S. 25 / Nr. 9 Niederlassungsfreiheit (d)

BGE 74 I 25

9. Urteil vom 24. März 1948 i. S. Kanton Aargau gegen Kanton Appenzell A/Rh.

Regeste:
Art. 45 BV, 374 StGB, 83 lit. b OG.
Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Behandlung von Klagen betr. Heimschaffung
von Personen, die für Kosten einer gerichtlich verfügten Massnahme im Sinne
des StGB nicht aufkommen können (Erw. 1)
Kostentragungspflicht des Kantons für Massnahmen seiner Gerichte in Anwendung
des StGB; Unzulässigkeit der Heimschaffung eines ausserkantonalen Kindes, wenn
der Heimatkanton die Übernahme des Vollzuges nicht zusichert (Erw. 3 und 4);
Art. 45 Cst., 374 CP et 83 litt. b OJ.
Compétence du Tribunal fédéral pour statuer sur des demandes relatives au
rapatriement de personnes qui ne peuvent payer les frais d'une mesure ordonnée
par le juge en vertu du CP (consid. 1);
Le canton est tenu de supporter les frais d'une telle mesure ordonnée par ses
tribunaux; il n'a pas le droit de renvoyer un enfant originaire d'un autre
canton, parce que ce dernier ne se charge pas de l'exécution (consid. 3 et 4).
Art. 45 CF, 374 CP e 83 lett. b OGF.
Competenza del Tribunale federale per statuire su domande concernenti il
rimpatrio di persone che non possono pagare le spese d'una misura ordinata dal
giudice in virtù del CP (consid. 1).
Il Cantone è tenuto a sopportare le spese d'una siffatta misura ordinata dai
suoi tribunali, non ha il diritto de rimpatriare un fanciullo attinente d'un
altro Cantone pel fatto che questo non vuol sopportare dette spese (consid. 3
e 4).

A. ­ Mit Beschluss vom 5. September 1947 hat das Jugendgericht des Kantons
Appenzell A,/Rh. den 1934 geborenen Knaben René der Eheleute Weber-Knöpfler

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wegen fortgesetzten Diebstahls gestützt auf das Reglement vom 27. Oktober 1942
über die strafrechtliche Behandlung von Kindern in die Erziehungsanstalt
Oberuzwil eingewiesen. Art. 23 des Reglementes erklärt die Bestimmungen
desjenigen vom gleichen Tage für das Jugendstrafverfahren über die Tragung der
Kosten des Vollzuges auch für die strafrechtliche Behandlung von Kindern
anwendbar. Art. 72 dieses Reglementes bestimmt:
«......
Für die Kosten, die durch die Einschliessung, Verwahrung, Versorgung und
Behandlung von Kindern und Jugendlichen entstehen, haften in erster Linie das
Kind oder der Jugendliche, auf welchen die Massnahme angewendet wird, in
zweiter Linie dessen Eltern...
Stehen die Zahlungspflicht und die Zahlungsbereitschaft der Pflichtigen nicht
von vorneherein fest, so sind die betreffenden Fälle nach den Bestimmungen
über die Armenpflege zu behandeln, soweit nicht wohltätige oder gemeinnützige
Vereinigungen oder Institutionen freiwillig für die Kosten aufkommen.
Wird die Massnahme auf ein Kind oder einen Jugendlichen angewendet, welche
nicht im Kanton Appenzell A/Rh. armenrechtlich zuständig sind, so bleibt als
letztes Mittel die Heimschaffung vorbehalten. Das Jugendgericht sorgt
womöglich dafür, dass die Massnahme nach der Heimschaffung ausserhalb des
Kantons durchgeführt wird; ...»
Der Vater des René ist in Veltheim (AG) heimatberechtigt. Die Familie wird vom
Heimatkanton unterstützt. Im Hinblick darauf ersuchte das Jugendgericht von
Appenzell A/Rh. die heimatlichen Behörden am 4. Oktober 1947, die Kosten der
Einweisung zu übernehmen, widrigenfalls die armenrechtliche Heimschaffung des
Kindes ins Auge gefasst würde. Als die Direktion des Innern des Kantons Aargau
das Begehren ablehnte, beschloss der Regierungsrat von Appenzell A/Rh. die
armenrechtliche Heimschaffung des Kindes und gab hievon dem Regierungsrat des
Kantons Aargau am 11. November 1947 Kenntnis.
B. ­ Mit staatsrechtlicher Klage vom 21. Januar 1948 beantragt der Kanton
Aargau, den Heimschaffungsbeschluss des Regierungsrates des Kantons Appenzell
A/Rh. aufzuheben (Ziff. 1) und den Kanton Appenzell A/Rh.

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zu verhalten, die Anstaltskosten für den von den appenzellischen Behörden in
die Anstalt eingewiesenen Knaben allein zu übernehmen (Ziff. 2). Zur
Begründung der Klage wird im wesentlichen folgendes ausgeführt: Der örtliche
Geltungsbereich des appenzellischen EG StGB, auf das sich das Reglement
stütze, sei auf das Gebiet des Kantons Appenzell A/Rh. beschränkt. Art. 373
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 373 - Die auf Grund des Strafrechts des Bundes oder der Kantone ergangenen rechtskräftigen Entscheide sind mit Bezug auf Geldstrafen, Bussen, Kosten und Einziehungen in der ganzen Schweiz vollstreckbar.

StGB gebe den Kantonen wohl die Befugnis zu bestimmen, wer die
Versorgungskosten von Jugendlichen und Kindern zu tragen habe, wenn weder der
Versorgte selbst, noch dessen Eltern für die Kosten aufkommen. Doch seien die
bezüglichen kantonalen Erlasse nur für das betreffende Hoheitsgebiet
anwendbar. Erlasse, die vorsähen, dass die Kosten der Anstaltseinweisung eines
in einem andern Kanton heimatberechtigten Kindes vom Heimatkanton getragen
werden müssten, seien für den letztern nicht verbindlich. Die Kantone könnten
verbindlich nur innerkantonal, nicht auch interkantonal bestimmen, wer die
Kosten zu tragen habe, die aus dem Vollzug einer gestützt auf das StGB
gerichtlich verfügten Einweisung eines Kindes oder Jugendlichen entstehen. Sie
dürften die Kosten auch nicht als Armenunterstützung behandeln. Eine
Kostenteilung hätte nur stattzufinden, soweit darüber eine Vereinbarung oder
ein Konkordat bestünden. Der Kanton Appenzell A/Rh. sei aber dem Konkordat
über die Kosten des Strafvollzugs nicht beigetreten.
Da die Kosten der Anstaltseinweisung keine Armenunterstützungskosten seien,
sei der Heimschaffungsbeschluss verfassungswidrig; dies auch deshalb, weil die
Massnahme im Falle der Heimschaffung nicht durchgeführt werden könnte.
C. ­ Der Kanton Appenzell A/Rh. beantragt, auf die Klage nicht einzutreten,
eventuell sie abzuweisen. Es wird ausgeführt: Der Heimschaffungsbeschluss sei
dem aargauischen Regierungsrat am 13. November 1947 eröffnet worden und hätte
nur innert der 30tätigen Beschwerdefrist des Art. 89
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 373 - Die auf Grund des Strafrechts des Bundes oder der Kantone ergangenen rechtskräftigen Entscheide sind mit Bezug auf Geldstrafen, Bussen, Kosten und Einziehungen in der ganzen Schweiz vollstreckbar.
OG mit staatsrechtlicher
Klage

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angefochten werden können. Die Klage sei daher verspätet. Das unter Ziff. 2
gestellte Klagebegehren sei unzulässig. Der Kläger könnte sich mit der Klage
höchstens gegenüber einem Übergriff des Beklagten zur Wehr setzen, nicht aber
verlangen, dass dieser zur alleinigen Tragung der Anstaltskosten verpflichtet
werde. Das Reglement sei in Ausführung des StGB erlassen worden und enthalte
nicht bloss eine innerkantonal gültige Ordnung, sondern sei von allgemeiner
Verbindlichkeit für alle Straffälle, die in den Zuständigkeitsbereich des
appenzellischen Jugendgerichtes fielen. Die Vorschriften des Reglementes über
die Tragung von Versorgungskosten widersprächen auch nicht dem Bundesrecht.
Für Aufwendungen, die aus einer Versorgung entstünden, habe daher, wenn die
Eltern des Kindes dazu ausserstande seien, der Heimatkanton aufzukommen. Tue
er das nicht, so entstehe ein Anwendungsfall von Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV, d. h. die Familie
würde dauernd der öffentlichen Wohltätigkeit zur Last fallen. Der
Heimschaffungsbeschluss sei also begründet. Wohl könne der Heimatkanton nicht
verpflichtet werden, die Versorgungskosten zu übernehmen. Aber die Ablehnung
schaffe einen «rund zur Heimschaffung. In die Hoheit des Heimatkantons werde
nicht übergegriffen; vielmehr werde damit ein Anspruch gegenüber dem
Urteilskanton begründeterweise zurückgewiesen. Übrigens kenne der Kanton
Aargau in § 68 EG StGB selbst eine der appenzellischen entsprechende Ordnung,
soweit nicht ein Konkordat vorbehalten werde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Wenn über die Frage, ob die von der Regierung des Niederlassungskantons
gegenüber einem kantonsfremden Niedergelassenen verfügte Heimschaffung
zulässig ist, unter Kantonen ein Anstand entsteht, so kann dieser nicht mit
staatsrechtlicher Beschwerde zur Geltung gebracht werden, sondern nur
Gegenstand einer staatsrechtlichen Klage im Sinne von Art. 83 lit. b
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
OG bilden

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(BGE 71 I 236 Erw. 1, 244 Erw. 1). Zuständig für deren Behandlung ist das
Bundesgericht. Der Bundesrat könnte es nur dann sein, wenn seine Zuständigkeit
sich aus der besondern Vorschrift eines Bundesgesetzes ergäbe. Das trifft für
Klagen wegen Heimschaffung nicht zu.
Staatsrechtliche Klagen sind grundsätzlich unbefristet (BGE 45 I 40, 45 I 226,
46 I 50, 46 I 268, 61 I 349, 65 I 101). Die Frist des Art. 89
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 373 - Die auf Grund des Strafrechts des Bundes oder der Kantone ergangenen rechtskräftigen Entscheide sind mit Bezug auf Geldstrafen, Bussen, Kosten und Einziehungen in der ganzen Schweiz vollstreckbar.
OG gilt dafür
nicht.
Auf die Klage ist aus diesen Gründen einzutreten.
2. ­ Neben dem Antrag auf Unzulässigerklärung der Heimschaffung kommt
demjenigen auf Verurteilung des Kantons Appenzell A/Rh. zur alleinigen
Übernahme der aus der Versorgung des Kindes erwachsenden Anstaltskosten keine
selbständige Bedeutung zu. Wäre nämlich das erste Begehren abzuweisen, die
Heimschaffung also zulässig, so folgte daraus, dass das Urteil des
Jugendgerichtes nicht durch den Kanton Appenzell vollzogen werden müsste.
Erweist sich dagegen die gegen den Heimschaffungsbeschluss gerichtete Klage
als begründet, so ergibt sich daraus von selbst die Pflicht des Urteilskantons
zum Vollzug der Massnahme in eigenen Kosten. Es liegt somit keine Frage des
Urteilsvollzuges im Streit. Der Kanton Appenzell stellt denn auch für den
Fall, dass die Heimschaffung unzulässig ist, nicht in Abrede, dass ihm die
Pflicht zum Urteilsvollzug obliegt.
3. ­ Nach Art. 374
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 374 - 1 Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
1    Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
2    In den von der Straf- oder Berufungskammer des Bundesstrafgerichts beurteilten Fällen verfügt darüber der Bund.560
3    Die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten nach Artikel 73 bleibt vorbehalten.
4    Vorbehalten sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. März 2004561 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte.562
StGB haben die Kantone die von ihren Strafgerichten
ausgefällten Urteile selbst zu vollziehen. Zu den Urteilen in diesem Sinne
gehören nicht nur solche, die eine Strafe aussprechen, sondern auch
diejenigen, die auf eine sichernde oder eine andere Massnahme gegen Kinder und
Jugendliche erkennen (THORMANN-OVERBECK zu Art. 374
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 374 - 1 Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
1    Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
2    In den von der Straf- oder Berufungskammer des Bundesstrafgerichts beurteilten Fällen verfügt darüber der Bund.560
3    Die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten nach Artikel 73 bleibt vorbehalten.
4    Vorbehalten sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. März 2004561 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte.562
StGB Note 3, HAFTER,
Lehrbuch 2. Aufl. S. 486 Ziff. III, 1). Es macht, was die Person des
Verurteilten betrifft, auch keinen Unterschied aus, ob das Urteil einen
Kantonsangehörigen, einen kantonsfremden Niedergelassenen oder einen Ausländer

Seite: 30
betrifft. Kein Kanton ist befugt, von einem andern Kanton (oder vom Ausland)
den Vollzug der eigenen Urteile zu verlangen. Eine Ausnahme besteht nur mit
Bezug auf Bussen, Verfahrenskosten, Einziehung von Gegenständen, Verfall von
Geschenken und andern Zuwendungen sowie Schadenersatz. Denn diese Leistungen
sind von Bundesrechtswegen in der ganzen Schweiz vollstreckbar (BGE 68 IV 94).
Der Urteilskanton hat daher grundsätzlich auch die Kosten selbst zu tragen,
die sich aus dem Vollzug von Strafen und Massnahmen seiner eigenen Gerichte
ergeben. Das Gesetz billigt ihm, wenn das Urteil an Personen zu vollziehen
ist, die nicht im Urteilskanton heimatberechtigt sind, keinen Ersatz- oder
Regressanspruch zu. Das folgt e contrario aus Satz 2 von Absatz 1, wonach
Ersatz der Kosten des Vollzuges nur bei Urteilen der Bundesstrafbehörden
verlangt werden kann. Wäre es anders, und könnte der Urteilskanton die
Vollstreckung in Fällen, wo das Urteil nicht einen Kantonsangehörigen
betrifft, ablehnen und den Verurteilten in den Heimatkanton oder in das
Ausland abschieben, so wäre der Vollzug illusorisch, ein Zustand, den der
Bundesgesetzgeber gerade vermeiden wollte (THORMANN-OVERBECK ZU Art. 374
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 374 - 1 Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
1    Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
2    In den von der Straf- oder Berufungskammer des Bundesstrafgerichts beurteilten Fällen verfügt darüber der Bund.560
3    Die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten nach Artikel 73 bleibt vorbehalten.
4    Vorbehalten sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. März 2004561 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte.562
Note
2).
Das StGB überlässt es in Art. 373 allerdings den Kantonen, unter Vorbehalt der
Verwandtenunterstützungspflicht zu bestimmen, wer die Kosten der Versorgung
von Kindern oder von Jugendlichen zu tragen hat, wenn weder das versorgte Kind
noch die Eltern die Kosten bestreiten können. Der Urteilskanton ist also nicht
gehalten, die Kosten des Vollzuges von Massnahmen denjenigen des
Strafvollzuges gleichzustellen und sie aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten.
Er kann bestimmen, dass die Kosten von den Eltern des Kindes, von diesem
selbst oder von unterstützungspflichtigen Verwandten zu tragen sind, und dass
erst dann, wenn diese die erforderlichen Mittel nicht haben, ein bestimmtes
Gemeinwesen, der Staat oder die Armenkasse für die Kosten aufzukommen haben.

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Doch gilt für derartige kantonale Vorschriften der selbstverständliche
Vorbehalt, dass sie Bundesrecht nicht verletzen dürfen. Das wäre aber der
Fall, wenn eine Heimschaffung erfolgen könnte, auch wenn der Heimatkanton die
Übernahme des Vollzuges nicht zusichern würde. Da er zum Vollzuge nicht
verpflichtet ist, würde durch die Heimschaffung die in Art. 374
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 374 - 1 Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
1    Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
2    In den von der Straf- oder Berufungskammer des Bundesstrafgerichts beurteilten Fällen verfügt darüber der Bund.560
3    Die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten nach Artikel 73 bleibt vorbehalten.
4    Vorbehalten sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. März 2004561 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte.562
StGB dem
Urteilskanton auferlegte Pflicht zum Vollzug der Urteile seiner eigenen
Gerichte in Frage gestellt. Bei der nach Art. 401
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 374 - 1 Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
1    Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
2    In den von der Straf- oder Berufungskammer des Bundesstrafgerichts beurteilten Fällen verfügt darüber der Bund.560
3    Die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten nach Artikel 73 bleibt vorbehalten.
4    Vorbehalten sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. März 2004561 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte.562
StGB dem Bundesrat
obliegenden Genehmigung der kantonalen Ausführungserlasse hat dieser daher
gemäss einem Bericht des eidgen. Justiz- und Polizeidepartementes an das
Bundesgericht gegenüber Vorschriften, die Heimschaffung vorsehen, wie das in
Einführungserlassen verschiedener Kantone zutrifft, jeweils den Vorbehalt
gemacht, dass die Heimschaffung nur durchgeführt werden dürfe, wenn der
Heimatkanton den Vollzug übernehme. Dass dies bei den in Frage stehenden
Reglementen des Kantons Appenzell deshalb nicht geschehen ist, weil der Kanton
die Genehmigung dafür nicht eingeholt hat, vermag diesem natürlich keine
andere Rechtsstellung zu geben.
4. ­ Handelt es sich nach dem Ausgeführten bei den Kosten einer gestützt auf
das StGB gegenüber einem Kind oder einem Jugendlichen verfügten
Anstaltsversorgung um Aufwendungen, die nach dem Bundesrecht dem Urteilskanton
obliegen, ohne dass dieser gegenüber dem Heimatkanton oder der Heimatgemeinde
einen Ersatzanspruch oder Regress geltend machen könnte, so folgt daraus, dass
eine derartige Versorgung einer durch die Vormundschaftsbehörde auf Grund von
Art. 284
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 374 - 1 Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
1    Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
2    In den von der Straf- oder Berufungskammer des Bundesstrafgerichts beurteilten Fällen verfügt darüber der Bund.560
3    Die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten nach Artikel 73 bleibt vorbehalten.
4    Vorbehalten sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. März 2004561 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte.562
ZGB angeordneten Massnahme (siehe BGE 66 I 34) nicht gleichgestellt
werden darf, und dass die Behandlung der Kosten als Armenunterstützung von
Bundesrechtswegen ausgeschlossen ist. Darauf, dass die Kantone befugt sind,
die Kosten innerkantonal als Armenunterstützung zu behandeln. kommt nichts an.
Entscheidend ist vielmehr,

Seite: 32
dass die Aufwendungen nach Bundesrecht vom Niederlassungskanton zu tragen
sind. Auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV ist somit eine Heimschaffung
deswegen, weil der Heimatkanton die Kostenübernahme ablehnt, unzulässig.
5. ­ Nicht ausgeschlossen ist es allerdings, dass die Kantone durch
Gegenrechtserklärung oder im Wege des Konkordates vorsehen, dass die
Versorgungskosten zwischen Urteils- und Heimatkanton in bestimmter Weise
geteilt werden, und dass sie bestimmen, dass der Heimatkanton das
einzuweisende Kind übernimmt und die Massnahme selbst vollzieht. Das ist
geschehen im Konkordat über die Kosten des Strafvollzuges vom 23. Juni 1944
(AS 60, 431). Es steht jedoch fest, ist übrigens unbestritten, dass der Kanton
Appenzell A/Rh. dem Konkordat nicht beigetreten ist (AS 64, 192).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird gutgeheissen und festgestellt, dass der Kanton Appenzell A/Rh.
nicht befugt ist, das Kind René Weber heimzuschaffen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 I 25
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 24. März 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 I 25
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Art. 45 BV, 374 StGB, 83 lit. b OG.Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Behandlung von Klagen betr...


Gesetzesregister
BV: 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
OG: 83  89
StGB: 373 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 373 - Die auf Grund des Strafrechts des Bundes oder der Kantone ergangenen rechtskräftigen Entscheide sind mit Bezug auf Geldstrafen, Bussen, Kosten und Einziehungen in der ganzen Schweiz vollstreckbar.
374 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 374 - 1 Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
1    Über die auf Grund dieses Gesetzes verhängten Geldstrafen, Bussen und Einziehungen verfügen die Kantone.
2    In den von der Straf- oder Berufungskammer des Bundesstrafgerichts beurteilten Fällen verfügt darüber der Bund.560
3    Die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten nach Artikel 73 bleibt vorbehalten.
4    Vorbehalten sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. März 2004561 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte.562
401
ZGB: 284
BGE Register
45-I-217 • 45-I-37 • 46-I-264 • 46-I-48 • 61-I-345 • 65-I-98 • 66-I-27 • 68-IV-92 • 71-I-233 • 74-I-25
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
heimschaffung • aargau • bundesgericht • jugendgericht • frage • staatsrechtliche klage • regierungsrat • innerkantonal • weiler • verurteilter • not • obliegenheit • familie • bundesrat • sozialhilfe • begünstigung • entscheid • schadenersatz • rechtsbegehren • straf- und massnahmenvollzug • begründung des entscheids • verfahrenskosten • ausgabe • schweizer bürgerrecht • gemeindebürgerrecht • vertrag • errichtung eines dinglichen rechts • niederlassungsfreiheit • strafgericht • regress • beklagter • busse • verurteilung • diebstahl • verhalten • ausserhalb • staatsrechtliche beschwerde • frist • vater • jugendstrafverfahren • ersatz der kosten • tag • erwachsener • kenntnis • beschwerdefrist • strafen und massnahmen
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