S. 106 / Nr. 19 Kompetenzkonflikte zwischen Bund und Kantonen (d)

BGE 65 I 106

19. Urteil vom 23. Juni 1939 i. S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Kanton
Basel-Stadt.

Regeste:
Kompetenzkonflikt (Art. 175 , Zif. 1 OG) zwischen dem Bunde und dem Kanton
Basel-Stadt über die Befugnis des Kantons zum Erlass von Rechtssätzen, die den
Gegenstand einer kantonalen Volksinitiative bilden.
Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet des
Fremdenrechts (Initiativen gegen die nationalsozialistischen und die
faschistischen Vereinigungen).
Kognition, des Bundesgerichts bei derartigen Konflikten.
Conflit de compétence (art. 175 ch. 1 OJ) entre la Confédération et le Canton
de Bâle-Ville relatif à la compétence du canton pour édicter les prescriptions
légales qui font l'objet d'une initiative populaire cantonale.
Compétence réciproque de la Confédération et des Cantons en matière de police
des étrangers (initiatives relatives à l'interdiction des associations
national-socialistes et fascistes).
Pouvoir d'examen du Tribunal fédéral dans de pareils conflits.

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Conflitto di competenza (art. 175 cp. 1 OGF) tra la Confederazione ed il
Cantone di Basilea-Città circa la facoltà del cantone di emanare le
disposizioni legali che formano l'oggetto di una iniziativa popolare
cantonale.
Competenza reciproca della Confederazione e dei Cantoni in materia di polizia
degli stranieri (iniziative contro le associazioni nazionalsocialiste e
fasciste).
Esame di siffatti conflitti da parte del Tribunale federale.

A. - Gestützt auf § 28 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt sind im Laufe
des Sommers 1938 im genannten Kanton zwei Initiativen zustandegekommen, die
sich gegen die nationalsozialistischen und faschistischen Vereinigungen
richten. Man spricht von einer bürgerlichen und einer sozialdemokratischen
Initiative. Beide Initiativen erstreben den Erlass von kantonalen Gesetzen,
deren Wortlaut von den Initianten schon festgelegt worden ist. Die bürgerliche
Initiative formuliert den Vorschlag für das Gesetz wie folgt:
a § 1. Im Kanton Basel-Stadt sind folgende Vereinigungen verboten: «Nationale
Front», «Volksbund»
(Nationalsozialistische Arbeiter Partei der Schweiz), «Bund
nationalsozialistischer Eidgenossen», «Bund treuer Eidgenossen
nationalsozialistischer Weltanschauung», «Schweizer Faschisten»,
«Morgartenbund,» sowie jede weitere nationalsozialistische oder faschistische
Organisation. Unter dieses Verbot fallen ebenfalls sämtliche Unter- und
eventuellen Ersatzorganisationen obiger Vereinigungen.
§ 2. Soweit solche Vereinigungen im Gebiete des
Kantons Basel-Stadt existieren, sind diese von Amtes wegen aufzulösen und ihr
Vermögen zu beschlagnahmen.
§ 3. Im Kanton Basel-Stadt verboten ist jede nationalsozialistische oder
faschistische Propaganda in Wort und Schrift, insbesondere der Druck, der
Verkauf, die Verleihung und Gratisverteilung von national sozialistischer oder
faschistischer Literatur (Bücher, Zeitungen, Broschüren, Flugblätter und
andere Propagandaschriften). Soweit solche Literatur vorhanden ist, wird sie
von Amtes wegen beschlagnahmt.
§ 4. Im Dienste des Kantons Basel-Stadt (oder einer basel-städtischen
Gemeinde) stehende Beamte, Angestellte und Arbeiter, die nach Inkrafttreten
des

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vorliegenden Gesetzes noch einer der obigen Vereinigungen angehören oder sich
im Sinne solcher Vereinigungen betätigen, sind fristlos und ohne irgendwelche
Entschädigungs- oder Pensionsansprüche zu entlassen.
Strafbestimmungen:
§ 5. a) Wer nach Inkrafttreten vorliegender Gesetzesbestimmungen versucht,
solche ungesetzlichen Vereinigungen offen oder getarnt weiter zu führen, wird
mit Gefängnis nicht unter 10 Jahren bestraft;
b) wer trotz Verbot weiterhin offen oder versteckt nationalsozialistische oder
faschistische Propaganda in irgend einer Form betreibt, wird mit Gefängnis
nicht unter fünf Jahren bestraft;
c) wer zur Weiterführung solcher verbotener Organisationen oder zu Propaganda
oder andern Zwecken im Sinne solcher Vereinigungen von ausländischen Stellen
finanzielle Unterstützung entgegennimmt, vermittelt, oder um solche nachsucht,
oder vom Ausland Weisungen, Ratschläge, Instruktionen usw. empfängt, wird mit
Zuchthaus nicht unter 20 Jahren bestraft.
§ 6. Vorliegendes Gesetz tritt mit dem Tage seiner Annahme in der
Volksabstimmung sofort in Kraft.»
Die sozialdemokratische Initiative verlangt ein Gesetz folgenden Wortlautes:
§ 1. Die nationalsozialistischen, vorwiegend von Ausländern gebildeten
Organisationen und Vereine, die als Auslandstellen, Ortsgruppen oder
Stützpunkte deutscher Reichsorganisationen tätig sind, wie
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Nationalsozialistische
Frauenschaft, Hitler-Jugend, Bund deutscher Mädchen, Deutsche Arbeitsfront,
Nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude,
Nationalsozialistischer Frontkämpferbund, Deutsche Studentenschaft, werden als
staatsgefährlich erklärt und im Gebiet des Kantons Basel-Stadt verboten.
Ebenso sind verboten Organisationen anderer Art, die tatsächlich oder ihrer
Zweckbestimmung nach eine ähnliche Tätigkeit wie die in Absatz 1 genannten
Organisationen und Vereine entfalten, sofern ihre Mitglieder vorwiegend
Ausländer sind.
Nicht unter das Verbot fallen die geselligen, künstlerischen,

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wissenschaftlichen, wohltätigen und andere unpolitische Vereinigungen von
Ausländern, sofern die Mitgliedschaft bei diesen Vereinigungen ins Belieben
des einzelnen ausländischen Staatsangehörigen gestellt ist.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Vereine bleibt das Bundesrecht vorbehalten.
§ 2. Herstellung, Einfuhr und Vertrieb der Presse-Erzeugnisse der
Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihrer Gliederungen sind
im Gebiete des Kantons Basel-Stadt verboten. In anderen Kantonen hergestellte
derartige Presse-Erzeugnisse werden den ausländischen gleichgestellt.
Das Verbot gilt auch für die Presse-Erzeugnisse von Organisationen der in § 1
Absatz 2 genannten Art.
§ 3. Wer entgegen den Bestimmungen der §§ 1 und 2 eine verbotene Organisation
gründet, weiterführt oder sonst fördert oder an der verbotenen Tätigkeit
teilnimmt oder im Kanton Basel Stadt verbotene Presse-Erzeugnisse herstellt,
einführt oder vertreibt, wird mit Geldbusse oder Gefängnis bestraft. Beide
Strafen können verbunden werden. Wer rechtskräftig verurteilt ist, ist
überdies aus dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt auszuweisen.
Das Werbematerial, die Gelder, die zur Förderung verbotener Tätigkeit dienen,
sowie die trotz Verbot hergestellten, eingeführten oder vertriebenen
Presse-Erzeugnisse werden beschlagnahmt und konfisziert.
§ 4. Dieses Gesetz tritt sofort in Kraft. Der Regierungsrat wird mit seinem
Vollzug beauftragt.»
Nachdem der Bundesrat aus der Presse von den beiden Initiativen Kenntnis
erhalten hatte, hat er mit einem Schreiben an den Regierungsrat des Kantons
Basel-Stadt, vom 2. September 1938, darauf aufmerksam gemacht, dass die
Initiativen gegen die verfassungsmässige Kompetenzausscheidung zwischen dem
Bund und den Kantonen verstossen. Es wurde in aller Form Einsprache erhoben,
und der Regierungsrat wurde ersucht, dem Grossen Rat von diesem Einspruch
Kenntnis zu geben und zu veranlassen, dass die Verwirklichung der Initiativen
unterbleibe.

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Am 8. September 1938 antwortete die baselstädtische Regierung mit einem
Schreiben, das materiell nicht Stellung bezog, sondern sich mit der Erklärung
begnügte, dass die Einsprache dem kantonalen Justizdepartement zur
Berichterstattung überwiesen worden sei, sobald der Bericht vorliege, werde
dem Bundesrat vom Ergebnis Kenntnis gegeben. Im übrigen, heisst es in der
Antwort, seien Behandlung und Erledigung von kantonalen Gesetzesinitiativen
eine Angelegenheit des Grossen Rates und der Stimmberechtigten und der
Regierungsrat werde (nach seinen vorläufigen rechtlichen Überlegungen) kaum in
der Lage sein, «in den verfassungsmässigen Ablauf dieses Verfahrens
entscheidend einzugreifen».
Der Bundesrat erwiderte am 21. September 1938 auf die Antwort von Basel, dass
er es nicht nur als sein Recht, sondern als seine Pflicht erachtet habe, dem
Regierungsrat noch vor der Behandlung der Initiativen durch den Grossen Rat
von der Überzeugung Kenntnis zu geben, dass ein Erlass der vorgeschlagenen
Gesetze gegen die Bundeskompetenzen verstossen würde.
B. - Mit Klage vom 27. Dezember 1938 hat der Bundesrat gegen Basel-Stadt den
Kompetenzkonflikt erhoben und beantragt, es sei festzustellen. dass der Kanton
Basel-Stadt unzuständig ist, ein Gesetz im Sinne der beiden Initiativen zu
erlassen und der Grosse Rat und der Regierungsrat von Basel-Stadt seien
anzuweisen, den Initiativen keine weitere Folge zu geben. - Nach der
Auffassung des Bundesrates sind beide Initiativen bundesrechtswidrig, die
sozialdemokratische im ganzen Umfang, die andere insoweit, als sie sich gegen
Ausländer richtet. Der Kanton Basel-Stadt sei im Begriffe, sich Kompetenzen
anzumassen, die des Bundes sind und den Kantonen daher nicht zukommen.
C. - Der Regierungsrat von Basel Stadt hat beantragt: Die Klage sei in allen
Teilen abzuweisen. Es wird ausgeführt:
Mit dem Hinweis auf BV Art. 85 6 und 7 , 102 8-10 sei

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der vorliegende Kompetenzkonflikt nicht entschieden. Allerdings würden nach
diesen Bestimmungen die Sorge für die äussere Sicherheit, die Behauptung der
Unabhängigkeit der Schweiz, die Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten,
dann aber auch die Massregeln für die innere Sicherheit, die Handhabung von
Ruhe und Ordnung dem Geschäftsbereich der Bundesversammlung und des
Bundesrates, also von Bundesbehörden, zugeteilt. Oft bestehe aber lediglich
eine Ermächtigung an den Bund, zur Erfüllung gewisser Aufgaben tätig zu
werden. Solange der Bund von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch mache, dauere
die Kompetenz der Kantone fort, sich dieser Aufgaben anzunehmen. Bis zur
positiven oder negativen Regelung der in Frage stehenden Materie durch den
Bund blieben die Kantone frei, zuständig. Weiter sei es für eine befriedigende
Lösung der Kompetenzausscheidung immer dann, wenn die Kompetenz des Bundes
keine exklusive sei, unerlässlich, dass der Bund seine Kompetenz geltend mache
durch die Aufstellung eines allgemein verbindlichen Rechtssatzes. Die Kantone
brauchten sich nicht damit abzufinden, dass ihre Kompetenz durch eine blosse
Verfügung der Bundesbehörde ausgeschlossen werde.
Der Beklagte anerkenne, dass der Bund zur Behauptung seiner Unabhängigkeit,
zur Wahrung der äussern Sicherheit alles vorkehren könne, was zur Erfüllung
seiner Aufgabe nötig sei, ohne an die normale Kompetenzverteilung gegenüber
den Kantonen gebunden zu sein. Aber auf diesem Gebiet sei die Kompetenz des
Bundes keine ausschliessliche. Es handle sich darum, unter welchen
Voraussetzungen der Bund von seiner Kompetenz Gebrauch machen könne, unter
welchen Voraussetzungen dagegen die Kantone kompetent bleiben.
Für die Kompetenz des Bundes bestehe die materielle Voraussetzung, dass eine
Gefährdung der äussern Sicherheit durch tatsächliche Erscheinungen vorhanden
sei; die Kompetenz des Bundes sei nur gegeben zur Beseitigung einer solchen
Gefährdung. Diese Voraussetzung fehle

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hier. Dass der Kampf um die beiden Initiativen im Ausland einen üblen Eindruck
machen und eine bedenkliche Pressepolemik hervorrufen könnte, genüge in dieser
Beziehung nicht. Die Behandlung der beiden Initiativen könne die auswärtigen
Beziehungen berühren; das sei aber mit einer Gefährdung nicht identisch. Der
Bund habe auch die Materie bisher nicht positiv, durch Aufstellung allgemein
verbindlicher Rechtssätze geregelt. Die in der Klage angerufenen neun
bundesrechtlichen Erlasse könnten nicht als abschliessende, erschöpfende
Regelung der Materie anerkannt werden.
Was das Fremdenrecht anlange, so werde anerkannt, dass der Bund allgemein zum
Erlass von Bestimmungen über die Rechtsstellung der Ausländer in der Schweiz
zuständig sei. Aber auch hier sei die Kompetenz des Bundes nicht exklusiv und
bestehe diejenige der Kantone, soweit der Bund von der seinigen nicht positiv
und in klarer Weise Gebrauch gemacht habe durch allgemein verbindliche
Rechtssätze.
Hier bestehe dann für die Bundeskompetenz auch die materielle Schranke: Der
Bund könne unter Berufung auf die ihm zustehende Verpflichtung zur Pflege der
internationalen Beziehungen nur dann gegenüber einem Kanton tätig werden, wenn
dieser in der Behandlung von Ausländern solche Differenzierungen vornehmen
wollte, dass der Heimatstaat der betroffenen Ausländer Grund zu
gerechtfertigten Beschwerden hätte. Von einer wegen des Verhältnisses nach
aussen unzulässigen Behandlung der Ausländer könne dann von vornherein nie die
Rede sein, wenn der Kanton die Inländer nicht besser behandle als die
Ausländer. Der Bund könne es deshalb dem Kanton Basel-Stadt nicht verwehren,
dass er sich mit seinem kantonalen Strafgesetz zur Wehr setze nicht nur
gegenüber Inländern, sondern auch gegenüber Ausländern, die es z. B.
unternehmen sollten, den Staat und die öffentliche Ordnung durch Hochverrat,
Landesverrat oder durch Begehung von Verbrechen bei Wahlen und Abstimmungen

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zu gefährden. Nun sehe aber auch die sogenannte bürgerliche Initiative eine
unterschiedliche Behandlung von Ausländern und Schweizern nicht vor.
Die Kantone seien indessen auch kompetent, Differenzierungen zwischen
Inländern und Ausländern vorzunehmen, sofern nur alle Ausländer unter sich
gleichgestellt werden, und der Bund habe eine solche zulässige Differenzierung
dem Ausland gegenüber zu vertreten. Nach der sozialdemokratischen Initiative
würden die In- und Ausländer insofern gleichbehandelt, als ihnen allen die
Beteiligung an einer verbotenen Organisation verwehrt sei, wenn diese
vorwiegend aus Ausländern bestehe. Es werde auch rechtlich kein Unterschied
gemacht zwischen Deutschen und andern Ausländern; alle fielen unter das
Verbot. Entscheidend sei nicht der deutsche, sondern der
nationalsozialistische Charakter der Organisation, der nach Auffassung der
Initianten staatsgefährlich sei. Auch nationalsozialistische Organisationen
von Franzosen, Belgiern usw. würden nicht geduldet. Unzulässig wäre es nur, je
nach der Nationalität der Beteiligten, die einen zu dulden, die andern aber
nicht.
Entsprechend verhalte es sich mit der kantonalen Kompetenz in Hinsicht auf die
Wahrung der innern Sicherheit. Da eine rechtssatzmässige Willensäusserung des
Bundes nicht vorhanden sei, womit er die ausschliessliche Kompetenz für die
Regelung inbezug auf die fraglichen Organisationen in Anspruch nehme, könne
dem Kanton Basel-Stadt aus dem Gesichtspunkt der Kompetenzausscheidung auf dem
Gebiete der Wahrung der innern Sicherheit nicht verwehrt sein, die beiden
Initiativen zu behandeln und ihren Inhalt zum Gesetz zu erheben.
Die Richtigkeit der Auffassung des Beklagten in der vorliegenden
Kompetenzfrage ergebe sich auch aus der Beurteilung, welche die sog.
Kommunistenverbote einzelner Kantone durch das Bundesgericht und den Bundesrat
gefunden hätten. Die Kompetenz der Kantone, solche Verbote zu erlassen, sei
nicht in Abrede gestellt werden,

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speziell nicht in dem Urteil BGE 63 I 281 betr. das neuenburgische Verbot, das
sich auf alle umstürzlerischen Vereinigungen beziehe und ohne Frage auch auf
Ausländer Anwendung finde; in diesem Urteil werde namentlich auch Gewicht
gelegt auf die Abhängigkeit der kommunistischen Partei von der kommunistischen
Internationale und damit auch einer fremden Macht, Sowietrussland, weshalb
sogar die Möglichkeit einer Gefährdung der äussern Sicherheit der Schweiz
bestehe. Die Analogie mit den durch die Basler Initiativen bezweckten Verboten
sei offensichtlich. Verwiesen wird ferner auf die Botschaft des Bundesrates
betr. die genferischen Verfassungsgesetze über das Verbot von kommunistischen
und andern direkt oder indirekt einer internationalen oder fremden
Organisation angeschlossenen Vereinigungen (BBl 1937 II 621), wo der
Bundesrat, im Gegensatz zur Klage, nicht daran gedacht habe, die kantonale
Kompetenz zum Erlass solcher Bestimmungen zu bestreiten. Dieselbe
Stellungnahme habe der Bundesrat noch nach seinem Einspruch beim Regierungsrat
von Basel Stadt in der Botschaft vom 13. September 1938 (BBl 38 II 431)
eingenommen inbezug auf eine waadtländische Verfassungsrevision. Der Bundesrat
habe also bis dahin den Kantonen die Kompetenzen nicht streitig gemacht, die
heute Basel-Stadt beanspruche.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der vorliegende, vom Bundesrat erhobene Kompetenzkonflikt betrifft die
Frage, ob der Kanton Basel-Stadt zur Aufstellung gewisser Rechtssätze
zuständig sei. Diese Rechtssitze sind aber noch nicht erlassen. Sie sind erst
Gegenstand zweier Gesetzesinitiativbegehren, die nach § 28 KV zunächst vom
Grossen Rat zu behandeln sind und über die in Letzter Linie die Gesamtheit der
Stimmberechtigten zu entscheiden haben wird. Die Lösung des
Kompetenzkonfliktes zu Gunsten des Bundes würde also nicht zur Folge haben,
dass geltende kantonale Rechtssätze aufgehoben werden. sondern nur. dass das
kantonale. auf Erlass

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der fraglichen Gesetze gerichtete Verfahren eingestellt wird. Der Grosse Rat
dürfte die Initiativen, wenn und soweit der Kanton unzuständig ist, nicht im
Sinne von § 28 KV behandeln und der Volksabstimmung unterbreiten (BGE 63 I
172
; 61 I 335 ff.).
Der Regierungsrat hat mit Recht keine Einwendungen dagegen erhoben, dass schon
in diesem Stadium der Angelegenheit das Bundesgericht als
Kompetenzkonfliktsbehörde angerufen wird. Der Grosse Rat ist mit den, wie es
scheint formell gültigen Initiativen befasst. Der Bundesrat bestreitet die
kantonale Kompetenz zum Erlass der fraglichen Bestimmungen. Der Regierungsrat
nimmt, mit Ermächtigung des Grossen Rates, diese Kompetenz für den Kanton in
Anspruch Es liegt also ein Konflikt in einer konkret-aktuellen Kompetenzfrage
zwischen einer Bundesbehörde und einer kantonalen Behörde vor (OG Art. 1751).
Der Entscheid des Bundesgerichtes hat hier nicht die Bedeutung einer
Meinungsäusserung in einem bloss abstrakt-virtuellen Kompetenzanstand; er
verpflichtet gegebenenfalls den Grossen Rat zu einer bestimmten Stellungnahme
bei Behandlung der Initiativen.
2.- Die sog. sozialdemokratische Initiative verlangt den Erlass eines
Gesetzes, dessen § 1 I die «nationalsozialistischen, vorwiegend von Ausländern
gebildeten Organisationen und Vereine, die als Auslandstellen, Ortsgruppen
oder Stützpunkte deutscher Reichsorganisationen tätig sind, wie
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Nationalsozialistische
Frauenschaft, Hitler-Jugend, Bund deutscher Mädchen, Deutsche Arbeitsfront,
Nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude,
Nationalsozialistischer Frontkämpferbund, Deutsche Studentenschaft» im Gebiete
des Kantons Basel-Stadt verbietet. Es handelt sich um deutsche
Auslandsorganisationen in der Schweiz, die durch Reichsstellen in
nationalsozialistischem Geiste geleitet oder beaufsichtigt werden. Die
Mitglieder dieser Vereinigung werden regelmässig Deutsche sein; nur ganz
ausnahmsweise werden ihnen Nichtdeutsche spez. Schweizer

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angehören. Wenn die Bestimmung von «vorwiegend» ausländischen Mitgliedern
spricht, so ändert das nichts daran, dass das Verbot sich in der Hauptsache
gegen deutsche Staatsangehörige richtet.
In § 1 II wird das Verbot erstreckt auf «Organisationen anderer Art, die
tatsächlich oder ihrer Zweckbestimmung nach eine ähnliche Tätigkeit, wie die
in Absatz 1 genannten Organisationen und Vereine entfalten, sofern ihre
Mitglieder vorwiegend Ausländer sind». Worin das Kriterium der «ähnlichen
Tätigkeit» besteht, ob es auf dem weltanschaulichen oder nur dem taktischen
Gebiet zu suchen sei, ist nicht angedeutet. Immerhin ist nach dem Zusammenhang
mit Absatz 1 zu vermuten, dass vorwiegend an faschistische Vereinigungen
gedacht ist, die zu Stellen in Italien in analoger Beziehung stehen wie die in
Absatz 1 genannten Organisationen zu solchen in Deutschland.
Das Verbot des § 1 geht somit ausdrücklich gegen die Auslandsorganisationen
eines bestimmten Landes und wird in einer Weise erweitert, die tatsächlich die
analogen Organisationen eines andern bestimmten Landes im Auge hat.
Frägt man nach dem Motiv des Verbotes, so gibt § 1 selber die Antwort: Die
erwähnten Organisationen werden «als staatsgefährlich erklärt», offenbar im
Hinblick auf ihre, von Stellen der beiden Staaten in einem bestimmten Sinn
dirigierte oder inspirierte Tätigkeit.
Der Materie nach gehört das Verbot der Vereinspolizei an: Es werden
Vereinigungen, bei denen gewisse Voraussetzungen zutreffen, verboten, weil sie
als staatsgefährlich erachtet werden. Was die betroffenen Personen anbetrifft,
so hat man es mit Fremdenrecht zu tun: Das Verbot ist ganz überwiegend gegen
Ausländer und zwar ausdrücklich oder der Sache nach gegen die Angehörigen
zweier Staaten gerichtet. Nach dem zu schützenden Rechtsgut ist es wohl in
erster Linie eine Massnahme im Interesse der innern Sicherheit, der
öffentlichen Ordnung und Ruhe im Kanton, von denen angenommen wird, sie
könnten durch jene

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Tätigkeit der fraglichen Organisationen gestört werden. Es scheint aber, und
die Antwort des Regierungsrates bestätigt es, dass dem Verbot auch Erwägungen
äusserer Sicherheit nicht ganz fremd sind, die von der Auffassung ausgehen
würden, dass hier innere Herde der Beunruhigung entstehen möchten, die u. U.
geeignet sind, das Land auch nach aussen zu gefährden.
Indessen ist nicht zu verkennen, dass das Verbot noch in anderer Hinsicht eine
aussenpolitische Seite hat. Es betrifft so ausdrücklich und entschieden, man
möchte fast sagen in demonstrativer Art, Organisationen und Angehörige eines
bestimmten Staates, daneben in analoger Weise auch solche eines zweiten
Staates mit ähnlichen weltanschaulich-politischen Grundlagen, dass
diplomatische Vorstellungen, Repressalien und eine Verschlechterung der
Beziehungen zu diesen Staaten im Bereiche des möglichen liegen (mit dieser
Feststellung soll natürlich über die Begründetheit solcher allfälliger
Schritte des betreffenden Staates nichts ausgesagt sein).
Das Verbot hat somit neben der innern eine äussere Tragweite. Wenn es in
letzterer Hinsicht, als Nebenzweck, den Schutz der äussern Sicherheit im Auge
hat, so kann es zugleich auch die Beziehungen der Schweiz mit andern Staaten
trübend beeinflussen. Bei der Kompetenzfrage darf auch dieser Gesichtspunkt
nicht ausser Beachtung bleiben. Der Kanton mag zu einer Ordnung, als interne
Massnahme betrachtet, kompetent sein und vielleicht steht dieser Zuständigkeit
auch nicht im Wege, dass die in erster Linie zum Schutze der innern Sicherheit
gedachte Ordnung mehr nebenbei auch die äussere Sicherheit fördern soll.
Trotzdem kann sich die kantonale Inkompetenz aus allfälligen Rückwirkungen auf
die Beziehungen nach aussen ergeben.
3.- Allerdings ist nicht jede Massnahme, die im übrigen in die kantonale
Kompetenz fällt, dieser entzogen, wenn es denkbar ist, dass sie irgendwie die
Beziehungen des Landes nach aussen berühren könnte. Die Vorschriften.

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welche die Rechtsstellung der Ausländer ordnen, beschlagen immer auch das
Verhältnis zu andern Staaten, und doch sind die Kantone im Fremdenrecht im
allgemeinen zuständig, soweit die Kompetenz nicht nach einzelnen Richtungen
dem Bunde zukommt (BV 69ter, 70) oder nicht materielle bundesrechtliche
Bestimmungen, zu denen auch die Staatsverträge gehören, entgegenstehen. Nicht
bei allen internen Anordnungen, die zugleich eine aussenpolitische Seite
haben, hat diese eine Verschiebung der Kompetenz zur Folge. Es kommt auf die
Art und die Intensität der Richtung nach aussen an.
Ob die kantonale Massnahme innerpolitischer Natur auf das Verhältnis zum
Ausland eine so erhebliche Rückwirkung habe, dass dem Bunde vorbehalten sein
muss, sie allfällig zu treffen, ist eine Frage, deren Beantwortung bereits auf
einer Würdigung aussenpolitischer Gesichtspunkte beruht. Da die Wahrung der
Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen, die Sorge und Verantwortung für
die auswärtigen Angelegenheiten und die äussere Sicherheit der Schweiz in
erster Linie beim Bundesrat liegen (BV 102 8,9 ). so muss der Bundesrat auch
befugt sein, die kantonale Massnahme auf jene Frage hin zu prüfen, und
Einspruch gegen sie zu erheben; wenn er findet, sie berühre dermassen das
Verhältnis nach aussen, dass mit Rücksicht auf die internationale Lage, die
Gestaltung der Beziehungen zu andern Staaten, nur der Bund zu verfügen habe,
ob und was im fraglichen Punkte geschehen soll. Es sind nicht rechtliche
Momente, sondern Erwägungen aussenpolitischer Zweckmässigkeit die bei dieser
Vorfrage der Kompetenzabgrenzung den Ausschlag geben.
Hat eine solche Einsprache des Bundesrates nicht zur Folge, dass die
beanstandete Massnahme unterbleibt, oder zurückgenommen wird, und kommt es zu
einem Kompetenzkonflikt vor Bundesgericht, so fragt es sich dann, welches die
Kognition des Richters sei. Wollte er die Stellungnahme des Bundesrates in
jener aussenpolitischen Ermessensfrage frei nachprüfen, so würde er aus der
richterlichen

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Sphäre heraustreten und durch seinen Entscheid in ein Gebiet eingreifen, das
ausschliesslich dem Befinden und der Verantwortlichkeit der politischen
Bundesbehörden untersteht. Würde er sich dagegen auf die Feststellung
beschränken, dass der Bundesrat unter Berufung auf die Interessen des Landes
nach aussen Einspruch erhoben habe, und dass demnach der Bund kompetent sei,
so wäre in allen Fällen, wo die Grenzziehung in solcher Weise von einer
aussenpolitischen Vorfrage abhängt, der Kompetenzanstand von vornherein zu
Gunsten des Bundes entschieden. Ist die Stellungnahme des Bundesrates in
dieser Vorfrage unbedingt massgebend, so bliebe überhaupt kein Raum für einen
vom Bundesgericht materiell zu entscheidenden Kompetenzkonflikt. Da aber das
Bundesgericht nach Verfassung und Gesetz (BV Art. 113 1 . OG Art. 175 1 )
allgemein berufen ist, die Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden und
Kantonalbehörden zu beurteilen, so ist jene Frage seiner Kognition in einem
mittleren Sinn zu lösen: Das Bundesgericht kann zwar nicht mit seinem eigenen
Ermessen an den aussenpolitischen Präjudizialpunkt herantreten; aber es kann
doch prüfen, ob der Bundesrat bei dessen Würdigung in demjenigen
Ermessensrahmen verblieben ist, der nach allgemeinen, auch der richterlichen
Beurteilung zugänglichen Gesichtspunkten einer solchen Würdigung zu ziehen ist
(vgl. BGE 64 I 374). Es wird Fälle geben, wo die Richtung einer (im übrigen
internen) kantonalen Massnahme nach aussen so klar und bedeutsam ist, dass von
vorherein kaum ein Zweifel darüber bestehen kann, dass die Angelegenheit nicht
von einem Kanton für sein Gebiet, sondern gegebenenfalls nur einheitlich vom
Bund geordnet werden kann. In Grenzfällen, wo die Trennungslinie fliessend
ist, wird die Stellungnahme des Bundesrates für die Kompetenzfrage massgebend
sein müssen. Das Bundesgericht kann einschreiten, wenn der Bundesrat ohne jede
ersichtliche aussenpolitische Notwendigkeit Einspruch erheben sollte. Hier
hätten die Kantone ein Interesse daran, in ihrer Kompetenz geschützt zu
werden,

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während man von ihren Behörden sollte erwarten dürfen, dass sie sich im
übrigen in Fragen, welche die äussere Politik beschlagen der Einsicht der
verantwortlichen Bundesbehörden unterordnen.
4.- Das Verbot des § 1 der sozialdemokratischen Initiative hat, wie bereits
bemerkt, eine starke und ausgesprochene aussenpolitische Tragweite. Die
Sachlage ist hier so, dass der Gesetzgeber, bevor er das Verbot erlässt,
sorgfältig prüfen sollte, ob nicht aussenpolitische Bedenken bestehen; je nach
dem Ergebnis dieser Prüfung wird er etwa von einem radikalen Verbot absehen
und allfälligen Schutzbedürfnissen durch weniger weitgehende, wohl auch
allgemeiner formulierte Beschränkungen zu genügen suchen. Die Überlegungen des
Gesetzgebers sind daher hier in eminentem Masse mitbestimmt durch Erwägungen,
die auf der Ebene der auswärtigen Angelegenheiten liegen und nicht von einem
kantonalen, sondern nur von einem gemein schweizerischen Standpunkt aus
angestellt werden können, der in Übereinstimmung steht mit der Politik der
Eidgenossenschaft nach aussen. Die Bundesbehörden können daher allein berufen
sein, jene Prüfung vorzunehmen, und daraus folgt dann, dass ein, Rechtssatz;
bei dessen Aufstellung die Frage der Wirkung nach aussen eine so wesentliche
Rolle spielt, in die Kompetenz des Bundes fällt und nicht in diejenige des
Kantons. Andernfalls könnten hier kantonale Massnahmen der Politik des Bundes
vorgreifen oder sie durchkreuzen zum Schaden einer einheitlichen und
planmässigen Pflege der internationalen Beziehungen des Landes. Das
vorliegende Verbot gehört danach zu jenen Vorschriften, bei denen es ohne
weiteres einleuchtet, dass sie vermöge ihrer erheblichen aussenpolitischen
Bedeutung der Zuständigkeit des Bundes zuzuweisen sind. Davon, dass der
Bundesrat bei seinem Einspruch gegen das Verbot Über die Grenzen seines
aussenpolitischen Ermessens hinausgegangen sei, kann keine Rede sein.
5.- Die vorliegende Zuständigkeit des Bundes ist der Natur der Sache nach eine
ausschliessliche. Es kann nicht

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darauf ankommen, ob und welche Vorschriften von seiten des Bundes aufgestellt
sind, die ähnliche Zwecke verfolgen, wie das vorliegende Verbot. Immerhin
zeigen die vom Bundesrat angeführten Bundeserlasse, dass allgemeine
Vorschriften bestehen, die auch auf gewisse Übergriffe, welche von der
gedachten Seite ausgehen sollten, anwendbar sind, so das Verbot des Tragens
von Parteiuniformen (BRB vom 12. Mai 1933); die Bestimmungen betreffend
verbotene Amtshandlungen für einen fremden Staat und den politischen,
militärischen und wirtschaftlichen Nachrichtendienst (BB betreffend den Schutz
der Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 21. Juni 1935); diejenigen des BG
betreffend Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom 8.
Oktober 1936; die Beschränkungen betreffend die Teilnahme ausländischer Redner
an Versammlungen (BRB vom 3. November 1936); die Massnahmen gegen
staatsgefährliches Propagandamaterial (BRB vom 27. Mai 1938) und betreffend
staatsgefährliche Umtriebe und zum Schutze der Demokratie (BRB vom 5. Dezember
1938). Mit den politischen Vereinigungen von Ausländern in der Schweiz
befassen sich speziell die vom Bundesrate genehmigten Richtlinien, die das
eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement am 26. September 1935
bekanntgegeben hat (BBl 35 II 457): Solche Vereinigungen haben sich danach
jeder Einmischung in schweizerische Verhältnisse und jeder propagandistischen
Aufmachung zu enthalten; sie dürfen auf Andersgesinnte keinen Zwang ausüben;
öffentliche Veranstaltungen sind ihnen verboten; aus dem Ausland kommende
Redner haben sich polizeilich rechtzeitig anzumelden usw. Die Richtlinien
stellen einen Versuch dar, den Gefahren, die mit politischen Vereinigungen von
Ausländern verbunden sein könnten, durch eine Reihe von Beschränkungen zu
begegnen. Das Zuwiderhandeln gegen diese Richtlinien ist nach dem bereits
erwähnten BRB betreffend Massnahmen gegen staatsgefährliche Umtriebe und zum
Schutze der Demokratie. Art, 2 mit Strafe bedroht. Der Bundesrat

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hat mit ihrer Genehmigung bereits auch kundgegeben, dass er das Problem der
Rechtsstellung der politischen Vereinigungen von Ausländern in der Schweiz und
ihrer Mitglieder, wohl auch gerade wegen der aussenpolitischen Seite, als eine
Angelegenheit des Bundes betrachtet und für seine Lösung die Bundeskompetenz
in Anspruch nimmt. Ob man aus den angeführten bundesrechtlichen Vorschriften
den Schluss ziehen könnte, dass sie in ihrer Gesamtheit eine zurzeit
abschliessende Regelung sein wollen dergestalt, dass für die Ausübung einer
subsidiären kantonalen Kompetenz hier kein Raum bliebe, kann dahingestellt
bleiben, weil eben für das in Frage stehende Verbot die kantonale Kompetenz
Überhaupt zu verneinen ist, ohne Rücksicht darauf, was der Bund in der Sache
bereits vorgekehrt hat.
6.- Aus den Ausführungen unter Ziff. 4 folgt sodann, dass auch der Hinweis auf
die sog. Kommunistenverbote verschiedener Kantone für den Standpunkt von
Basel-Stadt unbehelflich ist. Das Bundesgericht hat in seinem das
neuenburgische Verbot betreffenden Urteil (BGE 63 I 281) die Kompetenzfrage
nicht geprüft, weil sie von den Rekurrenten nicht aufgeworfen worden war. Wenn
-der Bundesrat in den Botschaften betreffend die Gewährleistung der
betreffenden Verfassungsgesetze von Genf (BBl 37 II 621) und Waadt (BBl 38 II
431
) die kantonale Kompetenz nicht in Frage gestellt hat, so erklärt sich das,
wie der Replik zu entnehmen ist, daraus, dass die Verbote, die sich gegen
jedermann, nicht «vorwiegend» gegen Ausländer richten, das Verhältnis der
Schweiz nach aussen in sehr viel weniger intensiver Weise berühren als das
vorliegende Verbot. Mag eine ganz indirekte Richtung gegen Sowietrussland in
Betracht kommen, so handelt es sich zudem um einen entfernten Staat, mit dem
die Schweiz keinen offiziellen Verkehr unterhält. Richtig ist, dass die
kantonalen Verbote sich in zweiter Linie auch gegen Vereinigungen richten, die
nicht der kommunistischen Internationale, sondern einer andern internationalen
oder

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fremden Organisation angeschlossen sind und deren Tätigkeit der öffentlichen
Ordnung zuwiderläuft. Die Formulierung ist aber ganz allgemein und betrifft
nicht, wie § 1 der sozialdemokratischen Initiative, die Organisationen der
Angehörigen bestimmter Staaten. Auch ist es eine offene Frage, ob diese
Organisationen unter das Verbot fallen. Der Bundesrat konnte, im Rahmen seines
Ermessens, finden, es liege keine Veranlassung in aussenpolitischen
Erwägungen, die Bundeskompetenz hier in Anspruch zu nehmen.
7.- Die bürgerliche Initiative will in § 1 folgende Vereinigungen für das
Gebiet von Basel-Stadt verbieten: «Nationale Front», «Volksbund»
(Nationalsozialistische Arbeiter-Partei der Schweiz), «Bund
nationalsozialistischer Eidgenossen», «Bund treuer Eidgenossen
nationalsozialistischer Weltanschauung», «Schweizer Faschisten»,
«Morgartenbund» sowie jede weitere nationalsozialistische oder faschistische
Organisation, einschliesslich eventueller Ersatzorganisationen.
Nach der Formulierung des Rechtsbegehrens wäre der Kompetenzkonflikt inbezug
auf § 1 der bürgerlichen Initiative allgemein erhoben. Nach der Begründung der
Klage geschieht es aber nicht, soweit die Bestimmung sich gegen schweizerische
Organisationen richtet, sondern nur, soweit ausländische Vereinigungen
betroffen sind mit der Bezeichnung «jede weitere nationalsozialistische oder
faschistische Organisation». Die Meinung kann nur sein, dass die
Bundeskompetenz in Anspruch genommen wird soweit die bürgerliche Initiative u.
a. sachlich das gleiche Verbot dieser Auslandsorganisationen enthält, wie die
sozialdemokratische. In der Tat würde § 1 dieselbe Wirkung haben wie die
sozialdemokratische Initiative: die in der Letztern genannten Vereinigungen
fallen auch unter den allgemeinen Begriff «jeder weiterer
nationalsozialistischen oder faschistischen Organisation».
Es liegt in dieser Beziehung bei der bürgerlichen Initiative die gleiche
Sachlage vor wie bei der sozialdemokratischen.

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Die inbezug auf die letztere gemachten Ausführungen treffen auch hier zu und
führen zur Verneinung der kantonalen Kompetenz. Diese Folge kann aber nur
ausgesprochen werden für den sachlich angefochtenen Teil der Initiative, nicht
für den Rest. Ob die teilweise Ungültigkeit der Initiative bewirkt, dass die
ganze Initiative dahinfällt, ist eine Frage des kantonalen Staatsrechtes (s.
BGE 61 I 338), die mit der Kompetenzfrage nichts zu tun hat.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Der Kanton Basel-Stadt ist unzuständig, ein Gesetz im Sinne der sog.
«sozialdemokratischen Initiative» betr. Verbot der «nationalsozialistischen,
vorwiegend von Ausländern gebildeten Organisationen und Vereine, die als
Auslandstellen, Ortsgruppen oder Stützpunkte deutscher Reichsorganisationen
tätig sind, wie Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei,
Nationalsozialistische Frauenschaft, Hitler-Jugend, Bund deutscher Mädchen,
Deutsche Arbeitsfront, Nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude,
Nationalsozialistischer Frontkämpferbund, Deutsche Studentenschaft» sowie der
«Organisationen anderer Art, die tatsächlich oder ihrer Zweckbestimmung nach
eine ähnliche Tätigkeit wie die genannten Organisationen und Vereine
entfalten, sofern ihre Mitglieder vorwiegend Ausländer sind», zu erlassen.
2. Der Kanton Basel-Stadt ist unzuständig, ein Gesetz im Sinne von § 1 der
sog. «bürgerlichen Initiative» zu erlassen, soweit damit dieselben
Auslandsorganisationen in Basel-Stadt verboten werden wie durch § 1 der sog.
«sozialdemokratischen» Initiative.
3. Der Grosse Rat von Basel-Stadt wird angewiesen, den beiden Initiativen im
Sinne der vorstehenden Unzuständigkeitserklärungen keine weitere Folge zu
geben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 I 106
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 23. Juni 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 I 106
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Kompetenzkonflikt (Art. 175, Zif. 1 OG) zwischen dem Bunde und dem Kanton Basel-Stadt über die...


Gesetzesregister
OG: 175
BGE Register
35-II-451 • 37-II-608 • 38-II-429 • 61-I-331 • 63-I-167 • 63-I-281 • 64-I-365 • 65-I-106
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
initiative • basel-stadt • bundesrat • aussenpolitik • frage • bundesgericht • regierungsrat • kompetenzkonflikt • presse • kenntnis • eidgenossenschaft • stelle • vorfrage • ermessen • weiler • weisung • druck • von amtes wegen • inkrafttreten • treffen
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BBl
1937/II/621