Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2007.3

Entscheid vom 15. Februar 2007 I. Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Alex Staub, Vorsitz, Tito Ponti und Andreas Keller , Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

Kanton Luzern, Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Gesuchsteller

gegen

1. Kanton Zürich, Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

2. Kanton Zug, Untersuchungsrichteramt des Kantons Zug,

3. Kanton Bern, Generalprokuratur des Kantons Bern, Gesuchsgegner

Gegenstand

Bestimmung des Gerichtsstandes i.S. A., B., C., D., E., F., G., H., I. und J. (Art. 279 Abs. 1 BStP)

Sachverhalt:

A. A., B., C., D., E., F., G., H., I. und J. wird vorgeworfen, in der Zeitspanne zwischen Oktober 2001 bis Juni 2005 im Rahmen von mehreren Deliktsserien insgesamt eine Vielzahl von verschiedenen Straftaten begangen zu haben. Die Täterschaft agierte im Rahmen der einzelnen Deliktsserien jeweils in unterschiedlicher Zusammensetzung. Grossmehrheitlich soll es sich hierbei um Einbruchdiebstähle oder entsprechende Versuche gehandelt haben; insgesamt betreffen ungefähr 287 Fälle derartige Straftaten. Verübt wurden die entsprechenden Delikte in den Kantonen Zürich (21 Fälle), Bern (75 Fälle), Zug (9 Fälle), St. Gallen (65 Fälle), Luzern (7 Fälle), Thurgau (52 Fälle), Freiburg (12 Fälle), Aargau (22 Fälle), Basel-Landschaft (11 Fälle), Graubünden (2 Fälle), Schwyz (8 Fälle), Glarus (2 Fälle) und Solothurn (1 Fall) (vgl. die Zusammenstellung in act. 1, S. 7). Der erste, angeblich von A., G., H. und K. verübte Einbruchdiebstahl soll am 22./23. Oktober 2001 auf dem Campingplatz L. in Z., mithin auf dem Gebiet des Kantons Zürich erfolgt sein.

B. Zwischen dem 20. Juli 2006 und dem 21. Dezember 2006 führte die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern mit sämtlichen ihres Erachtens ernsthaft für die Strafverfolgung der genannten Beschuldigten in Frage kommenden Kantonen (Zürich, Bern, Zug, St. Gallen, Thurgau) einen Meinungsaustausch durch. Alle Kantone verneinten ihre Zuständigkeit.

C. Mit Gesuch vom 22. Januar 2007 gelangt die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern an die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, was folgt (act. 1):

1. Die Behörden des Kantons Zürich seien als berechtigt und verpflichtet zu erklären, die zur Zeit gegen die erwähnten Angeschuldigten Ziff. 1-10 im Kanton Luzern hängigen Strafverfahren zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Eventuell seien die Behörden des Kantons Zug als berechtigt und verpflichtet zu erklären, die zur Zeit gegen die erwähnten Angeschuldigten Ziff. 1-10 im Kanton Luzern hängigen Strafverfahren zu verfolgen und zu beurteilen.

3. Subeventualiter seien die Behörden des Kantons Bern als berechtigt und verpflichtet zu erklären, die zur Zeit gegen die erwähnten Angeschuldigten Ziff. 1-10 im Kanton Luzern hängigen Strafverfahren zu verfolgen und zu beurteilen.

In seiner Gesuchsantwort vom 29. Januar 2007 erachtet das Untersuchungsrichteramt des Kantons Zug die Behörden des Kantons Zürich als zuständig und berechtigt, die Strafverfolgung gegen A. und dessen Mitbeschuldigte zu führen. Die Behörden des Kantons Zug seien zur Verfolgung der vorliegenden Strafuntersuchung nicht zuständig (act. 3).

Die Generalprokuratur des Kantons Bern beantragt in ihrer Gesuchsantwort vom 29. Januar 2007, dass die Behörden des Kantons Zürich zur Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten für berechtigt und verpflichtet zu erklären seien (act. 4).

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich stellt im Rahmen ihrer Gesuchsantwort vom 30. Januar 2007 die folgenden Anträge (act. 5):

1. Es sei der Antrag 1 des Kantons Luzern vom 22. Januar 2007 abzuweisen.

2. Es sei der Antrag 3 des Kantons Luzern vom 22. Januar 2007 gutzuheissen.

3. Eventualiter sei der Antrag 2 des Kantons Luzern vom 22. Januar 2007 gutzuheissen.

Die eingereichten Gesuchsantworten wurden den Parteien mit Schreiben vom 2. Februar 2007 wechselseitig zur Kenntnis gebracht (act. 7 bis 10). Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern wurde gleichzeitig um eine Ergänzung der eingereichten Akten bzw. um Zustellung des Deliktsblattes 1.012 mitsamt sämtlichen diesbezüglichen Beilagen ersucht (act. 10).

Auf die Ausführungen der Parteien sowie die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen eingegangen.

Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Zuständigkeit der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid über Gerichtsstandsstreitigkeiten ergibt sich aus Art. 345 StGB i.V.m. Art. 279 Abs. 1 BStP, Art. 28 Abs. 1 lit. g SGG und Art. 9 Abs. 2 des Reglements für das Bundesstrafgericht vom 20. Juni 2006 (SR 173.710). Voraussetzung für die Anrufung der I. Beschwerdekammer ist allerdings, dass ein Streit über einen interkantonalen Gerichtsstand vorliegt und dass die Kantone über diesen Streit einen Meinungsaustausch durchgeführt haben (Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, N. 599). Eine Frist für die Anrufung der Beschwerdekammer besteht für die Kantone nicht (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 623). Die eingangs erwähnten Behörden sind nach ihren kantonalen Zuständigkeitsordnungen berechtigt, bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten ihre Kantone vor der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu vertreten (Schweri/Bänziger, a.a.O., Anhang II, S. 213 ff.).

1.2 Der Gesuchsgegner 1 bemängelt im Rahmen seiner Gesuchsantwort sinngemäss, dass der durchgeführte Meinungsaustausch nicht vollständig sei und auch nicht alle zum Meinungsaustausch eingeladenen Kantone am gerichtlichen Verfahren beteiligt würden. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass es nicht Sinn und Zweck des Meinungsaustauschs sein kann, dass sämtliche involvierten Kantone sich zusätzlich auch noch untereinander direkt austauschen. Insbesondere hat der Kanton, der ein Verfahren abtreten will, einen Austausch mit jenem Kanton zu pflegen, den er für zuständig hält (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 562). Vor diesem Hintergrund ist die vom Gesuchsteller geführte Korrespondenz mit insgesamt fünf Kantonen ausreichend. Dass Kantone, deren Meinung ebenfalls eingeholt worden ist, welche aber auf Grund der nachfolgenden Erwägungen offensichtlich nicht als Gerichtsstand in Frage kommen, nun nicht am gerichtlichen Verfahren beteiligt sind, ist nicht zu beanstanden. Auf das Gesuch ist somit einzutreten.

2.

2.1 Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten begangener strafbarer Handlungen verfolgt, so sind die Behörden des Ortes, wo die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist, auch für die Verfolgung und die Beurteilung der anderen Taten zuständig (Art. 344 Abs. 1 StGB). Bei der Ermittlung der mit der schwersten Strafe bedrohten Tat zu berücksichtigen sind die im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches umschriebenen Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe (Gewerbsmässigkeit, besondere Gefährlichkeit usw.), d.h. die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, welche die Tat qualifizieren oder privilegieren (Schweri/ Bänziger, a.a.O., N. 293 m.w.H.).

Bei der rechtlichen Handlungseinheit werden mehrere selbstständige strafbare Handlungen im Sinne einer natürlichen Handlungsmehrheit (von denen eigentlich jede einen bestimmten Tatbestand erfüllen würde) durch ihre gesetzliche Umschreibung im Tatbestand (gewerbsmässiges oder bandenmässiges Delikt oder Dauerdelikt) oder durch Lehre bzw. frühere Rechtsprechung (fortgesetztes Delikt) zu einer rechtlichen oder juristischen Handlungseinheit verschmolzen, die auch als Kollektivdelikt bezeichnet wird. Diese rechtliche Einheit besteht objektiv in gleichartigen Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind, an verschiedenen Orten begangen werden können, in einem zeitlichen Zusammenhang stehen und subjektiv auf einem alle Handlungen umfassenden Entschluss bzw. einem Gesamtvorsatz beruhen. Der Gerichtsstand bestimmt sich nach Art. 340 StGB, sofern nicht gestützt auf Art. 262 und 263 BStP aus wichtigen Gründen (z.B. weil das Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit in einem anderen Kanton liegt als in jenem, in dem die Untersuchung zuerst angehoben wurde) von diesem Gerichtsstand abgewichen wird (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 83 m.w.H.).

Für die Verfolgung und Beurteilung einer strafbaren Handlung sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die strafbare Handlung ausgeführt wurde. Liegt nur der Ort, wo der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig (Art. 340 Abs. 1 StGB). Ist die strafbare Handlung an mehreren Orten ausgeführt worden, oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde (Art. 340 Abs. 2 StGB).

2.2 Bei der mit der schwersten Strafe bedrohten Tat, welche den Beschuldigten vorliegend zur Last gelegt wird, handelt es sich um den bandenmässig begangenen Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 3 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB. Der erste im Rahmen der sog. Lasso-Deliktsserien erfasste Einbruchdiebstahl erfolgte in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 2001 auf dem Gebiet des Kantons Zürich. Die entsprechende Anzeige erfolgte am 23. Oktober 2001 um 08.20 Uhr bei der Kantonspolizei Zürich (vgl. Lasso-Tatbestände Serie 1, Ordner 11, Faszikel 1.2). Gestützt hierauf gelangen sowohl der Gesuchsteller sowie die Gesuchsgegner 2 und 3 zum Schluss, dass der Gesuchsgegner 1 zur Verfolgung und Beurteilung der Lasso-Serien zuständig sei. Der Gesuchsgegner 1 bringt dagegen vor, dass die in diesem Zusammenhang erwähnten DNA-Spurverbindungen unklar seien und keinen rechtsgenüglichen Tatverdacht einer Beteiligung einzelner der eingangs erwähnten Beschuldigten am erwähnten Einbruchdiebstahl zu begründen vermögen.

In den Akten (vgl. Lasso-Tatbestände Serie 1, Ordner 11, Faszikel 1.2) befinden sich diesbezüglich u.a. die folgenden Hinweise: das am ersten Tatort auf dem Campingplatz L. sichergestellte DNA-Profil AA. ergibt einen sog. Spur-Spur-Zusammenhang mit dem beim Bancomat-Fund vom 16. September 2003 in Y. vorgefundenen DNA-Profil BB. Anders ausgedrückt, sind die beiden DNA-Profile bzw. der dazugehörende Spurgeber identisch (vgl. hierzu den Bericht der Kantonspolizei Zürich an die Kantonspolizei Thurgau vom 14. November 2003, Lasso-Tatbestände Serie 1, Ordner 1, Faszikel 1.2). A., B. und D. sind geständig, den entsprechenden Einbruchdiebstahl in Y. begangen zu haben und bezeichnen G. diesbezüglich als Mitbeteiligten. Der dieser Tat verdächtigte G. ist flüchtig und konnte zu diesem Tatbestand noch nicht befragt werden (vgl. Deliktsverzeichnis, Ziff. 4.029). Ebenso konnte von ihm bisher noch kein DNA-Profil erstellt werden. Die bereits erwähnte, im Oktober 2001 auf dem Campingplatz L. sichergestellte Spur ergibt weiter einen Zusammenhang mit dem DNA-Profil CC., welches in einem Waldlager bei X. sichergestellt werden konnte. Es konnte auf Grund weiterer DNA-Spuren nachgewiesen werden, dass der Beschuldigte B., welcher seinen Aussagen zufolge zu dieser Zeit u.a. zusammen mit G. delinquiert haben will, sich ebenfalls in diesem Waldlager aufgehalten hatte. Entgegen der Auffassung des Gesuchsgegners 1 ergibt sich auf Grund der verschiedenen Aussagen, wonach G. der Mitbeteiligung belastet wird, sowie auf Grund der verschiedenen gleichartigen DNA-Spuren ein genügender Verdacht, wonach der Beschuldigte G. am ersten Lasso-Einbruchdiebstahl auf dem Campingplatz L. mitbeteiligt gewesen ist. Das entsprechende Delikt kann somit der Gruppe um A. zugeschrieben werden, auch wenn dieser selber sich angeblich nicht mehr daran zu erinnern vermag. Ein weiteres auf dem Campingplatz L. sichergestelltes DNA-Profil DD. ergibt einen Zusammenhang mit einem anderen betreffend einem Lasso-Fall sichergestellten DNA-Profil EE. (Fund eines Personenwagens in W., vgl. Deliktsverzeichnis, Ziff. 1.057).

Insgesamt ergibt sich somit ein genügender Verdacht, wonach der Einbruchdiebstahl auf dem Campingplatz L. das erste zur Anzeige gebrachte, gerichtsstandsrelevante Delikt darstellt.

2.3 Weiter bringt der Gesuchsgegner 1 gegen seine eigene Zuständigkeit vor, dass im Deliktsverzeichnis Aktion Lasso Serie 1 beim Delikt Nr. 1.012 angeführt werde, dass hierbei sichergestellte DNA-Profile auch mit früher verübten Delikten aus dem Kanton Bern (05. Juli 1999 Einbruchdiebstahl in V.) und dem Kanton Solothurn (15. Juli 1999 Tresor-Fund in U.) in Zusammenhang stünden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass diese Delikte vor den Einbruchdiebstählen auf dem Campingplatz L. zur Anzeige gebracht worden seien, weshalb die Zuständigkeit des Gesuchsgegners 1 verneint werden müsse.

Auf Grund der zum Delikt Nr. 1.012 eingereichten Akten lässt sich ein solcher Zusammenhang nicht nachvollziehen. Jedoch findet sich im gegen F. ergangenen Urteil des Kreisgerichts III Aarberg–Büren–Erlach vom 15. Juni 2006 (vgl. Ordner Gerichtsstand i.S. Lasso, Faszikel 2, Beilage 48.1) der Hinweis, dass sowohl der Einbruchdiebstahl in V. als auch in U. im Rahmen einer durch F., M., N., O. und evtl. anderen unbekannten Mittätern begangenen „Einbruchserie I 1999“ verübt worden sind. Betreffend F. fallen diese beiden Delikte für die vorliegend vorzunehmende Bestimmung des Gerichtsstandes somit ausser Betracht. Dessen damalige Mittäter sind, soweit bekannt, vorliegend nicht von Interesse.

2.4 Somit ergibt sich, dass die Untersuchung betreffend dem bandenmässig begangenem Diebstahl zuerst im Kanton Zürich angehoben worden ist, weshalb der Gesuchsgegner 1 grundsätzlich zur Verfolgung und Beurteilung des A. sowie dessen Mitbeschuldigten zuständig zu erklären ist.

3.

3.1 Vom gesetzlichen Gerichtsstand darf in Anwendung von Art. 262 und 263 BStP nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige, sich gebieterisch aufdrängende Gründe dafür vorliegen und ein örtlicher Anknüpfungspunkt in demjenigen Kanton gegeben ist, der die Strafverfolgung übernehmen soll (vgl. TPF BK_G 166/04 vom 11. November 2004 E. 3.2, TPF BG.2005.8 vom 18. Mai 2005 E. 3.1 und TPF BG.2005.18+ BG.2005.19 vom 26. Juli 2005 E. 2.1; BGE 120 IV 280, 282 E. 2b). Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn in einem Kanton ein offensichtliches Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit liegt, wobei es allerdings nicht genügt, dass auf einen Kanton einige wenige Delikte mehr als auf einen anderen entfallen, sondern das Übergewicht muss so offensichtlich und bedeutsam sein, dass sich das Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand geradezu aufdrängt. Wenn mehr als zwei Drittel einer grösseren Anzahl von vergleichbaren Straftaten auf einen einzigen Kanton entfallen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass in diesem Kanton ein Schwergewicht besteht, welches es rechtfertigt, vom gesetzlichen Gerichtsstand abzuweichen. Bei nur einem Drittel einer grösseren Anzahl von Straftaten, die in einem Kanton begangen wurden, dürfte in diesem Kanton demgegenüber regelmässig noch kein hinreichendes Schwergewicht für ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand vorliegen (vgl. TPF BG.2005.9 vom 4. Juli 2005 E. 3.1 m.w.H.).

3.2 Im vorliegenden Verfahren drängt sich im Lichte dieser Rechtsprechung kein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand auf. Von einem Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit im Kanton Bern kann bei bloss rund 26 % der auf diesen Kanton entfallenden Straftaten nicht gesprochen werden. Die vom Gesuchsgegner 1 unter Anrufung von BGE 112 IV 139 angeregte Bildung von Gruppen von Kantonen – mit Bern, St. Gallen und Thurgau als Hauptgruppe mit 192 von 287 Delikten und innerhalb dieser Gruppe der Kanton Bern als „forum praeventionis“ – ist kein taugliches Kriterium, um ein Schwergewicht deliktischer Tätigkeit herauszukristallisieren. Es wäre wohl meistens möglich, eine Gruppe von Kantonen zu bilden und innerhalb derer den Gerichtsstand unter Ausblendung der anderen Kantone zu bestimmen. Es kann nicht Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung gemäss der Art. 262 und 263 BStP sein, eine derartige Aufweichung der Bestimmung des gesetzlichen Gerichtsstandes herbeizuführen (vgl. hierzu auch TPF BG.2005.9 vom 4. Juli 2005 E. 3.2 und TPF BG.2006.22 vom 30. Juni 2006 E. 4.2).

3.3 Ebenfalls ergibt sich keine Verpflichtung des Gesuchsgegners 3 zur Übernahme des Verfahrens aus dem Entscheid TPF BG.2006.26 vom 10. August 2006 betreffend der Lasso-Serie 2. Keiner der Beschuldigten aus nämlichem Verfahren war an einer der hier interessierenden Lasso-Serien beteiligt, so dass sich diesbezüglich – abgesehen vom selben Namen und dem selben modus operandi – keinerlei Zusammenhang ergibt.

Der Gesuchsgegner 1 führt weiter aus, dass der Gesuchsgegner 3 durch die Beurteilung des einen Mittäters (vgl. Urteil des Kreisgerichts III Aarberg–Büren–Erlach vom 15. Juni 2006) seine Zuständigkeit anerkannt habe. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zudem bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Gesuchsgegner 3 vorgeworfen werden könnte, sich durch den Erlass des besagten Urteils der Gerichtsstandsfrage zu entziehen, wie dies der Gesuchsgegner 1 suggeriert.

3.4 Somit ergibt sich, dass keine triftigen Gründe vorhanden sind, welche vorliegend ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand aufdrängen würden. Demnach sind die Behörden des Kantons Zürich berechtigt und verpflichtet, die den eingangs erwähnten Beschuldigten zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.

4. Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG i.V.m. Art. 245 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BStP).

Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:

1. Die Behörden des Kantons Zürich sind berechtigt und verpflichtet, die A., B., C., D., E., F., G., H., I. und J. zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bellinzona, 15. Februar 2007

Im Namen der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Vorsitzende: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

- Untersuchungsrichteramt des Kantons Zug

- Generalprokuratur des Kantons Bern

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : BG.2007.3
Datum : 15. Februar 2007
Publiziert : 01. Juni 2009
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Gegenstand : Bestimmung des Gerichtsstandes i.S. A., B., C., D., E., F., G., H., I. und J. (Art. 279 Abs. 1 BStP)


Gesetzesregister
BGG: 66
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BStP: 245  262  263  279
SGG: 28
StGB: 139 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
340  344  345
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112-IV-139 • 120-IV-280
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