122 II 385
49. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Oktober 1996 i.S. A. D., Ö. D. und R. D. gegen Polizei- und Militärdirektion und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 100 lit. b Ziff. 3 und Art. 105 Abs. 2 OG, Art. 4 und Art. 17 Abs. 2 ANAG sowie Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Hinblick auf Art. 17 Abs. 2 ANAG und Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Umfang der Bindung des Bundesgerichts an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz als richterlichen Behörde (E. 2).
- Beurteilung des Anspruchs auf Niederlassungsbewilligung des ausländischen Ehemannes einer Niedergelassenen unter Berücksichtigung unverschuldeter Fürsorgeabhängigkeit, des Nichtbezahlens von Schulden sowie des Umstandes, dass der Ausländer jedenfalls weiterhin eine Aufenthaltsbewilligung erhält (E. 3).
- Für das Kind getrennt lebender ausländischer Eltern setzt ein Nachzugsrecht voraus, dass es zum in der Schweiz weilenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4).
Regeste (fr):
- Art. 100 let. b ch. 3 et 105 al. 2 OJ, art. 4 et 17 al. 2 LSEE, art. 8 CEDH; refus de délivrer une autorisation d'établissement à un étranger et d'autoriser le regroupement familial avec son enfant né à l'étranger d'une précédente union.
- Recevabilité du recours de droit administratif au regard de l'art. 17 al. 2 LSEE et de l'art. 8 CEDH (consid. 1).
- Portée de la règle selon laquelle le Tribunal fédéral est lié par les faits constatés par l'autorité judiciaire (consid. 2).
- Examen du droit à une autorisation d'établissement d'un époux étranger marié à une personne établie par rapport au besoin d'assistance non fautif, au non-paiement des dettes et au fait que cet étranger a droit de toute façon à une autorisation de séjour (consid. 3).
- Pour l'enfant de parents étrangers vivant séparés, un droit au regroupement suppose qu'il entretienne la relation familiale la plus étroite avec le père ou la mère vivant en Suisse (confirmation de la jurisprudence; consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 100 lett. b n. 3 e
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EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Ammissibilità del ricorso di diritto amministrativo giusta gli art. 17 cpv. 2 LDDS e 8 CEDU (consid. 1).
- Portata della regola secondo cui il Tribunale federale è vincolato dai fatti constatati dall'autorità giudiziaria (consid. 2).
- Esame del diritto a ottenere un permesso di domicilio del coniuge straniero di una persona domiciliata, considerato che egli dipende, senza sua colpa, dall'assistenza, che non paga i suoi debiti e che detto straniero ha comunque diritto a un permesso di dimora (consid. 3).
- Per il figlio di genitori stranieri che vivono separati, il diritto al ricongiungimento familiare presuppone che egli intrattenga la relazione familiare più stretta con il genitore che vive in Svizzera (conferma della giurisprudenza; consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 386
BGE 122 II 385 S. 386
Der türkische Staatsangehörige Ö. D. kam am 12. November 1980 als Sohn nicht verheirateter Eltern in der Türkei zur Welt und lebte zunächst bei seiner Mutter, später bei einem Onkel und daraufhin bei seinen Grosseltern väterlicherseits in der Türkei. 1981 reiste der Vater A. D., geboren 1957, in die Schweiz aus, wo er eine Schweizerin heiratete. Aus einer Beziehung mit der gleichaltrigen gebürtigen Polin R. D., die in der Schweiz als Flüchtling anerkannt ist, ging 1983 der zweite Sohn E. D. hervor. 1984 wurde die erste Ehe von A. D. geschieden, worauf er 1985 in die Türkei ausreiste und dort R. D. heiratete. 1986 kehrte A. D. in die Schweiz zurück, wo ihm eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. 1987 erhielten R. D. und 1988 E. D. je die Niederlassungsbewilligung. Von 1989 bis 1991 lebte E. D. in der Türkei bei seinem Halbbruder Ö. D. und den Grosseltern, im übrigen weilte er bei seinen Eltern in der Schweiz. Am 18. August 1988 willigte die leibliche Mutter von Ö. D. in der Türkei ein, ihren Sohn in die Schweiz ausreisen zu lassen. In der Folge wurden 1988, 1989 und 1991 drei Gesuche um Nachzug von Ö. D. in die Schweiz gestützt auf die Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (Begrenzungsverordnung, BVO; SR 823.21) wegen fehlender
BGE 122 II 385 S. 387
finanzieller Mittel bzw. erheblicher Schulden der hier ansässigen Familie abgelehnt. Ein Versuch im Jahr 1992, Ö. D. über Einladungen zu befristetem Aufenthalt in die Schweiz zu bringen, scheiterte ebenfalls. 1993 holten A. D. und seine Frau den Sohn Ö. D. ohne Visum und Bewilligung in die Schweiz, wo er seither lebt. Am 30. August 1994 stellte A. D. das vierte Nachzugsgesuch für seinen Sohn Ö. D.. Mit Verfügung vom 15. September 1994 wies die Fremdenpolizei der Stadt Bern das Gesuch mit der gleichen Begründung wie in den früheren Entscheiden erneut ab. Am 11. Oktober 1994 ersuchte A. D. um Erteilung der Niederlassungsbewilligung. Die Fremdenpolizei wies mit Verfügung vom 1. November 1994 auch dieses Gesuch ab. A. D. führte gegen die beiden Entscheide der Fremdenpolizei Beschwerde. Er beantragte vor der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, es sei ihm die Niederlassungsbewilligung zu erteilen und Ö. D. sei in diese Niederlassungsbewilligung einzubeziehen. Die Polizei- und Militärdirektion wies die Beschwerden am 22. November 1995 ab und verweigerte die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Dagegen erhoben A. D. und R. D. sowie Ö. D. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil vom 21. Februar 1996 gut, soweit es um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ging, wies sie im übrigen aber ab, soweit es darauf eintrat. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 19. März 1996 an das Bundesgericht beantragen A. D., Ö. D. und R. D., A. D. sei die Niederlassungsbewilligung zu erteilen und Ö. D. in dessen Bewilligung einzubeziehen; eventuell sei Ö. D. der Aufenthalt in der Schweiz zu bewilligen. Weiter ersuchen sie um aufschiebende Wirkung und um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Im wesentlichen berufen sie sich auf Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) sowie auf Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK; SR 0.101). In ihren Vernehmlassungen schliessen das Verwaltungsgericht und die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Ausländerfragen stellt für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement den Antrag, die Beschwerde sei im Hinblick auf den Sohn Ö. D. gutzuheissen und die Sache an die kantonalen Behörden
BGE 122 II 385 S. 388
zurückzuweisen zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung; im übrigen sei die Beschwerde abzuweisen. Mit Verfügung vom 22. April 1996 hat der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. a) Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 ANAG entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer hat damit grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit er sich nicht auf eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt (BGE 122 II 1 E. 1a, 289 E. 1a; BGE 120 Ib 257 E. 1a; je mit Hinweisen). b) Nach Art. 17 Abs. 2 zweiter Satz ANAG hat ein Ausländer, dessen Ehegatte über die Niederlassungsbewilligung verfügt, nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Da im vorliegenden Fall die Ehefrau (Beschwerdeführerin 3) im Besitz der Niederlassungsbewilligung ist und der Ehemann (Beschwerdeführer 1) sich seit über fünf Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhält, hat dieser einen Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach gestützt auf Gesetzesrecht einzutreten, soweit damit die Erteilung der Niederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer 1 beantragt wird. Beide Ehegatten sind insofern beschwerdeberechtigt; legitimiert ist aber auch der Sohn (Beschwerdeführer 2), da sein allfälliger Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung des Vaters unter anderem gerade von der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an denselben abhängt (vgl. E. 1c).
BGE 122 II 385 S. 389
Im Hinblick auf die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers 1 erlangt jedoch Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
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BGE 122 II 385 S. 390
steht; das kann jedoch offenbleiben, da auf die Beschwerde ohnehin einzutreten ist. d) Nicht eingetreten werden kann indessen, soweit sich die Beschwerdeführer - zumindest sinngemäss - auch gegen die Wegweisung des Beschwerdeführers 2 wenden bzw. deren Unverhältnismässigkeit geltend machen, ist dagegen doch von Gesetz wegen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen (Art. 100 lit. b Ziff. 4
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
2. Im Fremdenpolizeirecht stellt das Bundesgericht grundsätzlich auf die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände ab. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat, in welchem Fall die Regelung von Art. 105 Abs. 2 OG greift (BGE 122 II 1 E. 1b mit Hinweisen). Danach ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, wenn die richterliche Vorinstanz diesen nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erhoben hat. Da im vorliegenden Fall der angefochtene Entscheid durch ein Gericht erging, gelangt Art. 105 Abs. 2 OG zur Anwendung.
3. a) Zunächst ist zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer 1 eine Niederlassungsbewilligung gestützt auf den entsprechenden Anspruch gemäss Art. 17 Abs. 2 zweiter Satz ANAG zusteht. Dieser Anspruch führt nicht in jedem Fall zum Ziel. So erlischt er, wenn der Anspruchsberechtigte gegen die öffentliche Ordnung verstossen hat (Art. 17 Abs. 2 letzter Satz ANAG). Die Voraussetzung für ein Erlöschen des Anspruches ist weniger streng als im Fall des ausländischen Ehegatten eines Schweizers oder einer Schweizerin, bei dem nach Art. 7 Abs. 1
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BGE 122 II 385 S. 391
auf Nachzug bestanden hat, die zuständigen Behörden dies bei Behandlung der früheren Gesuche jedoch übersehen und darüber einzig - und fälschlicherweise (vgl. BGE 122 II 1 E. 3c; BGE 119 Ib 81 E. 2b) - gestützt auf die Begrenzungsverordnung entschieden haben (vgl. BGE 122 II 1 E. 3b). Sodann und vor allem kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass zwar unverschuldete Fürsorgeabhängigkeit allein keinen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung darstellt, wohl aber das Nichtbezahlen von Schulden; dies gilt jedenfalls dann, wenn diese einen bedeutenden Umfang erreichen. Nach der verbindlichen Feststellung des Verwaltungsgerichts (vgl. E. 2) hatte der Beschwerdeführer 1 im Februar 1996 Schulden im erheblichen Betrag von über Fr. 100'000.--; weiter hatte er sich nicht bemüht, die Schulden zu stabilisieren, geschweige denn abzubauen. Auch wenn Fürsorgeabhängigkeit allein nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung begründet, lässt sie sich doch bei der Verhältnismässigkeitsprüfung berücksichtigen. Gemäss dem angefochtenen Entscheid hat der Beschwerdeführer 1 bis Ende 1995 rund Fr. 45'000.-- an Fürsorgegeldern bezogen und wird bis Ende 1996 vermutlich den Betrag von Fr. 80'000.-- überschritten haben. Ob dies genügen würde, um eine Ausweisung bzw. die Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung überhaupt zu begründen, kann im vorliegenden Zusammenhang offenbleiben, erhält doch der Beschwerdeführer 1 weiterhin eine Aufenthaltsbewilligung; eine Entfernungsmassnahme steht also gar nicht zur Diskussion. Das persönliche Interesse des Beschwerdeführers 1 an der Niederlassungsbewilligung liegt letztlich einzig im Recht, seinen Sohn in die Niederlassungsbewilligung einbeziehen zu dürfen. Aber auch das fällt nicht entscheidend ins Gewicht, nachdem sich ein Nachzugsrecht im vorliegenden Fall - allerdings mit gewissen Nuancen (insbesondere kein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an den Sohn, sondern lediglich allenfalls einer Aufenthaltsbewilligung) - jedenfalls aus Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
4. a) Da der Beschwerdeführer 1 keine Niederlassungsbewilligung erhält, kann sein Sohn und Beschwerdeführer 2 auch nicht gestützt auf Art. 17
BGE 122 II 385 S. 392
Abs. 2 dritter Satz ANAG in diese einbezogen werden.
b) Es fragt sich somit einzig, ob dem Beschwerdeführer 2 in Anwendung von Art. 8
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
BGE 122 II 385 S. 393
E. 4a und b; 118 Ib 153 E. 2c und d).
c) aa) Der Beschwerdeführer 1 hat die Türkei freiwillig verlassen und dabei die Mutter seines ersten Kindes (des Beschwerdeführers 2) mit diesem zusammen in der Türkei zurückgelassen. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, kümmerte er sich bis 1988 kaum um seinen Sohn. Seit diesem Zeitpunkt, seitdem das Kind also rund acht Jahre alt war, hat er immerhin mehrfach versucht, es in die Schweiz nachzuziehen. Seit nunmehr rund drei Jahren, nach der illegalen Einreise im Jahre 1993, leben sie tatsächlich auch zusammen. Im übrigen können sie aus diesem Umstand indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten, haben sie den entsprechenden Zustand doch unrechtmässig herbeigeführt. Im Vordergrund haben daher die tatsächlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt der illegalen Einreise des Sohnes in die Schweiz zu stehen. bb) Ein Nachzug des Beschwerdeführers 2 würde zu einer höheren Belastung der Fürsorge führen, was durch die unrechtmässige Einreise im übrigen bereits geschehen ist. Wieweit dies - angesichts einerseits der bereits erheblichen Fürsorgeabhängigkeit der Familie, anderseits der letztlich eher bescheidenen zusätzlichen Belastung - den Ausschlag geben kann, ist umstritten, kann aber dahingestellt bleiben (vgl. dazu im übrigen BGE 122 II 1 E. 3c; BGE 119 Ib 81 E. 2d und e). cc) Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, ist der Beschwerdeführer 2 bis zum 13. Lebensjahr in der Türkei aufgewachsen, wobei er immerhin acht Jahre bei seiner Mutter lebte. Erst als diese im Jahre 1988 ihre Einwilligung zu einer Ausreise ihres Sohnes in die Schweiz gab, übersiedelte er zunächst zu einem Onkel und später zu den Grosseltern väterlicherseits. Dass diesem Wechsel eine Verlagerung der Beziehungsintensitäten zugrunde lag, ist genausowenig nachgewiesen wie der Umstand, dass in der Türkei niemand mehr für den Beschwerdeführer 2 sorgen könnte. Das Verwaltungsgericht hat im Gegenteil festgestellt, die Grosseltern seien noch relativ jung und ihre mit ärztlichem Zeugnis dokumentierten Krankheiten liessen die Betreuung eines Knaben oder jungen Mannes nicht als ausgeschlossen erscheinen. Auch ist nicht einzusehen, weshalb nicht die Mutter sich erneut um ihren Sohn kümmern könnte. Im übrigen ist fraglich, ob das Schreiben der Türkischen Botschaft vom 16. Januar 1996 den Beweis dafür erbringt, dass das Sorgerecht einzig mit der notariell verurkundeten Zustimmung der Mutter und der Übersiedlung in die väterliche Verwandtschaft auch zivilrechtlich auf den Vater übergegangen
BGE 122 II 385 S. 394
ist; ein eigentliches Gerichtsurteil liegt nämlich nicht vor. Wie es sich damit verhält, kann indessen offenbleiben. Grundsätzlich gilt im Verwaltungsverfahren die Untersuchungsmaxime. Diese wird jedoch relativiert durch die Mitwirkungspflicht der Parteien, welche namentlich insoweit greift, als eine Partei das Verfahren durch eigenes Begehren eingeleitet hat oder darin eigene Rechte geltend macht (vgl. dazu ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Zürich 1993, Rz. 1285, S. 304; PIERRE MOOR, Droit administratif, Bd. II, Bern 1991, N. 2.2.6.3, S. 176; vgl. auch Art. 20
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 20 - 1 Berechnet sich eine Frist nach Tagen und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie an dem auf ihre Mitteilung folgenden Tage zu laufen. |
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1 | Berechnet sich eine Frist nach Tagen und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie an dem auf ihre Mitteilung folgenden Tage zu laufen. |
2 | Bedarf sie nicht der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie an dem auf ihre Auslösung folgenden Tage zu laufen. |
2bis | Eine Mitteilung, die nur gegen Unterschrift des Adressaten oder einer anderen berechtigten Person überbracht wird, gilt spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt.51 |
3 | Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag. Massgebend ist das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Vertreter Wohnsitz oder Sitz hat.52 |
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 13 - 1 Die Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken: |
|
1 | Die Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken: |
a | in einem Verfahren, das sie durch ihr Begehren einleiten; |
b | in einem anderen Verfahren, soweit sie darin selbständige Begehren stellen; |
c | soweit ihnen nach einem anderen Bundesgesetz eine weitergehende Auskunfts- oder Offenbarungspflicht obliegt. |
1bis | Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich nicht auf die Herausgabe von Gegenständen und Unterlagen aus dem Verkehr einer Partei mit ihrem Anwalt, wenn dieser nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200034 zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist.35 |
2 | Die Behörde braucht auf Begehren im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a oder b nicht einzutreten, wenn die Parteien die notwendige und zumutbare Mitwirkung verweigern. |
BGE 122 II 385 S. 395
Interessen, noch ist ersichtlich, dass ein Wechsel zunächst von der Mutter zur väterlichen Verwandtschaft in der Türkei und danach von dieser zum Vater zwingend war; und schliesslich wird die Fortführung und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert. Damit hält die Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung an den Beschwerdeführer 2 vor Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
BGE 122 II 385 S. 396
Rechtsinstituten zu äussern. Im übrigen haben die Beschwerdeführer die heutige Lage durch den illegalen Nachzug des Kindes (des Beschwerdeführers 2) selber mitverursacht. Schliesslich weist das Bundesamt für Ausländerfragen zwar darauf hin, dass nach dessen Weisungen Entfernungsmassnahmen gegenüber Kindern, die noch der Obhut bedürfen, ausser Betracht fielen, wenn nicht gleichzeitig auch Entfernungsmassnahmen gegen die Eltern ergriffen werden können. Was dies im vorliegenden Fall bedeutet, hat das Bundesgericht aber nicht zu beurteilen, da die Wegweisung seiner Überprüfung entzogen ist (vgl. E. 1d). Das schliesst immerhin nicht aus, die bernischen Behörden im Hinblick auf den Vollzug der verfügten Wegweisung auf die Problematik aufmerksam zu machen.