144 III 368
44. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_481/2017 vom 24. Mai 2018
Regeste (de):
- Art. 4 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 Haager Unterhaltsübereinkommen (HUÜ); Massgeblichkeit von Art. 8 HUÜ zur Bestimmung des anwendbaren Rechts bei für die Dauer des Verfahrens auf Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils vorsorglich beantragtem Unterhalt.
- Anwendbarkeit des Haager Unterhaltsübereinkommens (E. 2.3). Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Art. 4 und 8 HUÜ bei Trennung und Scheidung der Ehe (E. 3.2 und 3.3). Der vorsorglich für die Dauer des Verfahrens auf Ergänzung eines (rechtskräftigen und anerkannten) ausländischen Scheidungsurteils beantragte Unterhalt bestimmt sich gemäss Art. 8 Abs. 1 HUÜ nach dem auf die Ehescheidung angewandten Recht (E. 3.4 und 3.5). Die Anwendung des am gewöhnlichen Aufenthalt der Unterhaltsberechtigten geltenden innerstaatlichen Rechts nach Art. 4 Abs. 1 HUÜ ist willkürlich (E. 3.1 und 3.6).
Regeste (fr):
- Art. 4 al. 1 et art. 8 al. 1 de la Convention de la Haye sur la loi applicable aux obligations alimentaires; portée de l'art. 8 de la Convention s'agissant de la détermination du droit applicable à l'entretien provisoire requis à titre provisionnel pour la durée de la procédure en complément d'un jugement de divorce étranger.
- Application de la Convention de la Haye sur la loi applicable aux obligations alimentaires (consid 2.3). Champs d'application respectifs des art. 4 et 8 de la Convention en cas de séparation et de divorce (consid. 3.2 et 3.3). Conformément à l'art. 8 al. 1 de la Convention, l'entretien provisoire requis à titre provisionnel pour la durée de la procédure en complément d'un jugement de divorce étranger (entré en force et reconnu) est régi par la loi applicable au divorce (consid. 3.4 et 3.5). L'application de la loi interne du lieu de résidence habituelle du créancier d'aliments selon l'art. 4 al. 1 de la Convention est arbitraire (consid. 3.1 et 3.6).
Regesto (it):
- Art. 4 cpv. 1 e art. 8 cpv. 1 della Convenzione dell'Aia sulla legge applicabile alle obbligazioni alimentari; portata dell'art. 8 della Convenzione con riferimento alla determinazione del diritto applicabile al mantenimento provvisorio richiesto per la durata della procedura di completamento di una sentenza di divorzio estera.
- Applicabilità della Convenzione dell'Aia sulla legge applicabile alle obbligazioni alimentari (consid. 2.3). Delimitazione tra i campi di applicazione degli art. 4 e 8 della Convenzione in caso di separazione e di divorzio (consid. 3.2 e 3.3). Il mantenimento provvisorio richiesto per la durata della procedura di completamento di una sentenza di divorzio estera (cresciuta in giudicato e riconosciuta) va determinato, giusta l'art. 8 cpv. 1 della Convenzione, secondo la legge applicata al divorzio (consid. 3.4 e 3.5). L'applicazione della legge interna della dimora abituale del creditore di alimenti giusta l'art. 4 cpv. 1 della Convenzione è arbitraria (consid. 3.1 e 3.6).
Sachverhalt ab Seite 369
BGE 144 III 368 S. 369
A.
A.a B. (geb. 1964; Beschwerdegegnerin) und A. (geb. 1957; Beschwerdeführer), beides Staatsangehörige der Tschechischen Republik, heirateten am 15. November 1990 in der gemeinsamen Heimat. Sie haben einen mittlerweile volljährigen Sohn. Gegen Ende des Jahres 2012 hoben die Ehegatten den gemeinsamen Haushalt auf, der sich zuletzt in der Schweiz befand. Heute lebt B. in der Schweiz und A. in der Tschechischen Republik. Mit Urteil vom 28. Januar 2014 schied ein Kreisgericht in der Tschechischen Republik auf Klage von A. hin die Ehe nach Massgabe des tschechischen Rechts. Die Nebenfolgen der Scheidung regelte es nicht. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen. Bereits am 22. Januar 2014 hatte B. beim Regionalgericht Oberland Klage auf Scheidung der Ehe und eventuell Ergänzung des tschechischen Scheidungsurteils erhoben. In der Schweiz sollten die Scheidungsnebenfolgen geregelt werden, namentlich der nacheheliche Unterhalt. Gleichzeitig hatte B. den Erlass verschiedener vorsorglicher Massnahmen beantragt, darunter die Verpflichtung von A. zu Unterhaltszahlungen für das Jahr vor Klageeinreichung und "bis zur Rechtskraft des Ergänzungsurteils".
A.b Am 6. Oktober 2014 wies das Regionalgericht das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen ab, soweit es darauf eintrat. Diesen Entscheid hob das Obergericht des Kantons Bern in Gutheissung der Berufung von B. auf. Im erneuten Entscheid vom 28. April 2016 nahm das Regionalgericht davon Vormerk, dass die Ehe seit dem 21. Februar 2014
BGE 144 III 368 S. 370
rechtskräftig geschieden ist, und verpflichtete A. dazu, an B. ab dem Datum der Scheidung für die Dauer des Hauptverfahrens monatlichen Unterhalt von Fr. 9'850.- zu bezahlen.
B. Gegen diesen Entscheid reichten beide Parteien Berufung beim Obergericht ein. In teilweiser Gutheissung der Berufung von B. verpflichtete das Gericht mit Entscheid vom 18. Mai 2017 A. dazu, an B. ab dem 22. Januar 2013 und während der Dauer des Hauptverfahrens Unterhalt von Fr. 19'390.- im Monat zu bezahlen (Dispositivziffer 3). Ausserdem verlegte das Obergericht die Kosten der kantonalen Verfahren (Dispositivziffern 4-7).
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. Juni 2017 beantragt A., in Aufhebung von Ziffer 3 des Entscheids des Obergerichts sei der Antrag um vorsorglichen Unterhalt abzuweisen. Eventuell sei die Angelegenheit zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Aufzuheben sei das obergerichtliche Urteil auch bezüglich der kantonalen Prozesskosten, zu deren erneuten Verteilung die Sache ebenfalls an das Obergericht zurückzuweisen sei. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zum erneuten Entscheid an das Obergericht zurück. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. (...)
2.3 Zur Bestimmung des anwendbaren Rechts hat das Obergericht auf das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (SR 0.211.213.01; nachfolgend: Haager Unterhaltsübereinkommen oder HUÜ) abgestellt, was zu Recht nicht strittig ist (Art. 1 und 3 HUÜ; Art. 62 Abs. 3
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SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 62 - 1 Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
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1 | Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
2 | Die vorsorglichen Massnahmen unterstehen schweizerischem Recht. |
3 | Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Unterhaltspflicht der Ehegatten (Art. 49), die Wirkungen des Kindesverhältnisses (Art. 82 und 83) und den Minderjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. |
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SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 49 - Für die Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten gilt das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 197335 über das auf die Unterhaltspflichten anzuwendende Recht. |
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SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 62 - 1 Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
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1 | Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
2 | Die vorsorglichen Massnahmen unterstehen schweizerischem Recht. |
3 | Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Unterhaltspflicht der Ehegatten (Art. 49), die Wirkungen des Kindesverhältnisses (Art. 82 und 83) und den Minderjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. |
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SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 62 - 1 Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
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1 | Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
2 | Die vorsorglichen Massnahmen unterstehen schweizerischem Recht. |
3 | Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Unterhaltspflicht der Ehegatten (Art. 49), die Wirkungen des Kindesverhältnisses (Art. 82 und 83) und den Minderjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. |
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SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 62 - 1 Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
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1 | Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
2 | Die vorsorglichen Massnahmen unterstehen schweizerischem Recht. |
3 | Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Unterhaltspflicht der Ehegatten (Art. 49), die Wirkungen des Kindesverhältnisses (Art. 82 und 83) und den Minderjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. |
BGE 144 III 368 S. 371
abgeschlossen werde. Damit gelange vorliegend die allgemeine Regelung von Art. 4 Abs. 1 HUÜ zur Anwendung, welche auf das am gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltsberechtigten Person geltende innerstaatliche Recht verweise. Erst der nacheheliche Unterhalt unterliege Art. 8 Abs. 1 HUÜ und erst wenn über diesen Unterhalt zu entscheiden sei, stelle sich die weitere Frage nach der Anerkennung des tschechischen Scheidungsurteils. Diese Sichtweise decke sich mit derjenigen des schweizerischen Prozessrechtes, welches als lex fori zur Anwendung gelange: Gemäss Art. 276 Abs. 3
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 276 Vorsorgliche Massnahmen - 1 Das Gericht trifft die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sind sinngemäss anwendbar. |
|
1 | Das Gericht trifft die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Massnahmen, die das Eheschutzgericht angeordnet hat, dauern weiter. Für die Aufhebung oder die Änderung ist das Scheidungsgericht zuständig. |
3 | Das Gericht kann vorsorgliche Massnahmen auch dann anordnen, wenn die Ehe aufgelöst ist, das Verfahren über die Scheidungsfolgen aber andauert. |
3.
3.1 Es fragt sich, ob das Obergericht ohne Willkür gestützt auf das Haager Unterhaltsübereinkommen schweizerisches Recht zur Anwendung bringen konnte. Hierbei ist zu beachten, dass Thema des Verfahrens in der Hauptsache entsprechend dem Antrag der Beschwerdegegnerin im Gesuch vom 22. Januar 2014 und nach Rechtskraft der in Tschechien ausgesprochenen Scheidung einzig noch die Regelung der Scheidungsnebenfolgen ist (vgl. zum Streitgegenstand Urteil 4A_556/2016 vom 19. September 2017 E. 4.1 mit Hinweisen, in: sic! 2018 S. 162). Damit betreffen auch die beantragten vorsorglichen Massnahmen keinen anderen Gegenstand (vgl. LUCIUS HUBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO],
BGE 144 III 368 S. 372
Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 6 zu Art. 262
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 262 Inhalt - Eine vorsorgliche Massnahme kann jede gerichtliche Anordnung sein, die geeignet ist, den drohenden Nachteil abzuwenden, insbesondere: |
|
a | ein Verbot; |
b | eine Anordnung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands; |
c | eine Anweisung an eine Registerbehörde oder eine dritte Person; |
d | eine Sachleistung; |
e | die Leistung einer Geldzahlung in den vom Gesetz bestimmten Fällen. |
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 262 Inhalt - Eine vorsorgliche Massnahme kann jede gerichtliche Anordnung sein, die geeignet ist, den drohenden Nachteil abzuwenden, insbesondere: |
|
a | ein Verbot; |
b | eine Anordnung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands; |
c | eine Anweisung an eine Registerbehörde oder eine dritte Person; |
d | eine Sachleistung; |
e | die Leistung einer Geldzahlung in den vom Gesetz bestimmten Fällen. |
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 262 Inhalt - Eine vorsorgliche Massnahme kann jede gerichtliche Anordnung sein, die geeignet ist, den drohenden Nachteil abzuwenden, insbesondere: |
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a | ein Verbot; |
b | eine Anordnung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands; |
c | eine Anweisung an eine Registerbehörde oder eine dritte Person; |
d | eine Sachleistung; |
e | die Leistung einer Geldzahlung in den vom Gesetz bestimmten Fällen. |
3.2 Das anwendbare Recht bestimmt sich wie dargelegt nach Massgabe des Haager Unterhaltsübereinkommens. Von vornherein unbehelflich ist daher der Hinweis des Obergerichts auf das schweizerische Prozessrecht, zumal das Übereinkommen nicht unter Rückgriff auf das Landesrecht auszulegen ist (vgl. KURT SIEHR, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Internationales Privatrecht, Bd. 10, 5. Aufl. 2010, N. 12 zu Anhang I zu Art. 18 EGBGB [UStA]; allgemein zur Auslegung von Staatsverträgen vgl. BGE 138 V 258 E. 5.3.1 und 5.3.2 mit Hinweisen). Gemäss Art. 4 Abs. 1 HUÜ ist für die vom Übereinkommen erfassten Unterhaltspflichten das am gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltsberechtigten Person geltende innerstaatliche Recht massgebend. Abweichend hiervon ist nach Art. 8 Abs. 1 HUÜ in einem Vertragsstaat, in dem die Ehescheidung ausgesprochen oder anerkannt worden ist, für die Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten und die Änderung von Entscheidungen über diese Pflichten das auf die Ehescheidung angewandte Recht massgebend.
3.3 Nach Massgabe von Art. 8 Abs. 1 HUÜ bestimmt sich das anwendbare Recht gemäss dem Wortlaut der Norm folglich dann, wenn ein rechtskräftiges Scheidungsurteil vorliegt bzw. die Scheidung anerkannt ist (vgl. KURT SIEHR, Das Internationale Privatrecht der Schweiz, 2002, S. 61; SUTTER-SOMM/STANISCHEWSKI, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 48 zu Art. 276
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 276 Vorsorgliche Massnahmen - 1 Das Gericht trifft die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Das Gericht trifft die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Massnahmen, die das Eheschutzgericht angeordnet hat, dauern weiter. Für die Aufhebung oder die Änderung ist das Scheidungsgericht zuständig. |
3 | Das Gericht kann vorsorgliche Massnahmen auch dann anordnen, wenn die Ehe aufgelöst ist, das Verfahren über die Scheidungsfolgen aber andauert. |
BGE 144 III 368 S. 373
Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 14 zu Art. 276
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 276 Vorsorgliche Massnahmen - 1 Das Gericht trifft die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Das Gericht trifft die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Massnahmen, die das Eheschutzgericht angeordnet hat, dauern weiter. Für die Aufhebung oder die Änderung ist das Scheidungsgericht zuständig. |
3 | Das Gericht kann vorsorgliche Massnahmen auch dann anordnen, wenn die Ehe aufgelöst ist, das Verfahren über die Scheidungsfolgen aber andauert. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 175 - Ein Ehegatte ist berechtigt, den gemeinsamen Haushalt für solange aufzuheben, als seine Persönlichkeit, seine wirtschaftliche Sicherheit oder das Wohl der Familie durch das Zusammenleben ernstlich gefährdet ist. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 176 - 1 Ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründet, so muss das Gericht auf Begehren eines Ehegatten: |
|
1 | Ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründet, so muss das Gericht auf Begehren eines Ehegatten: |
1 | die Unterhaltsbeiträge an die Kinder und den Unterhaltsbeitrag an den Ehegatten festlegen; |
2 | die Benützung der Wohnung und des Hausrates regeln; |
3 | die Gütertrennung anordnen, wenn es die Umstände rechtfertigen. |
2 | Diese Begehren kann ein Ehegatte auch stellen, wenn das Zusammenleben unmöglich ist, namentlich weil der andere es grundlos ablehnt. |
3 | Haben die Ehegatten minderjährige Kinder, so trifft das Gericht nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen.239 |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 176 - 1 Ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründet, so muss das Gericht auf Begehren eines Ehegatten: |
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1 | Ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründet, so muss das Gericht auf Begehren eines Ehegatten: |
1 | die Unterhaltsbeiträge an die Kinder und den Unterhaltsbeitrag an den Ehegatten festlegen; |
2 | die Benützung der Wohnung und des Hausrates regeln; |
3 | die Gütertrennung anordnen, wenn es die Umstände rechtfertigen. |
2 | Diese Begehren kann ein Ehegatte auch stellen, wenn das Zusammenleben unmöglich ist, namentlich weil der andere es grundlos ablehnt. |
3 | Haben die Ehegatten minderjährige Kinder, so trifft das Gericht nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen.239 |
3.4 Mit der Frage des anwendbaren Rechts bei vorsorglich für die Dauer des Verfahrens auf Ergänzung eines Scheidungsurteils beantragtem Unterhalt hat das Bundesgericht sich bisher nicht vertieft auseinanderzusetzen brauchen (vgl. BGE 130 III 489 E. 2.2; Urteile 5A_163/2015 vom 14. Oktober 2015 E. 2; 5A_393/2010 / 5A_394/2010 vom 9. März 2011 E. 2; 5P.3/2004 vom 26. März 2004 E. 2). Da in dieser Situation ein Scheidungsurteil vorliegt und damit der Unterhalt zwischen geschiedenen Ehegatten in Frage steht, mithin nachehelicher Unterhalt, ist nach dem Ausgeführten auch in dieser
BGE 144 III 368 S. 374
Situation Art. 8 Abs. 1 HUÜ massgebend. Damit bestimmen sich die im Hinblick auf die spätere Regelung des nachehelichen Unterhalts getroffenen vorsorglichen Massnahmen nach demselben Recht wie dieser Unterhalt, was allein sachgerecht ist (vgl. DANIEL CANDRIAN, Scheidung und Trennung im internationalen Privatrecht der Schweiz, 1994, S. 128; IVO SCHWANDER, Gutachten zur Frage des Internationalen Privat- und des Internationalen Zivilprozessrechts im Zusammenhang mit der Modernisierung des Familienrechts vom 25. Oktober 2013, S. 21; derselbe, Einführung in das internationale Privatrecht, 2. Aufl. 1990, Rz. 667 S. 310; PAUL VOLKEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 29 zu Art. 62
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SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 62 - 1 Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
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1 | Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. |
2 | Die vorsorglichen Massnahmen unterstehen schweizerischem Recht. |
3 | Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Unterhaltspflicht der Ehegatten (Art. 49), die Wirkungen des Kindesverhältnisses (Art. 82 und 83) und den Minderjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 176 - 1 Ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründet, so muss das Gericht auf Begehren eines Ehegatten: |
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1 | Ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründet, so muss das Gericht auf Begehren eines Ehegatten: |
1 | die Unterhaltsbeiträge an die Kinder und den Unterhaltsbeitrag an den Ehegatten festlegen; |
2 | die Benützung der Wohnung und des Hausrates regeln; |
3 | die Gütertrennung anordnen, wenn es die Umstände rechtfertigen. |
2 | Diese Begehren kann ein Ehegatte auch stellen, wenn das Zusammenleben unmöglich ist, namentlich weil der andere es grundlos ablehnt. |
3 | Haben die Ehegatten minderjährige Kinder, so trifft das Gericht nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen.239 |
3.5 Damit bestimmt sich vorliegend das anwendbare Recht nach Art. 8 Abs. 1 des HUÜ, sofern das in der Tschechischen Republik ausgesprochene und unstrittig rechtskräftige Scheidungsurteil in der Schweiz anerkannt ist. Dies wird von der Beschwerdegegnerin bestritten. Zu Unrecht: Das Regionalgericht hat das Scheidungsurteil im Entscheid vom 28. April 2016 ausdrücklich anerkannt. Zwar nahm es im Entscheiddispositiv von der Scheidung einzig "Vormerk". Aus der Entscheidbegründung, die zur Auslegung des Dispositivs beizuziehen ist (BGE 131 II 13 E. 2.3; BGE 131 III 70 E. 3.4), ergibt sich indessen, dass es die Scheidung damit anerkennen wollte, führte es doch aus, es könne vorfrageweise auch im Massnahmeverfahren über die Anerkennung des Scheidungsurteils befinden und stehe dieser nichts entgegen. Das Obergericht hat diese Frage zwar offengelassen. Die Auffassung des Regionalgerichts ist indessen nicht zu beanstanden: Beide
BGE 144 III 368 S. 375
Parteien waren im Zeitpunkt der Scheidung Staatsangehörige der Tschechischen Republik (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 3 des Haager Übereinkommens vom 1. Juni 1970 über die Anerkennung von Ehescheidungen und Ehetrennungen [SR 0.211.212.3; nachfolgend: ÜAEE]) und der Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils zählt im Kontext der Vollstreckung ausländischer Urteile nicht zum schweizerischen Ordre public (vgl. BGE 109 Ib 232 E. 2a; Urteil 5A_599/2009 vom 3. März 2010 E. 3.4), sodass die fehlende Regelung der Nebenfolgen im tschechischen Urteil der Anerkennung nicht entgegensteht (vgl. Art. 10 ÜAEE). Weitere Anerkennungshindernisse (vgl. dazu Art. 7 ff. ÜAEE) sind sodann nicht geltend gemacht oder offensichtlich. Auch hat das Massnahmegericht zulässigerweise über die Anerkennung entschieden (vgl. Art. 29 Abs. 3
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SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 29 - 1 Das Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ist an die zuständige Behörde des Kantons zu richten, in dem die ausländische Entscheidung geltend gemacht wird. Dem Begehren sind beizulegen: |
|
1 | Das Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ist an die zuständige Behörde des Kantons zu richten, in dem die ausländische Entscheidung geltend gemacht wird. Dem Begehren sind beizulegen: |
a | eine vollständige und beglaubigte Ausfertigung der Entscheidung; |
b | eine Bestätigung, dass gegen die Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder dass sie endgültig ist, und |
c | im Falle eines Abwesenheitsurteils eine Urkunde, aus der hervorgeht, dass die unterlegene Partei gehörig und so rechtzeitig geladen worden ist, dass sie die Möglichkeit gehabt hatte, sich zu verteidigen. |
2 | Im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist die Partei, die sich dem Begehren widersetzt, anzuhören; sie kann ihre Beweismittel geltend machen. |
3 | Wird eine Entscheidung vorfrageweise geltend gemacht, so kann die angerufene Behörde selber über die Anerkennung entscheiden. |
3.6 Nach dem Ausgeführten beurteilt sich der hier vorsorglich geltend gemachte Unterhalt nach dem Recht der Tschechischen Republik und erweist sich die Anwendung des schweizerischen Rechts durch das Obergericht als offensichtlich unhaltbar. Unbestritten sieht sodann das tschechische Recht eine gegenüber dem schweizerischen Recht beschränkte Unterhaltspflicht vor, womit das angefochtene Urteil von vornherein auch im Ergebnis nicht zu überzeugen vermag. Damit ist die Ziffer 3 dieses Urteils in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und die Sache ist, da es nicht Aufgabe des Bundesgerichts ist, in Anwendung des ausländischen Rechts erstmals über den Unterhalt zu entscheiden (vgl. auch Art. 96 lit. b
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 96 Ausländisches Recht - Mit der Beschwerde kann gerügt werden: |
|
a | ausländisches Recht sei nicht angewendet worden, wie es das schweizerische internationale Privatrecht vorschreibt; |
b | das nach dem schweizerischen internationalen Privatrecht massgebende ausländische Recht sei nicht richtig angewendet worden, sofern der Entscheid keine vermögensrechtliche Sache betrifft. |
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 107 Entscheid - 1 Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. |
|
1 | Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. |
2 | Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Es kann die Sache auch an die Behörde zurückweisen, die als erste Instanz entschieden hat. |
3 | Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen oder der internationalen Amtshilfe in Steuersachen als unzulässig, so fällt es den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels. Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist es nicht an diese Frist gebunden, wenn das Auslieferungsverfahren eine Person betrifft, gegen deren Asylgesuch noch kein rechtskräftiger Endentscheid vorliegt.97 |
4 | Über Beschwerden gegen Entscheide des Bundespatentgerichts über die Erteilung einer Lizenz nach Artikel 40d des Patentgesetzes vom 25. Juni 195498 entscheidet das Bundesgericht innerhalb eines Monats nach Anhebung der Beschwerde.99 |