Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C 470/2021
Urteil vom 22. November 2021
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Hänni,
Bundesrichter Hartmann,
Gerichtsschreiberin Ivanov.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Ritter,
gegen
Veterinäramt des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Regierungsgebäude, 9102 Herisau,
Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse 17, 9102 Herisau.
Gegenstand
Tierschutz,
Beschwerde gegen das Zirkular-Urteil des Obergerichts des Kantons Appenzell Ausserrhoden, 4. Abteilung, vom 29. April 2021 (O4V 19 50).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.A.________ führt in U.________, Gemeinde V.________, einen Landwirtschaftsbetrieb. Er wurde mehrfach wegen Verstössen gegen das Tierschutzgesetz von Strafgerichten der Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden verurteilt. Am 20. Februar 2012 verfügte das Veterinäramt des Kantons Appenzell Ausserrhoden (nachfolgend: Veterinäramt) gegen ihn ein zeitlich unbeschränktes Halteverbot für Nutztiere mit Ausnahme der Pferdehaltung. Dieses Tierhalteverbot bestätigte das Bundesgericht letztinstanzlich mit Urteil 2C 958/2014 vom 31. März 2015.
A.b. Mit einem am 9. Juni 2015 unterzeichneten Vertrag übertrug A.A.________ den Tierbestand rückwirkend auf den 1. Juni 2015 auf seine Frau B.A.________. Das Veterinäramt beurteilte dieses Vorgehen als offensichtliche Umgehung des gegen A.A.________ verhängten Tierhalteverbots (Art. 105 Abs. 2

Mit Schreiben vom 9. Februar 2017 stellte das Veterinäramt fest, dass A.A.________ weiterhin Nutztiere halte und dass ab dem 20. Februar 2017 mit der Durchführung der rechtskräftig angedrohten Vollstreckungshandlungen zu rechnen sei. Mit Schreiben vom 17. Februar 2017 liess B.A.________ dem Veterinäramt mitteilen, dass sie den gesamten Tierbestand gemäss Kaufvertrag vom 6. Februar 2017 an B.________ verkauft habe. Damit würden sich die angedrohten Vollstreckungsmassnahmen zur Durchsetzung des Tierhalteverbots erübrigen.
A.c. Am 20. Februar, 24. Februar und 10. April 2017 führte das Veterinäramt unangemeldete Kontrollen auf dem Betrieb von A.A.________ durch. Zudem wurde B.________ durch den Kantonstierarzt befragt. Mit Schreiben vom 9. Juni 2017 stellte das Veterinäramt A.A.________ und B.A.________ zur Gewährung des rechtlichen Gehörs den Entwurf einer Vollstreckungsverfügung zu.
A.d. Mit Eingabe vom 19. Juni 2017 reichte A.A.________ beim Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Appenzell Ausserrhoden (nachfolgend: Departement) ein Ausstandsbegehren gegen das Veterinäramt bzw. dessen Mitarbeiter ein. Dieses Ausstandsbegehren wurde vom Bundesgericht mit Urteil 2C 382/2018 vom 15. März 2019 letztinstanzlich abgewiesen.
A.e. Mit Entscheid vom 14. August 2017 erliess das Veterinäramt gegen A.A.________ eine Vollstreckungsverfügung. Darin stellte es unter anderem fest, dass das gegen ihn rechtskräftig verfügte Tierhalteverbot nicht umgesetzt worden sei. A.A.________ wohne und arbeite auf dem Betrieb U.________ und sei damit weder räumlich noch betrieblich von den Nutztieren getrennt, noch habe eine Umstellung auf eine andere Bewirtschaftungsart stattgefunden. Der Betrieb sei auch nicht vollständig an eine Person übertragen worden, welche die Tiere allein halte. A.A.________ wurde eine Notfrist von drei Tagen zur Beseitigung des nach wie vor bestehenden rechtswidrigen Zustands angesetzt. Einem allfälligen Rekurs entzog das Veterinäramt die aufschiebende Wirkung.
Gegen die Vollstreckungsverfügung vom 14. August 2017 rekurrierte A.A.________ beim Departement. Mit Zwischenentscheid vom 31. August 2017 wies das Departement den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Dieser Zwischenentscheid ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Mit Zwischenverfügung vom 26. September 2017 sistierte das Departement das Rekursverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid betreffend das Ausstandsbegehren (vgl. vorne A.d).
A.f. Gestützt auf die Vollstreckungsverfügung vom 14. August 2017 wurde am 1. September 2017 auf dem Betrieb U.________ die Ersatzvornahme durchgeführt. Dabei beschlagnahmte das Veterinäramt gegenüber C.A.________, Tochter von A.A.________, 90 Hühner. 128 Junghennen, acht Ziegen sowie 52 Schafe wurden durch von der Familie A.________ beauftragte Dritte abtransportiert. Um ca. 12.30 Uhr waren alle Tiere, die vom Tierhalteverbot betroffen waren, weggebracht. Mit Zwischenverfügung vom 11. September 2017 bestätigte das Veterinäramt gegenüber C.A.________ die Beschlagnahme der Hühner.
A.g. Am 22. Mai 2019 nahm das Departement das Rekursverfahren gegen die Vollstreckungsverfügung vom 14. August 2017 wieder auf. Mit Entscheid vom 13. November 2019 wies es den Rekurs von A.A.________ ab.
B.
Mit Zirkular-Urteil vom 29. April 2021 trat das Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 4. Abteilung, auf die dagegen erhobene Beschwerde von A.A.________ im Sinne der Erwägungen nicht ein, und hob den Entscheid des Departements vom 13. November 2019 auf.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 7. Juni 2021 gelangt A.A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt, das Zirkular-Urteil des Obergerichts des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 29. April 2021 sei aufzuheben und die Angelegenheit sei zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen des Bundesgerichts an das Obergericht zurückzuweisen. Eventualiter sei festzustellen, dass die Vollstreckungsverfügung betreffend das Tierhalteverbot gegen A.A.________ rechtswidrig sei.
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1. Die frist- (Art. 100 Abs. 1








1.2. Vor Bundesgericht kann der Streitgegenstand gegenüber dem vorinstanzlichen Verfahren weder geändert noch erweitert werden (Art. 99 Abs. 2


vor. Soweit der Beschwerdeführer eventualiter beantragt, es sei festzustellen, dass die Vollstreckungsverfügung betreffend das Tierhalteverbot gegen ihn rechtswidrig sei, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
2.
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a





6.3; 133 II 249 E. 1.4.2).
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1



3.
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, das Obergericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses verneint. Er wirft der Vorinstanz eine willkürliche Anwendung des massgebenden kantonalen Rechts (Art. 9


3.2. Gemäss Art. 29a


Ein solches Interesse verlangt unter anderem Art. 89 Abs. 1 lit. c


3.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Interesse nur dann schutzwürdig, wenn der Beschwerdeführer noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat (vgl. BGE 140 III 92 E. 1.1; 136 I 274 E. 1.3, mit Hinweisen). Fehlt ein solches Interesse bereits bei Erhebung der Beschwerde, führt das zu einem Nichteintreten. Fällt das schutzwürdige Interesse an einer Beschwerde im Laufe des Verfahrens dahin, so wird die Sache als gegenstandslos erklärt. Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BGE 135 I 79 E. 1.1; 131 II 670 E. 1.2; 128 II 34 E. 1b; Urteil 2C 599/2010 vom 11. März 2011 E. 3.1).
3.4. Dem angefochtenen Urteil kann entnommen werden, dass das kantonale Recht dieselben Anforderungen an die Beschwerdelegitimation stellt wie Art. 89 Abs. 1 lit. c

4.
Streitgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war die Vollstreckungsverfügung des Veterinäramtes vom 14. August 2017. Unbestritten ist, dass die Ersatzvornahme, welche sich auf diese Vollstreckungsverfügung stützte, bereits am 1. September 2017 durchgeführt wurde. Dem angefochtenen Urteil kann zudem entnommen werden, dass am 1. September 2017 alle Tiere, die vom Tierhalteverbot betroffen waren, in Sicherheit gebracht worden waren (vgl. vorne, Sachverhalt A.f), womit die angefochtene Vollstreckungsverfügung gegenstandslos wurde. Zu prüfen ist deshalb, ob die Vorinstanz das Vorliegen eines aktuellen und praktischen Rechtsschutzinteresses zu Recht verneint hat.
4.1. Der Beschwerdeführer begründet sein Interesse an der Behandlung seiner Beschwerde mit dem Umstand, dass die Verfügung vom 14. August 2017 die rechtliche Grundlage für die widerrechtliche Beschlagnahme seiner Tiere bilde und er mit Kosten für den Vollzug des Tierhalteverbots zu rechnen habe.
Aus dem angefochtenen Urteil und den Akten ergibt sich indessen, dass bei der Durchführung der Ersatzvornahme am 1. September 2017 ausschliesslich Hühner beschlagnahmt wurden, die sich nach den Angaben des Beschwerdeführers und dessen Tochter im Eigentum der Tochter befanden. So ist auch die Zwischenverfügung des Veterinäramtes vom 11. September 2017, mit welcher die am 1. September 2017 superprovisorisch erfolgte Beschlagnahme bestätigt wurde, an die Tochter des Beschwerdeführers adressiert. An sie richtet sich auch der aktenkundige Verfügungsentwurf des Veterinäramtes vom 29. September 2017 betreffend die Kostenverrechnung für die Vollstreckung des Tierhalteverbots. Folglich war der Beschwerdeführer weder als Eigentümer der beschlagnahmten Tiere noch als Kostenpflichtiger von der auf Grundlage der hier strittigen Vollstreckungsverfügung erfolgten Ersatzvornahme betroffen. Somit kann er aus dem Umstand, dass die Beschlagnahme der Tiere Kosten nach sich ziehen könnte, keinen praktischen Nutzen an der Behandlung seiner Beschwerde ziehen. Im Übrigen besteht kein Anlass, an der vorinstanzlichen Auffassung zu zweifeln, wonach für die Kostenauferlegung separat anfechtbare Verfügungen ergehen werden (vgl. E. 4 des angefochtenen
Urteils).
4.2. Zu prüfen ist schliesslich, ob die Vorinstanz ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen und praktischen Rechtsschutzinteresses hätte verzichten müssen.
4.2.1. Der Beschwerdeführer behauptet, es handle sich um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, deren Beantwortung aufgrund des Entzugs der aufschiebenden Wirkung praktisch nie rechtzeitig möglich sei. Zum einen stelle sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Tierhalteverbot nicht nur die Person des Tierhalters, sondern auch Familienmitglieder und sogar Dritte betreffe bzw. für einen ganzen Landwirtschaftsbetrieb gelte, wenn der Adressat des Tierhalteverbots weiterhin auf dem Betrieb wohne. Zum anderen frage es sich, ob und unter welchen Voraussetzungen sich Dritte ein Tierhalteverbot entgegenhalten lassen müssten, dessen Adressaten sie nicht seien.
4.2.2. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich, wenn ein allgemeines Interesse besteht, eine umstrittene Frage im Sinne der einheitlichen Anwendung und Auslegung des Bundesrechts höchstrichterlich zu klären, und damit Rechtssicherheit herzustellen (BGE 138 I 232 E. 2.3; 135 III 397 E. 1.2; Urteil 2C 630/2014 vom 24. Oktober 2014 E. 1.2.2).
Mit seinen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, inwiefern diese Voraussetzungen hier erfüllt sein sollen. Wie das Obergericht zu Recht ausführt, hat sich das Bundesgericht mit der Tragweite und den Adressaten von Tierhalteverboten in mehreren Urteilen bereits befasst (vgl. die von der Vorinstanz zitierten Urteile 2C 196/2013 vom 27. Oktober 2013 und 2C 635/2011 vom 11. März 2012; E. 5 des angefochtenen Urteils). Zudem hat das Bundesgericht in seinem den Beschwerdeführer betreffenden Urteil in Bezug auf den Begriff des Tierhalters festgehalten, dass das Tierschutzgesetz selbst zwar keine spezifische Umschreibung enthält, wer als Tierhalter zu gelten hat, jedoch zwischen Betreuer und Tierhalter unterscheidet (Art. 6 Abs. 1 Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 [TschG; SR 455]). Tierhalter im Sinne von Art. 56

somit nicht ersichtlich, inwiefern ein öffentliches Interesse an der Klärung der vom Beschwerdeführer gestellten Fragen besteht bzw. deren Beantwortung für die Praxis wegleitend sein kann.
Folglich hat die Vorinstanz das Vorliegen einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu Recht verneint.
4.3. Sollte der Beschwerdeführer im Übrigen der Auffassung sein, das gegen ihn rechtskräftig verfügte Tierhalteverbot sei nicht rechtmässig gewesen und daraus ein Rechtsschutzinteresse an der Behandlung seiner Beschwerde durch die Vorinstanz ableiten wollen, ist Folgendes festzuhalten: Eine Verfügung, mit der ein rechtskräftiger Entscheid vollzogen wird, kann nur soweit angefochten werden, als die gerügte Rechtswidrigkeit in der Vollstreckungsverfügung selbst begründet ist. Grundsätzlich ausgeschlossen ist die Rüge, die frühere (materielle) Verfügung sei rechtswidrig (vgl. Urteil 2C 196/2013 vom 27. Oktober 2013 E. 5.2). Folglich könnte er aus einer allfälligen Rechtswidrigkeit des mit Urteil 2C 958/2014 vom 31. März 2015 bestätigten Tierhalteverbots kein aktuelles und praktisches Interesse an der Behandlung seiner Beschwerde ableiten.
4.4. Schliesslich bilden die Eigentumsverhältnisse an den am 1. September 2017 beschlagnahmten bzw. vom Beschwerdeführer weggebrachten Tiere sowie die Frage, ob der Beschwerdeführer das gegen ihn angeordnete Tierhalteverbot umgesetzt habe, nicht Gegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens (vgl. E. 1.2 hiervor), sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde nicht weiter einzugehen ist.
5.
5.1. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Vorinstanz zu Recht das Vorliegen eines aktuellen und praktischen Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers verneint hat. Somit waren im vorinstanzlichen Verfahren nicht alle Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt und der Beschwerdeführer kann sich nicht mit Erfolg auf die Rechtsweggarantie (Art. 29a

5.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1


Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. November 2021
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Die Gerichtsschreiberin: Ivanov