Urteilskopf

109 II 123

30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Juli 1983 i.S. Galerie Fischer gegen Kamm (Berufung)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 123

BGE 109 II 123 S. 123

In einer öffentlichen Versteigerung, welche die Galerie Fischer Kommanditgesellschaft im Auftrag von Johannes Kempf durchführte, erwarb Fritz Kamm Helvetica (Kunstwerke auf Papier mit schweizerischen Motiven). In der Folge erhob er gegen die Galerie Fischer Anfechtungsklage mit dem Begehren, die Zuschläge an ihn aufzuheben. Johannes Kempf habe in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf die Versteigerung eingewirkt, indem er als Eigentümer der Steigerungsgegenstände mitgeboten habe. Der Präsident I des Amtsgerichts Luzern-Stadt wies die Anfechtungsklage ab; das Obergericht des Kantons Luzern dagegen hiess sie auf Rekurs des Klägers hin am 29. November 1982 gut und hob die Zuschläge an ihn auf, soweit sie nicht durch Klagerückzug gegenstandslos geworden waren.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und festzustellen, dass die Zuschläge
BGE 109 II 123 S. 124

an den Kläger rechtsgültig zustande gekommen seien. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Das Obergericht geht davon aus, ein Zuschlag an den Eigentümer der zu versteigernden Sache sei im Sinne von Art. 20 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR rechtlich unmöglich, weil niemand seine eigene Sache erwerben könne. Folglich wirke der Eigentümer rechtswidrig auf den Erfolg der Versteigerung ein, wenn er mitbiete. Die Beklagte hält die vorinstanzliche Begründung des Urteils für unvereinbar mit Art. 230 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR. a) Widerrechtlich ist eine Handlung dann, wenn sie gegen geschriebene oder ungeschriebene Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen (BGE 107 Ib 7 E. 2, BGE 95 III 91 E. c, BGE 93 II 183 E. 9 mit Hinweisen). Weder die Vorinstanz noch der Kläger vermögen eine Norm des eidgenössischen oder des luzernischen Rechts zu nennen, nach der es dem Eigentümer der zu versteigernden Sache versagt ist, mitzubieten. Selbst wenn sodann mit der Vorinstanz angenommen wird, ein Zuschlag an den Eigentümer sei rechtlich unmöglich, macht das sein Mitbieten nicht schon widerrechtlich, zumal wenn damit ein Erwerb der Sache gar nicht beabsichtigt ist. Ausserdem unterscheidet Art. 20 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR, der die Nichtigkeit eines Vertrages regelt, klar zwischen der Unmöglichkeit und der Widerrechtlichkeit einer Leistung, so dass es auch deswegen unzulässig ist, vom einen unbesehen auf das andere zu schliessen.
Die Widerrechtlichkeit des Verhaltens von Johannes Kempf lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht damit begründen, es erfülle den Tatbestand des Betrugs (Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
StGB). Die Argumentation verläuft gerade in umgekehrter Richtung: Erst wenn feststeht, dass Kempfs Verhalten zivilrechtlich unerlaubt ist, kann man prüfen, ob es überdies einen Betrug darstellt. Die strafrechtliche Frage ist insoweit akzessorischer Natur (vgl. analog für den Insidermissbrauch: SCHUBARTH, in SJZ 1979, S. 189). Offensichtlich unhaltbar ist die Behauptung des Klägers, er sei übervorteilt worden (Art. 21
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
1    Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
2    Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages.
OR); weder befand er sich in einer Notlage noch wurde er Opfer seiner Unerfahrenheit oder seines Leichtsinns. b) Ist die Rechtswidrigkeit zu verneinen, so bleibt zu prüfen, ob das Mitbieten Kempfs gegen die guten Sitten verstossen hat
BGE 109 II 123 S. 125

(Art. 230 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR). Nach der früheren Rechtsprechung und einem Teil der Lehre ist ein Verhalten dann sittenwidrig, wenn es den Zweck der Versteigerung, d.h. den Verkauf des Objekts zu seinem wahren Preis, vereitelt (BGE 82 II 23, 51 II 18, BGE 47 III 134 E. 3, BGE 43 III 92 f., BGE 40 III 337, BGE 39 II 34; COMMENT, in SJK Nr. 234 S. 6). Was unter einem "wahren" Preis zu verstehen ist, liegt indes nicht auf der Hand; Preise ändern sich je nach dem Markt, auf dem sie zustande kommen; sie sind abhängig von Angebot und Nachfrage. Den "wahren" im Sinne eines allgemeingültigen Preises dürfte es nicht geben, weil allein schon die Kriterien fehlen, um ihn zu bestimmen. Unproblematischer erscheint die andere in der Literatur vertretene Ansicht, die Versteigerung bezwecke, einen möglichst hohen Preis zu erzielen (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 1 der Vorbemerkungen zu Art. 229 bis
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
236 OR). Sie trägt dem Umstand besser Rechnung, dass an jeder Versteigerung unabsehbare Zufälligkeiten die Preisbildung beeinflussen. Dagegen umschreibt sie den Zweck ausschliesslich vom Standpunkt des Versteigerers oder Einlieferers aus, trifft insofern auf jeden Kaufvertrag zu und übergeht die Interessen des Käufers. Ob sie damit der Natur der Versteigerung angepasst ist, mag offen bleiben. Der Preis erscheint auf jeden Fall marktabhängig, und der Versteigerungszweck kann nicht ausserhalb der Bedingungen der jeweiligen konkreten Versteigerung liegen. Zu ihnen gehört, wie Doktrin und ansatzweise auch die Rechtsprechung betonen, der freie und lautere Wettbewerb (BGE 47 III 134 E. 2; BECKER, N. 2 zu Art. 230
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR; CAVIN, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1, S. 165; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 230
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR; OTTO, in NJW 1979 S. 685). Im Unterschied zum Kartellgesetz und zum Gesetz über den unlauteren Wettbewerb sind Lauterkeit und Freiheit des Wettbewerbs keine völlig verschiedenen Schutzgüter; vielmehr stellen unzulässige Freiheitsbeschränkungen einen Anwendungsfall unlauteren Wettbewerbs dar. Das ergibt sich insbesondere aus der Rechtsprechung zum pactum de non licitando, das den Wettbewerb einschränkt und deswegen unlauter, d.h. sittenwidrig sein kann. Abgesehen von dieser Besonderheit schützt Art. 230 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR analog den beiden zitierten Gesetzen die Versteigerungsteilnehmer vor einer erheblichen Verfälschung des Steigerungswettbewerbs. Unzulässig ist es, unlauter, d.h. täuschend oder sonstwie gegen Treu und Glauben den Wettbewerb zu beeinflussen. Der Angriff kann sich gegen den Wettbewerb in seinem Bestand oder gegen die Art und Weise, wie er abläuft, richten. In beiden Fällen
BGE 109 II 123 S. 126

verändern sich jene Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit er unter den konkreten Umständen funktioniert, und von denen die Versteigerungsteilnehmer ausgehen, wenn sie Angebot und Nachfrage realistisch beurteilen und daraus die Schlüsse für ihr eigenes Verhalten ziehen wollen (vgl. SCHLUEP, Über den Begriff der Wettbewerbsverfälschung, in Festgabe Kummer, Bern 1980, S. 493, 497 f., 501, 508). Wettbewerbsverfälschend ist in der Regel das Versprechen unter Mitbietenden, gegen Leistung einer Entschädigung vom Bieten Abstand zu nehmen (pactum de non licitando). Die Rechtsprechung hat es wiederholt als sittenwidrig bezeichnet (vgl. die oben zitierten Bundesgerichtsentscheide, ferner BGE 51 III 19, VON TUHR/ESCHER, S. 257). Unlauter und damit sittenwidrig kann aus dem gleichen Grund die Abrede des Versteigerers mit einem Bietenden sein, dass ein allfälliger Zuschlag ihn nicht verpflichte, den Kaufpreis und das Aufgeld zu zahlen (pactum de licitando; vgl. BGE 39 II 33, Becker, N. 2 zu Art. 230
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR; GUHL/MERZ/KUMMER, 7. Aufl. S. 331; OTTO, a.a.O., S. 682). Können Personen mitsteigern, die sich im Unterschied zu den übrigen Bietenden von vornherein durch einen allfälligen Zuschlag nicht gebunden wissen, unterliegen die Steigerungsteilnehmer nicht zu rechtfertigenden ungleichen Bedingungen, was dem Wesen einer öffentlichen Versteigerung zuwiderläuft (BGE 87 I 261). Sind die unterschiedlichen Bedingungen - etwa ein pactum de licitando - zudem nicht allen Bietenden bekannt, wird das freie Spiel von Angebot und Nachfrage verfälscht.

3. Ob das Mitbieten des Einlieferers ähnlich wie das pactum de licitando eine sittenwidrige Beeinflussung des Wettbewerbs und damit des Steigerungsresultats bedeutet, hängt nicht zuletzt von den konkreten Verhältnissen ab. Der von Kempf auf einem Formular der Beklagten erteilte "Auktionsauftrag" sah ausdrücklich vor, dass der Auftraggeber, der selbst ein Objekt ersteigert, wie ein Dritter als Käufer betrachtet werde. Diese Möglichkeit war deshalb der Beklagten, nicht aber den Steigerungsteilnehmern bekannt, weil die für sie bestimmten "Auktionsbedingungen" im Katalog nicht auf sie hinwiesen. Dass der Einlieferer auf das Steigerungsergebnis Einfluss nimmt, ist durchaus geläufig. Er kann eine Preislimite festsetzen oder die Zustimmung zu einem Zuschlag vorbehalten (Art. 229 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 229 - 1 Auf einer Zwangsversteigerung gelangt der Kaufvertrag dadurch zum Abschluss, dass der Versteigerungsbeamte den Gegenstand zuschlägt.
1    Auf einer Zwangsversteigerung gelangt der Kaufvertrag dadurch zum Abschluss, dass der Versteigerungsbeamte den Gegenstand zuschlägt.
2    Der Kaufvertrag auf einer freiwilligen Versteigerung, die öffentlich ausgekündigt worden ist und an der jedermann bieten kann, wird dadurch abgeschlossen, dass der Veräusserer den Zuschlag erklärt.
3    Solange kein anderer Wille des Veräusserers kundgegeben ist, gilt der Leitende als ermächtigt, an der Versteigerung auf das höchste Angebot den Zuschlag zu erklären.
OR). Im einen wie im andern Fall handelt es sich um ein offenes Vorgehen, das den Wettbewerb nicht verfälscht.
BGE 109 II 123 S. 127

Die Abrede im "Auktionsauftrag", Kempf werde als Käufer behandelt, stellte ihn in keiner Weise gleich mit andern Kaufsinteressenten. Unbekümmert darum, ob die Beklagte in seinem Namen verkaufte oder - was eher zutreffen dürfte - als Kommissionärin im eigenen Namen handelte, geschah das jedenfalls auf Rechnung Kempfs (Art. 425
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 425 - 1 Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt.
1    Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt.
2    Für das Kommissionsverhältnis kommen die Vorschriften über den Auftrag zur Anwendung, soweit nicht die Bestimmungen dieses Titels etwas anderes enthalten.
OR). Er riskierte deshalb im ungünstigsten Fall, das für die Beklagte bestimmte Aufgeld von höchstens 20% bezahlen zu müssen. Darin liegt ein Unterschied zur Zwangsversteigerung, wo der Einlieferer zwar mitbieten darf, aber wie jeder andere Teilnehmer den ganzen Zuschlagspreis bezahlen muss. Das Mitbieten Kempfs verfälschte daher den Wettbewerb, indem es zwar intern vorgesehen, den Steigerungsteilnehmern aber nicht in einer Form bekannt gemacht wurde, dass jedermann mit dieser Möglichkeit rechnen musste (vgl. Horst LOCHER, Das Recht der bildenden Kunst, München 1970, S. 228 ff.; HANS WICHER, Der Versteigerer, Hamburg 1961, S. 151). Bei einer Versteigerung müssen klare, saubere Verhältnisse herrschen, und jede Irreführung der Steigerungsteilnehmer ist zu vermeiden (BGE 95 III 24 mit Verweisung). Zwar ist ein Verkäufer im allgemeinen nicht gehalten, dem Käufer Tatsachen mitzuteilen, welche die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage beeinflussen (VON TUHR/PETER, S. 322). Die Natur einer öffentlichen Versteigerung in Verbindung mit der Sondernorm von Art. 230
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR verlangt jedoch eine strengere Offenbarungspflicht. Dass im übrigen die an einer öffentlichen Versteigerung herrschende Anonymität den Nachweis sittenwidriger Einflussnahme erschwert, gilt auch in andern Fällen und ist nicht entscheidend.
4. Der Kläger war nach Ansicht der Beklagten bereit, die Helvetica selbst dann um jeden Preis zu ersteigern, wenn ihm die Teilnahme Kempfs an der Versteigerung bekannt gewesen wäre; er habe deshalb keinen Nachteil aus dem Mitbieten Kempfs erlitten. Allein Art. 230 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR setzt nicht voraus, dass der Zuschlagspreis ohne die sittenwidrigen Einwirkungen nachweisbar anders ausgefallen wäre; die Tatsache unlauterer Machenschaften genügt. So führt beispielsweise der häufig verbotene Ausschank alkoholischer Getränke ungeachtet der Frage, ob er die Preisbildung beeinflusst hat, zur Aufhebung der Zuschläge. Ebenso braucht der Anfechtungskläger nicht darzutun, dass er bei Kenntnis eines Angebots des Einlieferers nicht mehr weitergesteigert
BGE 109 II 123 S. 128

hätte oder dass das letzte Angebot vor dem Zuschlag vom Einlieferer stammt. Derart strenge Beweisanforderungen wären praktisch oft unerfüllbar und beschnitten die Wirksamkeit von Art. 230 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR in einem nicht mehr zu rechtfertigenden Mass.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 109 II 123
Datum : 12. Juli 1983
Publiziert : 31. Dezember 1983
Quelle : Bundesgericht
Status : 109 II 123
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 230 Abs. 1 OR. Wer den Steigerungswettbewerb erheblich verfälscht, wirkt gegen die guten Sitten auf den Erfolg der


Gesetzesregister
OR: 20 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
21 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
1    Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
2    Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages.
229 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 229 - 1 Auf einer Zwangsversteigerung gelangt der Kaufvertrag dadurch zum Abschluss, dass der Versteigerungsbeamte den Gegenstand zuschlägt.
1    Auf einer Zwangsversteigerung gelangt der Kaufvertrag dadurch zum Abschluss, dass der Versteigerungsbeamte den Gegenstand zuschlägt.
2    Der Kaufvertrag auf einer freiwilligen Versteigerung, die öffentlich ausgekündigt worden ist und an der jedermann bieten kann, wird dadurch abgeschlossen, dass der Veräusserer den Zuschlag erklärt.
3    Solange kein anderer Wille des Veräusserers kundgegeben ist, gilt der Leitende als ermächtigt, an der Versteigerung auf das höchste Angebot den Zuschlag zu erklären.
229bis  230 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
425
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 425 - 1 Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt.
1    Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt.
2    Für das Kommissionsverhältnis kommen die Vorschriften über den Auftrag zur Anwendung, soweit nicht die Bestimmungen dieses Titels etwas anderes enthalten.
StGB: 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
BGE Register
107-IB-5 • 109-II-123 • 39-II-30 • 40-III-335 • 43-III-85 • 47-III-127 • 51-II-15 • 51-III-16 • 82-II-21 • 87-I-259 • 93-II-170 • 95-III-21 • 95-III-83
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
versteigerung • beklagter • bedingung • verhalten • pactum de licitando • weiler • frage • vorinstanz • wirkung • unlauterer wettbewerb • anfechtungsklage • betrug • begründung des entscheids • antrag zu vertragsabschluss • sachverhalt • zahl • opfer • entscheid • kauf • sitte
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SJZ
1979 S.189