125 II 633
64. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Dezember 1999 i.S. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement gegen A. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG und Art. 103 lit. b OG, Art. 7 Abs. 1 und 17 Abs. 2 ANAG, Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Beschwerdelegitimation des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (E. 1a und b).
- Ein mit einem Schweizer Bürger verheirateter Ausländer, der erst über eine Jahresaufenthaltsbewilligung verfügt (Art. 7 Abs. 1 erster Satz ANAG), hat keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG. Ob sich ein solcher aus Art. 8
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EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
Regeste (fr):
- Art. 100 al. 1 let. b ch. 3 OJ et art. 103 let. b OJ, art. 7 al. 1 et 17 al. 2 LSEE, art. 8 CEDH; autorisation du regroupement familial ultérieur.
- Qualité pour recourir du Département fédéral de justice et police (consid. 1a et b).
- Un étranger qui est marié avec un citoyen suisse et ne dispose que d'une autorisation annuelle de séjour (art. 7 al. 1 1ère phrase LSEE) n'a aucun droit au regroupement familial en vertu de l'art. 17 al. 2 LSEE. La question de savoir si un tel droit résulte de l'art. 8 CEDH doit être résolue sur la base d'une pesée des intérêts (consid. 2 et 3).
Regesto (it):
- Art. 100 cpv. 1 lett. b n. 3 OG e 103 lett. b OG, art. 7 cpv. 1 e 17 cpv. 2 LDDS, art. 8 CEDU; autorizzazione al ricongiungimento familiare ulteriore.
- Legittimazione ricorsuale del Dipartimento federale di giustizia e polizia (consid. 1a e b).
- Lo straniero coniugato con un cittadino svizzero, al beneficio unicamente di un permesso di dimora annuale (art. 7 cpv. 1 prima frase LDDS), non ha alcun diritto al ricongiungimento familiare in virtù dell'art. 17 cpv. 2 LDDS. Il quesito di sapere se un tale diritto scaturisca dall'art. 8 CEDU va risolto procedendo ad una ponderazione degli interessi (consid. 2 e 3).
Sachverhalt ab Seite 634
BGE 125 II 633 S. 634
A. heiratete am 19. September 1995 in Jugoslawien den Schweizer Bürger B. Sie reiste im September 1995 mit einem gültigen Visum in die Schweiz ein. Anfangs Oktober 1995 erhielt sie im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Aargau. Im November 1995 lehnte die Fremdenpolizei des Kantons Aargau die Visierung eines Einladungsschreibens an ihre Mutter D. und ihre Tochter aus früherer Ehe C. (geboren 17. April 1987) ab. Mehrere von A. in der Folge eingereichte Familiennachzugsgesuche für ihre Tochter C. wurden unter Hinweis auf Art. 39 Abs. 1 lit. c
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BGE 125 II 633 S. 635
festgesetzt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Familiennachzug. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat am 19. Mai 1999 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Es beantragt, das Urteil des Rekursgerichts aufzuheben und festzustellen, "dass aus der eidgenössischen Kontrollentlassung (Art. 17 Abs. 2 erster Satz) kein Anspruch auf Familiennachzug im Sinne von Art. 17 Abs. 2 ANAG abgeleitet werden" könne. A. beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Den gleichen Antrag stellt das Rekursgericht mit Vernehmlassung vom 23. Juni 1999. Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit es darauf eintritt, im Sinne der Erwägungen ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. a) Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (im Folgenden auch Departement) ist als das in der Sache zuständige Departement gemäss Art. 103 lit. b OG befugt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des aargauischen Rekursgerichtes zu führen, das kantonal letztinstanzlich entschieden hat. Das Beschwerderecht der Bundesbehörden soll den richtigen und einheitlichen Vollzug des Bundesverwaltungsrechts sicherstellen (RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M. 1996, Rz. 1512). Weiterer Voraussetzungen bedarf die Beschwerdelegitimation nicht (BGE 113 Ib 219 E. 1b; BGE 123 II 16 E. 2c; BGE 125 II 326 E. 2c). Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten. b) Soweit dem Feststellungsbegehren selbständige Bedeutung zukommt, kann darauf nicht eingetreten werden. Dass für die Legitimation des Departements das allgemeine Interesse an der richtigen Anwendung des Bundesrechts genügt, besagt nicht, dass auf diesem Weg Feststellungen zu bloss abstrakten Fragen des objektiven Rechts erlangt werden können (vgl. BGE 122 II 97 E. 3 mit Hinweisen). Gegenstand der Beschwerde bildet somit einzig die Frage, ob der Familiennachzug vorliegend zu Recht bewilligt worden ist.
c) Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a
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BGE 125 II 633 S. 636
gebunden, es sei denn, diese erwiesen sich als offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder seien unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften getroffen worden (Art. 105 Abs. 2
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2. Beschwerdegegenstand bildet - wie ausgeführt (E. 1b) - die Frage, ob der Familiennachzug für die Tochter C. zu Recht bewilligt wurde. a) Das Rekursgericht kommt durch Auslegung von Art. 17
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BGE 125 II 633 S. 637
oder Niederlassungsbewilligung zu erteilen (Art. 4
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BGE 125 II 633 S. 638
Damit sieht der Gesetzestext - selbst wenn in der ursprünglichen Fassung der Einbezug in die Bewilligung und nicht ausdrücklich in die Niederlassungsbewilligung statuiert wurde - einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug erst nach der Erteilung der Niederlassungsbewilligung bzw. der Festlegung des Zeitpunktes vor, von wann an frühestens die Niederlassung bewilligt werden darf. Dem Ausländer wird, auch wenn er voraussichtlich dauernd im Lande bleibt, in der Regel zunächst nur der Aufenthalt bewilligt (Art. 17 Abs. 1
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BGE 125 II 633 S. 639
ist auch darauf hinzuweisen, dass der hier zu beurteilende nachträgliche Familiennachzug eines Kindes aus erster Ehe der Beschwerdegegnerin von Art. 17 Abs. 2 ANAG direkt gar nicht erfasst wird, da diese Bestimmung auf den Nachzug gemeinsamer Kinder zugeschnitten ist, womit es zum vornherein nur um deren analoge Anwendung gehen kann (BGE 118 Ib 153 E. 2b; BGE 125 II 585). e) Ein das Ermessen der Fremdenpolizeibehörden einschränkender Anspruch auf Familiennachzug ergibt sich vorliegend indessen aus Art. 8
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3. a) Zweck des Familiennachzuges gemäss Art. 8
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BGE 125 II 633 S. 640
anzunehmen (BGE 118 Ib 153 E. 2b,c; BGE 122 II 289 E. 3b; BGE 124 II 361 E. 3a; vgl. BGE 115 Ib 97 E. 3a,b und E. 4; BGE 119 Ib 81 E. 3a; ALAIN WURZBURGER, a.a.O., S. 14/15). Der in Art. 8
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BGE 125 II 633 S. 641
K., E. 3a, vom 29. Oktober 1998 i.S. Y., E. 2a und 2c sowie vom 26. Juli 1999 i.S. R., E. 4 a,c). b) Vorliegend verblieb die Tochter der Beschwerdegegnerin in Jugoslawien, als diese sich mit einem Schweizer verheiratete und in der Folge an dessen Wohnort übersiedelte. Schon kurz nach ihrer Einreise im Herbst 1995 bemühte sich die Beschwerdegegnerin jedoch darum, ihre Tochter aus erster Ehe in die Schweiz nachzuziehen. Alle diesbezüglichen Gesuche wurden aber abgelehnt. Aufgrund der verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 2
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BGE 125 II 633 S. 642
M. vom 29. Dezember 1998 und "Steuerbestätigung" vom 1. Juni 1999, auch Bestätigung der Gemeinde M. vom 5. März 1997). Unter diesen Umständen darf der Familiennachzug nicht verweigert werden; der angefochtene Entscheid ist deshalb im Ergebnis zu bestätigen.