105 IV 120
32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Februar 1979 i.S. B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 181
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- 1. In der Drohung, einen in Aussicht gestellten Vertrag nicht abzuschliessen, dessen Scheitern grosse finanzielle Verluste zur Folge hat, liegt die Androhung eines ernstlichen Nachteils (E. 2a).
- 2. Ob die Androhung einer Unterlassung erlaubt ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Rechtswidrigkeit einer Nötigung (E. 2b).
- 3. Versuchte Nötigung (E. 2c).
Regeste (fr):
- Art. 181 CP. Contrainte.
- 1. La menace de ne pas conclure un contrat dont la signature est prévue et dont l'échec entraînerait une grosse perte financière représente une menace de dommage sérieux (consid. 2 litt. a).
- 2. Le point de savoir si la menace d'une abstention est licite se détermine au regard des principes généraux relatifs à l'illicéité de la contrainte (consid. 2 litt. b).
- 3. Tentative de contrainte (consid. 2 litt. c).
Regesto (it):
- Art. 181 CP. Coazione.
- 1. La minaccia di non stipulare un contratto la cui firma sia prevista e la cui mancata conclusione comporterebbe una notevole perdita finanziaria costituisce una minaccia di grave danno (consid. 2a).
- 2. La questione se la minaccia di un'omissione sia lecita va risolta alla stregua dei principi generali relativi all'illiceità della coazione (consid. 2b).
- 3. Tentativo di coazione (consid. 2c).
Sachverhalt ab Seite 121
BGE 105 IV 120 S. 121
Aus dem Tatbestand:
Im Jahre 1973 kamen die SBB und ein Architekt überein, ein grosses Grundstück zu erwerben und nach dessen Teilung gemeinsam mit vier Wohnblöcken zu überbauen, wobei diesem Architekten die Erstellung der Bauten und die Lieferung der Fertigelemente übertragen werden sollte. Die Verhandlungen, die seitens der SBB vom zuständigen Sachbearbeiter B. und seinem Vorgesetzten geführt wurden, verliefen vorerst reibungslos. Deswegen und auf Anraten des B. ordnete der Architekt bereits die Produktion der Fertigelemente an und kaufte entsprechende Mengen Armierungseisen. Als später B. für die Bereinigung und den Abschluss des Vertrages die Alleinvollmacht erhielt, gerieten die Verhandlungen wegen belangloser Nebenpunkte ins Stocken. Es wurde immer deutlicher, dass B. seine Stellung als Druckmittel missbrauchte und darauf ausging, den Vertragsabschluss von der Zahlung oder dem Versprechen einer persönlichen Provision abhängig zu machen. Der Architekt wollte sich nicht darauf einlassen, bot dem B. aber dennoch den Betrag von Fr. 10'000.- an, ohne sich durch eine schriftliche Schuldanerkennung zu verpflichten. Gestützt auf dieses Zahlungsversprechen unterzeichnete B. den Vertrag. Zur Zahlung der Provision kam es nicht. Der Architekt erstattete Anzeige bei der SBB, die eine Untersuchung gegen B. einleitete. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte B. am 11. Juli 1978 u.a. wegen vollendeter Nötigung zu einer Gefängnisstrafe. Gegen diese Verurteilung erhob B. Nichtigkeitsbeschwerde und verlangte die Aufhebung des Urteils und die Rückweisung der Sache zur Freisprechung. Der Generalprokurator beantragte die Abweisung der Beschwerde.
BGE 105 IV 120 S. 122
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Nötigung im Sinne des Art. 181
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 105 IV 120 S. 123
ist, verweigern. Ob mit einer Unterlassung gedroht werden darf, beantwortet sich daher nicht nach den Regeln über unechte Unterlassungsdelikte (SCHÖNKE/SCHRÖDER, Kommentar, 18. Aufl., § 240 N. 22), sondern nach den Grundsätzen, die für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer Nötigung massgebend sind. Unrechtmässig ist eine Nötigung, wenn das Mittel oder der Zweck der Drohung unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 87 IV 14, BGE 96 IV 62, BGE 101 IV 49, 172; SCHWANDER, Nr. 629a, STRATENWERTH, BT I, 2. Aufl., S. 94). Das trifft hier zu. Dem Beschwerdeführer war es verboten, Geschenke oder Provisionen für sich anzunehmen. Schon der Zweck war unerlaubt. Desgleichen durfte er den Vertragsabschluss nicht als Druckmittel einsetzen, um für sich einen Vorteil zu erlangen, weil er mit dem Vertragsschluss nicht eigene Interessen zu wahren hatte. Er hat somit sachfremde Mittel zur Erreichung eines unerlaubten Zwecks angewendet und seine Amtsgewalt missbraucht. Er handelte rechtswidrig. c) Der Beschwerdeführer wollte den Architekten zwingen, ihm eine Provision auszuhändigen. Deshalb hatte er ihm auch genaue Anweisungen erteilt, wie der Geldbetrag übergeben werden sollte. Dieses Ziel hat er nicht erreicht. Es blieb daher beim Versuch. Nicht anders wäre zu entscheiden, wenn schon das mündliche Versprechen, die Provision zu bezahlen, als Deliktserfolg angesehen werden müsste. Auch die Nötigung zu einem rechtswidrigen Zahlungsversprechen erfüllt den Tatbestand. Doch konnte nur ein ernstgemeintes Versprechen, nicht ein solches unter Mentalreservation den Beschwerdeführer zum endgültigen Vertragsabschluss bewegen. Der Architekt hatte sich aber nur zum Schein auf die Provisionsforderung eingelassen und aus diesem Grund bereits am folgenden Tag Anzeige erstattet. Es gelang dem Beschwerdeführer also auch insoweit nicht, den Willen des Opfers zu beugen. Belanglos ist, dass er später davon absah, auf der Bezahlung der Provision zu bestehen. Denn nicht freiwillig, sondern wegen der eingeleiteten administrativen Untersuchung hat er seinen verbrecherischen Willen aufgegeben. Die Beschwerde ist somit in dem Sinne gutzuheissen, dass die
BGE 105 IV 120 S. 124
Vorinstanz den Beschwerdeführer der versuchten statt der vollendeten Nötigung zu verurteilen hat.