101 IV 103
28. Urteil des Kassationshofes vom 23. Januar 1975 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen Ziltener.
Regeste (de):
- Art. 277bis Abs. 1
, 277ter Abs. 1
und 2
BStP, Art. 38
OG.
- Bindung der kantonalen Behörde und des Kassationshofes an die im Rückweisungsentscheid erteilten Weisungen.
Regeste (fr):
- Art. 277bis al. 1, 277ter al. 1 et 2 PPF, art. 38 OJ.
- Mesure dans laquelle les autorités cantonales et la Cour de cassation pénale sont liées par les directives données dans la décision de renvoi.
Regesto (it):
- Art. 277bis cpv. 1, 277ter cpv. 1 e 2 PPF, art. 38
OG.
- Misura in cui le autorità cantonali e la Corte di cassazione penale sono vincolati alle direttive contenute nella decisione di rinvio.
Sachverhalt ab Seite 103
BGE 101 IV 103 S. 103
A.- Am 29. März 1974 hat das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Siegfried Ziltener wegen fahrlässiger Tötung, fortgesetzter grober Verletzung von Verkehrsregeln, Fahren in angetrunkenem und übermüdetem Zustand, Unfallflucht und versuchter Vereitelung einer Blutprobe zu 18 Monaten Gefängnis und Fr. 1'000.-- Busse verurteilt. Es gewährte ihm den bedingten Strafvollzug unter Auferlegung einer Probezeit von vier Jahren und der Weisung, während 2 Jahren kein Auto zu führen.
B.- Auf Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hin wies der Kassationshof am 4. Juli 1974 die Vorinstanz an, Ziltener den bedingten Strafvollzug zu verweigern. Diese Rückweisung nahm das Appellationsgericht im neuen Urteil vom 24. September 1974 nicht nur zum Anlass, die Gefängnisstrafe unbedingt vollziehen zu lassen, sondern es setzte die Strafe auch auf 12 Monate Gefängnis herab und nahm von einer Busse Umgang.
C.- Die Staatsanwaltschaft beantragt mit Nichtigkeitsbeschwerde, das Urteil des Appellationsgerichtes vom 24. September 1974 sei aufzuheben, soweit es abgesehen von der Verweigerung
BGE 101 IV 103 S. 104
des bedingten Strafvollzuges das Strafmass herabsetzte.
Ziltener beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Appellationsgericht führt aus, in Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde habe das Bundesgericht die Sache an das Appellationsgericht zurückgewiesen, damit es "dem Beschwerdegegner den bedingten Strafvollzug verweigere". Ohne dies in seinen Erwägungen oder im Urteilsdispositiv ausdrücklich zu erwähnen, habe das Bundesgericht damit den Entscheid des Appellationsgerichts vom 29. März 1974 vollumfänglich aufgehoben. Dies ergebe sich schon daraus, dass mit dem bedingten Vollzug auch die darauf beruhende Weisung dahinfallen müsse. Das Urteil des Bundesgerichts erwähne allerdings auch diesen Umstand nicht, was nur dahin verstanden werden könne, dass das Appellationsgericht das Urteil vollständig neu zu fassen habe. Im übrigen entspreche die Aufhebung des ganzen Urteils nicht nur dem Antrag des Staatsanwalts vor Bundesgericht, sondern auch der kassatorischen Funktion der Nichtigkeitsbeschwerde überhaupt: Die Aufhebung sei die von Art. 277ter Abs. 1
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2. Der Kassationshof darf nicht über die Anträge des Beschwerdeführers hinausgehen (Art. 277bis Abs. 1
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Behörde nicht anweisen, ihn weitergehend abzuändern als der Beschwerdeführer beantragt. Mit Rücksicht auf dieses Verbot muss die Beschwerdeschrift nach Art. 273 Abs. 1 lit. a
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Gemäss Art. 277ter Abs. 2
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BGE 101 IV 103 S. 106
Nichtigkeitsbeschwerde geführt wird, auf seine Weisungen nicht mehr zurückkommen; insoweit hat er das neue Urteil nur daraufhin zu überprüfen, ob es im Rahmen der erteilten Weisungen bleibt (BGE 80 IV 141, BGE 85 IV 211, 92 IV 23, Urteil Meyer vom 23. Dezember 1960; zum analogen Art. 66 Abs. 1
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3. Der einzig beschwerdeführende Staatsanwalt hatte in seiner ersten Beschwerde nur die Gewährung des bedingten Strafvollzugs angefochten. In Gutheissung der Beschwerde hatte der Kassationshof dementsprechend der Vorinstanz ausschliesslich die Weisung erteilt, den bedingten Strafaufschub zu verweigern. Darauf hatte sie sich zu beschränken. Dass mit der Verweigerung des bedingten Strafvollzugs auf diesem beruhende Weisungen wegfallen, ist selbstverständlich. Indem die Vorinstanz in ihrem neuen Entscheid über die Weisung des Kassationshofes hinausging und die Strafe neu bemass, verstiess sie gegen Bundesrecht. Die Auffassung der Vorinstanz, die Verweigerung oder Gewährung des bedingten Strafvollzugs sei ein Strafzumessungsgrund, findet im StGB, das in den Art. 63-68 die Strafzumessungsgründe und -regeln abschliessend aufführt (vgl. BGE 95 IV 61), keine Stütze (Urteil Härtner vom 11. November 1971). Sie behauptet das selber nicht, sondern macht geltend, die Höhe der Strafe und die Art des Vollzuges ständen in einem derart engen Zusammenhang, dass sie nicht voneinander getrennt beurteilt werden könnten, ausser in der Theorie. Dass getrennte Beschlussfassung über Strafmass und bedingten Strafvollzug auch in der Praxis durchaus möglich ist, zeigt indessen allein schon § 188 Abs. 1 StPO-BS, der vorschreibt, dass die Abmehrung darüber, ob eine Verurteilung bedingt zu erfolgen habe, erst vorzunehmen ist, wenn über die Höhe der Strafe Beschluss gefasst ist. Wenn übrigens die These der Vorinstanz von der Unteilbarkeit der Strafzumessung und des Entscheids über den bedingten Strafvollzug zuträfe, so würde sie auch für den Kassationshof gelten. Dann würde das Fehlen einer Weisung über das Strafmass in seinem Urteil bedeuten, dass er stillschweigend eine 18monatige Gefängnisstrafe auch bei unbedingtem Vollzug als angemessen erachtete. Daran wäre die Vorinstanz wiederum gebunden, selbst wenn der Kassationshof sich versehentlich
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zum Strafmass nicht geäussert hätte (BGE 80 IV 143, BGE 85 IV 212).
4. Die Vorinstanz hat somit im Sinne des bundesgerichtlichen Urteils vom 4. Juli 1974 zu entscheiden, d.h. dem Beschwerdegegner den bedingten Strafvollzug zu verweigern und im übrigen ihr Urteil vom 29. März 1974 unverändert zu belassen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.