884 Entscheidungen der Schuldbetrelbungs-

Rechtszustand, wie er sich nach dem Ausfall des Prozesses ergeben
wird. Zur Zeit hat weder Strobel noch Sigg den ausschliesslichen Gewahrsam
an der gepfändeten Forderung; der eine teilt sich mit dem anderen in den
Besitz; eine gültige Verfügung über die Forderung setzt die Mitwirkung
b ei d e r voraus.

Das Verhältnis ist daher auf die gleiche Linie zu stellen mit einem
eigentlichen Mitbesitz des Pfändungsschuldners und des Drittansprechers an
der gepfändeten Sache. Bei einem solchen Mitbesitz hat nach feststehender
Praxis des Bundesgerichts und übereinstimmender Meinung der Doktrin das
Betreibungsamt nicht den Drittansprecher, sondern den Pfändungsg läub
iger zur Klageanhebung aufzufordern, d. h. Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...226
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG anzuwenden
und nicht Art. 107. Vgl. BGE Sep.-Ausg. 1 N° 65, 6 N° 17 und 64, 12 N°
58 *, JAEGER, Komm. zu Art. 109 Anm. 3, BLUMENSTElN, Handbuch S. 390
Anm. 25. Die Vorinstanz ist deshalb zur gegenteiligen, rechtsirrtümlichen
Lösung gelangt, weil sie von der unzutrefl'enden Voraussetzung ausging,
der Geldbetrag als solcher sei gepfändet und das Notariat besitze die
gepfändete Sache.

2. Dass zwischen Sigg und Strobel ein Prozess über die Forderung des
Sigg bereits schwebt, ändert an der Verteilung der Parteirollen im
Widerspruchsverfahren nichts.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird begründet erklärt, die angefochtene Fristansetzung nach
Art. 107
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1    Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1  eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners;
2  eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten;
3  ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt.
2    Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen.
3    Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss.
4    Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt.
5    Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht.
SchKG aufgehoben und das Betreibungsamt zur Fristansetzung nach
Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...226
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG angewiesen.

* Ges.-Aug. 2-5 I S. 535 f., 29 I S. 125 if. u. 532, 35 I S. 793 E. 2.und
Konkurskammer. N° 60. 335

60. Entscheid vom 30. September 1914 i. S. Forster, Altorfer &; Cie
und Genossen.

Art. 230
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR und 136 bis SchKG. Anfechtung des
Steigerungszuschlages. Legitimation. Abmachungen, che an der Steigerung
selber unter Bietern zum otfenbaren Zwecke abgeschlossen werden, andere
Kauflustige vom Bieten abzuhalten, verstossen gegen die guten Sitten.

A. Im Konkurs des S. H. Nördlinger versteigerte das Konkursamt
Unterstrass-Zürich am 23. Juni 1914 den unter den Konkursaktiven
befindlichen, gesamten Anteilscheinbestand, 560 Scheine à je
fünf Abschnitte, der Genossenschaft Allianz, die Eigentümerin der
Häuser Mühlegasse N° 3 und 5 in Zürich ist. Im ersten Rufe wurden die
Anteilscheine abteilungsweise ausgeboten ; die Einzelangebote erreichten
den Gesamtbetrag von 2100 Fr. Beim Gesamtmf war Jean Streckeisen in
Zollikon mit 5300 Fr. Meislbieter und es wurden ihm die 560 Anteilscheine
zu diesem Preise zugeschlagen.

B. Hierüber beschwerten sich die Rekurrenten als

Konkursgläubiger und Interessenten an der Gant bei den kantonalen
Aufsichtsbehörden, mit dem Begehren um Aufhebung des Zuschlages. Sie
machten geltend: Streckeisen habe während der Gant, als nur noch er und
Architekt Hess Bieter waren, letzterem vorgeschlagen, die Anteilscheine
gemeinsam zur erwerben, um zu verhüten, dass sie sich gegenseitig
heraufböten. Als Streckeisen das Angebot des Hess von 5200 Fr. überbot,
habe er dem Hess auf Betragen bestätigt, dass er bei seinem Vorschlag
bleibe, weshalb Hess ein höheres Angebot unterlassen habe. Nach der
Gant habe aber Streckeisen das Zustandekommen eines Abkommens mit Hess
bestritten. Allein die Vereinbarung sei tatsächlich abgeschlossen worden;
sie habe einzig bezweckt, den Zuschlag zu einem wesentlich reduzierten
Preise zu erreichen und das Steigerungsergebnis ungünstig zu beein-

336 Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

flussen; sie sei daher unsittlich, was zur Aufhebung des Zuschlages und
zur Vornahme einer neuen Steigerung führen müsse.

Beide kantonalen Instanzen haben die Beschwerde abgewiesen, die obere
im wesentlichen mit folgender Begründung : Auch wenn ein Vertrag
über den gemeinsamen Erwerb der Anteilscheine zwischen Streckeisen
und Hess zustande gekommen wäre, so könnte darin etwas Unsittliches,
eine unzulässige Einwirkung auf das Resultat der Gant, nicht erblickt
werden. Darin allein, dass zwei Konkurrenten ein Geschäft gemeinsam
abzuschliessen vereinbaren, liege selbst dann nichls Unsittliches, wenn
es lediglich deshalb geschehe, um das Geschäft billiger abzuschliessen.

C. Diesen Entscheid haben die Rekurrenten unter Erneuerung ihres Begehrens
an das Bundesgericht weitergezogen. . .

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht

in Erwägung:

1. (Unzulässige Nova).

2. Aus der Erklärung der Rekurrenten, dass sie bereit seien, die
Beschwerde zurückzuziehen, wenn Streckeisen zur Abtretung der Hälfte der
Anteilscheine an Hess verurteilt werde, ergibt sich, dass die Rekurrenten
N° 1 bis 7 ihre Interessen denjenigen des Hess vollstän-

dig unterordnen; sie verfolgen mit ihrem Begehren um '

Aufhebung des Gantzuschlages ausschliesslich die Interessen des Hess und
nicht ihre eigenen, weder in ihrer Eigenschaft als Konkursgläubiger,
noch als angebliche Kauflustige. Zur Beschwerdeführung bedarf es aber
nach feststehender Rechtsprechung eines eigenen, rechtlich geschützten
Interesses an der Aufhebung oder Berichtigung der angefochtenen
Verfügung. Die Rekurrenten

N° 1 bis 7 sind daher zur Beschwerde nicht legitimiert.

Hess dagegen verfolgt mit der Beschwerde unzweifelhaft ein persönliches
Interesse und ist somit zur An-und Konkurskammer. N° 60. 337

fechtung des Gantzuschlages an sich legitimiert. Er stützt seinen
Rekurs darauf, dass die angebliche Abmachung mit Streckeisen in
unzulässiger Weise auf das Gantergebnis eingewirkt habe. Richtig
ist, dass Abmachungen, die an der Steigerung selber unter Bietern zum
offenbaren Zwecke abgeschlossen werden, a n d e_re Kauflustige vom Bieten
abzuhalten, eine gegen die guten Sitten verstossende Einwirkung auf den
Erfolg der Versteigerung darstellen und daher an und fur sich unter den
Art. 230
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR fa len. Solche Abmachungen sind grundsätzlich auf die gleiche
Linie zu stellen mit Vereinbarungen, die bezwecken, Kaufliebhaber durch
Zusicherung einer Vergütung von der Beteiligung an der Gant abzuhalten,
Abkommen, die das Bundesgericht bereits als unerlaubt bezeichnet hat
(vergl. BGE Sep.-Ausg. 16 N° 39). Auch dle ersteren enthalten eine gegen
die guten Sitten verstossende Ausbeutung der Zwangslage des Schuldners
und vereiteln den Zweck des Instituts der Versteigerung, durch Eröffnung
eines öffentlichen Wettbewerbes um das Kaufobjekt dessen wahren Wert zu
ermitteln und dem Schuldner zuzuführen.

Im vorliegenden Falle ist aber dem Rekurrenten Hess entgegenzuhalten,
dass er das angefochtene Abkommen s el b e r mit Streckeisen abgeschlossen
haben Will. Er kann sich daher nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht
auf dessen Unsittlichkeit berufen und die Steigerung nicht aus diesem
Gesichtspunkte anfechten. Folglich ist der Rekurs abzuweisen, ohne dass
untersucht zu werden braucht, ob die Abmachung mit Streckeisen tatsächlich
zustande gekommen sei.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird abgewiesen.

* Ges.-Ausg. 39 l N° 76-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 40 III 335
Datum : 30. September 1914
Publiziert : 31. Dezember 1914
Quelle : Bundesgericht
Status : 40 III 335
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : 884 Entscheidungen der Schuldbetrelbungs- Rechtszustand, wie er sich nach dem Ausfall


Gesetzesregister
OR: 230
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
SchKG: 107 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1    Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1  eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners;
2  eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten;
3  ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt.
2    Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen.
3    Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss.
4    Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt.
5    Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht.
109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...226
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • versteigerung • schuldner • stelle • betreibungsamt • mitbesitz • sitte • entscheid • rechtlich geschütztes interesse • persönliches interesse • begründung des entscheids • gerichts- und verwaltungspraxis • kantonales rechtsmittel • konkurrent • wert • richtigkeit • legitimation • ei • nova • verurteilter
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