.
3    Vorbehalten bleiben die Fälle von Arglist und grober Fahrlässigkeit des Frachtführers.
ZGB: 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
2    Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
BGE Register
40-II-617 • 44-II-478
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • boykott • schaden • vorinstanz • weiler • bundesgericht • widerklage • spediteur • sachverhalt • richtigkeit • verhalten • unerlaubte handlung • buch • presse • kreis • brief • frachtbrief • unternehmung • versicherer • angabe
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