124 II 361
35. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Juni 1998 i.S. H. gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG und Art. 105 Abs. 2 OG, Art. 4 ANAG und Art. 17 Abs. 2 ANAG, Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Bestätigung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie zur Bindung des Bundesgerichts an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz als richterlichen Behörde (E. 1 und 2).
- Bestätigung der Rechtsprechung, wonach ein Nachzugsrecht bei Kindern getrennt lebender ausländischer Eltern voraussetzt, dass zum in der Schweiz lebenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung besteht. Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit der UNO-Kinderrechtekonvention. Bedeutung des Anspruches der Kinder gemäss diesem Übereinkommen, sich in allen sie berührenden Angelegenheiten frei zu äussern bzw. angehört zu werden (E. 3 und 4).
Regeste (fr):
- Art. 100 al. 1 let. b ch. 3 OJ et art. 105 al. 2 OJ, art. 4 LSEE et art. 17 al. 2 LSEE, art. 8 CEDH et art. 9, 10 et 12 de la Convention des Nations Unies relative aux droits de l'enfant; refus du regroupement familial aux enfants d'un étranger issus d'une union antérieure.
- Confirmation de la jurisprudence relative à la recevabilité du recours de droit administratif ainsi qu'à la restriction du pouvoir d'examen du Tribunal fédéral quant aux faits constatés par l'instance inférieure lorsque celle-ci est une autorité judiciaire (consid. 1 et 2).
- Confirmation de la jurisprudence selon laquelle les enfants de parents étrangers vivant séparés n'ont un droit au regroupement que s'ils entretiennent la relation familiale la plus étroite avec le parent résidant en Suisse. Compatibilité de cette jurisprudence avec la Convention des Nations Unies relative aux droits de l'enfant. Portée du droit des enfants, garanti par cette Convention, de s'exprimer librement sur toute question les intéressant, ainsi qu'à être entendus (consid. 3 et 4).
Regesto (it):
- Art. 100 cpv. 1 lett. b n. 3 OG e art. 105 cpv. 2 OG, art. 4 LDDS e art. 17 cpv. 2 LDDS, art. 8 CEDU nonché art. 9, 10 e 12 della Convenzione dell'ONU sui diritti del fanciullo; rifiuto opposto a uno straniero di farsi raggiungere dai figli nati da una precedente unione.
- Conferma della giurisprudenza concernente l'ammissibilità del ricorso di diritto amministrativo nonché relativa alla regola secondo cui il Tribunale federale è vincolato dai fatti constatati dall'autorità giudiziaria (consid. 1 e 2).
- Conferma della giurisprudenza secondo cui il diritto al ricongiungimento familiare per i figli di genitori stranieri che vivono separati presuppone che essi intrattengono la relazione familiare più stretta con il genitore che risiede in Svizzera. Compatibilità di tale prassi con la Convenzione dell'ONU sui diritti del fanciullo. Portata del diritto dei figli, garantito da questa Convenzione, di esprimersi liberamente su ogni questione che li riguarda nonché di essere sentiti (consid. 3 e 4).
Sachverhalt ab Seite 362
BGE 124 II 361 S. 362
Der am 10. Oktober 1957 geborene pakistanische Staatsangehörige H. war in Pakistan verheiratet und ist Vater der Kinder I., geb. 1981, A., geb. 1982, und R., geb. 1989. Am 11. Januar 1991 reiste er in die Schweiz ein und stellte hier ein Asylgesuch. Am 18. Februar 1991 wurde seine Ehe in Pakistan geschieden. Nach Abweisung des Asylgesuchs wurde H. am 9. Januar 1992 aus der Schweiz ausgeschafft. Am 1. Juni 1992 reiste er erneut in die Schweiz ein und heiratete hier am 5. Juni 1992 die Schweizerin J. In der Folge erteilte ihm die Fremdenpolizei des Kantons Zürich die Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der schweizerischen Ehefrau. Am 9. Juli 1995 stellte H. ein Gesuch um Einreisebewilligung für zwei seiner aus erster Ehe stammenden Kinder, nämlich für I. und A. Im Verlauf des Verfahrens wurde das Gesuch auch auf das dritte Kind ausgeweitet, mit Eingabe an die Fremdenpolizei vom 20. April 1996 aber wieder auf die beiden älteren Kinder beschränkt. Am 5. Juni 1996 wies die Fremdenpolizei das Gesuch ab. Dagegen erhob H. Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Zürich. Am 29. Mai 1997 erteilte die Fremdenpolizei H. die Niederlassungsbewilligung. Am 17. September 1997 wies der Regierungsrat den Rekurs gegen die Verweigerung der Einreisebewilligung für die beiden älteren Kinder ab. H. erhob dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde am 28. Januar 1998 ab, soweit es darauf eintrat. Zur Begründung hielt es im wesentlichen fest, auf die Beschwerde könne insoweit nicht eingetreten werden, als damit die Aufenthaltsbewilligung für den Sohn R. beantragt werde, da dieses Begehren nicht Gegenstand des Rekursentscheides des Regierungsrates
BGE 124 II 361 S. 363
gewesen sei. Im übrigen bestehe zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Bewilligungen, doch scheitere dieser in der Sache daran, dass die Kinder weiterhin in Pakistan ihren Lebensmittelpunkt hätten, bzw. nicht ersichtlich sei, weshalb die beiden älteren Kinder dem Vater näher stehen sollten als der Mutter. Gegen dieses Urteil reichte H. am 8. April 1998 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Er stellt die folgenden Anträge: "1. Es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und den Kindern des Beschwerdeführers I., geb. 1981, A., geb. 1982, sowie R., geb. 1989, im Rahmen des Familiennachzuges Einreise und Aufenthalt zwecks Verbleib beim Beschwerdeführer zu bewilligen. 2. Eventualiter sei die Angelegenheit zwecks mündlicher Anhörung der Kinder bzw. von deren Vater und Neubeurteilung an die Vorinstanz bzw. die erstentscheidende Instanz zurückzuweisen. 3. Es seien die Kosten des Beschwerdeverfahrens (einschliesslich des kantonalen Beschwerdeverfahrens) auf die Amts- bzw. Staatskasse zu nehmen. Ferner sei der Beschwerdeführer für die ihm im Beschwerdeverfahren (einschliesslich dem kantonalen Verfahren) entstandenen Anwaltskosten angemessen zu entschädigen." Zur Begründung beruft sich H. auf Art. 17 Abs. 2 dritter Satz des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20), auf Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK; SR 0.101) sowie auf Art. 10 und 12 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UNO-Kinderrechtekonvention; BBl 1994 V 62 ff. und BBl 1996 V 1014; SR 0.107). Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und das Bundesamt für Ausländerfragen (für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement) schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatskanzlei des Kantons Zürich beantragt für den Regierungsrat die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus den folgenden Erwägungen:
1. a) Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.
BGE 124 II 361 S. 364
Gemäss Art. 4 ANAG entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer hat damit grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit er sich nicht auf eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt (BGE 122 II 1 E. 1a, 289 E. 1a, 385 E. 1a; BGE 120 Ib 257 E. 1a; je mit Hinweisen). b) Gemäss Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG haben ledige Kinder unter 18 Jahren Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammen wohnen. Ferner garantiert Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
BGE 124 II 361 S. 365
Entscheides bildet, kann sie auch nicht vor Bundesgericht zum Streitgegenstand erhoben werden. Ein Ausnahmefall (vgl. dazu BGE 122 V 34 E. 2a) liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer macht im übrigen nicht geltend, und es ist auch nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht gegen Bundesrecht verstossen hat, indem es insoweit auf die bei ihm erhobene Beschwerde nicht eintrat. Der Beschwerdeführer hat seinerzeit am 20. April 1996 selber über seinen damaligen Rechtsvertreter um Beschränkung des Verfahrens auf die beiden älteren Kinder ersucht. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erläutert er dazu, diese Beschränkung hänge mit den (jedenfalls im damaligen Zeitpunkt) engen Wohnraumverhältnissen zusammen, wie schon damals ausgeführt worden sei. Nachdem das Verfahren damit im Einverständnis mit dem Beschwerdeführer bis vor dem Regierungsrat auf den Nachzug der beiden älteren Kinder beschränkt war, durfte die Vorinstanz, ohne Bundesrecht zu verletzen, entscheiden, der Streitgegenstand gehe nicht über diese Frage hinaus.
2. a) Im Fremdenpolizeirecht stellt das Bundesgericht nur dann auf die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände ab, wenn nicht eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat. Diesfalls gilt die Regelung von Art. 105 Abs. 2 OG (BGE 122 II 1 E. 1b mit Hinweisen, 385 E. 2), wonach das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden ist, wenn die richterliche Vorinstanz diesen nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erhoben hat. Da im vorliegenden Fall der angefochtene Entscheid durch ein Gericht erging, gelangt Art. 105 Abs. 2 OG zur Anwendung. b) Für die Feststellung des Sachverhalts gilt im Verwaltungsverfahren grundsätzlich die Untersuchungsmaxime. Diese wird jedoch relativiert durch die Mitwirkungspflicht der Parteien (vgl. Art. 13
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 13 - 1 Die Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken: |
|
1 | Die Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken: |
a | in einem Verfahren, das sie durch ihr Begehren einleiten; |
b | in einem anderen Verfahren, soweit sie darin selbständige Begehren stellen; |
c | soweit ihnen nach einem anderen Bundesgesetz eine weitergehende Auskunfts- oder Offenbarungspflicht obliegt. |
1bis | Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich nicht auf die Herausgabe von Gegenständen und Unterlagen aus dem Verkehr einer Partei mit ihrem Anwalt, wenn dieser nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200034 zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist.35 |
2 | Die Behörde braucht auf Begehren im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a oder b nicht einzutreten, wenn die Parteien die notwendige und zumutbare Mitwirkung verweigern. |
BGE 124 II 361 S. 366
3. a) Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG verschafft nicht ein vorbehaltloses Recht auf Nachzug der Kinder. Zusätzliche Anforderungen müssen sich freilich aus dem Gesetz ergeben (vgl. BGE 119 Ib 81 E. 2). Ähnliches gilt für Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
BGE 124 II 361 S. 367
und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert wird (BGE 122 II 385 E. 4b; BGE 119 Ib 81 E. 4a und b; BGE 118 Ib 153 E. 2c und d; ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in RDAF 53/1997, S. 280 ff.; kritisch: MARC SPESCHA, Abwehrmentalität und Defizite in der ausländerrechtlichen Bewilligungspraxis, in AJP 1997, S. 481 f.). b) An dieser Rechtslage ändert auch die UNO-Kinderrechtekonvention nichts. Trotz grundsätzlichem Inkrafttreten am 26. März 1997 wurde dieses Übereinkommen bisher noch nicht formell in der Amtlichen Sammlung der Eidgenössischen Gesetze publiziert. Das allein schliesst zwar nicht aus, dass sich der Beschwerdeführer darauf berufen kann (vgl. BGE 124 III 90 E. 3a). Aus Art. 9 und 10 des Abkommens vermögen aber weder ein Kind noch dessen Eltern einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Familienzusammenführung abzuleiten. Das Recht der Staaten, ihre Einwanderungsgesetze selbst auszugestalten, wird durch diese Bestimmungen nicht beeinträchtigt (BBl 1994 V 33f.). Im übrigen hat die Schweiz gerade im Hinblick auf die Gesetzgebung über die Familienzusammenführung einen Vorbehalt zu Art. 10 Abs. 1 der UNO-Kinderrechtekonvention angebracht (BBl 1994 V 36 und 77; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 6. März 1998 i.S. Herrera, E. 1b/bb; PETER HÄNNI/EVA MARIA BELSER, Die Rechte der Kinder, in AJP 1998, S. 150). Der Beschwerdeführer trägt vor, die nationale Gesetzgebung sei wenigstens in dem Sinne im Lichte der UNO-Kinderrechtekonvention auszulegen und anzuwenden, dass Anträge auf Familienzusammenführung im Rahmen der Gesetzgebung wohlwollend, human und beschleunigt zu bearbeiten seien. Wieweit der Auffassung des Beschwerdeführers zu folgen ist, kann indessen offenbleiben. Zwar lässt sich entgegen der Ansicht des Bundesamts für Ausländerfragen nicht mit dem allgemeinen Verweis darauf, im Jahr 1997 seien 46% der neu eingereisten Ausländer im Rahmen der Bestimmungen über den Familiennachzug zugelassen worden, nachweisen, dass das fragliche Gesuch auch im vorliegenden Fall wohlwollend, human und beschleunigt behandelt worden ist. Der Beschwerdeführer vermag aber nicht zu belegen, und es ist auch nicht ersichtlich, weshalb in seinem Fall gegen ein entsprechendes Prinzip verstossen worden sein soll, denn auch ein solcher Rechtsgrundsatz könnte eine Bewilligungsverweigerung nicht von vornherein ausschliessen. Entscheidend sind vielmehr die gesamten Umstände des Einzelfalles, die im Rahmen der Anwendung der einschlägigen Rechtsnormen angemessen
BGE 124 II 361 S. 368
und fallbezogen abgewogen werden müssen (vgl. PHILIP GRANT, L'art. 8 CEDH, les étrangers et les voies de recours au Tribunal fédéral: entre innovation et cul-de-sac, in AJP 1998, S. 275; WURZBURGER, a.a.O., S. 280). c) Der Beschwerdeführer beruft sich weiter auf Art. 12 der UNO-Kinderrechtekonvention, wonach die Vertragsstaaten dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zusichern, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten bzw. Gerichts- oder Verwaltungsverfahren unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle frei zu äussern und angehört zu werden. Dieses Recht gilt grundsätzlich auch in fremdenpolizeilichen Verfahren (MARIE-FRANÇOISE LÜCKER-BABEL, La garantie des droits des mineurs migrants par les conventions internationales et la législation interne suisse, in Zeitschrift für Vormundschaftswesen 53/1998, S. 61). Art. 12 der UNO-Kinderrechtekonvention ist unmittelbar anwendbar (BGE 124 III 90 E. 3a), und der Beschwerdeführer kann sich somit darauf berufen. Grundsätzlich wären die Kinder bei der vorliegenden Ausgangslage zwar eher bereits im zivilrechtlichen Verfahren über die Zuteilung des Sorgerechts anzuhören gewesen, wobei freilich offenbleiben kann, ob dies stattgefunden hat und ob die UNO-Kinderrechtekonvention von Pakistan ratifiziert worden ist. So oder so schliesst dies die allfällige Notwendigkeit einer Anhörung im schweizerischen fremdenpolizeilichen Verfahren nicht von vornherein aus. Indessen ist das Kind auch nach der Kinderrechtekonvention nicht zwingend persönlich (mündlich), sondern lediglich in angemessener Weise anzuhören. Die Anhörung kann je nach der zu behandelnden Problematik und den Umständen des Einzelfalles auch schriftlich oder über einen Vertreter vorgenommen werden (vgl. den Wortlaut von Art. 12 der UNO-Kinderrechtekonvention; vgl. auch BGE 124 III 90 E. 3b und c; BEA VERSCHRAEGEN, Die Kinderrechtekonvention, Wien 1996, S. 84 f.). Im vorliegenden Fall hat sich die älteste Tochter in zwei Briefen, die dem Verwaltungsgericht vorlagen, geäussert. Zudem kann im Sinne des Antrags des Beschwerdeführers davon ausgegangen werden, dass er selber den Standpunkt der Kinder vertritt und diese somit einen Wechsel in die Schweiz grundsätzlich ebenfalls befürworten. Die Anforderungen von Art. 12 der UNO-Kinderrechtekonvention erweisen sich damit als erfüllt.
4. a) Der Beschwerdeführer hat im Jahre 1991 seine Heimat freiwillig verlassen und dabei seine Kinder bei der Mutter in Pakistan
BGE 124 II 361 S. 369
zurückgelassen. Seit dem Jahr 1992 ist er mit einer Schweizerbürgerin verheiratet. Obwohl er von diesem Zeitpunkt an den Nachzug seiner Kinder hätte beantragen können, hat er damit bis 1995 zugewartet. Er begründet dies damit, die Beziehungsverhältnisse hätten sich erst nachträglich verändert. Sinngemäss macht er geltend, die Beziehung der Kinder habe sich in jüngerer Zeit von der Mutter weg zu ihm hin entwickelt, was unter anderem aus den Briefen der ältesten Tochter hervorgehe. Weiter habe sein Übertritt zum Christentum im mehrheitlich muslimischen Umfeld der Kinder zu belastenden Diskriminierungen geführt. Die Mutter habe daher beim zuständigen örtlichen Familiengericht die Übertragung der Obhuts- und Erziehungspflichten an den Vater beantragt, was vom Gericht auch so angeordnet worden sei. Damit sei eine wesentliche Verlagerung der Beziehungsintensitäten nachgewiesen. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil festgestellt, aus dem Schreiben der ältesten Tochter ergebe sich nicht, dass die familiären Verhältnisse in der Heimat ein Herausreissen der Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung und ein Überführen in einen völlig anderen Kulturkreis geböten. Wenn ein örtliches Familiengericht in Pakistan die Obhuts- und Erziehungspflichten der Mutter entzogen und dem Beschwerdeführer übertragen habe, sei damit die vorrangige Beziehung der Kinder zum Vater nicht erstellt. Offenbar hege die Mutter den Wunsch, sich wieder zu verheiraten, wobei der künftige Ehemann nicht bereit sei, die Kinder in die Ehe zu nehmen. Die Mutter sei aber weiterhin die wichtigste Bezugsperson für die Kinder. Die älteste Tochter besuche sodann eine Internatsschule und lebe damit nicht regelmässig im Haushalt der Mutter. Schliesslich seien den Kindern die Lebensverhältnisse in der Schweiz völlig fremd. b) Der Beschwerdeführer vermag nicht darzutun, dass diese Sachverhaltsfeststellung unvollständig, offensichtlich unrichtig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ergangen ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Im Gegenteil geht er selber im wesentlichen von den gleichen tatsächlichen Grundlagen wie die Vorinstanz aus. Wohl trifft zu, dass die beabsichtigte Wiederverheiratung der Mutter zu einer gewissen Entfremdung von den Kindern führen kann, vor allem weil der künftige Stiefvater diese abzulehnen scheint. Damit ist aber genausowenig wie durch die briefliche Darstellung der familiären Schwierigkeiten bzw. durch den schriftlichen Hilfeappell der ältesten Tochter widerlegt, dass die Mutter weiterhin die wichtigste Bezugsperson der Kinder bleibt. Sodann ist
BGE 124 II 361 S. 370
nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auch dem Urteil des Familiengerichts, mit dem die Obhuts- und Erziehungsregelung geändert wurde, keine entscheidende Bedeutung zumisst. Die vom Verwaltungsgericht angeführten Zweifel, ob das Urteil im wohlverstandenen Kindesinteresse ergangen ist, sind nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer trägt zwar vor, die familiären Verhältnisse seien auf privatrechtlichem Weg rechtsverbindlich angepasst worden. Weder widerlegt er aber die Zweifel der Vorinstanz, noch weist er nach, das Nötige dafür unternommen zu haben, dass das Urteil in der Schweiz anzuerkennen wäre. Namentlich legt er keine Beglaubigung der schweizerischen Vertretung in Pakistan vor (vgl. Art. 29 Abs. 1 lit. a
SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 29 - 1 Das Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ist an die zuständige Behörde des Kantons zu richten, in dem die ausländische Entscheidung geltend gemacht wird. Dem Begehren sind beizulegen: |
|
1 | Das Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ist an die zuständige Behörde des Kantons zu richten, in dem die ausländische Entscheidung geltend gemacht wird. Dem Begehren sind beizulegen: |
a | eine vollständige und beglaubigte Ausfertigung der Entscheidung; |
b | eine Bestätigung, dass gegen die Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder dass sie endgültig ist, und |
c | im Falle eines Abwesenheitsurteils eine Urkunde, aus der hervorgeht, dass die unterlegene Partei gehörig und so rechtzeitig geladen worden ist, dass sie die Möglichkeit gehabt hatte, sich zu verteidigen. |
2 | Im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist die Partei, die sich dem Begehren widersetzt, anzuhören; sie kann ihre Beweismittel geltend machen. |
3 | Wird eine Entscheidung vorfrageweise geltend gemacht, so kann die angerufene Behörde selber über die Anerkennung entscheiden. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
BGE 124 II 361 S. 371
Familienverhältnisse abzustellen, wie sie sich unmittelbar nach der Scheidung ergeben. Als Ausnahme lässt die Rechtsprechung die nachträgliche Änderung der Beziehungsintensitäten als Grund für einen fremdenpolizeilich abgesicherten Nachzug von Scheidungskindern zwar zu, dass dafür aber hohe Beweisanforderungen verlangt werden, erscheint durchaus als folgerichtig. Dies gilt um so mehr, als regelmässig solche Tatsachen abzuklären und wesentlich sind, die von den Behörden nicht ohne weiteres nachgeprüft werden können (vgl. dazu E. 2b). Wenn jedoch nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Änderung der Familienverhältnisse bestehen und sich diese auch belegen lassen, wird der nachträgliche Nachzug von Scheidungs- oder Trennungskindern nicht vereitelt (so etwa ein unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 12. September 1997 i.S. Sadiku). d) Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im vorliegenden Fall die Familientrennung von den Betroffenen selbst freiwillig herbeigeführt worden ist. Weder erscheint sodann der nachträgliche Wechsel der Betreuungspflicht von der Mutter zum Beschwerdeführer als zwingend, noch kann als nachgewiesen gelten, dass die privatrechtlichen Betreuungsverhältnisse in auch für die Schweiz rechtsgültiger Weise geändert haben. Schliesslich wird die Fortführung und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert. Damit hält die Verweigerung der Einreisebewilligung für die beiden älteren Kinder des Beschwerdeführers vor Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG, vor Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |