123 I 152
15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. März 1997 i.S. G. und Mitbeteiligte gegen Kantonsrat des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 85 lit. a OG; Ungültigerklärung der Solothurner Volksinitiative "Für eine gleichberechtigte Vertretung der Frauen und Männer in den kantonalen Behörden - Initiative 2001".
- Verhältnis von Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Erfordernis der Interessenabwägung bei der Prüfung der Zulässigkeit positiver Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter (E. 3b-3d).
- Auswirkungen der hier in Frage stehenden Initiative, mit der verbindlich und ohne Qualifikationsbezug eine dem Bevölkerungsanteil entsprechende Vertretung der Frauen in Parlament, Regierung und Gerichten verlangt wird (E. 4).
- Überprüfung dieser Massnahme aufgrund der Kriterien des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (E. 5-7). Die vorgeschlagene Quotenregelung stellt einen unverhältnismässigen Eingriff in das Diskriminierungsverbot gemäss Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Regeste (fr):
- Art. 85 let. a OJ; déclaration de nullité de l'initiative populaire soleuroise "Pour une représentation à droits égaux des femmes et des hommes dans les autorités cantonales - initiative 2001".
- Rapport entre l'art. 4 al. 2 phrase 1 Cst. et l'art. 4 al. 2 phrase 2 Cst. L'interdiction de la discrimination constitue une limitation relative de l'obligation de réaliser l'égalité; elle exclut des inégalités de traitement disproportionnées entre les sexes (consid. 3a et 3b).
- Exigence de pesée des intérêts dans l'examen de l'admissibilité de mesures positives tendant à la réalisation effective de l'égalité des sexes (consid. 3b-3d).
- Conséquences de l'initiative, qui exige de façon impérative, et sans égard aux qualifications, que la représentation des femmes au parlement, au gouvernement et dans les tribunaux corresponde à leur part dans la population (consid. 4).
- Examen de cette mesure selon les critères du principe de la proportionnalité (consid. 5-7). Le quota proposé représente une atteinte disproportionnée à l'interdiction de discrimination de l'art. 4 al. 2 phrase 1 Cst. (consid. 7). Dans la mesure où il s'applique à des autorités élues par le peuple, il viole le droit général et égal d'élire et d'être élu, garanti par le droit constitutionnel de la Confédération (consid. 8).
Regesto (it):
- Art. 85 lett. a OG; dichiarazione di nullità dell'iniziativa popolare solettese "Per una rappresentanza equiparata nei diritti delle donne e degli uomini nelle autorità cantonali - Iniziativa 2001".
- Relazione tra l'art. 4 cpv. 2 prima frase Cost. e l'art. 4 cpv. 2 seconda frase Cost. Il divieto di discriminazione costituisce una limitazione relativa all'obbligo di realizzare l'uguaglianza; esso esclude disparità di trattamento sproporzionate fra i sessi (consid. 3a e b).
- Esigenze poste alla ponderazione degli interessi nell'ambito dell'esame circa l'ammissibilità di misure positive tendenti alla realizzazione effettiva dell'uguaglianza tra i sessi (consid. 3b-3d).
- Conseguenze dell'iniziativa che esige in maniera vincolante, senza riguardo alle qualificazioni, che la rappresentanza delle donne al parlamento, al governo e nei tribunali corrisponda alla loro quota nella popolazione (consid. 4).
- Esame di questa misura secondo i criteri del principio della proporzionalità (consid. 5-7). La quota proposta costituisce una violazione sproporzionata del divieto di discriminazione di cui all'art. 4 cpv. 2 prima frase Cost. (consid. 7). Nella misura in cui si applica ad autorità elette dal popolo, essa lede il diritto generale e uguale di eleggere e di essere eletto, garantito dal diritto costituzionale della Confederazione (consid. 8).
Sachverhalt ab Seite 153
BGE 123 I 152 S. 153
Am 7. Juni 1995 wurde bei der Staatskanzlei des Kantons Solothurn eine von 3274 Stimmberechtigten unterzeichnete Volksinitiative "Für eine gleichberechtigte Vertretung der Frauen und Männer in den kantonalen Behörden - Initiative 2001" (im folgenden abgekürzt: Initiative 2001) eingereicht. Die Initianten stellten im Sinne einer Anregung das Begehren, die betreffenden Gesetzesbestimmungen seien wie folgt zu ändern: "Im Kantonsrat und im Regierungsrat sind Frauen und Männer entsprechend ihrem kantonalen Bevölkerungsanteil vertreten. In den kantonalen juristischen Behörden sind Frauen und Männer entsprechend dem Bevölkerungsanteil des Wahlkreises vertreten.
BGE 123 I 152 S. 154
Diese Regel gilt erstmals für die seit der Annahme der Initiative stattfindenden Regierungs- und Kantonsratswahlen. Für die Wieder- bzw. Bestätigungswahlen von Mitgliedern der Gerichtsbehörden, die vor der Annahme der Initiative in die Gerichtsbehörden gewählt worden sind, ist die Regel der anteilsmässigen Vertretung der Geschlechter nicht anwendbar". Zur Begründung führten sie aus, die Frauen machten mehr als die Hälfte der Solothurner Bevölkerung aus. In den politischen und juristischen Behörden seien sie hingegen nach wie vor krass untervertreten. Wichtige politische Entscheide der kantonalen Behörden würden deshalb vor allem aus dem Blickwinkel der Männer getroffen. Die andere Lebensrealität der Frauen werde höchstens am Rande mitberücksichtigt. Eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen und Männern sei vorderhand nur durch Quoten erreichbar. Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragte dem Kantonsrat mit Botschaft vom 23. Oktober 1995, die Initiative für ungültig zu erklären. Er hielt in der Zusammenfassung fest, die von den Initianten verlangte Quotenregelung wäre in ihren Auswirkungen kompliziert, wenig transparent und schwer verständlich. Das Gleichbehandlungsgebot würde zu stark zurückgedrängt und die Grundsätze des Wahlrechts, nämlich Freiheit, Gleichheit und Allgemeinheit der Wahlen, würden übermässig beschnitten. Die hier in Frage stehende Quotenregelung sei kein verhältnismässiges Mittel zur Verwirklichung der Geschlechtergleichheit. Sie kollidiere sowohl mit Art. 4 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 74 Umweltschutz - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
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1 | Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
2 | Er sorgt dafür, dass solche Einwirkungen vermieden werden. Die Kosten der Vermeidung und Beseitigung tragen die Verursacher. |
3 | Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält. |
BGE 123 I 152 S. 155
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Über die Gültigkeit einer Initiative entscheidet der Kantonsrat. Er erklärt eine Volksinitiative für ungültig, wenn sie den Formvorschriften widerspricht, offensichtlich rechtswidrig oder undurchführbar ist (Art. 31 der Verfassung des Kantons Solothurn, KV). Der Kantonsrat erklärte die hier in Frage stehende Initiative für ungültig, weil sie offensichtlich Bundesrecht verletze. Die Beschwerdeführerinnen halten diesen Entscheid für falsch. b) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. Die Anwendung anderer kantonaler Vorschriften und die Feststellung des Sachverhalts prüft es nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots (BGE 121 I 334 E. 2b mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob die Initiative 2001 mit dem Bundesrecht vereinbar sei. Diese Frage prüft das Bundesgericht frei (BGE 121 I 334 E. 2b).
c) Für die Beurteilung der Rechtmässigkeit einer Initiative ist deren Text nach den anerkannten Interpretationsprinzipien zu prüfen. Grundsätzlich ist vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den subjektiven Willen der Initianten abzustellen. Die beigefügte Begründung des Volksbegehrens und Meinungsäusserungen der Initianten dürfen allerdings mitberücksichtigt werden. Es ist von verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten jene zu wählen, welche einerseits dem Sinn und Zweck der Initiative am besten entspricht und zu einem vernünftigen Ergebnis führt und anderseits im Sinne der verfassungskonformen Auslegung mit dem Recht von Bund und Kanton vereinbar erscheint. Dabei ist der Spielraum grösser, wenn eine in der Form der allgemeinen Anregung gehaltene Initiative zu beurteilen ist. Kann der Initiative in diesem Rahmen ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, ist sie als gültig zu erklären und der Volksabstimmung zu unterstellen (BGE 121 I 334 E. 2c; BGE 119 Ia 154 E. 2b; BGE 111 Ia 292 E. 2). d) In Anwendung dieser Grundsätze ist die hier in Frage stehende Initiative unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 Abs. 2
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3. a) Gemäss Art. 4 Abs. 2
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BGE 123 I 152 S. 156
in Familie, Ausbildung und Arbeit (Satz 2). Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit (Satz 3). Mit der Vorschrift von Art. 4 Abs. 2
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BGE 123 I 152 S. 157
als formalrechtliche Gleichstellung einerseits und das Egalisierungsgebot als Auftrag, materielle Chancengleichheit zu schaffen, anderseits, stünden dabei in einem gewissen Widerspruch und müssten zum Ausgleich gebracht werden. b) Nach der Initiative 2001 soll den in den politischen und juristischen Behörden des Kantons Solothurn untervertretenen Frauen von Gesetzes wegen eine ihrem Bevölkerungsanteil entsprechende Zahl von Sitzen in Parlament, Regierung und Gerichten garantiert sein. Bei einer solchen Regelung, welche die Frauen im Hinblick auf das Egalisierungsgebot privilegiert, jedoch vom Diskriminierungsverbot abweicht, treten der erste und der zweite Satz von Art. 4 Abs. 2
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BGE 123 I 152 S. 158
MÜLLER, Kommentar zur BV, Art. 4, Rz. 137c; derselbe, Quotenregelungen, a.a.O., S. 310). Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit ist zu untersuchen, ob die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau für die Erfüllung des Auftrags zur Herstellung der tatsächlichen Gleichstellung im konkreten Fall geeignet und erforderlich ist, und die vorgeschlagene Massnahme ist mit dem Zweck der faktischen Gleichstellung zu vergleichen. Das Zweck-Mittel-Verhältnis verlangt eine Abwägung zwischen dem Ziel der Gleichstellung und der Wirkung der mit der Massnahme verbundenen Eingriffe in die Grundrechtsstellung Dritter. Je schwerer diese Einwirkungen sind, desto grösser muss im entsprechenden Sachbereich das Interesse an der Herbeiführung der Gleichstellung der Geschlechter sein (GEORG MÜLLER, Kommentar zur BV, Art. 4, Rz. 137c; derselbe, Quotenregelungen, a.a.O.,S. 312 ff.; KATHARINA SIMONE ARIOLI, Frauenförderungsmassnahmen im Erwerbsleben, Diss. Zürich 1992, S. 236 ff.; MARIANNE SCHWANDER CLAUS, Verfassungsmässigkeit von Frauenquoten, Diss. Bern 1995, S. 80 ff.). Zum Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2 des Art. 4 Abs. 2
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IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte UNO-Pakt-II Art. 2 - (1) Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen ohne Unterschied wie insbesondere der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status zu gewährleisten. |
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a | dafür Sorge zu tragen, dass jeder, der in seinen in diesem Pakt anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, eine wirksame Beschwerde einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben; |
b | dafür Sorge zu tragen, dass jeder, der eine solche Beschwerde erhebt, sein Recht durch das zuständige Gerichts-, Verwaltungs- oder Gesetzgebungsorgan oder durch eine andere, nach den Rechtsvorschriften des Staates zuständige Stelle feststellen lassen kann, und den gerichtlichen Rechtsschutz auszubauen; |
c | dafür Sorge zu tragen, dass die zuständigen Stellen Beschwerden, denen stattgegeben wurde, Geltung verschaffen. |
BGE 123 I 152 S. 159
Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll: CCPR-Kommentar, Kehl, Strassburg, Arlington 1989, Rz. 35 zu Art. 25
IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte UNO-Pakt-II Art. 25 - Jeder Staatsbürger hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Artikel 2 genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen |
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a | an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen; |
b | bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden; |
c | unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen Ämtern seines Landes Zugang zu haben. |
d) Am Erfordernis der Interessenabwägung, die bei der Prüfung der Zulässigkeit geschlechtsspezifischer Förderungsmassnahmen vorzunehmen ist, hat das am 1. Juli 1996 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG; SR 151) nichts geändert. Art. 3
SR 151.1 Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG) - Gleichstellungsgesetz GlG Art. 3 Diskriminierungsverbot - 1 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. |
|
1 | Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. |
2 | Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung. |
3 | Angemessene Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung stellen keine Diskriminierung dar. |
SR 151.1 Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG) - Gleichstellungsgesetz GlG Art. 3 Diskriminierungsverbot - 1 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. |
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1 | Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. |
2 | Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung. |
3 | Angemessene Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung stellen keine Diskriminierung dar. |
SR 151.1 Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG) - Gleichstellungsgesetz GlG Art. 3 Diskriminierungsverbot - 1 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. |
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1 | Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. |
2 | Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung. |
3 | Angemessene Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung stellen keine Diskriminierung dar. |
Es ist im folgenden zu prüfen, ob der Solothurner Kantonsrat mit Recht zum Schluss gelangte, die mit der Initiative 2001 verlangte
BGE 123 I 152 S. 160
Quotenregelung sei kein verhältnismässiges Mittel zur Verwirklichung der Geschlechtergleichheit.
4. a) Die in Form einer Anregung eingereichte Initiative 2001 verlangt eine dem kantonalen Bevölkerungsanteil entsprechende Vertretung von Frauen und Männern im Kantons- und Regierungsrat sowie eine dem Bevölkerungsanteil des Wahlkreises entsprechende Vertretung von Frauen und Männern in den kantonalen juristischen Behörden. Nach den Angaben in der Botschaft des Regierungsrates machen - gemäss Erhebung per 31. Dezember 1994 - die Frauen 50,74%, die Männer 49,26% der kantonalen Bevölkerung aus. Es ist zu vermuten, dass der Bevölkerungsanteil der Frauen und Männer auch in den Wahlkreisen (z.B. für die Amtsgerichte) ungefähr diesem prozentualen Verhältnis entsprechen dürfte. Nach dem Initiativbegehren müssten somit im Kanton Solothurn die Frauen mit einem Anteil bzw. einer Quote von 50,74% in Parlament, Regierung und juristischen Behörden vertreten sein. b) Bevor im einzelnen auf die Auswirkungen der verlangten Massnahme einzugehen ist, sind verschiedene, im Zusammenhang mit Quotenregelungen verwendete Begriffe zu klären. In der Literatur wird unterschieden zwischen strikten, starren Quoten einerseits und flexiblen, leistungsbezogenen Quoten anderseits (CLAUDIA KAUFMANN, Les quotas valent mieux que leur réputation, in L'égalité entre hommes et femmes, Lausanne 1988, S. 274 f.; ERNST BENDA, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der Senatskanzlei - Leitstelle Gleichstellung der Frau - der Freien und Hansestadt Hamburg, Freiburg i. Br. 1986, S. 43 f.; HEIDE M. PFARR, Quoten und Grundgesetz, Baden-Baden 1988, S. 203 f.; ARIOLI, a.a.O., S. 146 ff.; SCHWANDER CLAUS, a.a.O., S. 14). Bei den strikten, starren Quoten wird - unabhängig von der Qualifikation der Bewerber für eine Arbeitsstelle oder eine Position - eine fixe Quote für Frauen und Männer festgelegt und mithin ein bestimmter Anteil der Stellen oder Positionen für das eine oder andere Geschlecht reserviert (ARIOLI, a.a.O., S. 147; SCHWANDER CLAUS, a.a.O., S. 14). Bei den flexiblen, leistungsbezogenen Quoten entscheidet zunächst unter mehreren Bewerbern die bessere Qualifikation. Nur wenn bei mehreren Bewerbern eine gleiche Qualifikation vorliegt, werden Frauen so lange bevorzugt eingestellt oder befördert, bis ihr Anteil dem festgelegten Prozentsatz entspricht (BENDA, a.a.O., S. 44). Als Beispiel einer leistungsbezogenen Quote sind die vom Bundesrat am 18. Dezember 1991 erlassenen Weisungen über die
BGE 123 I 152 S. 161
Verbesserung der Vertretung und der beruflichen Stellung des weiblichen Personals in der allgemeinen Bundesverwaltung zu nennen. Ziffer 31 der Weisungen verlangt, dass die Wahlbehörde bei der Besetzung von Stellen Frauen bei gleichwertiger Qualifikation wie männliche Bewerber so lange vorrangig zu berücksichtigen hat, bis innerhalb einer grösseren Verwaltungseinheit (z.B. Bundesamt, Abteilung) ein paritätisches Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten besteht (BBl 1992 II, S. 604 f.). Ferner sind flexible Quoten auch als Zielvorstellungen möglich. Die über Einstellung oder Beförderung entscheidende Stelle kann die Einzelentscheidung nach den allgemeinen Kriterien treffen; sie ist aber gehalten, innerhalb eines mehr oder weniger präzise festgelegten Zeitraums den Frauenanteil entsprechend der Zielvorstellung zu verstärken (BENDA, a.a.O., S. 44). c) Mit der Initiative 2001 wird eine starre Quotenregelung verlangt, indem für Parlament, Regierung und Gerichte eine fixe Quote für Frauen und Männer festgelegt und somit eine bestimmte Anzahl von Sitzen in diesen Gremien für das eine oder andere Geschlecht gemäss dem jeweiligen Bevölkerungsanteil reserviert wird. aa) Wie ausgeführt, müssten nach dem Begehren der Initianten die Frauen im Kanton Solothurn mit einem Anteil bzw. einer Quote von 50,74% im Parlament und in der Regierung vertreten sein. Der Kantonsrat zählt 144, der Regierungsrat 5 Mitglieder (Art. 66 und Art. 77 Abs. 2 KV). Im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids (13. Februar 1996) setzte sich der Kantonsrat aus 95 Männern und 49 Frauen, der Regierungsrat aus 4 Männern und einer Frau zusammen. Aufgrund der Quotenregelung müssten die Frauen im Kantonsrat mit 73 und im Regierungsrat mit 3 Mitgliedern vertreten sein. Dies hätte zur Folge, dass bei Erneuerungswahlen des Kantonsrates Frauen mit tieferem Stimmenergebnis vor Männern mit höherer Stimmenzahl als gewählt erklärt werden müssten, bis die festgelegte Quote erfüllt wäre. Sodann könnten bei Ersatzwahlen in den Regierungsrat nur noch Frauen gewählt werden, bis der Anteil von 3 Sitzen erreicht wäre. bb) Was die "kantonalen juristischen Behörden" anbelangt, so ergibt sich aus der Begründung der Initiative, dass damit die "kantonalen Gerichtsbehörden" gemeint sind. Nach der Auffassung des Regierungsrates sind darunter folgende Gerichte bzw. Kommissionen zu verstehen: Obergericht, Kriminalgericht, Kassationsgericht, Verwaltungsgericht, Versicherungsgericht, Steuergericht, Schätzungskommission, Finanzausgleichs-Rekurskommission, Schiedsgericht
BGE 123 I 152 S. 162
in der Kranken- und Unfallversicherung, landwirtschaftliche Schätzungskommission, Rekursschätzungskommission der Gebäudeversicherung, Rekurskommission für Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft, Spezialgericht für Viehversicherungssachen. Es ist mit dem Regierungsrat davon auszugehen, dass nach dem Sinn der Initiative auch die Amtsgerichte, die Jugendgerichte und die Arbeitsgerichte, die zwar genau genommen nicht kantonale Gerichte, sondern Gerichte der Amtei sind, zu den "kantonalen Gerichtsbehörden" zu zählen sind. Gemäss Initiativbegehren müssten in allen diesen Gerichten bzw. Kommissionen die Frauen zu 50,74% bzw. entsprechend dem Bevölkerungsanteil in den einzelnen Wahlkreisen vertreten sein. Das Obergericht besteht aus 9, das Kriminalgericht aus 5, das Kassationsgericht aus 5, das Verwaltungsgericht aus 5, das Versicherungsgericht aus 3, das Steuergericht aus 7, die Schätzungskommission aus 3 und die Finanzausgleichs-Rekurskommission aus 5 Mitgliedern (§§ 23, 35, 44, 47, 53, 55, 58 und 59bis des Solothurner Gesetzes über die Gerichtsorganisation). Gegenwärtig setzt sich das Obergericht aus 8 Männern und einer Frau, das Kriminalgericht aus 3 Männern und 2 Frauen, das Kassationsgericht aus 4 Männern und einer Frau zusammen. Im Verwaltungsgericht, im Versicherungsgericht, im Steuergericht, in der Schätzungskommission, in der Finanzausgleichs-Rekurskommission, in der Rekursschätzungskommission der Gebäudeversicherung und in der Rekurskommission für Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft sind die Frauen nicht vertreten. Diese Angaben zeigen, dass auch hier die von den Initianten verlangte Massnahme eine erhebliche Sitzverschiebung zugunsten der Frauen zur Folge hätte. In der Initiative wird darauf hingewiesen, die Regel der anteilsmässigen Vertretung der Geschlechter sei auf die Wieder- bzw. Bestätigungswahl jener Mitglieder der Gerichte, die vor der Annahme der Initiative gewählt worden seien, nicht anwendbar. Bei Ersatz- und Neuwahlen hingegen beziehe sich die Regel auf das betreffende Justizorgan in seiner Gesamtheit. Wie erwähnt, setzt sich das Obergericht zur Zeit aus 8 Männern und einer Frau zusammen. Nach der verlangten Regelung müssten die Frauen im Obergericht mit 5 Mitgliedern vertreten sein. Bei den nächsten vier Ersatzwahlen müsste somit für jeden ausscheidenden Oberrichter jeweils eine Frau gewählt werden, um die Quote zu erfüllen. Bei den Amtsgerichten sieht das Geschlechterverhältnis anders aus als bei den oben erwähnten Behörden. Der Regierungsrat
BGE 123 I 152 S. 163
führte in der Botschaft aus, zur Zeit seien im Kanton 12 Amtsrichterinnen und 8 Amtsrichter tätig. Wenn man die Suppleantinnen und Suppleanten hinzuzähle, seien die Frauen mit 21 Sitzen gegenüber 19 Sitzen der Männer ebenfalls in der Mehrzahl. Eine gleichmässige Vertretung der Geschlechter (je zwei Amtsrichtersitze und zwei Suppleantenstellen) sei nur in der Amtei Bucheggberg-Wasseramt gelungen. In zwei Amteien stünden 6 Frauen 2 Männern gegenüber, in einer Amtei sei es umgekehrt. Die kantonale Behörde hielt fest, auch wenn die Frauen in der Mehrzahl seien, müsste die Quotenregelung bei Ersatz- und Neuwahlen Anwendung finden. Es müsste bei jeder Ersatzwahl geprüft werden, ob aufgrund der bestehenden Verteilung im Amtsgericht ein Mann oder eine Frau zu wählen sei. Praktisch würde dies eine Sperre für die Kandidatur des anderen Geschlechts bedeuten. cc) Eine Regelung, die dem einen Geschlecht eine bestimmte Quote an Sitzen in Parlament, Regierung und Gerichten garantiert, führt unmittelbar zu einer entsprechenden Diskriminierung des andern Geschlechts (vgl. GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, a.a.O., S. 314; Weber-Dürler, a.a.O., S. 368; SCHWANDER CLAUS, a.a.O., S. 158). Die mit der Initiative 2001 verlangte Quotenregelung hätte nach dem Gesagten einen Eingriff in das Diskriminierungsverbot nach Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
5. a) Die kantonale Behörde prüfte die Frage, ob die mit der Initiative verlangte Massnahme zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau geeignet sei. Sie führte aus, Quoten zielten darauf ab, den zahlenmässigen Anteil der Frauen zu erhöhen, so dass zwischen den Geschlechtern ein Gleichgewicht bestehe. Wenn das Ziel erreicht sei, werde die Quotenregelung unnötig und verliere ihre Rechtfertigung. Eine solche Regelung könne daher nur Übergangscharakter haben. Als Instrument stelle sie grundsätzlich eine geeignete Massnahme dar, um eine Untervertretung der Frauen aufzuheben. Der Regierungsrat betonte jedoch, bei der Realisierung faktischer Gleichheit der Geschlechter könne das Ziel nur Chancenverbesserung sein, denn Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 123 I 152 S. 164
b) Das Bundesgericht hat, wie ausgeführt, erklärt, Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 123 I 152 S. 165
Diesen Überlegungen ist zuzustimmen. Es geht bei dem in Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 123 I 152 S. 166
Beförderungen im öffentlichen Dienst getroffen worden war, als mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar (Urteil des EuGH vom 17.10.1995 in der Rs. C-450/93, Kalanke, Slg. 1995, S. I-3051 ff. = EuGRZ 1995, S. 546 ff.). Die beanstandete nationale Regelung sah vor, dass bei gleicher Qualifikation eine Bewerberin einem Bewerber vorgezogen werde, solange im betreffenden Verwaltungsbereich nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten seien. Der Gerichtshof hatte zu prüfen, ob diese Regelung mit Art. 2 der Richtlinie 76/207 des Rats der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (im folgenden abgekürzt: Richtlinie) vereinbar sei. Art. 2 der Richtlinie statuiert den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter (Abs. 1), steht aber Massnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, nicht entgegen (Abs. 4). Der Gerichtshof stellte fest, eine nationale Regelung, wonach bei gleicher Qualifikation von Bewerbern verschiedenen Geschlechts den Frauen in Bereichen, in denen sie untervertreten seien, bei einer Beförderung automatisch der Vorrang eingeräumt werde, diskriminiere die Männer aufgrund des Geschlechts (Ziff. 16 des Urteils). Nach Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie seien zwar Massnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen zulässig (Ziff. 17). Eine Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt den Vorrang einräume, gehe jedoch über eine Förderung der Chancengleichheit hinaus und überschreite damit die Grenzen der in Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme (Ziff. 22). Ausserdem setze eine solche Regelung insofern, als sie darauf abziele, dass auf allen Funktionsebenen einer Dienststelle ebensoviel Frauen wie Männer vertreten seien, an die Stelle der Förderung der Chancengleichheit das Ergebnis, zu dem allein die Verwirklichung einer solchen Chancengleichheit führen könnte (Ziff. 23). Der EuGH gelangte daher zum Schluss, die betreffende nationale Regelung sei mit Art. 2 Abs. 1 und 4 der Richtlinie nicht vereinbar. Das Urteil des EuGH im Fall Kalanke ist bindend für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Die Schweiz ist nicht Mitglied dieser Gemeinschaft. Es besteht indes kein Anlass, den Entscheid für die Schweiz als unbeachtlich anzusehen. Sowohl die Europäische Gemeinschaft als auch die Schweiz anerkennen die
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Gleichberechtigung von Mann und Frau, und beide Rechtsgemeinschaften sehen Massnahmen zur Beseitigung von Chancenungleichheiten zwischen Angehörigen der beiden Geschlechter vor (HANGARTNER, Umstrittene Frauenförderung, a.a.O., S. 359; vgl. auch EPINEY/REFAEIL, a.a.O., S. 186). Nach der Auffassung des EuGH ist selbst eine leistungsbezogene Quotenregelung unzulässig, wenn sie unter gewissen Voraussetzungen den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen automatisch den Vorrang einräumt und damit über eine Förderung der Chancengleichheit hinausgeht. Ferner wird in der Rechtslehre mit Grund betont, Zweifel an der Eignung von Quotenregelungen zur Realisierung der faktischen Gleichstellung der Geschlechter seien auch deshalb angebracht, weil die Untervertretung der Frauen in oberen und leitenden Positionen nicht in erster Linie ein rechtliches Problem sei, sondern vor allem auf soziale und gesellschaftliche Ursachen zurückzuführen sei. Der Erlass positiver Massnahmen könne daher nur ein "essai précaire et incertain" zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau sein (AUER, a.a.O., S. 1347). Aus all diesen Gründen kann nicht gesagt werden, die hier in Frage stehende Quotenregelung sei ein geeignetes Mittel zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau.
6. Der Regierungsrat hat die Frage, ob die Quotenregelung zur Verwirklichung der faktischen Gleichstellung der Geschlechter erforderlich sei, verneint, da dieses Ziel auch durch andere, mildere Massnahmen erreicht werden könne. Er führte aus, der Schlüssel zur wesentlichen Verbesserung der Vertretung der Frauen in den politischen und juristischen Gremien liege bei den Parteien. Sie hätten den Frauen ausreichend Profilierungsmöglichkeiten zu bieten. Erfolg verspreche sodann die privilegierte Behandlung der Frauen bei der Listengestaltung (Zuweisung sog. Spitzenplätze auf den Listen). Das Stimmrecht der Wähler werde durch solche Massnahmen nicht tangiert, da es den Stimmberechtigten immer noch freistehe, wen sie wählen oder nicht wählen wollten. Die Listenplazierung könne ferner mit Massnahmen wie der Unterstützung bei öffentlichen Auftritten im Wahlkampf und besonderen Aufrufen zur Wahl der Kandidatinnen begleitet werden. Um die Frauenpräsenz in den politischen Gremien zu erhöhen, könnten auch Verbesserungen im Bereich Aus- und Weiterbildung, Förderung der Teilzeitarbeit, Erleichterung des Wiedereinstiegs in den Beruf, Bereitstellen von Einrichtungen wie Kinderkrippen und Tagesschulen angestrebt werden. Von allen diesen Massnahmen greife keine so einschneidend
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in die Grundrechtspositionen ein wie eine Quotenregelung. Im weiteren hielt die kantonale Behörde fest, bei den letzten Kantonsratswahlen vom März 1993 hätten die Frauen ihre Positionen wesentlich verbessern können. Die Zahl der im Kantonsrat vertretenen Frauen sei von 22 auf 50 angestiegen. Dieser Anteil entspreche 34,7%, was zu jenem Zeitpunkt der grösste von Frauen je erreichte Anteil in den Parlamenten der Schweiz gewesen sei. Auch seien die Frauen bei der letzten Kantonsratswahl beinahe doppelt so erfolgreich gewesen wie die Männer. Der Erfolg der Frauen setze sich somit kontinuierlich fort. In Anbetracht dieser Entwicklung und in Berücksichtigung der Prognose für die Zukunft lasse sich die hier in Frage stehende Massnahme nicht rechtfertigen. Das in Art. 4 Abs. 2
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Frauen im Kanton Solothurn - wie auch in der Schweiz im allgemeinen - erheblich verbessert. Die Gleichberechtigung gibt den Frauen die Chance, von ihren Rechten in gleicher Weise Gebrauch zu machen, wie es die Männer tun (BERNHARD KEMPEN, Gleichberechtigung und Gleichstellung, Zeitschrift für Rechtspolitik 1989, S. 369; im gleichen Sinne GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, a.a.O., S. 318, und YVO HANGARTNER, Geschlechtergleichheit und Frauenquoten in der öffentlichen Verwaltung, AJP 1992, S. 837 f.). Die kantonale Behörde hat zu Recht erwogen, die mit der Initiative 2001 verlangte Quotenregelung sei nicht erforderlich.
7. Selbst wenn angenommen würde, diese Regelung sei zur Realisierung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter geeignet und erforderlich, wäre sie gleichwohl unzulässig, da die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn offensichtlich fehlt. a) Auch eine geeignete und notwendige Massnahme kann unverhältnismässig sein, wenn der mit ihr verbundene Eingriff im Vergleich zur Bedeutung des angestrebten Ziels unangemessen schwer wiegt, mithin keine vernünftige Zweck-Mittel-Relation vorliegt. Dieser Aspekt wird auch als Frage der Zumutbarkeit bezeichnet (JÖRG PAUL MÜLLER, Kommentar zur BV, Einleitung zu den Grundrechten, Rz. 149; ULRICH ZIMMERLI, Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit im öffentlichen Recht, ZSR 97/1978 II, S. 17). Das Gebot der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne zwingt zur Prüfung, ob eine Massnahme ausser Verhältnis zu den mit ihr verbundenen Nachteilen steht, d.h., ob ein Missverhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Wert des realisierbaren Erfolgs besteht und deswegen auf den Eingriff zu verzichten ist (ZIMMERLI, a.a.O., S. 16). b) Wie ausgeführt, geht die hier in Frage stehende Quotenregelung weit über das Ziel der in Art. 4 Abs. 2
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nach welcher Frauen bei der Besetzung von Stellen in einer bestimmten Verwaltungsabteilung so lange vorrangig berücksichtigt würden, bis ein paritätisches Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten bestehe, sei mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 Abs. 2
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(50,74%) entsprechende Vertretung der Frauen in Parlament, Regierung und Gerichten verlangt, betrifft die höchsten politischen Ämter und die obersten Richterstellen des Kantons. Geht es um die Besetzung solcher bedeutender Ämter und Positionen, so muss im Hinblick auf das optimale Funktionieren der betreffenden Gremien die Qualifikation der sich für das Amt bewerbenden Person beachtet werden. Das Geschlecht darf nicht das entscheidende Kriterium bilden, weshalb grundsätzlich jede Quotenregelung in diesem Bereich unzulässig sein dürfte. In diesem Sinne wird in der Rechtslehre ausgeführt, Quotenregelungen wären allenfalls bei solchen staatlichen Entscheidungsgremien zu erwägen, die nicht primär nach fachlichen Qualifikationen zu bestellen seien, wie z.B. bei Laiengerichten, Aufsichtsorganen, Schulkommissionen usw. (JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, a.a.O., S. 232). Die mit der Initiative 2001 verlangte Quotenregelung würde, wie dargelegt, zu erheblichen Sitzverschiebungen zugunsten der Frauen und zu Lasten der Männer führen. Sie hätte zur Folge, dass für die Männer der Zugang zum Amt eines Regierungsrates oder eines Oberrichters unter Umständen auf Jahre hinaus versperrt wäre.
Es ist mit den kantonalen Behörden davon auszugehen, dass diese Auswirkungen nicht mehr als zumutbare Nachteile bezeichnet werden können, welche im Interesse der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in Kauf zu nehmen sind. Die von den Initianten vorgeschlagene Massnahme stellt daher einen unverhältnismässigen Eingriff in das Diskriminierungsverbot nach Art. 4 Abs. 2
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8. Soweit die Regelung vom Volk gewählte Behörden, d.h. im vorliegenden Fall Kantonsrat, Regierungsrat und Amtsgerichte (Art. 27 Ziff. 2 u. 3 KV), betrifft, kollidiert sie mit den politischen Rechten beider Geschlechter. Die kantonale Instanz erklärte, die Quotenregelung würde die Wahlrechtsgleichheit und den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahlen beeinträchtigen; Art. 4 Abs. 1
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 74 Umweltschutz - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
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1 | Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
2 | Er sorgt dafür, dass solche Einwirkungen vermieden werden. Die Kosten der Vermeidung und Beseitigung tragen die Verursacher. |
3 | Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält. |
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1 | Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
2 | Er sorgt dafür, dass solche Einwirkungen vermieden werden. Die Kosten der Vermeidung und Beseitigung tragen die Verursacher. |
3 | Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 74 Umweltschutz - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
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1 | Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
2 | Er sorgt dafür, dass solche Einwirkungen vermieden werden. Die Kosten der Vermeidung und Beseitigung tragen die Verursacher. |
3 | Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 74 Umweltschutz - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
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1 | Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. |
2 | Er sorgt dafür, dass solche Einwirkungen vermieden werden. Die Kosten der Vermeidung und Beseitigung tragen die Verursacher. |
3 | Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält. |
BGE 123 I 152 S. 172
statuierten Vorbehalts des kantonalen Rechts - aus dem ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes sowie aus dem Gebot der Rechtsgleichheit gemäss Art. 4 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 123 I 152 S. 173
lit. b UNO-Pakt II gewährleistete allgemeine und gleiche Recht, zu wählen und gewählt zu werden, einschränken. Das allgemeine und gleiche Stimm- und Wahlrecht gilt grundsätzlich absolut (POLEDNA, a.a.O., S. 24 ff.; HAEFLIGER, a.a.O., S. 57). Einschränkungen sind nur zulässig, soweit sie notwendig sind, um ein Wahlsystem zu verwirklichen (GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, a.a.O., S. 315). Als Beispiele sind Wahlkreiseinteilungen oder Mandatszuteilungen im Hinblick auf die Funktionen eines Organs in einem bestimmten politischen System zu nennen, wie etwa die Vertretung der Kantone im Ständerat (Art. 80
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 80 Tierschutz - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz der Tiere. |
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1 | Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz der Tiere. |
2 | Er regelt insbesondere: |
a | die Tierhaltung und die Tierpflege; |
b | die Tierversuche und die Eingriffe am lebenden Tier; |
c | die Verwendung von Tieren; |
d | die Einfuhr von Tieren und tierischen Erzeugnissen; |
e | den Tierhandel und die Tiertransporte; |
f | das Töten von Tieren. |
3 | Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 72 Kirche und Staat - 1 Für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat sind die Kantone zuständig. |
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1 | Für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat sind die Kantone zuständig. |
2 | Bund und Kantone können im Rahmen ihrer Zuständigkeit Massnahmen treffen zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften. |
3 | Der Bau von Minaretten ist verboten.39 |
BGE 123 I 152 S. 174
auf einer Wahlliste nicht mehr als 75% Kandidierende eines Geschlechts aufgeführt werden durften. Der französische Verfassungsrat erachtete diese Regelung, die den Zugang von Frauen zu politischen Gremien fördern wollte, als unzulässige Einschränkung des in der Verfassung gewährleisteten allgemeinen Stimm- und Wahlrechts (Urteil vom 18. November 1982, publ. in Recueil des décisions du Conseil constitutionnel, 1982, S. 66 ff.). Auch in Italien waren, um den Zugang von Frauen zu politischen Gremien zu fördern, gesetzliche Regelungen getroffen worden, nach denen in Gemeinden mit einer bestimmten Einwohnerzahl auf den Wahllisten für die Gemeinderatswahlen nicht mehr als zwei Drittel Kandidierende eines Geschlechts aufgeführt werden durften. Das italienische Verfassungsgericht erklärte diese Regelungen als verfassungswidrig. Es vertrat die Ansicht, es sei mit dem in der Verfassung enthaltenen Gleichheitssatz unvereinbar, die Möglichkeit zur Wahl und Kandidatur für ein öffentliches Amt von der Zugehörigkeit zum einen oder anderen Geschlecht abhängig zu machen (Urteil der Corte Costituzionale vom 12. September 1995, publ. in: Il Foro italiano, 1995, S. 3386 ff.). Bei der mit der Initiative 2001 vorgeschlagenen Quotenregelung würde die Geschlechtszugehörigkeit zu einem zentralen Kriterium bei der Wahl von Mitgliedern des Parlaments, der Regierung und der Amtsgerichte. Das Ziel einer an wirklicher Chancengleichheit orientierten Politik muss es aber gerade sein, dass die Geschlechtszugehörigkeit als relevantes Kriterium bei einer Wahl keine Rolle mehr spielt. Im übrigen würde die Quotenregelung bei Wahlen, wie gesagt, zu unhaltbaren Situationen führen, da unter Umständen eine Kandidatin oder ein Kandidat als gewählt erklärt werden müsste, obwohl ein Konkurrent oder eine Konkurrentin des anderen Geschlechts mehr Stimmen erhalten hat.
9. Zusammenfassend ergibt sich folgendes: Die mit der Initiative 2001 verlangte Quotenregelung privilegiert die Frauen im Hinblick auf das in Art. 4 Abs. 2
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BGE 123 I 152 S. 175
dem Bevölkerungsanteil entsprechende Vertretung der Frauen in Parlament, Regierung und Gerichten verlangt wird, geht weit über das Ziel der in Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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