BGE 78 II 379
65. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Oktober 1952 i. S. John Wyeth &
Brother Ltd. gegen Dr. Wander A.-G.
Regeste:
Verwechselbarkeit der für gleichartige pharmazeutische Präparate bestimmten
Marken Alucol und Aludrox. Art. 6
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
Possibilité de confusion des marques Alucol et Aludrox utilisées pour désigner
des produits pharmaceutiques du même genre. Art. 6 LMF.
Possibilità di confusione delle marche Alucol e Aludrox adoperate per
designare dei prodotti farmaceutici dello stesso genere. Art. 6 LMF.
A. - Die Firma Dr. A. Wander A.-G. in Bern ist Inhaberin der Fabrik- und
Handelsmarke «Alucol». Diese ist als Wortmarke seit 1919, erneuert 1939 unter
Nr. 95745, und als kombinierte Wort-Bildmarke seit 1925, erneuert
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1945 unter Nr. 109432, im schweizerischen Markenregister eingetragen für
pharmazeutische und chemische Präparate. Sie wird benützt für ein Heilmittel
gegen Magenübersäuerung und deren Folgen.
Die Firma John Wyeth & Brot her Ltd. in London hinterlegte am 24. Juli 1950 in
der Schweiz unter Nr. 134 394 die Wortmarke «Aludrox», die für medizinische
und pharmazeutische Produkte eingetragen wurde und ebenfalls für ein
Heilmittel gegen Magenübersäuerung verwendet wird.
B. - Die Firma Wander reichte unverzüglich unter Berufung auf die Bestimmungen
des Marken- und Wettbewerbsrechts Klage gegen die Firma Wyeth ein, mit den
Begehren auf Nichtigerklärung und Löschung der beklagtischen Marke «Aludrox»
ferner verlangte sie, es sei der Beklagten die Verwendung der Bezeichnung
«Aludrox» im geschäftlichen Verkehr, insbesondere zur Kennzeichnung
medizinischer und pharmazeutischer Produkte, gerichtlich zu untersagen.
Die Beklagte bestritt das Vorliegen der von der Klägerin behaupteten
Verwechselbarkeit der beiden Zeichen und beantragte Abweisung der Klage.
C. - Das Handelsgericht Bern schützte die Klage mit Urteil vom 27. März 1952.
D. - Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Beklagte erneut
Klageabweisung. Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Entscheides an.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Da die beiden in Frage stehenden Warenzeichen für gleichartige
Erzeugnisse, nämlich pharmazeutische Produkte, verwendet werden, ist gemäss
Art. 6
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
früher eingetragenen Marke der Klägerin durch wesentliche Merkmale
unterscheidet.
Ob diesem Erfordernis genügt ist, beurteilt sich gemäss
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ständiger Rechtsprechung nach dem Gesamteindruck der zu vergleichenden Zeichen
(BGE 77 II 324 in Verbindung mit 329, 62 II 333, 58 II 455 Erw. 2; vgl. auch
BGE 78 I 280 f.). Die Verwechselbarkeit im Sinne des Gesetzes wird deshalb
weder dadurch ausgeschlossen, dass alle Bestandteile der zu vergleichenden
Marken verschieden sind (BGE 25 II 308), noch ist sie ohne weiteres gegeben,
wenn einzelne von ihnen miteinander übereinstimmen (BGE 42 II 671 E. 6). Es
geht daher nicht an, die zu vergleichenden Marken in ihre einzelnen
Bestandteile zu zergliedern und diese gesondert zu betrachten. Deshalb kann im
vorliegenden Falle nicht ausschlaggebend ins Gewicht fallen, dass die beiden
Marken nur in den ersten beiden Silben «Alu» übereinstimmen, in den Endungen
«-col» bezw. «-drox» dagegen voneinander abweichen. Dazu kommt, dass Endungen
für die Wortbestimmung im allgemeinen ohnehin nicht typisch sind.
Der demnach entscheidende Gesamteindruck hängt bei Wortmarken vom Wortklang
und Schriftbild ab (BGE 73 II 62, 186). Der Wortklang wird bestimmt durch
Silbenmass, Kadenz und Aufeinanderfolge der sonoren (klangvollen) Vokale (BGE
73 II 62, 42 II 671). Das Schriftbild sodann wird durch die Wortlänge und
durch die Gleichartigkeit oder Verschiedenheit der verwendeten Buchstaben
gekennzeichnet.
Nach dem so umschriebenen Gesamteindruck beurteilt erscheinen aber die beiden
Worte «Alucol» und «Aludrox» unzweifelhaft als leicht verwechselbar, wie schon
die Vorinstanz zutreffend angenommen hat. Sie stimmen überein in Silbenzahl,
Kadenz und Wortanfang, sowie in der Aufeinanderfolge aller Vokale, und sie
sind von fast genau gleicher Länge (6 bezw. 7 Buchstaben). An dieser
Verwechselbarkeit des Gesamteindrucks vermag die Verschiedenheit der
Wortendungen nichts zu ändern, zumal wenn man in Betracht zieht, dass der
Käufer die zu vergleichenden Marken häufig nicht nebeneinander vor sich hat,
sondern aus der Erinnerung schöpfen muss, beruhe diese
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nun auf vorausgegangenen Käufen, Empfehlungen Dritter, Reklame usw. Wie in der
Rechtsprechung von jeher betont wurde, ist daher der Gedächtniseindruck, den
eine Marke zurücklässt, für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von
besonderer Bedeutung (BGE 73 II 186, 34 II 372). Dies gilt im Zeitalter der
mehr und mehr in der Fabrik verkaufsfertig präparierten medizinischen und
pharmazeutischen Produkte auch für die hier in Frage stehenden Erzeugnisse.
Handelt es sich doch um Präparate, die ohne Rezept - Alucol sogar in Drogerien
abgegeben, durch Reklame im breiten Publikum vertrieben und zur Bekämpfung
eines weitverbreiteten alltäglichen Übels vom Laien weitgehend ohne Zutun des
Arztes gekauft werden. Die von der Beklagten eingelegt en Unterlagen, die sich
vornehmlich an Ärzte und Apotheker wenden, sind deshalb belanglos, da sie über
den freibleibenden Verkauf an das Publikum nichts aussagen. Unter diesen
Verhältnissen ist es weder allgemein noch für den vorliegenden Fall angezeigt,
hinsichtlich medizinischer und pharmazeutischer Präparate im Sinne des von der
Beklagten angerufenen BGE 27 II 627 Erw. 5 (noch zitiert in BGE 73 II 60) eine
Einschränkung zu machen. Denn selbst für solche Erzeugnisse sind spezielle
Einschränkungen in der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nur unter
besonderen Verhältnissen geboten. Solche stehen heute indessen nicht in Frage.
Ob tatsächlich Verwechslungen vorgekommen sind, ist nach der Rechtsprechung
nicht entscheidend (63 II 287, 40 II 288). Gerade im vorliegenden Fall kann
dies auf den geringen Umsatz, den die Beklagte bisher in der Schweiz erzielte,
zurückgeführt werden; abgesehen hievon können Verwechslungen unentdeckt
bleiben.
2.- Die Beklagte wendet ein, dass die Verschiedenheit der Packungen und der
grosse Preisunterschied der beiden Produkte Zweifel über deren verschiedene
Herkunft ausschlössen. Für die Frage der genügenden Unterscheidbarkeit sind
aber nur die Marken als solche, wie sie im Register eingetragen sind,
unabhängig von der sonstigen
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Ausstattung, zu vergleichen (BGE 63 II 286, 61 II 385, 35 II 667). Ebenso wird
die Verwechselbarkeit der Marke der Beklagten nicht beseitigt, indem ihr für
die Verwendung eine besondere Ausgestaltung gegeben wird. Die Klägerin hat
Anspruch auf den vollen markenmässigen Gebrauch ihrer Wortmarke in
irgendwelcher Ausgestaltung (Farbe, Schriftbild usw.) und auf den
entsprechenden Schutz (BGE 52 II 167).
3.- Die Beklagte macht geltend, die Wahl der Wort-marke «Aludrox» sei für sie
geboten gewesen mit Rücksicht darauf, dass das Medikament, gleich wie das
«Alucol» der Klägerin, als Basis Aluminiumhydroxyd enthalte. Daher liege der
Wahl der Bezeichnung «Aludrox» auf keinen Fall die Absicht zu Grunde,
Verwechslungen hervorzurufen oder die Möglichkeit zu solchen zu schaffen.
Allein eine solche Absicht bildet im Markenrecht keine Voraussetzung des
Anspruchs des Inhabers der von der Verwechslungsgefahr bedrohten älteren Marke
auf Ungültigerklärung (BGE 34 II 374) und auf Unterlassung des weiteren
Gebrauchs der jüngeren Marke (58 II 171 Erw. 2). Ob aber die
Verwechslungsgefahr bestehe, ist auf Grund der Lebenserfahrung nach objektiven
Merkmalen zu beurteilen und hängt ebenfalls nicht vom Vorhandensein eines
Verschuldens des Inhabers der späteren Marke ab.
4.- Im Zusammenhang mit der Frage der Absichtlichkeit führt die Beklagte noch
aus, die Verwendung der Silben «Alu» sei frei. Das ergebe sich aus ihrer
Verwendung in einer Reihe anderer schweizerischer und internationaler Marken,
so dass der Schutz der Klage darauf hinauslaufen würde, der Klägerin ein
ausschliessliches Recht an den Silben «Alu...» zuzuerkennen, was unzulässig
wäre. Mit diesen Vorbringen behauptet die Beklagte also, dass die Marke
«Alucol» der Klägerin schutzunfähige Bestandteile enthalte.
Trotz Vorkommens schutzunfähiger Bestandteile in einer Marke bleibt aber für
die Beurteilung der Verwechslungsgefahr der durch die Marke hervorgerufene
Gesamteindruck
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massgebend, d. h. jene Bestandteile sind für den Gesamteindruck mitbestimmend
und bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr mitzuberücksichtigen (BGE 38
II 308 f.). Die Frage, ob die Vorsilben «Alu...» für jedermann frei
verwendbar, d.h. Freizeichen sind, ist für die Beurteilung der
Unterscheidbarkeit der Marken «Alucol» und «Aludrox» von untergeordneter
Bedeutung. Die Behauptung der Beklagten, dass der Klägerin durch den Schutz
ihrer Marke ein Monopol auf die Silben «Alu» eingeräumt werde, ist nicht
richtig. Geschützt ist nur die Wortmarke «Alucol» in ihrer gesamten,
besonderen Zusammensetzung im Hinblick auf den durch sie hervorgerufenen
Gesamteindruck. Die Verwechselbarkeit anderer ähnlicher von der Beklagten
aufgeführten Marken von denen nach Feststellung der Vorinstanz in der Schweiz
durch Dritte «Alutan», «Aluzunol» und «Aluctyl» für pharmazeutische Produkte
Verwendung finden, steht nicht zur Diskussion; mit Recht verweist übrigens die
Vorinstanz darauf, dass dieselben sich stärker von der Marke der Klägerin
unterscheiden als das von der Beklagten gewährte Wortzeichen. Anderseits wagt
die Beklagte selber nicht zu behaupten, die Marke der Klägerin laufe auf eine
blosse Sachbezeichnung hinaus, sei also nicht geeignet, zur Unterscheidung der
Herkunft im Sinne von Art. 1
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 1 Begriff - 1 Die Marke ist ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. |
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1 | Die Marke ist ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. |
2 | Marken können insbesondere Wörter, Buchstaben, Zahlen, bildliche Darstellungen, dreidimensionale Formen oder Verbindungen solcher Elemente untereinander oder mit Farben sein. |
Erw. 4).
5.- Mit dem grundsätzlichen Schutz der Klage hat somit der kantonale Richter
keine bundesrechtlichen Vorschriften verletzt. Die von ihm gezogenen
Rechtsfolgen, die von der Berufung nicht speziell angefochten werden, stehen
mit den einschlägigen Vorschriften des Marken- und Wettbewerbsrechts im
Einklang.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts Bern vom 27.
März 1952 wird bestätigt.