140 III 167
27. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, Referentin (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_39/2014 vom 12. Mai 2014
Regeste (de):
- Entlassung aus der ärztlich angeordneten fürsorgerischen Unterbringung (Art. 426 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 426 - 1 Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann.
1 Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. 2 Die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen. 3 Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht mehr erfüllt sind. 4 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann jederzeit um Entlassung ersuchen. Über dieses Gesuch ist ohne Verzug zu entscheiden. SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 429 - 1 Die Kantone können Ärzte und Ärztinnen bezeichnen, die neben der Erwachsenenschutzbehörde eine Unterbringung während einer vom kantonalen Recht festgelegten Dauer anordnen dürfen. Die Dauer darf höchstens sechs Wochen betragen.
1 Die Kantone können Ärzte und Ärztinnen bezeichnen, die neben der Erwachsenenschutzbehörde eine Unterbringung während einer vom kantonalen Recht festgelegten Dauer anordnen dürfen. Die Dauer darf höchstens sechs Wochen betragen. 2 Die ärztliche Unterbringung fällt spätestens nach Ablauf der festgelegten Dauer dahin, sofern nicht ein vollstreckbarer Unterbringungsentscheid der Erwachsenenschutzbehörde vorliegt. 3 Über die Entlassung entscheidet die Einrichtung. SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 122 Liquidation der Prozesskosten - 1 Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert:
1 Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert: a die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand wird vom Kanton angemessen entschädigt; b die Gerichtskosten gehen zulasten des Kantons; c der Gegenpartei werden die Vorschüsse, die sie geleistet hat, zurückerstattet; d die unentgeltlich prozessführende Partei hat der Gegenpartei die Parteientschädigung zu bezahlen. 2 Obsiegt die unentgeltlich prozessführende Partei und ist die Parteientschädigung bei der Gegenpartei nicht oder voraussichtlich nicht einbringlich, so wird die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton angemessen entschädigt. Mit der Zahlung geht der Anspruch auf den Kanton über. - Zur Bemessung der Parteientschädigung der obsiegenden, im Genuss unentgeltlicher Rechtspflege und Verbeiständung prozessierenden Beschwerdeführerin (E. 2).
Regeste (fr):
- Libération, par l'autorité cantonale de recours, d'une personne placée à des fins d'assistance sur ordre d'un médecin (art. 426 al. 1 en lien avec l'art. 429 al. 1 CC); dépens (art. 122 al. 2 CPC).
- Manière de calculer les dépens alloués à la partie qui obtient gain de cause, lorsque celle-ci est au bénéfice de l'assistance judiciaire et qu'un conseil d'office lui a été désigné (consid. 2).
Regesto (it):
- Dimissione, disposta dall'autorità cantonale di reclamo, dal ricovero a scopo d'assistenza ordinato dal medico (art. 426 cpv. 1 in relazione con l'art. 429 cpv. 1 CC); ripetibili (art. 122 cpv. 2 CPC).
- Calcolo delle ripetibili dovute alla ricorrente vincente, che ha agito al beneficio dell'assistenza giudiziaria e del gratuito patrocinio (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 167
BGE 140 III 167 S. 167
A. Das Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht (nachfolgend: Kindes- und Erwachsenenschutzgericht) hiess die von A. erhobene Beschwerde gegen die ärztlich angeordnete fürsorgerische Unterbringung gut und ordnete ihre Entlassung an. Es gewährte A. die unentgeltliche Rechtspflege, bezeichnete Rechtsanwalt X. als amtlichen Beistand und verpflichtete den Kanton Bern, A. für das oberinstanzliche Verfahren einen Parteikostenersatz zu bezahlen. Die Referentin des Kindes- und Erwachsenenschutzgerichts setzte die amtliche Entschädigung unter Berücksichtigung eines Stundenansatzes von Fr. 200.- fest.
BGE 140 III 167 S. 168
B. Rechtsanwalt X. hat gegen die Verfügung der Referentin des Kindes- und Erwachsenenschutzgerichts beim Bundesgericht subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Er beantragt, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Entschädigung unter Berücksichtigung eines Stundenansatzes von Fr. 230.- festzusetzen. Eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne des Eventualantrages gut und weist die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Strittig ist die Höhe des zu berücksichtigenden Stundenansatzes. Die Referentin des Kindes- und Erwachsenenschutzgerichts ist trotz Obsiegens der von der fürsorgerischen Unterbringung betroffenen Person vom (reduzierten) Satz für die Entschädigung des amtlich bestellten Anwalts (Fr. 200.-/Std.) ausgegangen, da dieser Satz gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vom 26. September 2013 (BGE 139 IV 261) auch bei Obsiegen der amtlich vertretenen Partei zur Anwendung gelange. Unter Berufung auf diverse Lehrmeinungen rügt der Beschwerdeführer sinngemäss die Anwendung der Rechtsprechung der strafrechtlichen Abteilung (BGE 139 IV 261) auf den konkreten Fall als mit der Auslegung des anwendbaren kantonalen Rechts nicht vereinbar und damit willkürlich (Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
2.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 S. 319 mit Hinweis).
2.2 Gemäss der von der Referentin des Kindes- und Erwachsenenschutzgerichts analog angewandten Rechtsprechung der Strafabteilung des Bundesgerichts (BGE 139 IV 261) regelt Art. 135
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 135 Entschädigung der amtlichen Verteidigung - 1 Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. |
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1 | Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. |
2 | Die Staatsanwaltschaft oder das urteilende Gericht legt die Entschädigung am Ende des Verfahrens fest. Erstreckt sich das Mandat über einen langen Zeitraum oder ist es aus einem anderen Grund nicht sinnvoll, das Ende des Verfahrens abzuwarten, so werden der amtlichen Verteidigung Vorschüsse gewährt, deren Höhe von der Verfahrensleitung festgelegt werden.67 |
3 | Gegen den Entschädigungsentscheid kann die amtliche Verteidigung das Rechtsmittel ergreifen, das gegen den Endentscheid zulässig ist.68 |
4 | Wird die beschuldigte Person zu den Verfahrenskosten verurteilt, so ist sie verpflichtet, dem Bund oder dem Kanton die Entschädigung zurückzuzahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.69 |
5 | Der Anspruch des Bundes oder des Kantons verjährt in 10 Jahren nach Rechtskraft des Entscheides. |
BGE 140 III 167 S. 169
anwendbaren Anwaltstarife des Bundes oder der Kantone. Sehen diese ein reduziertes Honorar vor, gelangt es unabhängig vom Prozessausgang zur Anwendung. In diesem Fall kommt es mit anderen Worten für die Bemessung der Entschädigung nicht darauf an, ob die unter unentgeltlicher Rechtspflege prozessierende Partei obsiegt oder nicht (a.a.O., E. 2). In welcher Höhe die Entschädigung der obsiegenden, im Genuss unentgeltlicher Rechtspflege prozessierenden Partei zu veranschlagen ist, beurteilt sich ausschliesslich anhand der kantonalen bzw. bundesrechtlichen Tarifordnungen. Allein die Anwendung der zitierten Rechtsprechung ohne Prüfung des in der Sache anwendbaren Tarifrechts verletzt somit das Willkürverbot. Im Übrigen erweist sich der Entscheid denn auch im Lichte des massgebenden Rechts als unhaltbar:
2.3 Im Kanton Bern ist der Bereich der fürsorgerischen Unterbringung im Gesetz vom 1. Februar 2012 über den Kindes- und Erwachsenenschutz (KESG; BSG 213.316) geregelt (Art. 27 ff. KESG). Mit Bezug auf das Beschwerdeverfahren vor dem Kindes- und Erwachsenenschutzgericht bestimmt Art. 70 Abs. 1 KESG, die Kostenverlegung richte sich grundsätzlich nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21). Nach Art. 108 Abs. 3 VRPG hat die unterliegende Partei der Gegenpartei die Parteikosten zu ersetzen. Obsiegt die amtlich vertretene Partei, hat ihr die unterliegende Gegenpartei (auch wenn es sich dabei um ein Gemeinwesen handelt) die vollen Anwaltskosten und nicht lediglich eine (reduzierte) Entschädigung nach Art. 42 des kantonalen Anwaltsgesetzes vom 28. März 2006 (KAG/BE; BSG 168.11) zu entrichten (MARKUS MÜLLER, Bernische Verwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 2011, S. 256; HÄUSLER/FERRARI-VISCA, Der Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verwaltungsverfahren, Jusletter 24. Oktober 2011, Rz. 39 Fn. 117; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, 1997, N. 2 zu Art. 113 VRPG). Nach Art. 122 Abs. 2
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 122 Liquidation der Prozesskosten - 1 Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert: |
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1 | Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert: |
a | die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand wird vom Kanton angemessen entschädigt; |
b | die Gerichtskosten gehen zulasten des Kantons; |
c | der Gegenpartei werden die Vorschüsse, die sie geleistet hat, zurückerstattet; |
d | die unentgeltlich prozessführende Partei hat der Gegenpartei die Parteientschädigung zu bezahlen. |
2 | Obsiegt die unentgeltlich prozessführende Partei und ist die Parteientschädigung bei der Gegenpartei nicht oder voraussichtlich nicht einbringlich, so wird die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton angemessen entschädigt. Mit der Zahlung geht der Anspruch auf den Kanton über. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 450f - Im Übrigen sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anwendbar, soweit die Kantone nichts anderes bestimmen. |
BGE 140 III 167 S. 170
gewählte Anwaltsmandate gelten. Obsiegt eine unentgeltlich vertretenePartei, ist es willkürlich, die Parteientschädigungsforderung nach denfür die staatliche Entschädigung geltenden Tarifregeln zu kürzen(BGE 121 I 113 E. 3d S. 116; ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar,Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 62 zu Art. 122
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 122 Liquidation der Prozesskosten - 1 Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert: |
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1 | Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert: |
a | die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand wird vom Kanton angemessen entschädigt; |
b | die Gerichtskosten gehen zulasten des Kantons; |
c | der Gegenpartei werden die Vorschüsse, die sie geleistet hat, zurückerstattet; |
d | die unentgeltlich prozessführende Partei hat der Gegenpartei die Parteientschädigung zu bezahlen. |
2 | Obsiegt die unentgeltlich prozessführende Partei und ist die Parteientschädigung bei der Gegenpartei nicht oder voraussichtlich nicht einbringlich, so wird die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton angemessen entschädigt. Mit der Zahlung geht der Anspruch auf den Kanton über. |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 122 Liquidation der Prozesskosten - 1 Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert: |
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1 | Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert: |
a | die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand wird vom Kanton angemessen entschädigt; |
b | die Gerichtskosten gehen zulasten des Kantons; |
c | der Gegenpartei werden die Vorschüsse, die sie geleistet hat, zurückerstattet; |
d | die unentgeltlich prozessführende Partei hat der Gegenpartei die Parteientschädigung zu bezahlen. |
2 | Obsiegt die unentgeltlich prozessführende Partei und ist die Parteientschädigung bei der Gegenpartei nicht oder voraussichtlich nicht einbringlich, so wird die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton angemessen entschädigt. Mit der Zahlung geht der Anspruch auf den Kanton über. |