Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C 507/2009
Urteil vom 29. Januar 2010
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.
Parteien
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________, geboren 1992,
handelnd durch ihre Mutter,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Meier,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 30. April 2009.
Sachverhalt:
A.
A.a Die 1992 geborene B.________ leidet seit Geburt an schwerer cerebraler Bewegungsstörung im Sinne einer Tetraplegie. Sie bezog deswegen verschiedene Leistungen der Invalidenversicherung. Unter anderem sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Zürich (weiterhin) bis 30. Juni 2012 medizinische Massnahmen zur Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 390, Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades mit Intensivpflegezuschlag schweren Grades für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 30. Juni 2010 sowie die Kosten für ein Elektrobett ab 1. Februar 2005 bis 31. Januar 2010 zu (Verfügungen vom 22. Oktober 1998, 19. August 2004 und 19. Juli 2005).
A.b Seit September 1998 besuchte B.________ die Scuola Elementare in dem in Italien gelegenen X.________. Am selben Ort arbeitete ihr Vater als ... mit eigenem Atelier. Mit an die Wohnadresse der Familie in Z.________ geschicktem Vorbescheid vom 16. August 2001 teilte die IV-Stelle mit, die Pflegebeiträge und Hauspflegebeiträge müssten zum 1. Januar 2001 aufgehoben werden, weil davon auszugehen sei, dass der gewöhnliche Aufenthalt resp. Lebensmittelpunkt von B.________ in der Schweiz nicht mehr gegeben sei. Dagegen erhoben die anwaltlich vertretenen Eltern Einwände. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2001 annullierte die IV-Stelle den Vorbescheid mit der Begründung, der Anspruch für Pflegebeiträge bleibe auch für Versicherte bestehen, welche ihren Wohnsitz im Ausland hätten.
A.c Die telefonische Mitteilung des Vaters von B.________ vom 7. März 2006, die Wohnadresse sei neu in S.________, sowie die Auskunft der Einwohnerkontrolle Z.________, dass bisher keine Abmeldung erfolgt sei, veranlassten die IV-Stelle zu weiteren Abklärungen zum Wohnsitz. Mit Vorbescheid vom 19. Juli 2006 teilte sie mit, die Verfügungen vom 22. Oktober 1998 (medizinische Massnahmen zur Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 390), 19. August 2004 (Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades mit Intensivpflegezuschlag schweren Grades) und 19. Juli 2005 (Mietkosten für ein Elektrobett) würden per sofort aufgehoben. Zur Begründung gab sie an, die Voraussetzungen des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Schweiz seien nicht mehr gegeben. Der Lebensmittelpunkt liege ganz klar in Italien. Mit Verfügung vom 1. Februar 2007 hob die IV-Stelle im Sinne des Vorbescheids sämtliche laufenden Leistungen mangels versicherungsmässiger Voraussetzungen auf.
B.
Die Beschwerde der Eltern von B.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich teilweise gut. Es hob die Verfügung vom 1. Februar 2007 insoweit auf, als damit eine sofortige Leistungseinstellung angeordnet wurde und stellte fest, dass weiterhin bis zum Abschluss der Scuola Media, 3. Klasse, in X.________ (Italien) Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung im Umfang der Verfügungen vom 22. Oktober 1998, 19. August 2004 und 19. Juli 2005 bestehe (Entscheid vom 30. April 2009).
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 30. April 2009 sei aufzuheben.
Die Eltern von B.________ beantragen die Abweisung der Beschwerde, das Bundesamt für Sozialversicherungen deren Gutheissung.
D.
Mit Verfügung vom 6. Oktober 2009 hat der Instruktionsrichter das Gesuch des Bundesamtes, der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen, abgewiesen.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. |
|
1 | Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. |
2 | Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist. |
2.
Der in Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Form behördlichen Verhaltens den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz auslösen, wenn und soweit es beim Betroffenen eine entsprechende Vertrauenssituation schafft (BGE 111 Ib 116 E. 4 S. 124; Etienne Grisel, Traité de droit administratif, 1984, S. 390 f.; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 31/96 vom 24. März 1997 E. 5b). Der Berufung auf Treu und Glauben dürfen keine überwiegende öffentliche Interessen gegenüberstehen (BGE 129 I 161 E. 4.1 S. 170; Urteil 2C 244/2007 vom 10. Oktober 2007 E. 3.3).
3.
Gemäss Vorinstanz lagen im Zeitpunkt der Verfügung vom 1. Februar 2007 die versicherungsmässigen Voraussetzungen für die Weiterausrichtung der in Frage stehenden Leistungen (medizinische Massnahmen zur Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 390, Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades mit Intensivpflegezuschlag schweren Grades, Mietkosten für ein Elektrobett) nicht mehr vor. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin seit September 1998 (Eintritt in die Scuola Elementare) Wohnsitz in X.________, Italien, gehabt. Dort sei auch ihr gewöhnlicher Aufenthalt gewesen. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seither nicht wesentlich geändert. Die Voraussetzungen für eine materielle Revision der drei Verfügungen vom 22. Oktober 1998, 19. August 2004 und 19. Juli 2005 nach Art. 17 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich: |
|
1 | Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich: |
a | um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder |
b | auf 100 Prozent erhöht.17 |
2 | Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 53 Revision und Wiedererwägung - 1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war. |
|
1 | Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war. |
2 | Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. |
3 | Der Versicherungsträger kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt. |
die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben bereits im Jahre 2004 oder sogar früher richtig gewesen sei. In der Wohnsitznahme in X.________ ab September 1998 zum Zwecke des Schulbesuchs sei eine jedenfalls im Zeitpunkt der Verfügung vom 1. Februar 2007 nicht wieder rückgängig zu machende Disposition zu erblicken, welche gegen die sofortige Einstellung der laufenden Leistungen gemäss Verfügungen vom 22. Oktober 1998, 19. August 2004 und 19. Juli 2005 spreche. Im Verfügungszeitpunkt habe die Beschwerdeführerin bereits im 8. Schuljahr (2. Klasse der Scuola Media) gestanden und die Möglichkeit gehabt, noch die 3. Klasse repetitiv zu besuchen, sodass ein Schulbesuch in X.________ bis zum 16. Lebensjahr vorgesehen gewesen sei. Für die Zeit danach hätten noch keine konkreten Pläne bestanden. Die wiedererwägungsweise erfolgte Aufhebung habe demnach höchstens noch zwei Schuljahre beschlagen, nachdem die Beschwerdeführerin diese öffentliche Schule bereits seit fast acht Jahren besucht und diese sich bewährt habe. Angesichts der doch schon lange andauernden Aufenthalts- und Betreuungsverhältnisse wäre es ihr nicht zuzumuten gewesen, aus Wohnsitzgründen diese Bildungsinstitution für die restliche Schulzeit zu verlassen. In Beachtung
des Vertrauensschutzes bestehe somit bis Ende der 3. Klasse der Scuola Media weiterhin Anspruch auf die entsprechenden Leistungen.
4.
Die Beschwerde führende IV-Stelle wirft den Eltern der Beschwerdegegnerin, insbesondere der Mutter, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor. Durch Vortäuschung falscher Tatsachen sei es ihnen gelungen, dass unter Umgehung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen weiterhin Leistungen an die behinderte Tochter ausgerichtet worden seien, obschon diese nach Überzeugung der Vorinstanz unbestrittenermassen ihren Lebensmittelpunkt in Italien begründet habe. Bei der Prüfung der versicherungsmässigen Voraussetzungen unter dem Aspekt der Wohnsitzsituation im Rahmen der revisionsweisen Prüfung der Leistungspflicht hätten die Eltern angegeben, ihren Wohnsitz nach wie vor in der Schweiz zu haben und die Tochter halte sich im Sinne von Art. 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde. |
Sozialversicherung in der Schweiz entrichten, was die Vorinstanz widerlegt habe. Ein solches Verhalten verdiene keinen Rechtsschutz, weshalb die laufenden Leistungen aus wichtigen Gründen zu Recht mit Verfügung vom 1. Februar 2007 eingestellt worden seien. Das Rechtsmissbrauchsverbot sei sinngemäss höher zu gewichten als der öffentlich-rechtliche Vertrauensschutz. Im gleichen Sinne hat sich die Aufsichtsbehörde in ihrer Vernehmlassung geäussert. Der Grundsatz von Treu und Glauben setze den guten Glauben voraus, welcher aufgrund der falschen Angaben der Eltern der Beschwerdegegnerin klar nicht angenommen werden könne.
5.
Nach unbestrittener Feststellung der Vorinstanz besuchte die Beschwerdegegnerin ab September 1998 die Scuola Elementare in X.________, Italien. Seither weilte sie lediglich während (eines Teils) der Schulferien und allenfalls zur ärztlichen Behandlung in der Schweiz. Dies stellte eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen dar, welcher nach Art. 17 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich: |
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1 | Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich: |
a | um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder |
b | auf 100 Prozent erhöht.17 |
2 | Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat. |
Wohnsitz im Ausland haben, bestehen bleibt". Inwiefern in der Eingabe vom 20. September 2001 gegen den Vorbescheid Unwahrheiten oder Irreführendes gesagt wurde, welche die IV-Stelle veranlassen konnten, auf die vorgesehene Leistungseinstellung zurückzukommen, ist nicht ersichtlich. Dass die Familie in Z.________ angemeldet war, traf zu, ist indessen für die Wohnsitzfrage ohne Bedeutung. Im Wesentlichen gestützt auf die bei Erlass des Vorbescheids vom 16. August 2001 bestandenen Akten hat die Vorinstanz die Wohnsitzfrage geprüft und klar im Sinne eines Wohnsitzes in Italien seit September 1998 beantwortet. Weitere diesbezügliche Abklärungen waren nicht erforderlich. Die Entrichtung von Beiträgen an die schweizerische Sozialversicherung wurde im Übrigen erstmals in der vorinstanzlichen Beschwerde behauptet und ist daher im Zusammenhang ohne Bedeutung. Unter diesen Umständen kann nicht von einem in Bezug auf den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdegegnerin täuschenden Verhalten ihrer Eltern gesprochen werden, welches unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchsverbots eine sofortige Leistungseinstellung rechtfertigte.
6.
6.1 Das Schreiben vom 7. Dezember 2001 stellt eine formlose Mitteilung dar (Art. 74ter
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV) IVV Art. 74ter Leistungszusprache ohne Verfügung - Sind die Anspruchsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt und wird den Begehren der versicherten Person vollumfänglich entsprochen, so können folgende Leistungen ohne Erlass eines Vorbescheides oder einer Verfügung zugesprochen oder weiter ausgerichtet werden (Art. 58 IVG):318 |
|
a | medizinische Massnahmen; |
abis | Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung; |
b | Massnahmen beruflicher Art; |
c | ... |
d | Hilfsmittel; |
e | Vergütung von Reisekosten; |
f | Renten und Hilflosenentschädigungen nach einer von Amtes wegen durchgeführten Revision, sofern dabei keine leistungsbeeinflussende Änderung der Verhältnisse festgestellt wurde; |
g | Übergangsleistung. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 51 Formloses Verfahren - 1 Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die nicht unter Artikel 49 Absatz 1 fallen, können in einem formlosen Verfahren behandelt werden. |
|
1 | Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die nicht unter Artikel 49 Absatz 1 fallen, können in einem formlosen Verfahren behandelt werden. |
2 | Die betroffene Person kann den Erlass einer Verfügung verlangen. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 53 Revision und Wiedererwägung - 1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war. |
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1 | Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war. |
2 | Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. |
3 | Der Versicherungsträger kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 2 Geltungsbereich und Verhältnis zu den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen - Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bundesgesetzlich geregelten Sozialversicherungen anwendbar, wenn und soweit die einzelnen Sozialversicherungsgesetze es vorsehen. |
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 1 - 1 Die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 20008 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) sind auf die Invalidenversicherung (Art. 1a-26bis und 28-70) anwendbar, soweit das vorliegende Gesetz nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht.9 |
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1 | Die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 20008 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) sind auf die Invalidenversicherung (Art. 1a-26bis und 28-70) anwendbar, soweit das vorliegende Gesetz nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht.9 |
2 | Die Artikel 32 und 33 ATSG sind auch anwendbar auf die Förderung der Invalidenhilfe (Art. 71-76). |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich: |
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1 | Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich: |
a | um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder |
b | auf 100 Prozent erhöht.17 |
2 | Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat. |
6.2 Nachdem im Vorbescheid vom 16. August 2001 ein Wohnsitz in der Schweiz verneint worden war, konnte trotz der Bezeichnung der Tochter als Versicherte die Aussage im Schreiben der IV-Stelle vom 7. Dezember 2001, "dass der Anspruch für Pflegebeiträge auch für Versicherte, welche ihren Wohnsitz im Ausland haben, bestehen bleibt", nach ihrem wirklichen rechtlichen Gehalt, auf den es praxisgemäss ankommt (Urteil 9C 761/2009 vom 14. Dezember 2009 E. 3) nur dahingehend verstanden werden, dass die IV-Stelle nach wie vor von einem Wohnsitz im Ausland ausging. Die gleichzeitige Bejahung der Anspruchsberechtigung ist nach zutreffender und unwidersprochen gebliebener Auffassung der Vorinstanz zweifellos unrichtig. Die von der IV-Stelle am 1. Februar 2007 verfügte sofortige Einstellung der laufenden Leistungen (medizinische Massnahmen zur Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 390, Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades mit Intensivpflegezuschlag schweren Grades sowie die Kosten für ein Elektrobett gemäss Verfügungen vom 22. Oktober 1998, 19. August 2004 und 19. Juli 2005) erfolgte somit grundsätzlich zu Recht, ist doch auch die weitere Wiedererwägungsvoraussetzung - die Erheblichkeit der Berichtigung - ohne weiteres
erfüllt.
7.
7.1 Nach Auffassung der Vorinstanz ist in der Wohnsitznahme in X.________ ab September 1998 zum Zwecke des Schulbesuchs eine (jedenfalls im Verfügungszeitpunkt 1. Februar 2007) nicht wieder rückgängig zu machende nachteilige Disposition im Sinne des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes zu erblicken, welche die Weiterausrichtung der Leistungen bis zum Abschluss der Scuola Media rechtfertige. Damit hat sie den Zeitpunkt des vertrauensbildenden Verhaltens der IV-Stelle spätestens in den September 1998 gelegt.
7.2 Die Eltern der Beschwerdegegnerin hatten den (bevorstehenden) Eintritt ihrer Tochter in die Scuola Elementare in X.________ und die ständige Betreuung durch die Mutter nicht gemeldet. Dazu wären sie nach Art. 31 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 31 Meldung bei veränderten Verhältnissen - 1 Jede wesentliche Änderung in den für eine Leistung massgebenden Verhältnissen ist von den Bezügerinnen und Bezügern, ihren Angehörigen oder Dritten, denen die Leistung zukommt, dem Versicherungsträger oder dem jeweils zuständigen Durchführungsorgan zu melden. |
|
1 | Jede wesentliche Änderung in den für eine Leistung massgebenden Verhältnissen ist von den Bezügerinnen und Bezügern, ihren Angehörigen oder Dritten, denen die Leistung zukommt, dem Versicherungsträger oder dem jeweils zuständigen Durchführungsorgan zu melden. |
2 | Erhält eine an der Durchführung der Sozialversicherung beteiligte Person oder Stelle Kenntnis davon, dass sich die für die Leistung massgebenden Verhältnisse geändert haben, so ist dies dem Versicherungsträger zu melden. |
1999 einmal wöchentlich in O.________. Sodann sprach die behandelnde Heilpädagogin bei Gelegenheit zweier Telefongespräche vom 13. Juli und 31. August 1998 lediglich davon, die Eltern seien vorläufig in Italien und versuchten dort, ihre behinderte Tochter einzuschulen. Die Mutter äusserte sich bei ihrer Vorsprache betreffend die Abgabe einer Sitzvorrichtung als therapeutisches Hilfsmittel zum Transport ihrer behinderten Tochter mit dem Auto in dem Sinne, ab 5. Januar 1999 für mehrere Monate nach Italien zu gehen. Diese Umstände deuteten darauf hin, dass der Erfolg der versuchten Einschulung noch nicht feststand und ein voraussichtlich längerer Besuch der Scuola Elementare und allenfalls der Scuola Media ungewiss war. Daraus allein musste die IV-Stelle nicht auf eine mögliche Wohnsitzverlegung nach Italien schliessen. Vielmehr durfte sie davon ausgehen, dass ihr ein Definitivum im Sinne eines absehbar längeren Besuch der Schule in X.________ gemeldet werde.
7.3 Eine die sofortige Leistungseinstellung ausschliessende Vertrauensgrundlage kann somit frühestens ab dem Schreiben der IV-Stelle vom 7. Dezember 2001, mit welchem der Vorbescheid vom 16. August 2001 annulliert wurde, angenommen werden. Bezogen auf die Situation Ende Dezember 2001 kann sich somit unter dem Gesichtspunkt des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes einzig fragen, ob die Eltern ihre Tochter aus der Schule in X.________ genommen und die (Sonder-)Schulung in der Schweiz fortgesetzt hätten, wenn die IV-Stelle eine im Sinne des Vorbescheids vom 16. August 2001 lautende Verfügung erlassen hätte. Diese Frage ist unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls zu verneinen. Nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz hatte sich der Besuch in einer öffentlichen Schule in Italien und die ständige Betreuung durch die Mutter und den Vater bewährt. Es ist nicht anzunehmen, dass die Eltern an dieser für ihr Kind vorteilhaften Situation etwas geändert hätten.
Der öffentlich-rechtliche Vertrauensschutz bildet somit keine Grundlage, um die im Zeitpunkt der Verfügung vom 1. Februar 2007 laufenden Leistungen für eine bestimmte Zeit weiter auszurichten. Die Beschwerde ist, im Ergebnis, begründet.
8.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. April 2009 aufgehoben.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat die Gerichtskosten und die Parteikostenentschädigung für das vorangegangene Verfahren neu festzusetzen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 29. Januar 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Meyer Fessler