S. 91 / Nr. 22 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 73 III 91

22. Entscheid vom 1. August 1947 i. S. Kohler und Pfalzer.


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Regeste:
Die Vorschriften über die Betreibungsferien und den Rechtsstillstand (Art. 56
Ziff. 3 , 57 ff. 63 SchKG) sind auf die Verfügungen des Sachwalters im
Nachlassverfahren und auf die Frist zur Beschwerde gemäss Art. 295 Abs. 3
SchKG nicht anwendbar.
Les dispositions concernant les féries et les suspensions de poursuite (art.
56 ch. 3, 57 et suiv., 63 LP) ne sont pas applicables aux décisions du
commissaire dans la procédure de concordat ni au délai do la Plainte prévue h
l'art. 296 al. 3 LP.
Le disposizioni sulle ferie e sospensioni in materia di atti esecutivi (art.
56, cifra 3; 57 e seg.; 63 LEF) non sono applicabili alle decisioni del
commissario nella procedura concordataria ne al termine di reclamo ai sensi
dell'art. 295 cp. 3 LEF,

Im Nachlassverfahren der Orient-Erzbergbau A.-G. und der Société pour
l'Industrie Minière A.-G. legte der Sachwalter Louis Bannwart am 4. April 1947
gemäss Art. 300 Abs. 2 SchKG die Akten auf, zu denen das Inventar über die
Aktiven der Schuldnerinnen mit Angabe der Schätzungswerte gehörte Am 16. April
1947, dem dritten Tage nach dem Ende der Oster-Betreibungsferien, führten die
Rekurrentinnen bei der untern Aufsichtsbehörde Beschwerde mit dem Antrag, über
den Wert gewisser Aktiven sei «eine neue auf den heutigen Zeitpunkt bezogene
Expertise durchzuführen», und der Sachwalter sei «zu einer berichtigten höhern
Eintragung anzuweisen». Mit Entscheid vom 5. Mai 1947, zugestellt am 8. Mai
1947, wies die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. Diesen Entscheid
zogen die Rekurrentinnen am 4. Juni 1947, dem dritten Tage nach dem Ende der
Pfingst-Betreibungsferien, an die kantonale Aufsichtsbehörde weiter. Am 24.
Juni 1947 hat diese die Beschwerde und die Weiterziehung als verspätet
erklärt. Hiegegen richtet sich der vorliegende Rekurs an das Bundesgericht.
Die Schuldbetreibungs- u. Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1. ­ Die zehntägige Frist zur Beschwerde gegen die Schätzungen des Sachwalters
begann, wie die Vorinstanz

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zu Recht annimmt, mit dem Tage der öffentlichen Aktenauflage (BGE 51 III 179),
d. Il. mit dem 4. April 1947, und lief, sofern sie nicht kraft Art. 63 SchKG
infolge der bis zum 13. April dauernden Oster-Betreibungsferien verlängert
wurde, am 14. April 1947 ab. Ist Art. 63 SchKG auf die Frist zur Beschwerde
gemäss Art. 295 Abs. 3 SchKG nicht anwendbar, so war die am 16. April 1947
eingereichte Beschwerde demnach verspätet. Entsprechendes gilt für die
Weiterziehung an die Vorinstanz.
2. ­ Die Vorschriften über die Betreibungsferien und den Rechtsstillstand
beruhen auf dem Gedanken, dass der Schuldner während bestimmter Zeiten der
Sorge um gegen ihn gerichtete Betreibungen enthoben sein soll. In seiner
neuern Rechtsprechung wendet daher das Bundesgericht Art. 63 SchKG nicht bloss
auf die dem Amte zur Vornahme von Betreibungshandlungen gesetzten Fristen,
sondern auch auf die Fristen an, die der Schuldner zur Wahrung seiner
Interessen im Betreibungsverfahren zu beobachten hat (BGE 38 I 677 = Sep.ausg.
15 S. 258, 41 III 202, 67 III 104). Dem Gläubiger hat es die in Art. 63 SchKG
vorgesehene Fristverlängerung zugebilligt, um ihn dem Schuldner
gleichzustellen und nicht zu zwingen, die Vornahme von Betreibungshandlungen
zu einer Zeit zu verlangen, da das Amt sie gar nicht vollziehen kann (BGE 67
III 104
).
Gegen den Schuldner, der im Genusse einer Nachlassstundung steht, kann nach
Art. 297 (und 56 Ziff. 4 ) SchKG nicht bloss innerhalb, sondern auch ausserhalb
der Betreibungsferien und der Zeiten, da nach Art. 57 ff . SchKG
Rechtsstillstand besteht, eine Betreibung weder angehoben noch fortgesetzt
werden. Auf den Schutz gegen die Behelligung durch Betreibungen, den die
Vorschriften über die Betreibungsferien und den Rechtsstillstand gewähren, ist
er also nicht angewiesen. Die Anordnungen des Sachwalters und die Frist zu
ihrer Anfechtung durch Beschwerde unter dem Gesichtspunkte von Art. 56 ff .
SchKG gleich zu behandeln wie die

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Betreibungshandlungen und die Fristen, die dem Schuldner und dem Gläubiger im
Betreibungsverfahren laufen, ist nicht am Platze. Im Gegensatz zur Betreibung,
die der Gläubiger einleitet, kommt es zum Nachlassverfahren nur auf Begehren
des Schuldners selber. Nicht nur der Gläubiger, sondern gerade auch der
Schuldner selbst ist daran interessiert, dass es innert der Frist des Art. 295
Abs. 1 SchKG zum Abschluss gebracht werden kann. Würden die Bestimmungen über
die Betreibungsferien und den Rechtsstillstand auf das mit der Bewilligung der
Nachlassstundung einsetzende Verfahren angewendet, so würde dies also nicht
dem Schutze des Schuldners gegen ein wider seinen Willen eingeleitetes
Verfahren dienen, sondern den Interessen des Schuldners wie des Gläubigers
zuwiderlaufen. Die erwähnten Vorschriften sind daher auf die Verfügungen des
Sachwalters und die Frist zur Beschwerde gemäss Art. 295 Abs. 3 SchKG nicht
anzuwenden.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 73 III 91
Date : 01 janvier 1947
Publié : 31 juillet 1947
Source : Tribunal fédéral
Statut : 73 III 91
Domaine : ATF - Droit des poursuites et de la faillite
Objet : Die Vorschriften über die Betreibungsferien und den Rechtsstillstand (Art. 56 Ziff. 3, 57 ff. 63...


Répertoire des lois
LP: 56  57  63  295  297  300
Répertoire ATF
38-I-677 • 41-III-202 • 51-III-175 • 67-III-103 • 73-III-91
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
débiteur • délai • féries de poursuite • jour • acte de poursuite • autorité inférieure de surveillance • autorité inférieure • vacances • tribunal fédéral • sursis concordataire • poursuite pour dettes • moyen de droit • décision • fin • inscription • directive • directive • terme • hors • assigné • tiré • volonté • à l'intérieur • pré • valeur • inventaire • droit des poursuites et faillites
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