136 V 395
47. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Publisana Krankenversicherung gegen F. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_334/2010 vom 23. November 2010
Regeste (de):
- Art. 32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. 2 Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft. SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 52 Analysen und Arzneimittel, Mittel und Gegenstände - 1 Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6:
1 Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: a erlässt das EDI: a1 eine Liste der Analysen mit Tarif, a2 eine Liste der in der Rezeptur verwendeten Präparate, Wirk- und Hilfsstoffe mit Tarif; dieser umfasst auch die Leistungen des Apothekers oder der Apothekerin, a3 Bestimmungen über die Leistungspflicht und den Umfang der Vergütung von der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mitteln und Gegenständen, die nach den Artikeln 25 Absatz 2 Buchstabe b und 25a Absätze 1bis und 2 verwendet werden; b erstellt das BAG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste). 2 Für Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG176) werden zusätzlich Kosten für die zum Leistungskatalog der Invalidenversicherung gehörenden Arzneimittel nach Artikel 14ter Absatz 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959177 über die Invalidenversicherung zu den gestützt auf diese Bestimmung festgelegten Höchstpreisen übernommen.178 3 Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder der Behandlung dienende Mittel und Gegenstände dürfen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung höchstens nach den Tarifen, Preisen und Vergütungsansätzen nach Absatz 1 in Rechnung gestellt werden.179 Das EDI bezeichnet die im Praxislaboratorium des Arztes oder der Ärztin vorgenommenen Analysen, für die der Tarif nach den Artikeln 46 und 48 festgesetzt werden kann.180 Es kann zudem die der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände nach Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 3 bezeichnen, für die ein Tarif nach Artikel 46 vereinbart werden kann.181 SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV)
KVV Art. 34 Analysen und Arzneimittel - Die Listen nach Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffern 1 (Analysenliste) und 2 (Arzneimittelliste) sowie Buchstabe b (Spezialitätenliste) des Gesetzes werden nach Anhören der zuständigen Kommission erstellt.
SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV)
KVV Art. 64
SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz
HMG Art. 9 Zulassung - 1 Verwendungsfertige Arzneimittel und Tierarzneimittel, die zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln bestimmt sind (Arzneimittelvormischungen), dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen sind. Vorbehalten sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen.
1 Verwendungsfertige Arzneimittel und Tierarzneimittel, die zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln bestimmt sind (Arzneimittelvormischungen), dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen sind. Vorbehalten sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen. 2 Keine Zulassung brauchen: a Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke in Ausführung einer ärztlichen Verschreibung für eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis oder für ein bestimmtes Tier oder einen bestimmten Tierbestand hergestellt werden (Formula magistralis); gestützt auf eine solche Verschreibung kann das Arzneimittel in der öffentlichen Apotheke oder der Spitalapotheke ad hoc oder defekturmässig hergestellt, aber nur auf ärztliche Verschreibung hin abgegeben werden; b Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, nach einer speziellen Präparate-Monografie der Pharmakopöe oder eines andern vom Institut anerkannten Arzneibuchs oder Formulariums ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind (Formula officinalis); c nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, im Rahmen der Abgabekompetenz der für die Herstellung verantwortlichen Person gemäss Artikel 25 nach einer eigenen oder einer in der Fachliteratur veröffentlichten Formel ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind; cbis Arzneimittel, für die nachweislich kein alternativ anwendbares und gleichwertiges Arzneimittel zugelassen oder verfügbar ist, die in einer Spitalapotheke gemäss einer spitalinternen Arzneimittelliste defekturmässig hergestellt werden und für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind; d Arzneimittel für klinische Versuche; e Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind; f Arzneimittel, die am 1. Januar 2002 in einem Kanton zugelassen waren und sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung vom 18. März 2016 noch in Verkehr befinden; sie sind entsprechend zu kennzeichnen und dürfen ausschliesslich im betreffenden Kanton in Verkehr gebracht und nur durch Personen abgegeben werden, die nach diesem Gesetz zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind. 2bis bis Mit der Herstellung von Arzneimitteln nach Absatz 2 Buchstaben a-cbis darf ein Betrieb mit Herstellungsbewilligung beauftragt werden (Lohnherstellung).37 2ter Betriebe mit einer Herstellungsbewilligung des Instituts können ein Komplementärarzneimittel, für das nachweislich kein alternativ anwendbares und gleichwertiges Arzneimittel verfügbar oder zugelassen ist, auch ohne Lohnherstellungsauftrag nach Absatz 2bis herstellen und an Betriebe, die nach Absatz 2 Buchstaben a, b und c herstellberechtigt sind, vertreiben. Ein Betrieb darf pro Wirkstoff und Jahr höchstens 100 Packungen eines solchen Arzneimittels mit insgesamt höchstens 3000 Tagesdosen herstellen; bei homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln gilt diese Beschränkung für jede Verdünnungsstufe einzeln.38 2quater Der Bundesrat legt die qualitativen und quantitativen Kriterien für die Arzneimittel fest, die nach den Absätzen 2 Buchstaben a-cbis und 2bis hergestellt werden, und die qualitativen Kriterien für Arzneimittel, die nach Absatz 2ter hergestellt werden.39 3 Der Bundesrat kann für Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind, eine Zulassung für das Gewinnungs- oder Herstellungsverfahren vorschreiben. 4 ...40 SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz
HMG Art. 14 Vereinfachte Zulassungsverfahren - 1 Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für:
1 Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für: a Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen; abis Arzneimittel, deren Wirkstoffe in einem Arzneimittel verwendet werden, das zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 10 Jahren in mindestens einem Land der EU oder EFTA als Arzneimittel zugelassen ist und das hinsichtlich Indikationen, Dosierung und Applikationsart vergleichbar ist; ater nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Indikationsangabe, die zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 30 Jahren medizinisch verwendet werden, davon mindestens 15 Jahre in Ländern der EU und der EFTA; bquater Komplementärarzneimittel; c ... cbis Phytoarzneimittel; d Arzneimittel, die in einer Spitalapotheke oder in einem spitalinternen radiopharmazeutischen Betrieb für den Spitalbedarf hergestellt werden; e Arzneimittel, die von der Armee hergestellt und für Zwecke des Koordinierten Sanitätsdienstes verwendet werden; f wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten; g Tierarzneimittel, die ausschliesslich für Tiere bestimmt sind, die nicht zur Lebensmittelproduktion gehalten werden. 2 Das Institut sieht für ein Gesuch eines weiteren Inverkehrbringers für ein in der Schweiz bereits zugelassenes, aus einem Land mit einem gleichwertigen Zulassungssystem eingeführtes Arzneimittel ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor, wenn: a das Arzneimittel den gleichen Anforderungen genügt wie das in der Schweiz bereits zugelassene Arzneimittel, insbesondere denjenigen an die Kennzeichnung und Arzneimittelinformation nach Artikel 11; b dieser weitere Inverkehrbringer fortwährend sicherstellen kann, dass er für alle von ihm vertriebenen zugelassenen Arzneimittel die gleichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen erfüllt wie der Erstanmelder. 3 Das Institut sieht im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Arzneimittel, die im Rahmen von Parallelimporten eingeführt werden, Vereinfachungen in Bezug auf die Kennzeichnung und die Arzneimittelinformation vor.57 - Dass arzneimittelrechtlich die Orphan-Drug-Zulassung für ein Medikament (hier: Myozyme) erfolgt ist, bedeutet nicht automatisch, dass dessen Einsatz einen hohen therapeutischen Nutzen darstellt, weil die Zulassung nach Art. 14 Abs. 1 lit. f
SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz
HMG Art. 14 Vereinfachte Zulassungsverfahren - 1 Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für:
1 Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für: a Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen; abis Arzneimittel, deren Wirkstoffe in einem Arzneimittel verwendet werden, das zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 10 Jahren in mindestens einem Land der EU oder EFTA als Arzneimittel zugelassen ist und das hinsichtlich Indikationen, Dosierung und Applikationsart vergleichbar ist; ater nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Indikationsangabe, die zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 30 Jahren medizinisch verwendet werden, davon mindestens 15 Jahre in Ländern der EU und der EFTA; bquater Komplementärarzneimittel; c ... cbis Phytoarzneimittel; d Arzneimittel, die in einer Spitalapotheke oder in einem spitalinternen radiopharmazeutischen Betrieb für den Spitalbedarf hergestellt werden; e Arzneimittel, die von der Armee hergestellt und für Zwecke des Koordinierten Sanitätsdienstes verwendet werden; f wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten; g Tierarzneimittel, die ausschliesslich für Tiere bestimmt sind, die nicht zur Lebensmittelproduktion gehalten werden. 2 Das Institut sieht für ein Gesuch eines weiteren Inverkehrbringers für ein in der Schweiz bereits zugelassenes, aus einem Land mit einem gleichwertigen Zulassungssystem eingeführtes Arzneimittel ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor, wenn: a das Arzneimittel den gleichen Anforderungen genügt wie das in der Schweiz bereits zugelassene Arzneimittel, insbesondere denjenigen an die Kennzeichnung und Arzneimittelinformation nach Artikel 11; b dieser weitere Inverkehrbringer fortwährend sicherstellen kann, dass er für alle von ihm vertriebenen zugelassenen Arzneimittel die gleichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen erfüllt wie der Erstanmelder. 3 Das Institut sieht im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Arzneimittel, die im Rahmen von Parallelimporten eingeführt werden, Vereinfachungen in Bezug auf die Kennzeichnung und die Arzneimittelinformation vor.57 - Die Frage, ob ein hoher therapeutischer Nutzen - als Voraussetzung für die Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste (E. 5.1 und 5.2) - vorliegt, ist sowohl in allgemeiner Weise als auch bezogen auf den konkreten Einzelfall zu beurteilen (E. 6.4 und 6.5); in casu mangels Nachweises mittels klinischer Studien und im konkreten Einzelfall verneint (E. 6.6-6.10).
- Selbst wenn ein hoher therapeutischer Nutzen erwiesen wäre, müsste eine Leistungspflicht aus Wirtschaftlichkeitsgründen, d.h. mangels eines angemessenen Kosten-/Nutzen-Verhältnisses verneint werden (E. 7). Für die Beurteilung dieses Verhältnisses anwendbare Kriterien (E. 7.6), Notwendigkeit der Verallgemeinerungsfähigkeit derselben (E. 7.7), Anwendbarkeit auch auf Orphan-Disease-Fälle (E. 7.8).
Regeste (fr):
- Art. 32 et 52 al. 1 let. b LAMal; art. 34 et 64 ss OAMal; art. 9 al. 4 et art. 14 al. 1 let. f LPTh; médicaments orphelins (Myozyme dans la maladie de Pompe); prise en charge d'un médicament ne figurant pas dans la liste des spécialités; examen du caractère économique.
- Que l'autorisation de mise sur le marché d'un médicament orphelin (en l'occurrence: le Myozyme) ait été délivrée en fonction de la législation topique ne signifie pas automatiquement que l'utilisation de ce médicament revêt une utilité thérapeutique élevée parce que l'autorisation de mise sur le marché selon l'art. 14 al. 1 let. f LPTh ne requiert pas une telle utilité (consid. 5.3).
- La question de savoir s'il existe une utilité thérapeutique élevée - en tant que condition pour la prise en charge d'un médicament ne figurant pas dans la liste des spécialités (consid. 5.1 et 5.2) - doit être jugée aussi bien d'une façon générale qu'en lien avec le cas particulier (consid. 6.4 et 6.5); en l'espèce, l'utilité a été niée à défaut de preuve par des études cliniques et relatives au cas particulier (consid. 6.6-6.10).
- Même si une utilité thérapeutique élevée était prouvée, l'obligation de prester devrait être niée pour des motifs d'économicité, c'est-à-dire à défaut d'un rapport raisonnable entre coûts et utilité (consid. 7). Critères applicables pour juger de ce rapport (consid. 7.6), exigences relatives au caractère généralisable de ces critères (consid. 7.7), applicabilité aussi aux cas de maladies orphelines (consid. 7.8).
Regesto (it):
- Art. 32 e 52 cpv. 1 lett. b LAMal; art. 34 e 64 segg. OAMal; art. 9 cpv. 4 e art. 14 cpv. 1 lett. f LATer; farmaco orfano (Myozyme in caso di malattia di Pompe); presa a carico dei costi fuori dall'elenco delle specialità; esame di economicità.
- Il fatto che un medicinale (in concreto: Myozyme) sia stato autorizzato come farmaco orfano secondo la legislazione sugli agenti terapeutici non significa automaticamente che il suo impiego abbia una utilità terapeutica elevata poiché l'autorizzazione giusta l'art. 14 cpv. 1 lett. f LATer non la richiede (consid. 5.3).
- L'esistenza di una utilità terapeutica elevata - quale condizione per una presa a carico dei costi fuori dall'elenco delle specialità (consid. 5.1 e 5.2) - va valutata in generale come pure nel singolo caso di specie (consid. 6.4 e 6.5); in casu essa è stata negata in mancanza della prova di studi clinici e nel caso concreto (consid. 6.6-6.10).
- Se anche fosse dimostrata una utilità terapeutica elevata, un obbligo di prestazione andrebbe negato per ragioni di economicità, vale a dire per difetto di un rapporto ragionevole tra costi e benefici (consid. 7). Criteri applicabili per determinare questo rapporto (consid. 7.6), esigenza di generalizzabilità di questi criteri (consid. 7.7), loro applicabilità anche ai casi di malattie genetiche rare (Orphan Disease; consid. 7.8).
Sachverhalt ab Seite 397
BGE 136 V 395 S. 397
A. Die 1940 geborene F. ist bei der Publisana obligatorisch krankenpflegeversichert. Mitte 2007 wurde bei ihr Morbus Pompe diagnostiziert. Die Publisana erteilte im Oktober 2007 Kostengutsprache für eine sechsmonatige Behandlung mit dem Medikament Myozyme. Diese Behandlung wurde in der Folge bis Mai 2008 durchgeführt. Nachdem das Spital X. am 11. Juni 2008 um Fortführung der Kostengutsprache nachgesucht hatte, lehnte die Publisana mit Verfügung vom 22. Oktober 2008 und Einspracheentscheid vom 18. März 2009 die Kostenübernahme für die Therapie ab.
B. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess mit Entscheid vom 23. Februar 2010 eine von F. erhobene Beschwerde gut und verpflichtete die Publisana, die Kosten der Behandlung vorerst für die Dauer von zwei Jahren zu übernehmen.
C. Die Publisana erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, die Kosten für das Arzneimittel Myozyme zu übernehmen. F. lässt Abweisung der Beschwerde beantragen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet in seiner Vernehmlassung auf einen förmlichen Antrag. In einer weiteren Eingabe äussert sich F. zur Stellungnahme des BAG. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. (...)
1.6 Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur die Fortführung der Therapie über das erste halbe Jahr hinaus für weitere eineinhalb Jahre, nicht aber die bereits durchgeführte und bezahlte Therapie für das erste halbe Jahr. (...)
3. Unbestritten ist, dass die Beschwerdegegnerin an Morbus Pompe leidet, dass es sich dabei um eine seltene Krankheit (Orphan Disease) handelt, dass das streitige Medikament Myozyme nicht auf der Spezialitätenliste steht und dass es kein alternatives Arzneimittel zur Behandlung der Krankheit gibt.
4.
4.1 Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist das Arzneimittel Myozyme durch Swissmedic zugelassen. Die Beschwerdeführerin
BGE 136 V 395 S. 398
bestreitet dies nicht grundsätzlich, bringt allerdings vor, diese Zulassung gelte nicht für die hier vorliegende adulte Form des Morbus Pompe.
4.2 Myozyme ist im vereinfachten Verfahren zugelassen als wichtiges Arzneimittel für seltene Krankheiten im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. f
SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz HMG Art. 14 Vereinfachte Zulassungsverfahren - 1 Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für: |
|
1 | Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für: |
a | Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen; |
abis | Arzneimittel, deren Wirkstoffe in einem Arzneimittel verwendet werden, das zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 10 Jahren in mindestens einem Land der EU oder EFTA als Arzneimittel zugelassen ist und das hinsichtlich Indikationen, Dosierung und Applikationsart vergleichbar ist; |
ater | nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Indikationsangabe, die zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 30 Jahren medizinisch verwendet werden, davon mindestens 15 Jahre in Ländern der EU und der EFTA; |
bquater | Komplementärarzneimittel; |
c | ... |
cbis | Phytoarzneimittel; |
d | Arzneimittel, die in einer Spitalapotheke oder in einem spitalinternen radiopharmazeutischen Betrieb für den Spitalbedarf hergestellt werden; |
e | Arzneimittel, die von der Armee hergestellt und für Zwecke des Koordinierten Sanitätsdienstes verwendet werden; |
f | wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten; |
g | Tierarzneimittel, die ausschliesslich für Tiere bestimmt sind, die nicht zur Lebensmittelproduktion gehalten werden. |
2 | Das Institut sieht für ein Gesuch eines weiteren Inverkehrbringers für ein in der Schweiz bereits zugelassenes, aus einem Land mit einem gleichwertigen Zulassungssystem eingeführtes Arzneimittel ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor, wenn: |
a | das Arzneimittel den gleichen Anforderungen genügt wie das in der Schweiz bereits zugelassene Arzneimittel, insbesondere denjenigen an die Kennzeichnung und Arzneimittelinformation nach Artikel 11; |
b | dieser weitere Inverkehrbringer fortwährend sicherstellen kann, dass er für alle von ihm vertriebenen zugelassenen Arzneimittel die gleichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen erfüllt wie der Erstanmelder. |
3 | Das Institut sieht im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Arzneimittel, die im Rahmen von Parallelimporten eingeführt werden, Vereinfachungen in Bezug auf die Kennzeichnung und die Arzneimittelinformation vor.57 |
SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz HMG Art. 14 Vereinfachte Zulassungsverfahren - 1 Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für: |
|
1 | Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für: |
a | Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen; |
abis | Arzneimittel, deren Wirkstoffe in einem Arzneimittel verwendet werden, das zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 10 Jahren in mindestens einem Land der EU oder EFTA als Arzneimittel zugelassen ist und das hinsichtlich Indikationen, Dosierung und Applikationsart vergleichbar ist; |
ater | nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Indikationsangabe, die zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 30 Jahren medizinisch verwendet werden, davon mindestens 15 Jahre in Ländern der EU und der EFTA; |
bquater | Komplementärarzneimittel; |
c | ... |
cbis | Phytoarzneimittel; |
d | Arzneimittel, die in einer Spitalapotheke oder in einem spitalinternen radiopharmazeutischen Betrieb für den Spitalbedarf hergestellt werden; |
e | Arzneimittel, die von der Armee hergestellt und für Zwecke des Koordinierten Sanitätsdienstes verwendet werden; |
f | wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten; |
g | Tierarzneimittel, die ausschliesslich für Tiere bestimmt sind, die nicht zur Lebensmittelproduktion gehalten werden. |
2 | Das Institut sieht für ein Gesuch eines weiteren Inverkehrbringers für ein in der Schweiz bereits zugelassenes, aus einem Land mit einem gleichwertigen Zulassungssystem eingeführtes Arzneimittel ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor, wenn: |
a | das Arzneimittel den gleichen Anforderungen genügt wie das in der Schweiz bereits zugelassene Arzneimittel, insbesondere denjenigen an die Kennzeichnung und Arzneimittelinformation nach Artikel 11; |
b | dieser weitere Inverkehrbringer fortwährend sicherstellen kann, dass er für alle von ihm vertriebenen zugelassenen Arzneimittel die gleichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen erfüllt wie der Erstanmelder. |
3 | Das Institut sieht im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Arzneimittel, die im Rahmen von Parallelimporten eingeführt werden, Vereinfachungen in Bezug auf die Kennzeichnung und die Arzneimittelinformation vor.57 |
5.
5.1 Die gesetzliche Ordnung (Art. 52 Abs. 1 lit. b
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 52 Analysen und Arzneimittel, Mittel und Gegenstände - 1 Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: |
|
1 | Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: |
a | erlässt das EDI: |
a1 | eine Liste der Analysen mit Tarif, |
a2 | eine Liste der in der Rezeptur verwendeten Präparate, Wirk- und Hilfsstoffe mit Tarif; dieser umfasst auch die Leistungen des Apothekers oder der Apothekerin, |
a3 | Bestimmungen über die Leistungspflicht und den Umfang der Vergütung von der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mitteln und Gegenständen, die nach den Artikeln 25 Absatz 2 Buchstabe b und 25a Absätze 1bis und 2 verwendet werden; |
b | erstellt das BAG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste). |
2 | Für Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG176) werden zusätzlich Kosten für die zum Leistungskatalog der Invalidenversicherung gehörenden Arzneimittel nach Artikel 14ter Absatz 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959177 über die Invalidenversicherung zu den gestützt auf diese Bestimmung festgelegten Höchstpreisen übernommen.178 |
3 | Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder der Behandlung dienende Mittel und Gegenstände dürfen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung höchstens nach den Tarifen, Preisen und Vergütungsansätzen nach Absatz 1 in Rechnung gestellt werden.179 Das EDI bezeichnet die im Praxislaboratorium des Arztes oder der Ärztin vorgenommenen Analysen, für die der Tarif nach den Artikeln 46 und 48 festgesetzt werden kann.180 Es kann zudem die der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände nach Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 3 bezeichnen, für die ein Tarif nach Artikel 46 vereinbart werden kann.181 |
SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV) KVV Art. 34 Analysen und Arzneimittel - Die Listen nach Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffern 1 (Analysenliste) und 2 (Arzneimittelliste) sowie Buchstabe b (Spezialitätenliste) des Gesetzes werden nach Anhören der zuständigen Kommission erstellt. |
SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV) KVV Art. 64 |
BGE 136 V 395 S. 399
das Arzneimittel für von Swissmedic gemäss Art. 9 ff
SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz HMG Art. 9 Zulassung - 1 Verwendungsfertige Arzneimittel und Tierarzneimittel, die zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln bestimmt sind (Arzneimittelvormischungen), dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen sind. Vorbehalten sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen. |
|
1 | Verwendungsfertige Arzneimittel und Tierarzneimittel, die zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln bestimmt sind (Arzneimittelvormischungen), dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen sind. Vorbehalten sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen. |
2 | Keine Zulassung brauchen: |
a | Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke in Ausführung einer ärztlichen Verschreibung für eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis oder für ein bestimmtes Tier oder einen bestimmten Tierbestand hergestellt werden (Formula magistralis); gestützt auf eine solche Verschreibung kann das Arzneimittel in der öffentlichen Apotheke oder der Spitalapotheke ad hoc oder defekturmässig hergestellt, aber nur auf ärztliche Verschreibung hin abgegeben werden; |
b | Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, nach einer speziellen Präparate-Monografie der Pharmakopöe oder eines andern vom Institut anerkannten Arzneibuchs oder Formulariums ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind (Formula officinalis); |
c | nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, im Rahmen der Abgabekompetenz der für die Herstellung verantwortlichen Person gemäss Artikel 25 nach einer eigenen oder einer in der Fachliteratur veröffentlichten Formel ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind; |
cbis | Arzneimittel, für die nachweislich kein alternativ anwendbares und gleichwertiges Arzneimittel zugelassen oder verfügbar ist, die in einer Spitalapotheke gemäss einer spitalinternen Arzneimittelliste defekturmässig hergestellt werden und für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind; |
d | Arzneimittel für klinische Versuche; |
e | Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind; |
f | Arzneimittel, die am 1. Januar 2002 in einem Kanton zugelassen waren und sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung vom 18. März 2016 noch in Verkehr befinden; sie sind entsprechend zu kennzeichnen und dürfen ausschliesslich im betreffenden Kanton in Verkehr gebracht und nur durch Personen abgegeben werden, die nach diesem Gesetz zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind. |
2bis | bis Mit der Herstellung von Arzneimitteln nach Absatz 2 Buchstaben a-cbis darf ein Betrieb mit Herstellungsbewilligung beauftragt werden (Lohnherstellung).37 |
2ter | Betriebe mit einer Herstellungsbewilligung des Instituts können ein Komplementärarzneimittel, für das nachweislich kein alternativ anwendbares und gleichwertiges Arzneimittel verfügbar oder zugelassen ist, auch ohne Lohnherstellungsauftrag nach Absatz 2bis herstellen und an Betriebe, die nach Absatz 2 Buchstaben a, b und c herstellberechtigt sind, vertreiben. Ein Betrieb darf pro Wirkstoff und Jahr höchstens 100 Packungen eines solchen Arzneimittels mit insgesamt höchstens 3000 Tagesdosen herstellen; bei homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln gilt diese Beschränkung für jede Verdünnungsstufe einzeln.38 |
2quater | Der Bundesrat legt die qualitativen und quantitativen Kriterien für die Arzneimittel fest, die nach den Absätzen 2 Buchstaben a-cbis und 2bis hergestellt werden, und die qualitativen Kriterien für Arzneimittel, die nach Absatz 2ter hergestellt werden.39 |
3 | Der Bundesrat kann für Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind, eine Zulassung für das Gewinnungs- oder Herstellungsverfahren vorschreiben. |
4 | ...40 |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
|
1 | Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
2 | Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft. |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 52 Analysen und Arzneimittel, Mittel und Gegenstände - 1 Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: |
|
1 | Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: |
a | erlässt das EDI: |
a1 | eine Liste der Analysen mit Tarif, |
a2 | eine Liste der in der Rezeptur verwendeten Präparate, Wirk- und Hilfsstoffe mit Tarif; dieser umfasst auch die Leistungen des Apothekers oder der Apothekerin, |
a3 | Bestimmungen über die Leistungspflicht und den Umfang der Vergütung von der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mitteln und Gegenständen, die nach den Artikeln 25 Absatz 2 Buchstabe b und 25a Absätze 1bis und 2 verwendet werden; |
b | erstellt das BAG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste). |
2 | Für Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG176) werden zusätzlich Kosten für die zum Leistungskatalog der Invalidenversicherung gehörenden Arzneimittel nach Artikel 14ter Absatz 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959177 über die Invalidenversicherung zu den gestützt auf diese Bestimmung festgelegten Höchstpreisen übernommen.178 |
3 | Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder der Behandlung dienende Mittel und Gegenstände dürfen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung höchstens nach den Tarifen, Preisen und Vergütungsansätzen nach Absatz 1 in Rechnung gestellt werden.179 Das EDI bezeichnet die im Praxislaboratorium des Arztes oder der Ärztin vorgenommenen Analysen, für die der Tarif nach den Artikeln 46 und 48 festgesetzt werden kann.180 Es kann zudem die der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände nach Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 3 bezeichnen, für die ein Tarif nach Artikel 46 vereinbart werden kann.181 |
SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV) KVV Art. 67 Preise - 1 Die Spezialitätenliste enthält die bei Abgabe durch Apothekerinnen und Apotheker, Ärztinnen und Ärzte sowie Spitäler und Pflegeheime verbindlichen Publikumspreise als Höchstpreise. |
|
1 | Die Spezialitätenliste enthält die bei Abgabe durch Apothekerinnen und Apotheker, Ärztinnen und Ärzte sowie Spitäler und Pflegeheime verbindlichen Publikumspreise als Höchstpreise. |
2 | Der Publikumspreis besteht aus dem Fabrikabgabepreis, dem Vertriebsanteil und der Mehrwertsteuer. |
3 | Der Fabrikabgabepreis gilt die Leistungen der Herstellungs- und der Vertriebsfirma bis zur Ausgabe ab Lager in der Schweiz ab. Er wird förmlich verfügt. |
4 | Der Vertriebsanteil gilt die logistischen Leistungen ab. Er setzt sich wie folgt zusammen: |
a | für Arzneimittel, die aufgrund der Einteilung der Swissmedic verschreibungspflichtig sind, aus: |
a1 | einem im Verhältnis zur Höhe des Fabrikabgabepreises bemessenen Zuschlag (preisbezogener Zuschlag), namentlich für Kapitalkosten, Lagerhaltung und ausstehende Guthaben, |
a2 | einem Zuschlag je Packung, namentlich für Transport-, Infrastruktur- und Personalkosten; |
b | für Arzneimittel, die aufgrund der Einteilung der Swissmedic nicht verschreibungspflichtig sind, aus einem preisbezogenen Zuschlag. |
4bis | Für Arzneimittel mit gleicher Wirkstoffzusammensetzung gilt ein einheitlicher Vertriebsanteil.310 |
5 | Für die Erhöhung der in der Spezialitätenliste festgesetzten Preise bedarf es einer Bewilligung des BAG. Die Bewilligung wird nur erteilt, wenn: |
a | das Arzneimittel die Aufnahmebedingungen noch erfüllt; und |
b | seit der Aufnahme oder der letzten Preiserhöhung mindestens zwei Jahre verstrichen sind. |
SR 832.112.31 Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) - Krankenpflege-Leistungsverordnung KLV Art. 34 |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 52 Analysen und Arzneimittel, Mittel und Gegenstände - 1 Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: |
|
1 | Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: |
a | erlässt das EDI: |
a1 | eine Liste der Analysen mit Tarif, |
a2 | eine Liste der in der Rezeptur verwendeten Präparate, Wirk- und Hilfsstoffe mit Tarif; dieser umfasst auch die Leistungen des Apothekers oder der Apothekerin, |
a3 | Bestimmungen über die Leistungspflicht und den Umfang der Vergütung von der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mitteln und Gegenständen, die nach den Artikeln 25 Absatz 2 Buchstabe b und 25a Absätze 1bis und 2 verwendet werden; |
b | erstellt das BAG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste). |
2 | Für Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG176) werden zusätzlich Kosten für die zum Leistungskatalog der Invalidenversicherung gehörenden Arzneimittel nach Artikel 14ter Absatz 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959177 über die Invalidenversicherung zu den gestützt auf diese Bestimmung festgelegten Höchstpreisen übernommen.178 |
3 | Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder der Behandlung dienende Mittel und Gegenstände dürfen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung höchstens nach den Tarifen, Preisen und Vergütungsansätzen nach Absatz 1 in Rechnung gestellt werden.179 Das EDI bezeichnet die im Praxislaboratorium des Arztes oder der Ärztin vorgenommenen Analysen, für die der Tarif nach den Artikeln 46 und 48 festgesetzt werden kann.180 Es kann zudem die der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände nach Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 3 bezeichnen, für die ein Tarif nach Artikel 46 vereinbart werden kann.181 |
5.2 Nach der Rechtsprechung sind ausnahmsweise die Kosten für ein Arzneimittel auch zu übernehmen, wenn es für eine Indikation abgegeben wird, für welche es keine Zulassung besitzt (sog. Off-Label-Use); Voraussetzung ist, dass ein sogenannter Behandlungskomplex vorliegt oder dass für eine Krankheit, die für die versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann, wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame Behandlungsmethode verfügbar ist; diesfalls muss das Arzneimittel einen hohen therapeutischen (kurativen oder palliativen) Nutzen haben (BGE 131 V 349 E. 2.3 S. 351; BGE 130 V 532 E. 6.1 S. 544 f.). Ein wichtiger Anwendungsbereich für Ausnahmen von der Listenpflicht sind Medikamente gegen Krankheiten, die so selten sind, dass sich für die Hersteller das Zulassungsverfahren nicht lohnt (sog. Orphan Use bzw. Orphan Diseases; vgl. ARIANE AYER, Prise en charge des médicaments "hors étiquette", SZG 2005 Nr. 7 S. 7 ff.; LACHENMEIER, a.a.O., Rz. 51; FRANK TH. PETERMANN, Rechtliche Betrachtungen zum Off-Label-Use von Pharmazeutika, in: Health Insurance Liability Law [Hill], 2007, Fachartikel Nr. 2, Rz. 14). Für die Zulassung eines Off-Label-Use kann aber nicht jeglicher therapeutische Nutzen genügen, könnte doch sonst in jedem Einzelfall die Beurteilung des
BGE 136 V 395 S. 400
Nutzens an die Stelle des gesetzlichen Listensystems treten und dieses unterwandern (RKUV 2003 S. 299, K 63/02 E. 4.2.1; vgl. Urteil 2A.469/2003 vom 6. September 2004 E. 3.3). Da das gesetzliche System auch der Wirtschaftlichkeit dient, muss insbesondere vermieden werden, dass durch eine extensive Praxis der ordentliche Weg der Listenaufnahme durch Einzelfallbeurteilungen ersetzt und dadurch die mit der Spezialitätenliste verbundene Wirtschaftlichkeitskontrolle umgangen wird (SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 2.3; Urteil 9C_305/2008 vom 5. November 2008 E. 1.3; vgl. zu dieser Befürchtung PETER BRAUNHOFER, Arzneimittel im Spannungsfeld zwischen HMG und KVG aus der Sicht des Krankenversicherers, in: Das neue Heilmittelgesetz, Eichenberger/Poledna [Hrsg.], 2004, S. 103 ff., 110 f.; PETERMANN, a.a.O., Rz. 59).
5.3 Anders als bei den befristeten Zulassungen nach Art. 9 Abs. 4
SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz HMG Art. 9 Zulassung - 1 Verwendungsfertige Arzneimittel und Tierarzneimittel, die zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln bestimmt sind (Arzneimittelvormischungen), dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen sind. Vorbehalten sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen. |
|
1 | Verwendungsfertige Arzneimittel und Tierarzneimittel, die zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln bestimmt sind (Arzneimittelvormischungen), dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen sind. Vorbehalten sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen. |
2 | Keine Zulassung brauchen: |
a | Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke in Ausführung einer ärztlichen Verschreibung für eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis oder für ein bestimmtes Tier oder einen bestimmten Tierbestand hergestellt werden (Formula magistralis); gestützt auf eine solche Verschreibung kann das Arzneimittel in der öffentlichen Apotheke oder der Spitalapotheke ad hoc oder defekturmässig hergestellt, aber nur auf ärztliche Verschreibung hin abgegeben werden; |
b | Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, nach einer speziellen Präparate-Monografie der Pharmakopöe oder eines andern vom Institut anerkannten Arzneibuchs oder Formulariums ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind (Formula officinalis); |
c | nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, im Rahmen der Abgabekompetenz der für die Herstellung verantwortlichen Person gemäss Artikel 25 nach einer eigenen oder einer in der Fachliteratur veröffentlichten Formel ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind; |
cbis | Arzneimittel, für die nachweislich kein alternativ anwendbares und gleichwertiges Arzneimittel zugelassen oder verfügbar ist, die in einer Spitalapotheke gemäss einer spitalinternen Arzneimittelliste defekturmässig hergestellt werden und für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind; |
d | Arzneimittel für klinische Versuche; |
e | Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind; |
f | Arzneimittel, die am 1. Januar 2002 in einem Kanton zugelassen waren und sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung vom 18. März 2016 noch in Verkehr befinden; sie sind entsprechend zu kennzeichnen und dürfen ausschliesslich im betreffenden Kanton in Verkehr gebracht und nur durch Personen abgegeben werden, die nach diesem Gesetz zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind. |
2bis | bis Mit der Herstellung von Arzneimitteln nach Absatz 2 Buchstaben a-cbis darf ein Betrieb mit Herstellungsbewilligung beauftragt werden (Lohnherstellung).37 |
2ter | Betriebe mit einer Herstellungsbewilligung des Instituts können ein Komplementärarzneimittel, für das nachweislich kein alternativ anwendbares und gleichwertiges Arzneimittel verfügbar oder zugelassen ist, auch ohne Lohnherstellungsauftrag nach Absatz 2bis herstellen und an Betriebe, die nach Absatz 2 Buchstaben a, b und c herstellberechtigt sind, vertreiben. Ein Betrieb darf pro Wirkstoff und Jahr höchstens 100 Packungen eines solchen Arzneimittels mit insgesamt höchstens 3000 Tagesdosen herstellen; bei homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln gilt diese Beschränkung für jede Verdünnungsstufe einzeln.38 |
2quater | Der Bundesrat legt die qualitativen und quantitativen Kriterien für die Arzneimittel fest, die nach den Absätzen 2 Buchstaben a-cbis und 2bis hergestellt werden, und die qualitativen Kriterien für Arzneimittel, die nach Absatz 2ter hergestellt werden.39 |
3 | Der Bundesrat kann für Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind, eine Zulassung für das Gewinnungs- oder Herstellungsverfahren vorschreiben. |
4 | ...40 |
SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz HMG Art. 14 Vereinfachte Zulassungsverfahren - 1 Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für: |
|
1 | Das Institut sieht für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln vereinfachte Zulassungsverfahren vor, wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für: |
a | Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen; |
abis | Arzneimittel, deren Wirkstoffe in einem Arzneimittel verwendet werden, das zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 10 Jahren in mindestens einem Land der EU oder EFTA als Arzneimittel zugelassen ist und das hinsichtlich Indikationen, Dosierung und Applikationsart vergleichbar ist; |
ater | nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Indikationsangabe, die zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nachweislich seit mindestens 30 Jahren medizinisch verwendet werden, davon mindestens 15 Jahre in Ländern der EU und der EFTA; |
bquater | Komplementärarzneimittel; |
c | ... |
cbis | Phytoarzneimittel; |
d | Arzneimittel, die in einer Spitalapotheke oder in einem spitalinternen radiopharmazeutischen Betrieb für den Spitalbedarf hergestellt werden; |
e | Arzneimittel, die von der Armee hergestellt und für Zwecke des Koordinierten Sanitätsdienstes verwendet werden; |
f | wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten; |
g | Tierarzneimittel, die ausschliesslich für Tiere bestimmt sind, die nicht zur Lebensmittelproduktion gehalten werden. |
2 | Das Institut sieht für ein Gesuch eines weiteren Inverkehrbringers für ein in der Schweiz bereits zugelassenes, aus einem Land mit einem gleichwertigen Zulassungssystem eingeführtes Arzneimittel ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor, wenn: |
a | das Arzneimittel den gleichen Anforderungen genügt wie das in der Schweiz bereits zugelassene Arzneimittel, insbesondere denjenigen an die Kennzeichnung und Arzneimittelinformation nach Artikel 11; |
b | dieser weitere Inverkehrbringer fortwährend sicherstellen kann, dass er für alle von ihm vertriebenen zugelassenen Arzneimittel die gleichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen erfüllt wie der Erstanmelder. |
3 | Das Institut sieht im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Arzneimittel, die im Rahmen von Parallelimporten eingeführt werden, Vereinfachungen in Bezug auf die Kennzeichnung und die Arzneimittelinformation vor.57 |
6. Umstritten und zu prüfen ist zunächst, ob ein hoher therapeutischer Nutzen im Sinne der dargelegten Rechtslage vorliegt.
6.1 Die Vorinstanz hat erwogen, die Krankheit verlaufe tödlich und es gebe bis anhin neben Myozyme kein alternatives Arzneimittel zur Behandlung der Krankheit. Ein hoher therapeutischer Nutzen sei nicht erst dann anzunehmen, wenn dieser über Jahre hinweg bestehe oder gar zunehme. Durch die Behandlung sei eine Stabilisierung der Befunde eingetreten und eine massgebliche Steigerung der Lebensqualität erreicht worden. Nach Absetzen der Behandlung habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert, so dass eine nächtliche Beatmung nötig geworden sei. Zudem habe die Patientin die Behandlung ohne wesentliche Nebenwirkungen vertragen. Gemäss der sog. LOTS-Studie (ANS T. VAN DER PLOEG UND ANDERE, A Randomized Study of Alglucosidase Alfa in Late-Onset Pompe's Disease, New England Journal of Medicine, 15. April 2010, S. 1396 ff.) habe sich unter Myozyme-Behandlung eine signifikante Verbesserung beim 6-Minuten-Gehtest (Steigerung der Gehstrecke um rund 30 Meter) und der pulmonalen Vitalkapazität (Verbesserung der
BGE 136 V 395 S. 401
Atmung, Verzicht auf künstliche Beatmung) ergeben. Dies sei als nicht geringer therapeutischer Effekt einzustufen. Unter Gesamtwürdigung der konkreten Umstände wie auch der allgemein beschriebenen Wirkungen sei im vorliegenden Fall von einem hohen therapeutischen Nutzen auszugehen.
6.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als solche nicht. Sie stellt auch die medizinische Indikation für den Einsatz von Myozyme nicht in Abrede und bestreitet nicht einen therapeutischen Nutzen, ist jedoch der Ansicht, die Wirksamkeit erreiche nicht nachweislich den Grad eines hohen therapeutischen Nutzens, weder in allgemeiner, grundsätzlicher Hinsicht noch im konkreten Behandlungsfall.
6.3 Ob ein therapeutischer Nutzen vorliegt, ist Tatfrage. Insoweit sind die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 97
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. |
|
1 | Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. |
2 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86 |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
|
1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95 |
6.4 Zwischen den Parteien ist umstritten, ob das Erfordernis der hohen therapeutischen Wirksamkeit nur bezogen auf den konkreten Einzelfall zu beurteilen ist oder sowohl in allgemeiner Weise als auch im konkreten Einzelfall. Die Vorinstanz hat erwogen, es sei allein auf den konkreten Einzelfall abzustellen, und sich dazu e contrario auf die Aussage in SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 2.3 gestützt, wonach es nicht angehen könne, bei nicht seltenen Krankheiten im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung Medikamente zu vergüten, welche aus ganz bestimmten Gründen nicht in die Spezialitätenliste aufgenommen worden sind. Die Beschwerdeführerin ist demgegenüber der Auffassung, Voraussetzung der Kostenübernahme sei auch bei Orphan Diseases, dass das Arzneimittel nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern auch in allgemeiner Weise wirksam und zweckmässig sei. Eine reine Einzelfallbeurteilung sei nicht statthaft.
6.5 Die Auffassung der Vorinstanz trifft in dem Sinne zu, als es bei einem Off-Label-Use gerade nicht um die Beurteilung gehen kann, ob das Medikament generell in die Spezialitätenliste aufzunehmen ist, sondern darum, ob in einem Einzelfall vom Listenerfordernis abzuweichen sei. Hingegen gelten auch für Orphan Drugs die allgemeinen Anforderungen der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit, wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen
BGE 136 V 395 S. 402
Methoden nachgewiesen sein muss (Art. 32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
|
1 | Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
2 | Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft. |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
|
1 | Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
2 | Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft. |
SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) - Heilmittelgesetz HMG Art. 9 Zulassung - 1 Verwendungsfertige Arzneimittel und Tierarzneimittel, die zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln bestimmt sind (Arzneimittelvormischungen), dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen sind. Vorbehalten sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen. |
|
1 | Verwendungsfertige Arzneimittel und Tierarzneimittel, die zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln bestimmt sind (Arzneimittelvormischungen), dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen sind. Vorbehalten sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen. |
2 | Keine Zulassung brauchen: |
a | Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke in Ausführung einer ärztlichen Verschreibung für eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis oder für ein bestimmtes Tier oder einen bestimmten Tierbestand hergestellt werden (Formula magistralis); gestützt auf eine solche Verschreibung kann das Arzneimittel in der öffentlichen Apotheke oder der Spitalapotheke ad hoc oder defekturmässig hergestellt, aber nur auf ärztliche Verschreibung hin abgegeben werden; |
b | Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, nach einer speziellen Präparate-Monografie der Pharmakopöe oder eines andern vom Institut anerkannten Arzneibuchs oder Formulariums ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind (Formula officinalis); |
c | nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, im Rahmen der Abgabekompetenz der für die Herstellung verantwortlichen Person gemäss Artikel 25 nach einer eigenen oder einer in der Fachliteratur veröffentlichten Formel ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind; |
cbis | Arzneimittel, für die nachweislich kein alternativ anwendbares und gleichwertiges Arzneimittel zugelassen oder verfügbar ist, die in einer Spitalapotheke gemäss einer spitalinternen Arzneimittelliste defekturmässig hergestellt werden und für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind; |
d | Arzneimittel für klinische Versuche; |
e | Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind; |
f | Arzneimittel, die am 1. Januar 2002 in einem Kanton zugelassen waren und sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung vom 18. März 2016 noch in Verkehr befinden; sie sind entsprechend zu kennzeichnen und dürfen ausschliesslich im betreffenden Kanton in Verkehr gebracht und nur durch Personen abgegeben werden, die nach diesem Gesetz zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind. |
2bis | bis Mit der Herstellung von Arzneimitteln nach Absatz 2 Buchstaben a-cbis darf ein Betrieb mit Herstellungsbewilligung beauftragt werden (Lohnherstellung).37 |
2ter | Betriebe mit einer Herstellungsbewilligung des Instituts können ein Komplementärarzneimittel, für das nachweislich kein alternativ anwendbares und gleichwertiges Arzneimittel verfügbar oder zugelassen ist, auch ohne Lohnherstellungsauftrag nach Absatz 2bis herstellen und an Betriebe, die nach Absatz 2 Buchstaben a, b und c herstellberechtigt sind, vertreiben. Ein Betrieb darf pro Wirkstoff und Jahr höchstens 100 Packungen eines solchen Arzneimittels mit insgesamt höchstens 3000 Tagesdosen herstellen; bei homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln gilt diese Beschränkung für jede Verdünnungsstufe einzeln.38 |
2quater | Der Bundesrat legt die qualitativen und quantitativen Kriterien für die Arzneimittel fest, die nach den Absätzen 2 Buchstaben a-cbis und 2bis hergestellt werden, und die qualitativen Kriterien für Arzneimittel, die nach Absatz 2ter hergestellt werden.39 |
3 | Der Bundesrat kann für Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind, eine Zulassung für das Gewinnungs- oder Herstellungsverfahren vorschreiben. |
4 | ...40 |
SR 812.212.23 Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 22. Juni 2006 über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren (VAZV) VAZV Art. 19 Gesuch - 1 Das Zulassungsgesuch muss insbesondere enthalten: |
|
1 | Das Zulassungsgesuch muss insbesondere enthalten: |
a | Daten, die belegen, dass die in Artikel 18 festgelegten Kriterien erfüllt sind; |
b | die in den Artikeln 3 und 4 beziehungsweise 7-10 AMZV42 beschriebenen Angaben und Dokumente, die den Schluss nahe legen, dass die Zulassung des Arzneimittels mit dem Schutz der Gesundheit vereinbar ist; |
c | die Zwischenergebnisse von klinischen Studien, die darauf hinweisen, dass von der Anwendung des Arzneimittels ein grosser therapeutischer Nutzen zu erwarten ist; |
d | Angaben zur Zeit, die bis zur Einreichung eines ordentlichen Zulassungsgesuch nach Artikel 9 Absatz 1 HMG erforderlich ist. |
2 | ...43 |
SR 812.212.23 Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 22. Juni 2006 über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren (VAZV) VAZV Art. 26 Wissenschaftliche Dokumentation für die Zulassung - 1 Die Seltenheit der Krankheit und die damit verbundene Erschwerung der Durchführung klinischer Versuche gemäss Artikel 5 oder 11 AMZV53 werden durch die Swissmedic im Hinblick auf die Anforderungen an die wissenschaftliche Dokumentation für die Zulassung angemessen berücksichtigt. |
|
1 | Die Seltenheit der Krankheit und die damit verbundene Erschwerung der Durchführung klinischer Versuche gemäss Artikel 5 oder 11 AMZV53 werden durch die Swissmedic im Hinblick auf die Anforderungen an die wissenschaftliche Dokumentation für die Zulassung angemessen berücksichtigt. |
2 | Ist das Arzneimittel von einem anderen Land mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle zugelassen, kann die Gesuchstellerin bei der Swissmedic die Dokumentation zur Qualität, zur Toxikologie und zur Klinik einreichen, welche die Grundlage zur Bewilligung im Drittland bildete, wenn diese Unterlagen in einer Landessprache oder in Englisch verfasst sind. |
6.6 Die Vorinstanz hat jedoch nicht näher ausgeführt, inwiefern der Nutzen auf die hier nicht streitige (E. 1.6), bereits durchgeführte Therapie des ersten halben Jahres zurückzuführen ist und inwiefern auf die hier zur Diskussion stehende weiterführende Therapie. Insoweit ist der Sachverhalt unvollständig festgestellt, so dass er durch das Bundesgericht zu vervollständigen ist (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
|
1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95 |
BGE 136 V 395 S. 403
6.7 Die inzwischen veröffentlichte LOTS-Studie, die in den wesentlichen Aussagen auch der Vorinstanz in nicht publizierter Form bereits vorlag, weist unter der Myozyme-Therapie folgenden therapeutischen Nutzen aus: Die 6-Minuten-Gehstrecke verbesserte sich bei der behandelten Gruppe innert 78 Wochen von 332,2 auf 357,9 Meter, bei der Placebo-Gruppe verschlechterte sie sich von 317,9 auf 313,1 Meter (S. 1401). Der therapiebedingte Unterschied beträgt rund 28 Meter. Zudem geht aus der Studie hervor, dass dieser Effekt praktisch vollständig in den ersten 26 Wochen eintritt und sich danach kaum mehr verändert. In Bezug auf die FVC (Forced Vital Capacity) der Lunge beträgt der Unterschied zwischen der Therapie-Gruppe und der Placebo-Gruppe 3,4 %, wobei der Effekt hauptsächlich in den ersten 38 Wochen eintrat (S. 1402). Diese Besserung ist statistisch signifikant, aber doch relativ bescheiden. Als Fazit wird denn in der Studie auch festgehalten, dass die Behandlung "a positive, if modest, effect on walking distance and pulmonary function" habe (S. 1405), und weiter festgestellt, dass die grösste Verbesserung in den ersten 26 Behandlungswochen eintrat (S. 1403), also während derjenigen Behandlungszeit, die vorliegend nicht Streitgegenstand des Verfahrens ist (teilweise publ. E. 1).
6.8 Im konkreten Fall hat sich gemäss der Stellungnahme der Schweizerischen Arbeitsgruppe für lysosomale Speicherkrankheiten vom 4. Dezember 2008 der Zustand der Patientin nach Absetzen der Therapie massiv verschlechtert, so dass sie aktuell eine nächtliche CPAP-Beatmung benötige. Gemäss der Stellungnahme des Spitals X. vom 18. November 2008 ist anamnestisch hervorzuheben eine deutliche Verschlechterung der Lungenfunktion mit nächtlichen Orthopnoen und Luftnotanfällen, die im August 2008 im Rahmen einer Bronchitis deutlich exazerbiert ist und in der Notwendigkeit einer nächtlichen CPAP-Beatmung (Continuous Positive Airway Pressure) seit dem 29. August 2008 mündete. Die Patientin berichte über ein- bis zweimal pro Jahr auftretende Bronchitiden, die jeweils unter langdauernder Antibiotikatherapie deutlich besser würden. Der Nachtschlaf sei unter der eingeleiteten Beatmung deutlich besser. Gleichwohl sei es im Verlauf des letzten Jahres zu einer deutlichen Verschlechterung der motorischen Funktion gekommen. Die freie Gehstrecke betrage nur 200 Meter, darüber hinaus müsse die Patientin mit Gehstöcken gehen. Sie könne den Oberkörper nicht halten und müsse vornübergebeugt laufen (Kamptokormie). Nach mehr als 200 bis 400 Meter Gehen komme es zu einer deutlichen
BGE 136 V 395 S. 404
Schwäche und Schmerzen der autochthonen Rückenmuskulatur. Ferner müsse sie sich auch schon bei geringen Tätigkeiten im Haushalt abstützen. Die maximale Gehstrecke betrage ein Kilometer. Retrospektiv bemerke die Patientin eine Besserung nach der Enzymersatztherapie, insbesondere bezüglich der motorischen Funktionen, des geringeren Auftretens der Kamptokormie sowie des freien Sitzens und des Abstützens der Hände. Als Lungenfunktion wird ein Messwert FVC im Liegen von 42 % des Solls und im Sitzen von 78 % des Solls angegeben. Zusammenfassend habe sich ein halbes Jahr nach Absetzen der Therapie ein deutliches Voranschreiten der metabolischen Myopathie gezeigt, insbesondere hinsichtlich der pulmonalen Funktion. Die Patientin sei, wie befürchtet, nach einem pulmonalen Infekt in die nächtliche Beatmungspflicht gerutscht. Ferner komme es zu einer Verminderung der freien Gehstrecke und zunehmenden Beschwerden durch Kamptokormie durch eine Parese der autochthonen Rückenmuskulatur. Dieses rasche Voranschreiten der Symptomatik sei sicherlich sehr bedenklich und ein deutliches Zeichen für die zunehmende Erschöpfung und Reservekapazität der noch vorhandenen gesunden Muskulatur. Die zunehmende Glukogenspeicherung in der Muskulatur führe zu einem raschen Abfall der Muskelfunktion. Die Erkrankung verlaufe sicherlich schneller, nachdem die Myozyme-Ersatztherapie abgesetzt worden sei. Es sei zu befürchten, dass die Patientin kurz- bis mittelfristig einen Rollstuhl in Anspruch nehmen müsse. Zudem bestehe die Gefahr einer zunehmenden vitalen Bedrohung durch die sich verschlechternde Lungenfunktion (Abnahme der FVC im Sitzen um 200 ml und im Liegen um 400 ml im Verlauf eines Jahres). Ähnlich wird im Wiedererwägungsgesuch des Spitals X. vom 17. Dezember 2008 ausgeführt, gemäss der klinisch-neurologischen und spirometrischen Untersuchung habe sich der Gesundheitszustand der Patientin deutlich verschlechtert. Aufgrund eines interkurrenten broncho-pulmonalen Infekts im August 2008 sei es zur Exazerbation der nächtlichen Dyspnoe-Attacken gekommen, so dass sie seit dem 29. August 2008 nächtlich mit einer CPAP-Beatmung behandelt werden müsse. Selbstverständlich könne nicht zweifelsfrei belegt werden, dass der Abbruch der Therapie zu diesem Zustand geführt habe, doch könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die pulmonale Verschlechterung als Zeichen der Krankheitsprogression nicht durch eine Fortführung der Therapie hätte aufgehalten werden können. Ferner bestehe bei der Patientin eine ausgeprägte Kamptokormie und eine
BGE 136 V 395 S. 405
deutliche Reduktion der freien Gehstrecke; sie sei nicht mehr in der Lage, wesentliche Strecken ohne Gehstöcke zurückzulegen, da es zu einem Abknicken des Oberkörpers komme. Auch im Sitzen würde sie ohne fehlende Unterstützung der Arme immer wieder nach vorne sinken. Im Haushalt könne sie eine Bratpfanne oder einen Topf nur mit starker Unterstützung der freien Hand tragen, ansonsten würde sie nach vornüber kippen. Es drohe kurz- bis mittelfristig eine Rollstuhlpflichtigkeit. Im Schreiben vom 17. Dezember 2009 an die Vorinstanz beschreibt die Beschwerdegegnerin, nach der vierten Infusion habe sie eine eindeutige Besserung ihres Zustands festgestellt, sie habe besser und länger gehen und die Treppen hinaufsteigen und freier atmen können. Nach dem Absetzen der Therapie müsse sie mit langsamen Rückschritten des Gesundheitszustands fertig werden.
6.9 Insgesamt steht fest, dass rund drei Monate nach Absetzen der Therapie eine nächtliche CPAP-Beatmung durchgeführt werden musste. Allerdings hatte das Spital X. bereits im Kostengutsprachegesuch vom 11. Juni 2008 ausgeführt, es sei unter der Therapie gemäss den Lebensqualitätsfragebögen zu einer Besserung der Lebensqualität gekommen. Insbesondere die nächtlichen Dyspnoephasen hätten sich subjektiv unter der Therapie leicht verbessert, ferner hätten sich die Alltagsaktivitäten stabilisiert. Trotzdem soll die Patientin in Kürze einer nächtlichen CPAP-Beatmung zugeführt werden. War somit die CPAP-Beatmung auch bei Weiterführung der Therapie vorgesehen, erscheint als fraglich, ob das Absetzen der Therapie kausal war für die Notwendigkeit der Beatmung bzw. ob sich diese mit einer Weiterführung der Therapie hätte vermeiden lassen. Analoges gilt für die als solche unbestrittene Verschlechterung der Lungenfunktion und der Gehstrecke sowie die Zunahme der Kamptokormie: Es handelt sich dabei um die typischen Symptome von Morbus Pompe, deren Verlauf individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann . Es steht nicht fest, in welchem Ausmass die Weiterführung der Therapie diese Verschlechterung tatsächlich vermieden hätte. Die zu berücksichtigenden (nicht publ. E. 2.3; E. 6.5) Ergebnisse aus der LOTS-Studie (E. 6.7) lassen den Schluss zu, dass die Weiterführung der Therapie eine gewisse, wenn auch relativ bescheidene positive Wirkung gehabt hätte. Als mögliche Folge des Absetzens der Therapie wird zudem eine künftige Rollstuhlabhängigkeit bezeichnet, die indessen nach Lage der Akten bisher nicht eingetreten ist . Der Umstand, dass keine Nebenwirkungen
BGE 136 V 395 S. 406
aufgetaucht sind, stellt für sich allein keinen therapeutischen Nutzen dar. Eine lebensverlängernde Wirkung der Therapie ist weder in allgemeiner Weise noch im konkreten Fall dokumentiert. Die Beschwerdegegnerin kann mit Hilfe anderer Massnahmen (Beatmung, Gehstöcke) - wenn auch eingeschränkt - ihr Leben weiterführen. Im Übrigen könnte gemäss den Feststellungen der Vorinstanz die konkrete längerfristige Wirksamkeit erst nach einer zweijährigen Therapiedauer beurteilt werden, wobei die Dokumentation einer noch umstrittenen Wirksamkeit - wie das BAG mit Recht vorbringt - Aufgabe des Medikamentenherstellers und nicht der Krankenversicherung ist, würde doch diese sonst Forschung finanzieren.
6.10 Zusammenfassend hätte die streitige Therapie möglicherweise die weitere Reduktion der Lungenleistung und die nächtliche Beatmung sowie eine (nicht näher quantifizierte) Reduktion der Gehstrecke und zunehmende Kamptokormie verhindert oder verlangsamt, doch ist das Ausmass dieser Verbesserungen ungewiss und weder mit allgemeinen klinischen Studien noch im konkreten Fall verlässlich nachgewiesen. Ist mithin zwar ein therapeutischer Nutzen anzunehmen, aber der für die Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste erforderliche hohe therapeutische Nutzen zu verneinen, besteht keine Leistungspflicht der Beschwerdeführerin.
7. Die Beschwerdeführerin rügt weiter, die Kosten der Therapie seien unverhältnismässig hoch im Vergleich zum therapeutischen Nutzen. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, die Frage der Wirtschaftlichkeit sei von der Vorinstanz nicht zu prüfen gewesen und auch die heutige Beschwerdeführerin habe sich im vorinstanzlichen Verfahren nicht dazu geäussert. Diese Frage sei daher auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zu prüfen.
7.1 Die Wirtschaftlichkeit der Behandlung ist gesetzliche Voraussetzung für die Kostenübernahme (Art. 32 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
|
1 | Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
2 | Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft. |
SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV) KVV Art. 65 - 1 Ein Arzneimittel kann in die Spezialitätenliste aufgenommen werden, wenn es über eine gültige Zulassung der Swissmedic verfügt. |
|
1 | Ein Arzneimittel kann in die Spezialitätenliste aufgenommen werden, wenn es über eine gültige Zulassung der Swissmedic verfügt. |
1bis | Erfüllt ein Arzneimittel die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Geburtsgebrechen-Spezialitätenliste nach Artikel 3sexies der Verordnung vom 17. Januar 1961273 über die Invalidenversicherung (IVV), so wird es nicht in die Spezialitätenliste aufgenommen.274 |
2 | Arzneimittel, für die Publikumswerbung nach Artikel 2 Buchstabe b der Arzneimittel-Werbeverordnung vom 17. Oktober 2001275 betrieben wird, werden nicht in die Spezialitätenliste aufgenommen. |
3 | Arzneimittel müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. |
4 | Die Inhaberin der Zulassung für ein Originalpräparat muss dem BAG die Nummern der Patente und der ergänzenden Schutzzertifikate sowie deren Ablaufdatum mit dem Gesuch um Aufnahme in die Spezialitätenliste angeben.276 |
5 | Das BAG kann die Aufnahme mit Bedingungen und Auflagen verbinden, insbesondere: |
a | die Aufnahme eines Arzneimittels, dessen Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich in Abklärung befindet, befristen, wenn therapeutische Alternativen fehlen oder eine bessere Wirksamkeit im Vergleich zu bestehenden Therapien erwartet wird; |
b | die Aufnahme mit der Auflage verbinden, dass die Zulassungsinhaberin dem BAG meldet, wenn sie mit dem Arzneimittel über einen bestimmten Zeitraum einen Umsatz in einer festgelegten Höhe überschreitet.277 |
SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV) KVV Art. 66a Zwischenüberprüfung - Das BAG kann nach der Aufnahme eines Arzneimittels in die Spezialitätenliste jederzeit prüfen, ob die Aufnahmebedingungen noch erfüllt sind. |
SR 832.112.31 Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) - Krankenpflege-Leistungsverordnung KLV Art. 34 |
SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV) KVV Art. 67 Preise - 1 Die Spezialitätenliste enthält die bei Abgabe durch Apothekerinnen und Apotheker, Ärztinnen und Ärzte sowie Spitäler und Pflegeheime verbindlichen Publikumspreise als Höchstpreise. |
|
1 | Die Spezialitätenliste enthält die bei Abgabe durch Apothekerinnen und Apotheker, Ärztinnen und Ärzte sowie Spitäler und Pflegeheime verbindlichen Publikumspreise als Höchstpreise. |
2 | Der Publikumspreis besteht aus dem Fabrikabgabepreis, dem Vertriebsanteil und der Mehrwertsteuer. |
3 | Der Fabrikabgabepreis gilt die Leistungen der Herstellungs- und der Vertriebsfirma bis zur Ausgabe ab Lager in der Schweiz ab. Er wird förmlich verfügt. |
4 | Der Vertriebsanteil gilt die logistischen Leistungen ab. Er setzt sich wie folgt zusammen: |
a | für Arzneimittel, die aufgrund der Einteilung der Swissmedic verschreibungspflichtig sind, aus: |
a1 | einem im Verhältnis zur Höhe des Fabrikabgabepreises bemessenen Zuschlag (preisbezogener Zuschlag), namentlich für Kapitalkosten, Lagerhaltung und ausstehende Guthaben, |
a2 | einem Zuschlag je Packung, namentlich für Transport-, Infrastruktur- und Personalkosten; |
b | für Arzneimittel, die aufgrund der Einteilung der Swissmedic nicht verschreibungspflichtig sind, aus einem preisbezogenen Zuschlag. |
4bis | Für Arzneimittel mit gleicher Wirkstoffzusammensetzung gilt ein einheitlicher Vertriebsanteil.310 |
5 | Für die Erhöhung der in der Spezialitätenliste festgesetzten Preise bedarf es einer Bewilligung des BAG. Die Bewilligung wird nur erteilt, wenn: |
a | das Arzneimittel die Aufnahmebedingungen noch erfüllt; und |
b | seit der Aufnahme oder der letzten Preiserhöhung mindestens zwei Jahre verstrichen sind. |
BGE 136 V 395 S. 407
denn sonst würde eine Wirtschaftlichkeitsprüfung überhaupt nie stattfinden, was Art. 32 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
|
1 | Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
2 | Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft. |
7.2 Die Gerichte haben das Recht von Amtes wegen anzuwenden (für die kantonalen Gerichte: Art. 110
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 110 Beurteilung durch richterliche Behörde - Soweit die Kantone nach diesem Gesetz als letzte kantonale Instanz ein Gericht einzusetzen haben, gewährleisten sie, dass dieses selbst oder eine vorgängig zuständige andere richterliche Behörde den Sachverhalt frei prüft und das massgebende Recht von Amtes wegen anwendet. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. |
|
1 | Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. |
2 | Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist. |
7.3 Die Vorinstanz hat somit zu Unrecht die Wirtschaftlichkeit der Therapie nicht geprüft. Immerhin hat sie sachverhaltliche Grundlagen für diese Beurteilung insofern festgestellt, als die Arzneimittelkosten rund Fr. 500'000.- pro Jahr und Patient betragen. Im Übrigen sind die Kosten der ersten halbjährigen Therapie (rund Fr. 300'000.-) aktenkundig. Diese Angaben erlauben dem Bundesgericht, selber die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
|
1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95 |
7.4 Das Wirtschaftlichkeitserfordernis im Sinne von Art. 32 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
|
1 | Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
2 | Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft. |
BGE 136 V 395 S. 408
Verhältnismässigkeit, die für das gesamte Staatshandeln gilt (Art. 5 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
|
1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
|
1 | Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. |
2 | Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft. |
SR 832.112.31 Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) - Krankenpflege-Leistungsverordnung KLV Art. 34 |
7.5 Die Kostenfrage kann auch nicht auf die Seite geschoben werden mit der blossen Behauptung, es sei ethisch oder rechtlich unzulässig, Kostenüberlegungen anzustellen, wenn es um die menschliche Gesundheit gehe. Die finanziellen Mittel, die einer Gesellschaft zur Erfüllung gesellschaftlich erwünschter Aufgaben zur Verfügung stehen, sind nicht unendlich. Die Mittel, die für eine bestimmte Aufgabe verwendet werden, stehen nicht für andere ebenfalls erwünschte Aufgaben zur Verfügung. Deshalb kann kein Ziel ohne Rücksicht auf den finanziellen Aufwand angestrebt werden, sondern es ist das Kosten-/Nutzen- oder das Kosten-/Wirksamkeitsverhältnis zu bemessen. Das gilt auch für die Gesundheitsversorgung und die obligatorische Krankenpflegeversicherung, sowohl im Verhältnis zu
BGE 136 V 395 S. 409
anderen gesellschaftlichen Aufgaben als auch im Verhältnis zwischen verschiedenen medizinischen Massnahmen (RETO AUER UND ANDERE, Etudes coût-efficacité: ce que devraient retenir les médecins, Revue Médicale Suisse [RMS] 2009 S. 2402 ff., 2404; GEBHARD EUGSTER, Wirtschaftlichkeitskontrolle ambulanter ärztlicher Leistungen mit statistischen Methoden, 2003, S. 39; HANSPETER KUHN, Das Bundesgericht und die Illusion der absoluten Sicherheit in der Medizin, in: Rationierung und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen, Zimmermann-Acklin/Halter [Hrsg.], 2007, S. 132 ff. [nachfolgend: Rationierung und Gerechtigkeit]; PFIFFNER RAUBER, a.a.O., S. 144; SCHÜRCH, a.a.O., S. 24; STEFFEN, a.a.O., S. 8 ff., 153; Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften [Hrsg.], Rationierung im Schweizer Gesundheitswesen: Einschätzung und Empfehlungen, Bericht der Arbeitsgruppe "Rationierung" im Auftrag der Steuerungsgruppe des Projekts "Zukunft Medizin Schweiz", 2007, S. 16, 20, 97 [Kurzfassung: Schweizerische Ärztezeitung (SÄZ) 2007 S. 1431 ff., 1436]). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung hat zum Ziel, eine zeitgemässe und umfassende medizinische Grundversorgung zu möglichst günstigen Kosten sicherzustellen (EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 402 f.). Dementsprechend übernimmt sie nicht sämtliche Behandlungsmassnahmen, die aus medizinischer Sicht möglich wären. Vielmehr enthält das geltende Recht vielfach Regelungen, welche den finanziellen Aufwand für das Gesundheitswesen begrenzen oder bestimmte Behandlungsmassnahmen, welche medizinisch möglich wären, von der Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung ausschliessen (Art. 25 ff
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. |
|
1 | Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. |
2 | Diese Leistungen umfassen: |
a | die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim sowie die Pflegeleistungen, die im Rahmen einer stationären Behandlung erbracht werden von:74 |
a1 | Ärzten oder Ärztinnen, |
a2 | Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen, |
a2bis | Pflegefachpersonen, |
a3 | Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen; |
b | die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände; |
c | einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren; |
d | die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation; |
e | den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung; |
f | ... |
gbis | einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten; |
h | die Leistung der Apotheker und Apothekerinnen bei der Abgabe von nach Buchstabe b verordneten Arzneimitteln. |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 56 Wirtschaftlichkeit der Leistungen - 1 Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist. |
|
1 | Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist. |
2 | Für Leistungen, die über dieses Mass hinausgehen, kann die Vergütung verweigert werden. Eine nach diesem Gesetz dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist: |
a | im System des Tiers garant (Art. 42 Abs. 1) die versicherte Person oder nach Artikel 89 Absatz 3 der Versicherer; |
b | im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2) der Versicherer. |
3 | Der Leistungserbringer muss dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weitergeben, die ihm: |
a | ein anderer in seinem Auftrag tätiger Leistungserbringer gewährt; |
b | Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern. |
3bis | Versicherer und Leistungserbringer können vereinbaren, dass Vergünstigungen gemäss Absatz 3 Buchstabe b nicht vollumfänglich weitergegeben werden müssen. Diese Vereinbarung ist den zuständigen Behörden auf Verlangen offenzulegen. Sie hat sicherzustellen, dass Vergünstigungen mehrheitlich weitergegeben werden und dass nicht weitergegebene Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.190 |
4 | Gibt der Leistungserbringer die Vergünstigung nicht weiter, so kann die versicherte Person oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen. |
5 | Leistungserbringer und Versicherer sehen in den Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor. Sie sorgen insbesondere dafür, dass diagnostische Massnahmen nicht unnötig wiederholt werden, wenn Versicherte mehrere Leistungserbringer konsultieren. |
6 | Leistungserbringer und Versicherer legen vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit fest.191 |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 52 Analysen und Arzneimittel, Mittel und Gegenstände - 1 Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: |
|
1 | Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: |
a | erlässt das EDI: |
a1 | eine Liste der Analysen mit Tarif, |
a2 | eine Liste der in der Rezeptur verwendeten Präparate, Wirk- und Hilfsstoffe mit Tarif; dieser umfasst auch die Leistungen des Apothekers oder der Apothekerin, |
a3 | Bestimmungen über die Leistungspflicht und den Umfang der Vergütung von der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mitteln und Gegenständen, die nach den Artikeln 25 Absatz 2 Buchstabe b und 25a Absätze 1bis und 2 verwendet werden; |
b | erstellt das BAG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste). |
2 | Für Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG176) werden zusätzlich Kosten für die zum Leistungskatalog der Invalidenversicherung gehörenden Arzneimittel nach Artikel 14ter Absatz 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959177 über die Invalidenversicherung zu den gestützt auf diese Bestimmung festgelegten Höchstpreisen übernommen.178 |
3 | Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder der Behandlung dienende Mittel und Gegenstände dürfen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung höchstens nach den Tarifen, Preisen und Vergütungsansätzen nach Absatz 1 in Rechnung gestellt werden.179 Das EDI bezeichnet die im Praxislaboratorium des Arztes oder der Ärztin vorgenommenen Analysen, für die der Tarif nach den Artikeln 46 und 48 festgesetzt werden kann.180 Es kann zudem die der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände nach Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 3 bezeichnen, für die ein Tarif nach Artikel 46 vereinbart werden kann.181 |
BGE 136 V 395 S. 410
verschiedene durchgeführte Studien; B. BRÜHWILER, Verdeckte Rationierung im klinischen Alltag, SÄZ 1999 S. 2645 ff.; SAMIA HURST UND ANDERE, Die Realität der ärztlichen Rationierung am Krankenbett am Beispiel von vier europäischen Ländern, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 67 ff.; GERHARD KOCHER, Zehn Jahre Rationierungsdebatten in der Schweiz, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 45 ff., 53 f.; J. POK LUNDQUIST, Verdeckte Rationierung im Spital?, SÄZ 1999 S. 2647 ff.; vgl. auch JÜRG H. SOMMER, Die implizite Rationierung bleibt notwendig, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 279 ff.). Zugleich fehlen aber allgemein anerkannte Kriterien für diese Beurteilung. Diese Situation ist unbefriedigend, weil sie für alle Beteiligten grosse Rechtsunsicherheit und zugleich Rechtsungleichheit schafft, indem bestimmte Behandlungen je nach dem Entscheid einzelner Ärzte oder Krankenkassen vorgenommen bzw. vergütet werden oder nicht (M. BAUMANN, Rationierung im Gesundheitswesen, Anmerkungen aus juristischer Sicht, SÄZ 1999 S. 2649 f.; MARKUS DÜRR, Die Medizin im Spannungsfeld zwischen Machbarkeit, Finanzierbarkeit und Ethik, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 303 ff., 305).
7.6 Die Rechtsprechung hat ansatzweise versucht, anstelle der bisher auf politischer Ebene nicht festgelegten Kriterien die Kosten-/Nutzen-Beziehung zu beurteilen.
7.6.1 So wurden in der mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot insgesamt eher zurückhaltend umgehenden Rechtsprechung (Hinweise in: Rechtsfragen zum Krankheitsbegriff, Gächter/Schwendener [Hrsg.], 2009, S. 14 f.) als verhältnismässig oder jedenfalls nicht als grobes Missverhältnis betrachtet: - Behandlungskosten von Fr. 8'000.- bis Fr. 30'000.- für eine Daumenrekonstruktion bei einem 24-jährigen Bauführer, wodurch die Funktionstüchtigkeit der Hand im gesamten Lebensbereich verbessert wurde, wenn auch voraussichtlich in geringem Ausmass (BGE 109 V 41). - Kosten von Fr. 532.70 für eine rund dreimonatige Methadontherapie (BGE 118 V 107 E. 7b S. 115 f.).
- Kosten von Fr. 6'000.- für eine Physiotherapie nach Bobath, mit welcher die Auswirkungen eines Down-Snydroms gelindert werden konnten (BGE 119 V 446). - Kosten von Fr. 15'300.- für eine Geschlechtsumwandlungsoperation (BGE 114 V 153 E. 4b S. 160).
BGE 136 V 395 S. 411
- Kosten von Fr. 60'000.- bis Fr. 80'000.- für eine Herztransplantation bei einem 46-Jährigen (BGE 114 V 258 E. 4c/cc S. 264 f.).
- Im Entscheid BGE 130 V 532, wo die streitige Therapie das Leben um rund ein Jahr verlängerte, geht zwar nicht aus dem bundesgerichtlichen Urteil, aber aus dem damals angefochtenen Entscheid hervor, dass die Kosten ca. Fr. 26'000.- betrugen, was implizit als verhältnismässig beurteilt wurde. - Kosten von rund Fr. 39'000.- für eine computergesteuerte Kniegelenksprothese als Hilfsmittelversorgung (BGE 132 V 215).
7.6.2 Demgegenüber hat das Eidg. Versicherungsgericht in einem nicht publ. (unfallversicherungsrechtlichen) Urteil U 77/81 vom 16. Dezember 1982 erkannt, eine an sich geeignete und zur Verbesserung des Zustands notwendige, aber komplizierte, kostspielige und riskante Handoperation sei angesichts des geringfügigen Defektzustands unwirtschaftlich und deshalb unverhältnismässig (zustimmend zitiert bei MEYER-BLASER, a.a.O., S. 77 ff.). Im Bereich der Pflegefinanzierung für Spitex-Leistungen wird als obere Grenze der Verhältnismässigkeit ein Aufwand bezeichnet, der ca. 3,5 mal höher liegt als der Aufwand in einem Pflegeheim und in absoluten Zahlen gegen Fr. 100'000.- pro Jahr beträgt (BGE 126 V 334 E. 3b S. 342). Unverhältnismässig bzw. unwirtschaftlich sind Kosten, die vier- bis fünfmal höher sind als diejenigen im Pflegeheim und absolut über Fr. 100'000.- pro Jahr betragen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 95/03 vom 11. Mai 2004 E. 3.2). In SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 ging es um eine Therapie, die im Einzelfall Fr. 50'000.- bis Fr. 70'000.- kostete; unter Berücksichtigung der Behandlungswirksamkeit (Number Needed to Treat [NNT]) errechnete das Bundesgericht, dass zwischen 1,85 und 3,85 Mio. Franken ausgegeben werden müssten, um ein Menschenleben zu retten, was als schlechtes Kosten-/Wirksamkeitsverhältnis betrachtet wurde (E. 3.8). Selbst bei besserem Kosten-/Nutzen-Verhältnis scheine die Bejahung eines hohen therapeutischen Nutzens fraglich (E. 3.10).
7.6.3 Diese Betrachtungsweise stimmt überein mit in anderen Ländern verwendeten Kosten-Nutzen-Betrachtungen, wobei die Verhältnismässigkeit anhand des Aufwands pro gerettetes Menschenlebensjahr, allenfalls qualitätskorrigiert (QALYs [quality adjusted life years] oder ähnliche Konzepte), beurteilt wird (AUER UND ANDERE, a.a.O., S. 2404 f.; RUTH BAUMANN-HÖLZLE, Das "Manifest für eine faire Mittelverwendung im Gesundheitswesen", in: Rationierung
BGE 136 V 395 S. 412
und Gerechtigkeit, S. 34 ff., 37; SCHÜRCH, a.a.O., S. 31, 96; JÜRG H. SOMMER, Muddling Through Elegantly: Rationierung im Gesundheitswesen, 2001, S. 65 ff.; STEFFEN, a.a.O., S. 280 f.; SCHÖFFSKI/GREINER, Das QALY-Konzept als prominentester Vertreter der Kosten-Nutzwert-Analyse, Gesundheitsökonomische Evaluationen, 2007, passim; SCHÖFFSKI/SCHULENBURG, Gesundheitsökonomische Evaluationen, 2008, S. 95 ff.). In verschiedenen gesundheitsökonomischen Ansätzen werden Beträge in der Grössenordnung von maximal ca. Fr. 100'000.- pro gerettetes Menschenlebensjahr noch als angemessen betrachtet (SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 3.8 mit Hinweis; GEORG MARCKMANN, Kosteneffektivität als Allokationskriterium aus gesundheitsethischer Sicht, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 213 ff., 220 ff.; THOMAS D. SZUCS, Gesundheitsökonomische Aspekte der chronischen Herzinsuffizienz, SÄZ 2003 S. 2431 ff., 2434). Das stimmt in der Grössenordnung überein mit den für Therapien in der Schweiz üblicherweise maximal aufgewendeten Kosten. So betragen die in der Schweiz maximal zugelassenen Therapiekosten in der Onkologie Fr. 7'000.- pro Monat bzw. Fr. 84'000.- pro Jahr (JÜRG NADIG, Verdeckte Rationierung dank Wirtschaftlichkeitsverfahren?, SÄZ 2008 S. 855 ff., 859 f.). Die Kosten der Osteoporosetherapie liegen in der Grössenordnung von etwa Fr. 60'000.- bis Fr. 70'000.-/QALY (LAMY/KRIEG, De la nécessité des études coût-efficacité en ostéoporose, RMS 2007 S. 1521 ff., 1524). Diese Grössenordnung ist auch im Vergleich mit anderen Bereichen stimmig, in denen es darum geht, bestimmte Aufwendungen zu treffen, um Menschenleben zu retten, z.B. im Bereich der Unfall-und Krankheitsprävention; soweit dafür in der Schweiz bisher explizite Kosten-/Wirksamkeitsüberlegungen angestellt wurden, werden Grenzkostenwerte zwischen 1 und maximal 20 Mio. Franken pro gerettetes Menschenleben bzw. zwischen Fr. 25'000.- und Fr. 500'000.- pro gerettetes Menschenlebensjahr als haltbar erachtet (HANSJÖRG SEILER, Risikobasiertes Recht, Wieviel Sicherheit wollen wir?, 2000, S. 153 f.). Dabei handelt es sich bei den höheren Werten um Bereiche, in denen es um die Prävention gegen Gefahrenquellen geht, welche von Menschen verursacht werden und völlig unbeteiligte andere Menschen bedrohen; aufgrund des generellen Verbots, andere an Leib und Leben zu schädigen, dürfte es sich rechtfertigen, in dieser Hinsicht höhere Aufwendungen zu Lasten des Verursachers zu fordern als im Bereich der von der Sozialversicherung bezahlten Behandlung gegen Krankheiten, die von niemandem verschuldet wurden.
BGE 136 V 395 S. 413
7.7 Eine Beurteilung der Verhältnismässigkeit bzw. Kosten-Wirksamkeit anhand verallgemeinerungsfähiger Kriterien drängt sich insbesondere aus Gründen der Rechtsgleichheit auf (Art. 8 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
|
1 | Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
2 | Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. |
3 | Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. |
4 | Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor. |
7.8 Im Lichte dieser Grundsätze müsste im zu beurteilenden Fall, selbst wenn ein hoher therapeutischer Nutzen erwiesen wäre, eine Leistungspflicht aus Wirtschaftlichkeitsgründen, d.h. mangels eines angemessenen Verhältnisses zwischen den Kosten - hier insgesamt
BGE 136 V 395 S. 414
rund Fr. 750'000.- bis Fr. 900'000.- (für die streitigen eineinhalb Jahre) - und dem Nutzen verneint werden. Die Beurteilung des Kosten-/Nutzen-Verhältnisses kann entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin auch nicht mit dem Argument umgangen werden, dass es sich um eine Einzelfallbeurteilung in einem Orphan-Disease-Fall handle. Denn es gibt zahlreiche Personen, die zwar nicht an Morbus Pompe, aber an anderen Krankheiten leiden, welche vergleichbare Einschränkungen der Lebensqualität zur Folge haben (z.B. chronisch-obstruktive Lungenkrankheit [COPD]). Statistisch sind beispielsweise 2,8 % der schweizerischen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren in ihrem Gehvermögen auf weniger als 200 m beschränkt (Stand 2007; Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2010, S. 323), was rund 180'000 Personen entspricht , die mit einer ähnlich eingeschränkten Lebensqualität wie die Beschwerdegegnerin leben müssen. Mit einem Aufwand von rund Fr. 500'000.- pro Jahr liesse sich möglicherweise bei den meisten dieser Menschen die Lebensqualität in vergleichbarem Ausmass wie bei der Beschwerdegegnerin verbessern, sei dies z.B. durch operative Massnahmen, die bisher aus Kostengründen nicht durchgeführt werden, durch gegenüber der bisherigen Rechtsprechung (E. 7.6.2) grosszügigere Gewährung von Pflegeleistungen oder schliesslich dadurch, dass - analog zum Off-Label-Use von Medikamenten - auch Mittel und Gegenstände abgegeben werden, die nicht in der grundsätzlich abschliessenden Mittel- und Gegenständeliste (Art. 20 ff
SR 832.112.31 Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) - Krankenpflege-Leistungsverordnung KLV Art. 20 Grundsatz - 1 Die Versicherung leistet eine Vergütung an Mittel und Gegenstände, die der Behandlung oder der Untersuchung im Sinne einer Überwachung der Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen und die: |
|
1 | Die Versicherung leistet eine Vergütung an Mittel und Gegenstände, die der Behandlung oder der Untersuchung im Sinne einer Überwachung der Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen und die: |
a | auf Anordnung eines Arztes oder einer Ärztin oder, sofern es sich um Mittel und Gegenstände nach Artikel 4 Buchstabe c handelt, auf Anordnung eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin von einer Abgabestelle nach Artikel 55 KVV abgegeben und von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich an der Untersuchung oder der Behandlung mitwirkenden Person angewendet werden; oder |
b | auf Anordnung eines Arztes oder einer Ärztin im Rahmen der Pflegeleistungen nach Artikel 25a KVG208 angewendet werden. |
2 | Die Vergütung von Mitteln und Gegenständen, die durch Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 KVG im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht nach Absatz 1 Buchstabe b angewendet werden, wird mit der entsprechenden Untersuchung oder Behandlung in den Tarifverträgen geregelt. |