Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer:
BV.2008.10 und
BV.2008.11
Entscheid vom 4. Dezember 2008 I. Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Tito Ponti und Alex Staub, Gerichtsschreiber Stefan Graf
Parteien
1. A., 2. B. AG,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Urs Bölsterli,
Beschwerdeführer
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung,
Beschwerdegegnerin
Gegenstand
Akteneinsicht (Art. 114 Abs. 2
DBG)
Sachverhalt:
A. Am 25. Februar 2003 ermächtigte der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend „ESTV“), Abteilung Strafsachen und Untersuchungen (nachfolgend „ASU“) eine besondere Steueruntersuchung im Sinne der Art. 190 ff

. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (
DBG;
SR 642.11) gegen A., die B. AG, die C. SA, D. und weitere Personen wegen Verdachts auf schwere Steuerwiderhandlungen durchzuführen. Nach ersten Ermittlungen wurde das Verfahren getrennt. Unter anderem wurde je eine getrennte Untersuchung gegen A. und die B. AG sowie gegen D. und die C. SA durchgeführt. Im Verlauf des Verfahrens wurde D. am 26. Oktober 2005 und am 12. Dezember 2006 von der ASU einvernommen (act. 7.1, 7.2). In der Folge wurden die nach Abschluss der Untersuchung gegen A. und die B. AG am 14. Mai 2008 erstellten Berichte den beiden Beschuldigten und den interessierten kantonalen Behörden am 15. Mai 2008 von der ESTV zugestellt.
B. A. und die B. AG verlangten am 12. Juni 2008 von der ASU Einsicht in die vollständigen Einvernahmeprotokolle von D. vom 26. Oktober 2005 und 12. Dezember 2006 (act. 1.3, Beilage 2). Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 wies die ASU dieses Begehren ab (act. 1.3, Beilage 1), worauf A. und die B. AG am 23. Juni 2008 beim Direktor der ESTV Beschwerde führten, mit dem Antrag, Einsicht in die entsprechenden Protokolle nehmen zu dürfen (act. 1.3). Die Beschwerde wurde vom Direktor der ESTV am 23. Juli 2008 abgewiesen (act 1.1).
C. Gegen diesen Entscheid gelangten A. und die B. AG mit Beschwerde vom 28. Juli 2008 an die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit den Anträgen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der untersuchende Beamte der ASU anzuweisen, die vollständigen Protokolle der Einvernahmen von D. vom 26. Oktober 2005 und 12. Dezember 2006 den Beschwerdeführern zur Einsichtnahme vorzulegen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (act. 1). Mit Eingabe vom 14. August 2008 ergänzten A. und die B. AG ihre Beschwerde vom 28. Juli 2008 (act. 5).
In der Beschwerdeantwort vom 26. August 2008 beantragte die ESTV, die Beschwerde sei kostenfällig abzuweisen (act. 7).
In der Beschwerdereplik vom 25. September 2008 hielten A. und die B. AG an ihren in der Beschwerde vom 28. Juli 2008 gestellten Anträgen unverändert fest (act. 11). Die Beschwerdereplik wurde der ESTV am 26. September 2008 zur Kenntnis gebracht (act. 12).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen eingegangen.
Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 191 Abs. 1
DBG richtet sich das Verfahren wegen des Verdachts schwerer Steuerwiderhandlungen gegenüber dem Täter, dem Gehilfen und dem Anstifter nach den Artikeln 19 - 50
VStrR.
Gegen einen Beschwerdeentscheid im Sinne von Art. 27 Abs. 2
VStrR kann bei der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden (Art. 27 Abs. 3
VStrR i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. d
SGG sowie Art. 9 Abs. 2 des Reglements vom 20. Juni 2006 für das Bundesstrafgericht;
SR 173.710). Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch den Beschwerdeentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 28 Abs. 1
VStrR). Die Beschwerde gegen einen Beschwerdeentscheid ist innert drei Tagen seit dessen Eröffnung bei der zuständigen Behörde schriftlich mit Antrag und kurzer Begründung einzureichen (Art. 28 Abs. 3
VStrR). Während mit der Beschwerde gegen Zwangsmassnahmen auch die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden kann (Art. 28 Abs. 2
VStrR), ist die Beschwerde gegen gestützt auf Art. 27
VStrR ergangene Beschwerdeentscheide nur wegen Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens möglich (Art. 27 Abs. 3
VStrR).
1.2 Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid der Beschwerdegegnerin vom 23. Juli 2008. Die Beschwerdeführer sind durch den Beschwerdeentscheid berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung; auf deren im Übrigen frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist daher einzutreten.
1.3
1.3.1 Zwischen den Parteien umstritten ist jedoch die Frage, ob auch die Eingabe vom 14. August 2008, mit welcher die Beschwerdeführer ihre Beschwerde ergänzten, innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist erfolgte. Die Beschwerdeführer berufen sich diesbezüglich auf die Gerichtsferien nach Art. 31 Abs. 1
VStrR i.V.m. Art. 22a
VwVG. Die Beschwerdegegnerin ihrerseits ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung von Gerichtsferien gemäss Art. 22a
VwVG nicht an den Verweis im VStrR gedacht habe bzw. dass die Schaffung von Gerichtsferien auch für das Verwaltungsstrafverfahren einem gesetzgeberischen Versehen gleichkäme. Infolgedessen sei der Nachtrag zur Beschwerde vom 14. August 2008 nicht fristgerecht erfolgt, weshalb diesen ergänzenden Ausführungen im vorliegenden Verfahren keine Beachtung geschenkt werden dürfe (act. 7, S. 2).
1.3.2 Die Fristbestimmung bezüglich Beschwerden im Bereich des Verwaltungsstrafrechts durch die I. Beschwerdekammer zeigt bisher ein wenig einheitliches Bild. Währenddem sie zu Beginn ihrer Rechtsprechung zur Berechnung der Fristen von der Anwendbarkeit der Bestimmungen des VwVG auszugehen schien (TPF
BV.2005.21 vom 18. Juli 2005 E. 1,
BK_B 164/04 vom 5. Januar 2005 E. 1.2,
BK_B 171/04 vom 3. Dezember 2004 E. 2,
BK_B 136/04 vom 9. November 2004 E. 1 und
BK_B 118/04 vom 6. Oktober 2004 E. 2), stützte sie sich später auf die Bestimmungen des mittlerweile aufgehobenen Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, OG; TPF
BV.2006.68 vom 27. Oktober 2006 E. 1.3,
BV.2006.45 vom 19. Oktober 2006 E. 1.2,
BV.2006.36 vom 4. Oktober 2006 E. 1.2 und
BV.2006.54 vom 29. September 2006 E. 1.3), um in ihrem diesbezüglich neusten Entscheid wieder die Bestimmungen des VwVG anzuwenden (TPF
BV.2007.15 vom 11. Januar 2008).
Art. 31 Abs. 1
VStrR, welcher sich systematisch innerhalb der allgemeinen Verfahrensbestimmungen des Verwaltungsstrafrechts befindet, erklärt für die Berechnung der Fristen, die Fristverlängerung und die Wiederherstellung gegen die Folgen der Fristversäumnis die Art. 20

- 24
VwVG für sinngemäss anwendbar. Die Fristen im gerichtlichen Verfahren anderseits sollten sich nach dem einschlägigen eidgenössischen oder kantonalen Recht richten (Art. 31 Abs. 2
VStrR). Das Beschwerdeverfahren vor der I. Beschwerdekammer ist als ein solches gerichtliches Verfahren zu betrachten (vgl. für die analoge Situation der Anklagekammer des Bundesgerichts als früher zuständige Beschwerdeinstanz Hauri, Verwaltungsstrafrecht, Bern 1998, S. 89 mit Hinweis auf BGE
107 IV 72 E. 2 S. 74). Im Gegensatz zur früheren Anklagekammer, die verfahrensrechtlich dem Bundesrechtspflegegesetz (OG) unterstand, kann die I. Beschwerdekammer nicht auf ein eigenes Organisations- bzw. Verfahrensgesetz zurückgreifen, welches die Frage der Fristberechnung ausdrücklich regelt. Vielmehr verweist Art. 30 lit. a
SGG wieder zurück auf das VStrR. Aus diesem Grund ist es angezeigt, für die Frage der Fristberechnung in den Beschwerdeverfahren nach Art. 25 ff

.
VStrR vor der I. Beschwerdekammer grundsätzlich Art. 20

- 24
VwVG anzuwenden.
1.3.3 Damit ist jedoch noch nichts gesagt zur Frage nach der Geltung von Gerichtsferien gemäss Art. 22a
VwVG im Bereich des Verwaltungsstrafrechts. Bei der Schaffung des VStrR waren Gerichtsferien offenbar kein Thema; Art. 22a
VwVG wurde auch erst rund 16 Jahre nach Inkrafttreten des VStrR erlassen. Entsprechend sind denn auch der Botschaft vom 21. April 1971 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (
BBl 1971 I S. 993 ff.) diesbezüglich keine Ausführungen zu entnehmen. Mit der Beschwerdegegnerin ist weiter zumindest darin übereinzustimmen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung von Gerichtsferien nach Art. 22a
VwVG nicht an die Beschwerdeverfahren nach Art. 25 ff

.
VStrR gedacht hat. Dies insbesondere auch, da die zu jenem Zeitpunkt als Beschwerdeinstanz fungierende Anklagekammer des Bundesgerichts diesbezüglich ohnehin die Bestimmungen des OG zur Anwendung brachte (vgl. oben E. 1.3.2). In Anwendung von Art. 34 Abs. 2
OG, wonach der Stillstand von Fristen in Strafsachen und in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen nicht galt, ist daher davon auszugehen, dass im Verfahren vor der Anklagekammer des Bundesgerichts als Beschwerdeinstanz im Verwaltungsstrafrecht bis zu deren Ersatz durch die I. Beschwerdekammer per 1. April 2004 keine Gerichtsferien galten.
Der Wortlaut des nunmehr im Verfahren vor der I. Beschwerdekammer anwendbaren Art. 22a
VwVG sieht demgegenüber Gerichtsferien vor. Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Vom klaren Wortlaut darf nur abgewichen werden, wenn triftige Gründe zur Annahme berechtigen, dass die Bestimmung nicht nach ihrem wahren Sinn wiedergegeben ist, oder wenn das Gesetz in störender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (u. a. bei Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel 2005, S. 31 N. 2 m.w.H.).
Im Falle des durch den Verweis in Art. 31
VStrR auch auf die Verfahren vor der I. Beschwerdekammer grundsätzlich anwendbaren Art. 22a
VwVG bestehen tatsächlich triftige Gründe zur Annahme, dass die Beachtung von Gerichtsferien nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht. Wie bereits erwähnt waren die Gerichtsferien unter der Verfahrensherrschaft der ehemaligen Anklagekammer des Bundesgerichts von Gesetzes wegen ausgeschlossen. In Anbetracht des in Strafsachen stets zu beachtenden und auch im Völkerrecht verankerten Beschleunigungsgebots (Art. 6 Ziff. 1
EMRK, Art. 5 Ziff. 3
EMRK für Haftsachen) ist dies auch gerechtfertigt. Der entsprechende Grundsatz beansprucht denn auch im schweizerischen Landesrecht Verfassungsrang (Art. 29 Abs. 1
BV, Art. 31 Abs. 3
BV in Haftsachen; vgl. zum Ganzen das Urteil des Bundesgerichts
1B_154/2007 vom 14. September 2007 E. 1.2). Gemäss dem vom Gesetzgeber verabschiedeten Art. 31 Abs. 2
VStrR in der Fassung vom 5. Oktober 2007 (vgl. Schweizerische Strafprozessordnung [StPO] vom 5. Oktober 2007 Anhang I Ziff. 11) richten sich die Fristen im gerichtlichen Verfahren künftig nach der StPO. Gemäss Art. 89 Abs. 2
StPO gibt es im Strafverfahren keine Gerichtsferien. Zu beachten ist diesbezüglich der viel sagende Hinweis in den dazugehörigen Materialien: „Die vorgeschlagenen Regeln (gemeint sind Art. 87 - 92 des Entwurfs der schweizerischen Strafprozessordnung) entsprechen auch hier im Wesentlichen den geltenden Prozessordnungen und bedürfen deshalb keiner eingehenden Erläuterung.“ (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005,
BBl 2006 S. 1158).
Die Beachtung der Gerichtsferien gemäss Art. 22a
VwVG in den Beschwerdeverfahren gemäss Art. 25 ff

.
VStrR vor der I. Beschwerdekammer zöge daher bis zum Inkrafttreten der schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 ein letztlich nicht überzeugendes, mit Verfassungs- und Völkerrecht unvereinbares verfahrensrechtliches Interregnum nach sich. Dies kann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen.
Mit der Publikation des vorliegenden Entscheides wird diese Rechtsprechung wie eine Praxisänderung angekündigt und damit in allen künftigen Beschwerdeverfahren nach Art. 25 ff

.
VStrR vor der I. Beschwerdekammer anwendbar.
Diese neue Praxis weicht – wie gesagt – vom Wortlaut des Gesetzes ab. Die Beschwerdeführer durften sich deshalb nach Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3

und Art. 9
BV) darauf verlassen, dass auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren Gerichtsferien gelten. Die Auslegung der I. Beschwerdekammer war für sie nicht voraussehbar, weshalb ihnen daraus keine Nachteile erwachsen dürfen. Dies hat zur Folge, dass die I. Beschwerdekammer die unter Beachtung des Fristenstillstands fristgerecht eingereichte Ergänzung der Beschwerde vom 14. August 2008 – ausnahmsweise – als rechtzeitig akzeptiert.
2.
2.1 Die Beschwerdegegnerin verweigerte den Beschwerdeführern gestützt auf Art. 114
DBG die nachgesuchte Einsicht in die vollständigen Einvernahmeprotokolle von D. vom 26. Oktober 2005 bzw. vom 12. Dezember 2006 mit der Begründung, dass sich die Ausführungen im Schlussbericht nur auf die den Beschwerdeführern offen gelegten Beweise stützten. Einer weiter gehenden Akteneinsicht stehe das Steuergeheimnis entgegen.
2.2 Das Recht auf Akteneinsicht ist Ausfluss des in Art. 29 Abs. 2
BV bzw. Art. 6 Ziff. 3
EMRK festgehaltenen verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör. Daraus ergibt sich, dass die Produktion von Beweismitteln für den Angeklagten, wie auch für das Gericht nachvollziehbar sein muss. Der Angeklagte hat grundsätzlich das uneingeschränkte Recht, in alle für das Verfahren wesentlichen Akten Einsicht zu nehmen. Das Akteneinsichtsrecht soll sicherstellen, dass der Angeklagte als Verfahrenspartei von den Entscheidgrundlagen Kenntnis nehmen und sich wirksam und sachbezogen verteidigen kann (BGE
129 I 85 E. 4.1. S. 88 f. m.w.H.). Art. 193 Abs. 3
DBG bestimmt in Zusammenhang mit besonderen Untersuchungsmassnahmen der eidgenössischen Steuerverwaltung, dass sich das Recht auf Akteneinsicht nach Abschluss der Untersuchung nach Art. 114
DBG richtet. Die übrigen Akten stehen dem Steuerpflichtigen zur Einsicht offen, sofern die Ermittlung des Sachverhalts abgeschlossen ist und soweit nicht öffentliche oder private Interessen entgegenstehen (Art. 114 Abs. 2
DBG). Zu den übrigen Akten zählen Akten, welche nicht vom Steuerpflichtigen eingereicht oder unterzeichnet wurden (Art. 114 Abs. 1
DBG e contrario) und die gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung für die Verfügung oder den Entscheid wesentlich sind, mithin solche, welche Grundlage des Entscheides bilden, das heisst auf welche in der Verfügung oder im Entscheid abgestellt wurde (Zweifel, in Zweifel/Athanas, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, I/2b Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [
DBG Art. 83 – 222], Basel 2000, Art. 114 N. 20 m.w.H.; Brunner, in Auer/Müller/Schindler, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG), Zürich/St. Gallen 2008, Art. 26 N. 33). Schutzwürdige private Interessen, welche dem Akteneinsichtsrecht entgegenstehen können, betreffen regelmässig am Verfahren nicht beteiligte Drittpersonen. Wird dem Beschuldigten das Recht auf Akteneinsicht verweigert, gilt der Massstab der Verhältnismässigkeit, da mit der Verweigerung in ein Grundrecht des Betroffenen eingegriffen wird. Die Verweigerung der Akteneinsicht muss folglich geeignet sein, den angestrebten Schutz von Drittinteressen zu gewährleisten, und darf in personeller, sachlicher und zeitlicher Hinsicht nicht über das dazu Notwendige hinausgehen. Verlangt
wird der mildeste Eingriff, welcher zur Erreichung des angestrebten Schutzzwecks notwendig ist. Erforderlich ist somit eine einzelfallbezogene Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Drittperson an Geheimhaltung und dem Interesse des Steuerpflichtigen an umfassendem Einblick in die verfahrensrelevanten Akten. Das Interesse der Partei an Akteneinsicht ist umso höher zu gewichten, je direkter sie im Verfahren in ihren persönlichen Verhältnissen betroffen ist, je stärker das Verfahrensergebnis von ihrer Stellungnahme abhängt und je stärker auf ein Dokument zu ihrem Nachteil abgestellt wird (Zweifel, a.a.O., Art. 114 N. 26 und 28; Brunner, a.a.O., Art. 27 N. 5 ff.).
2.3 Unbestritten ist, dass beide Einvernahmeprotokolle von
D. zu den Akten des Verfahrens gehören, welches gegen die Beschwerdeführer geführt wird. Ebenfalls unbestritten ist, dass die Untersuchung durch die ASU gegen die Beschwerdeführer abgeschlossen und der Untersuchungsbericht gemäss Art. 193 Abs. 1
DBG den Beschwerdeführern zugestellt wurde. Das Recht auf Akteneinsicht richtet sich demzufolge nach Art. 193 Abs. 3

i.V.m. Art. 114
DBG. Dieses Vorgehen verschlechtert die verfahrensrechtliche Position der Beschwerdeführer bezüglich des Rechts auf Akteneinsicht nicht. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gewährt Art. 29
BV dem Bürger in allen Streitsachen ein bestimmtes Mindestmass an Verteidigungsrechten, wobei es bezüglich dieser Minimalanforderungen keine Rolle spielt, ob es sich um ein Zivil-, Straf-, oder Verwaltungsverfahren handelt (BGE
119 Ib 12 E. 3b; vgl. auch Art. 191 Abs. 1
DBG i.V.m. Art. 36
VStrR und Art. 26 ff

.
VwVG bzgl. Akteneinsicht während der Untersuchung). Weiter zählen die Protokolle der Einvernahmen von D. vom 26. Oktober 2005 und 12. Dezember 2006 zu den so genannten übrigen Akten.
2.4 Zu prüfen ist daher vorab, ob der nachgesuchten Akteneinsicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Sofern die Beschwerdegegnerin in ihrem angefochtenen Entscheid diesbezüglich zuerst die Prüfung vornimmt, ob sich die Ausführungen in ihrem Schlussbericht nur auf solche Beweise stützen, die auch den Beschwerdeführern offen gelegt wurden (act. 1.1, S. 3 Ziff. 3), übersieht sie, dass dieses Kriterium gemäss Art. 114 Abs. 3
DBG lediglich die Konsequenz einer auf Grund entgegen gesetzter Interessen verweigerten Akteneinsicht darstellt, nicht jedoch die Voraussetzung einer solchen.
Als überwiegendes privates Interesse, welches dem umfassenden Recht auf Akteneinsicht der Beschwerdeführer entgegenstehen soll, macht die Beschwerdegegnerin das Steuergeheimnis von D. geltend. Es ist deshalb zu prüfen, ob ein Interesse von D. an Geheimhaltung ihrer Aussagen vor den Beschwerdeführern besteht. Zunächst ist zu bemerken, dass die Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall nicht genügend klar darlegt, welche Daten in welcher Form unter das Steuergeheimnis von D. fallen. Angesichts der Tatsache, dass D. und die Beschwerdeführer offensichtlich in sehr engem geschäftlichem Kontakt standen - so kaufte beispielsweise einer der Beschwerdeführer zusammen mit D. im August 1994 die C. SA (act. 7.1, Frage 14) - ist klar, dass gewisse Informationen den Beschwerdeführern bereits aus vergangener geschäftlicher Beziehung bekannt sind und im heutigen Zeitpunkt nicht mehr schützenswert sind. Die Beschwerdegegnerin verweigerte den Beschwerdeführern lediglich mit einem pauschalen und in nicht genügender Weise substantiierten Verweis auf das Steuergeheimnis von D. das für ihre Verteidigung essentielle Recht auf Akteneinsicht. Des Weiteren führte die Beschwerdegegnerin ihre ersten Ermittlungen im Februar 2005 gemeinsam gegen D. und die Beschwerdegegner durch. Erst im Nachhinein trennte sie die Untersuchung in zwei separate Verfahren. Dies lässt drauf schliessen, dass die Beschwerdegegnerin selber davon ausging, dass es sich beim Gegenstand der Untersuchung wegen des Verdachts schwerer Steuerwiderhandlungen um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelte, bei welchem die Beteiligten offenbar zusammen wirkten. Die Beschwerdeführer und D. waren offensichtlich Geschäftspartner, so dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass beide Seiten über ihre gegenseitigen Kontakte sowie über die jeweilige geschäftliche Einkommens- und Vermögenssituation der anderen informiert waren. Aus diesem Grund besteht nur ein sehr geringes Interesse an der Geheimhaltung der Steuerdaten. Dass das Steuergeheimnis von D. bereits in der Vergangenheit keine grosse Rolle spielte, zeigt auch das Beispiel der gemeinsamen Einvernahme von D. und den Beschwerdeführern im November 2007, an der, wie die Beschwerdegegnerin selbst bemerkte (act. 7, S. 3), von keiner der beteiligten Parteien ein Interesse
an Geheimhaltung geltend gemacht wurde. Daraus folgt, dass in Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen das Interesse der Beschwerdeführer an umfassendem Einblick in die verfahrensrelevanten Aussagen den Vorzug gegenüber dem Schutz des Steuergeheimnisses von D. verdient. Die Beschwerdeführer sind in vorliegendem Verfahren relativ stark in ihren persönlichen Verhältnissen betroffen. Sie werden verdächtigt, schwere Steuerwiderhandlungen im Sinne von Art. 190 Abs. 1
DBG begangen zu haben und müssen mit einem Verwaltungsstrafverfahren vor den kantonalen Behörden rechnen. Des Weiteren machen die Beschwerdeführer in glaubhafter Weise geltend, dass das Verfahrensergebnis von ihrer Stellungnahme zu noch nicht eingesehenen Aussagen von D. abhängt. Auch wenn die Beschwerdegegnerin sich in ihrem Untersuchungsbericht nur auf die zur Einsicht freigegebenen Akten stützt, ist es nicht zulässig, den Beschwerdeführern Aussagen, welche sie direkt oder indirekt betreffen und für ein allfälliges Urteil gegen sie von Relevanz sein könnten, vorzuenthalten. Im Hinblick auf eine wirksame und sachbezogene Verteidigung muss es ihnen möglich sein, auch in solche Akten Einsicht zu nehmen. Das Interesse der Beschwerdeführer an ihrer effizienten Verteidigung ist infolgedessen höher zu gewichten als das Geheimhaltungsinteresse von D.
2.5 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und es ist den Beschwerdeführern die vollständige Einsicht in die Einvernahmeprotokolle von D. vom 26. Oktober 2005 und 12. Dezember 2006 zu gewähren (inklusive allfälligen Vorhalten und/oder Beilagen).
3.
3.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 25 Abs. 4
VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 4
BGG). Die Bundesstrafgerichtskasse hat den Beschwerdeführern den geleisteten Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 3'000.-- zurückzuerstatten.
3.2 Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 1’500.-- (inkl. Auslagen und MwSt.) zu leisten (Art. 25 Abs. 4
VStrR i.V.m. 68 Abs. 1
BGG und Art. 3 des Reglements vom 26. September 2006 über die Entschädigung in Verfahren vor dem Bundesstrafgericht;
SR 173.711.31).
Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid wird aufgehoben.
2. Die Beschwerdegegnerin wird angewiesen, den Beschwerdeführern vollumfängliche Einsicht in die Einvernahmeprotokolle von D. vom 26. Oktober 2005 und vom 12. Dezember 2006 zu gewähren (inklusive allfälligen Vorhalten und/oder Beilagen).
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. Die Bundesstrafgerichtskasse hat den Beschwerdeführern den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 3'000.-- zurückzuerstatten.
4. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat den Beschwerdeführern für das Verfahren vor der I. Beschwerdekammer eine Parteientschädigung von Fr. 1’500.-- (inkl. Auslagen und MwSt.) zu leisten.
Bellinzona, 5. Dezember 2008
Im Namen der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Rechtsanwalt Urs Bölsterli
- Eidgenössische Steuerverwaltung
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide der I. Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.
Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103
BGG).