87 IV 13
4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Februar 1961 i.S. Oertly gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Art. 181
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Die durch Androhung einer Strafanzeige begangene Nötigung kann nach den Umständen auch dann rechtswidrig sein, wenn der Gegenstand des gestellten Begehrens mit dem Straftatbestand, der angezeigt werden soll, sachlich zusammenhängt.
Regeste (fr):
- Art. 181 CP.
- La contrainte exercée par la menace d'une plainte pénale peut aussi être illicite, selon les circonstances, lorsque les exigences de l'auteur sont objectivement connexes avec l'acte qui devait faire l'objet de la plainte.
Regesto (it):
- Art. 181 CP.
- La coazione esercitata usando minaccia di una querela penale può, secondo le circostanze, essere illecita anche quando le esigenze dell'autore sono oggettivamente connesse con l'atto che doveva formare oggetto della querela.
Sachverhalt ab Seite 13
BGE 87 IV 13 S. 13
Aus dem Tatbestand:
A.- Oertly verband sich im Frühjahr 1958 zur Durchführung von Geschäften mit Oststaaten mit dem in der Schweiz wohnhaften Ausländer König, der Alleinaktionär der Intercomet Handels AG war. Sie lieferten der chinesischen Volksrepublik in drei Teillieferungen 30 Tonnen Nickel, das sie aus Westdeutschland bezogen. Um das damals geltende Ausfuhrverbot der Westmächte zu umgehen, hatte König inhaltlich unwahre Endverbraucher-Zertifikate besorgt, die auf die spanische Firma Astra in Guernica lauteten. Ein zweites Geschäft, das Oertly anbahnte, um von der belgischen Firma Finkelstein erhältliche 30 Tonnen Nickel nach dem Osten zu verschieben, scheiterte daran, dass die wiederum auf die spanische Firma Astra ausgestellten Endverbraucher-Zertifikate von einem nicht zur Unterschrift bevollmächtigten Vertreter unterzeichnet worden waren. Oertly erklärte darauf König, der auch in diesem Falle die Dokumente beschafft hatte, für den Schaden verantwortlich und verlangte, dass er auf seine Forderung von Fr. 49'190.90, die ihm noch aus dem ersten Geschäft zustand, verzichte und sich ausserdem zur Zahlung von Fr. 20'000.-- verpflichte. Gleichzeitig spielte er wiederholt auf die Möglichkeit einer Strafanzeige wegen Gebrauchs gefälschter Urkunden an. Da König
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wegen seiner unerlaubten Geschäftstätigkeit fremdenpolizeiliche Massnahmen, insbesondere seine Ausweisung aus der Schweiz befürchtete, gab er schliesslich nach und erfüllte die gestellten Begehren.
B.- Am 21. Juni 1960 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich Oertly wegen Nötigung im Sinne von Art. 181
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
C.- Oertly führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Wie in BGE 69 IV 172 ausgeführt wurde, ist derjenige, der im Sinne von Art. 181
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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beispielsweise die Drohung mit einer Strafanzeige wegen Zuhälterei angesehen, weil die Dirne, die den Zuhälter zur Rückerstattung des Geldes veranlassen wollte, selber zum Zustandekommen der strafbaren Tätigkeit des Genötigten wesentlich beigetragen hatte (Urteil des Kassationshofes vom 15. Mai 1953 i.S. Pfister).
2. Oertly hatte nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichtes keine Kenntnis davon, dass die von der Intercomet Handels AG für Finkelstein beschafften Endverbraucher-Zertifikate von einer unbefugten Person ausgestellt worden und infolgedessen unecht waren. Er war daher berechtigt, König, den Alleinaktionär der Intercomet, wegen Gebrauchs gefälschter Urkunden anzuzeigen. Ferner steht verbindlich fest, dass der Misserfolg des mit Finkelstein angebahnten Nickelgeschäfts einzig auf die Unbrauchbarkeit der gefälschten Urkunden zurückzuführen war. Die Schadenersatzansprüche, die Oertly gegen König zu haben glaubte, standen demnach mit den Urkundenfälschungen, die er ihm vorwarf, in direktem Zusammenhang. An sich durfte er deshalb König mit Strafanzeige drohen, um seiner Schadenersatzforderung Nachachtung zu verschaffen. Ob er, was deren Höhe anbelangt, sich in guten Treuen zur Verrechnung mit den Gegenansprüchen der Intercomet im Betrage von Fr. 49, 190.90 und darüber hinaus zur Forderung von Fr. 20'000.-- für berechtigt halten konnte oder ob seine Schadenersatzforderung übersetzt und insoweit seine Drohung aus diesem Grunde missbräuchlich war, wie das Obergericht angenommen hat, kann offen bleiben, da das Vorgehen des Beschwerdeführers auf jeden Fall gegen die guten Sitten verstiess. Zur Ausfuhr von Nickel aus dem Gebiet der Westmächte bedurfte es einer Bewilligung des betreffenden Staates, die nur erhältlich war, wenn der Endverbraucher schriftlich bescheinigte, dass die auszuführende Ware für ihn und nicht für den Export nach einem kommunistischen Oststaate bestimmt sei. Die Lieferungen von Nickel aus Westdeutschland und Belgien nach Rotchina, die Oertly
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und König gemeinschaftlich vorgenommen hatten und weiter vorzunehmen sich anschickten, waren daher überhaupt nur mit Hilfe inhaltlich unwahrer Endverbraucher-Zertifikate möglich. Oertly wusste dies. Er hat somit durch seine Beteiligung an solchen Geschäften von Anfang an die Herstellung und den Gebrauch unwahrer Urkunden gebilligt und sich damit ebenso wie König nach Art. 251
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
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1 | Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.