Urteilskopf

144 III 452

54. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.X. Limited gegen B., C. m.b.H. und D. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_442/2017 vom 28. August 2018

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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 453

BGE 144 III 452 S. 453

A. Der mittlerweile verstorbene E. erwarb im März 2006 die F. AG mit Sitz in U. und war fortan deren Alleinaktionär. Er schloss am 23. März 2006 mit der D. AG (Beklagte 3, Beschwerdegegnerin 3) einen Mandatsvertrag ab betreffend die F. AG. Gemäss dessen Ziffer 1 stellte die D. AG den Verwaltungsrat zur Verfügung in der Person von B. (Beklagter 1, Beschwerdegegner 1), damals Verwaltungsratsdelegierter der D. AG. Die D. AG verpflichtete sich dabei, das übernommene Verwaltungsratsmandat treuhänderisch für E. auszuüben und ausschliesslich nach dessen Instruktionen oder solchen von durch diesen bezeichneten Drittpersonen zu handeln. Am 30. März 2006 wurde B. als neuer (einziger) Verwaltungsrat und die C. m.b.H. (Beklagte 2, Beschwerdegegnerin 2) als neue Revisionsstelle der F. AG in das Handelsregister eingetragen. Am 16. November 2009 wurde der Konkurs über die F. AG eröffnet. Die A.X. Limited (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist eine im Gesellschaftsregister der Republik Zypern eingetragene Gesellschaft mit Sitz in V. Die A. Bank (Schweiz) AG in Liquidation mit Sitz in W. trat ihr am 5. Februar 2016 ihre im Konkurs der F. AG kollozierte Forderung ab.
B. Am 12. Juli 2012 klagte die A. Bank (Schweiz) AG vor dem Handelsgericht des Kantons Aargau aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit gegen B., die C. m.b.H. sowie die D. AG. Mit Zwischenentscheid vom 5. Mai 2014 erklärte das Handelsgericht die aargauischen Gerichte für örtlich zuständig. Mit Urteil vom 21. Juni 2017 trat es auf die Klage nicht ein. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der A.X. Limited gut. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Klage sechs Schadensposten/Teilansprüche geltend gemacht, welche durch verschiedene Pflichtverletzungen der Beklagten als
BGE 144 III 452 S. 454

Verwaltungsrat (Beschwerdegegner 1), Revisionsstelle (Beschwerdegegnerin 2) und faktisches Organ (Beschwerdegegnerin 3) schuldhaft verursacht worden seien. Total kumulierten sich die mit der Klage geltend gemachten Schadensposten auf (gerundet) Fr. 6'000'000.-. Davon habe die Beschwerdeführerin unter Vorbehalt des Nachklagerechts nur Fr. 3'000'000.- eingeklagt. Es handle sich um eine Teilklage, die auf verschiedenen Lebenssachverhalten beruhe, somit eine Teilklage in Kombination mit einer objektiven Klagenhäufung. Da nicht angegeben werde, in welcher Reihenfolge beziehungsweise in welchem Umfang das Gericht die Ansprüche prüfen müsse, liege gemäss der in BGE 142 III 683 publizierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine unzulässige alternative Klagenhäufung vor. Somit könne auf die Klage nicht eingetreten werden. An der mangelnden Bestimmtheit des Rechtsbegehrens ändere nichts, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Stellungnahme vom 24. November 2016 auf ihren Nachklagevorbehalt und damit darauf verzichtet habe, mit einer weiteren Klage die Differenz zwischen der Klagesumme und der Gesamtforderung zusätzlich einzuklagen. Auch nach diesem Verzicht bleibe unklar, welche Teilforderungen beziehungsweise welche Anteile an welchen Teilforderungen auf das Klagebegehren entfielen (und somit vom Gericht zu beurteilen seien) und auf welche Teilforderungen bzw. auf welche Anteile an welchen Teilforderungen die Beschwerdeführerin verzichtet habe. Die Beschwerdeführerin rügt eine in verschiedener Hinsicht fehlerhafte Anwendung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung.
2.2 In BGE
142 III 683 war ein Rechtsbegehren auf Bezahlung von Fr. 30'000.- zu beurteilen, wobei es sich aufgrund des ausdrücklichen Nachklagevorbehalts um eine Teilklage handelte. Gestützt wurde dieses Rechtsbegehren auf behauptete Forderungen von insgesamt Fr. 480'000.-, zusammengesetzt aus Bar-Boni in den Jahren 2011 und 2012 à je Fr. 180'000.- sowie demjenigen im Jahr 2013 à Fr. 120'000.-. Die Vorinstanz hatte die Klage gutgeheissen, da jedenfalls für das Jahr 2012 ein Anspruch von mindestens Fr. 30'000.- bestehe. Das Bundesgericht erwog, es liege eine objektive Klagenhäufung vor, da die Ansprüche jeweils unterschiedliche Perioden und damit verschiedene Lebenssachverhalte beträfen. Wenn aber eine Teilklage gemäss Art. 86
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 86 Action partielle - Une prétention divisible est susceptible d'une action partielle.
ZPO mit einer objektiven Klagenhäufung nach Art. 90
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 90 Cumul d'actions - Le demandeur peut réunir dans la même action plusieurs prétentions contre le même défendeur pour autant que:
a  le même tribunal soit compétent à raison de la matière;
b  elles soient soumises à la même procédure.
ZPO kombiniert werde, führe dies zu einer alternativen objektiven Klagenhäufung, sofern nicht in der Klage präzisiert
BGE 144 III 452 S. 455

werde, "in welcher Reihenfolge und/oder in welchem Umfang die einzelnen Ansprüche geltend gemacht werden". In diesem Fall genüge das Rechtsbegehren den Bestimmtheitsanforderungen der ZPO nicht, weshalb darauf nicht einzutreten sei (E. 5). Auf die in diesem Entscheid begründete Regel stellte das Bundesgericht seither in seiner Rechtsprechung zum Haftpflichtrecht zweimal ab, gelangte jedoch in beiden Fällen zum Ergebnis, es liege keine unzulässige alternative objektive Klagenhäufung vor: In BGE 143 III 254 hatte es eine Teilklage zu beurteilen, die Schadenersatz und Genugtuung aus einem Unfall zum Gegenstand hatte. Das Bundesgericht erwog, der Kläger könne einen quantitativen Teil seines gesamten aus einer Körperverletzung sich ergebenden Schadens einklagen, ohne dass er seine Klage auf bestimmte Schadenspositionen beschränken müsste. Wenn er eine echte Teilklage - unter Vorbehalt der Nachklage - erhebe, so verlasse er vielmehr den Streitgegenstand nicht, wenn er mehrere unterschiedliche Schadenspositionen und Genugtuung aus demselben Unfallereignis einklage - zumal die Bezifferung einzelner Positionen unter Umständen vom Verhältnis zu anderen Positionen abhänge und im Rahmen der Dispositionsmaxime allein der eingeklagte Gesamtbetrag verbindlich sei. Das Rechtsbegehren genügte demnach den Bestimmungsanforderungen der ZPO, und die Vorinstanz sei zu Recht auf die Klage eingetreten (E. 3). Im Urteil 4A_15/2017 vom 8. Juni 2017 war die Vorinstanz auf eine Teilklage nicht eingetreten. Sie hatte sich auf BGE 142 III 683 gestützt und ausgeführt, das Rechtsbegehren beziehe sich auf einen angeblichen Erwerbsausfall zwischen dem 17. August 2002 und dem 31. März 2015, der insgesamt Fr. 266'278.- betragen solle, ohne dass dabei spezifiziert werde, welche Sachverhalte die eingeklagten Fr. 30'000.- abdecken würden. Das Bundesgericht hiess die gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde der Klägerin gut. Es erwog unter Berufung auf BGE 143 III 254 : "Liegt der gesamte Schaden, der aus einer Körperverletzung resultiert (also mehrere unterschiedliche Schadenspositionen sowie die Genugtuung), innerhalb desselben Streitgegenstands, wäre es ein unauflösbarer Widerspruch, wenn gleichzeitig eine einzelne dieser Schadenspositionen alleine als sich aus mehreren Streitgegenständen zusammensetzend betrachtet würde." Infolgedessen liege auch vorliegend der ganze Erwerbsausfallschaden, der aus dem Auffahrunfall vom 17. August 2002
BGE 144 III 452 S. 456

resultiere, innerhalb desselben Streitgegenstands. Der Teilklage der Beschwerdeführerin liege demnach ein einziger Streitgegenstand zu Grunde (E. 3.3.5 und 3.3.6).
2.3

2.3.1 In Reaktion auf die dargestellten Entscheide haben verschiedene Autoren auf die Schwierigkeit hingewiesen, zwischen mehreren Streitgegenständen gestützt auf verschiedene Lebenssachverhalte im Sinne von BGE 142 III 683 einerseits und einem einzigen Streitgegenstand gestützt auf einen einheitlichen Streitgegenstand im Sinne von BGE 143 III 254 andererseits zu unterscheiden (in diesem Sinne etwa GUYAZ, Newsletter Rcassurances.ch juillet 2017; HEGETSCHWEILER, SZZP 2017 S. 408 f.; KNEZEVIC/KAMBER, Prozessuale Anforderungen an die objektiv gehäufte Teilklage, AJP 2017 S. 1040 f.). Vereinzelt ist sogar argumentiert worden, die beiden publizierten Entscheide widersprächen sich (siehe WAGNER/SCHMID, Die Teilklage [im vereinfachten Verfahren] kommt nicht zur Ruhe, HAVE 2018 S. 176 f. und 179 f.), respektive, die in BGE 143 III 254 verwendete Argumentation deute auf einen "pragmatischen Lösungsansatz hin, um die mit BGE 142 III 683 eingeführte Praxis teilweise wieder rückgängig zu machen" (so FREY, Teilklage: Unfall als einheitlicher Lebensvorgang und ein Streitgegenstand, ius.focus 7/2017).
Auch die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass die Abgrenzung mehrerer Lebenssachverhalte zueinander gemäss der aktuellen Rechtslage für die klagende Partei mit erheblicher Unsicherheit verbunden ist.
2.3.2 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung ist zwar dogmatisch folgerichtig, wenn man von einem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ausgeht. Die konkrete Unterscheidung nach dem Kriterium, ob die Klage einen oder mehrere Lebenssachverhalte und damit Streitgegenstände enthält, erweist sich jedoch in der Tat als problematisch: Der Begriff des Streitgegenstandes ist in der Zivilprozessordnung nicht definiert. Seine zentrale Bedeutung liegt in der Beurteilung, ob zwei Klagen miteinander identisch sind (siehe im Einzelnen etwa GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 197; OBERHAMMER, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 13 vor Art. 84
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 84 Action condamnatoire - 1 Le demandeur intente une action condamnatoire pour obtenir que le défendeur fasse, s'abstienne de faire ou tolère quelque chose.
1    Le demandeur intente une action condamnatoire pour obtenir que le défendeur fasse, s'abstienne de faire ou tolère quelque chose.
2    L'action tendant au paiement d'une somme d'argent doit être chiffrée.
-90
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 90 Cumul d'actions - Le demandeur peut réunir dans la même action plusieurs prétentions contre le même défendeur pour autant que:
a  le même tribunal soit compétent à raison de la matière;
b  elles soient soumises à la même procédure.
ZPO; SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, S. 121 f.; SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2017, S. 119-121 Rz. 464-471).
BGE 144 III 452 S. 457

Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beurteilt sich die Identität von Streitgegenständen (im Hinblick auf die negative Wirkung der materiellen Rechtskraft) nach den Klageanträgen und dem behaupteten Lebenssachverhalt, das heisst dem Tatsachenfundament, auf das sich die Klagebegehren stützen (BGE 142 III 210 E. 2.1; BGE 139 III 126 E. 3.2.3; je mit Hinweisen). Im Geltungsbereich des Verhandlungsgrundsatzes haben die Parteien dem Gericht die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen (Art. 55 Abs. 1
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 55 Maxime des débats et maxime inquisitoire - 1 Les parties allèguent les faits sur lesquels elles fondent leurs prétentions et produisent les preuves qui s'y rapportent.
1    Les parties allèguent les faits sur lesquels elles fondent leurs prétentions et produisent les preuves qui s'y rapportent.
2    Les dispositions prévoyant l'établissement des faits et l'administration des preuves d'office sont réservées.
ZPO). In der Literatur wird allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass zum Lebenssachverhalt im Sinne der genannten Rechtsprechung nicht nur gerade die in der Klage vorgebrachten Tatsachen zählten. Letztere steckten vielmehr ein Feld von Tatsachen ab, im Rahmen dessen im Prozess zum einen Vorbringen erstattet werden könnten, ohne dass eine Klageänderung vorliege, zum anderen aber auch bei sonstiger Präklusion Vorbringen erstattet werden müssten (OBERHAMMER, a.a.O., N. 12 vor Art. 84
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 84 Action condamnatoire - 1 Le demandeur intente une action condamnatoire pour obtenir que le défendeur fasse, s'abstienne de faire ou tolère quelque chose.
1    Le demandeur intente une action condamnatoire pour obtenir que le défendeur fasse, s'abstienne de faire ou tolère quelque chose.
2    L'action tendant au paiement d'une somme d'argent doit être chiffrée.
-90
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 90 Cumul d'actions - Le demandeur peut réunir dans la même action plusieurs prétentions contre le même défendeur pour autant que:
a  le même tribunal soit compétent à raison de la matière;
b  elles soient soumises à la même procédure.
ZPO). In diesem Sinn dient der Begriff des Lebenssachverhalts dazu, mit Blick auf die zur Begründung vorgetragenen Parteibehauptungen die Reichweite und Folgen einer Klage zu bestimmen. Demgegenüber ist es gewöhnlich nicht Aufgabe des Gerichts, zu beurteilen, ob die tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei bloss einen oder mehrere Streitgegenstände beinhalten. In BGE 142 III 788 hat das Bundesgericht entschieden, die Streitwerte von gehäuften Ansprüchen seien vorgängig zur Prüfung der sachlichen Zuständigkeit und der Verfahrensart im Sinne von Art. 90
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 90 Cumul d'actions - Le demandeur peut réunir dans la même action plusieurs prétentions contre le même défendeur pour autant que:
a  le même tribunal soit compétent à raison de la matière;
b  elles soient soumises à la même procédure.
ZPO gemäss Art. 93 Abs. 1
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 93 Consorité simple et cumul d'actions - 1 En cas de consorité simple ou de cumul d'actions, les prétentions sont additionnées, à moins qu'elles ne s'excluent.
1    En cas de consorité simple ou de cumul d'actions, les prétentions sont additionnées, à moins qu'elles ne s'excluent.
2    En cas de consorité simple, le type de procédure pour chaque prétention est maintenu, malgré l'addition des valeurs litigieuses.
ZPO zusammenzurechnen. Dafür - so das Bundesgericht unter Verweis auf BGE 142 III 683 - sprächen auch Gründe der Praktikabilität. Denn die Prüfung der Prozessvoraussetzungen gemäss Art. 59 f
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 59 Principe - 1 Le tribunal n'entre en matière que sur les demandes et les requêtes qui satisfont aux conditions de recevabilité de l'action.
1    Le tribunal n'entre en matière que sur les demandes et les requêtes qui satisfont aux conditions de recevabilité de l'action.
2    Ces conditions sont notamment les suivantes:
a  le demandeur ou le requérant a un intérêt digne de protection;
b  le tribunal est compétent à raison de la matière et du lieu;
c  les parties ont la capacité d'être partie et d'ester en justice;
d  le litige ne fait pas l'objet d'une litispendance préexistante;
e  le litige ne fait pas l'objet d'une décision entrée en force;
f  les avances et les sûretés en garantie des frais de procès ont été versées.
. ZPO werde "von der - mitunter heiklen - Frage entlastet, ob die Rechtsbegehren der klagenden Partei einen oder mehrere Ansprüche betreffen und daher überhaupt eine Klagenhäufung vorliegt" (E. 4.2.3).
2.3.3 In BGE 143 III 254 E. 3.2 hat das Bundesgericht ausgeführt, ob der Kläger bei teilbarem Leistungsbegehren mit dem behaupteten Lebenssachverhalt aus objektiver Sicht mehrere Streitgegenstände zur Beurteilung stelle, beurteile sich "auch mit Rücksicht auf das materielle Recht". Abgesehen von diesem Grundsatz lassen sich der Rechtsprechung allerdings keine allgemeingültigen Kriterien zur Abgrenzung von einheitlichen Lebenssachverhalten entnehmen, wie im Schrifttum denn auch in verschiedener Hinsicht bemängelt wurde:
BGE 144 III 452 S. 458

Einerseits wurde in einer Urteilsanmerkung zu BGE 142 III 683 als fraglich bezeichnet, "ob der Ablauf eines Kalenderjahres für sich allein genommen einen neuen Lebenssachverhalt" schaffe (MARGHITOLA, Die Eintretensfrage bei der Teilklage, ius.focus 6/2017). Dieser Entscheid ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass das Bundesgericht im Hinblick auf die Frage, ob Boni als Gratifikation im Sinne von Art. 322d
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 322d - 1 Si l'employeur accorde en sus du salaire une rétribution spéciale à certaines occasions, telles que Noël ou la fin de l'exercice annuel, le travailleur y a droit lorsqu'il en a été convenu ainsi.
1    Si l'employeur accorde en sus du salaire une rétribution spéciale à certaines occasions, telles que Noël ou la fin de l'exercice annuel, le travailleur y a droit lorsqu'il en a été convenu ainsi.
2    En cas d'extinction des rapports de travail avant l'occasion qui donne lieu à la rétribution spéciale, le travailleur n'a droit à une part proportionnelle de cette rétribution que s'il en a été convenu ainsi.
OR oder als Lohnbestandteil im Sinne von Art. 322
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 322 - 1 L'employeur paie au travailleur le salaire convenu, usuel ou fixé par un contrat-type de travail ou par une convention collective.
1    L'employeur paie au travailleur le salaire convenu, usuel ou fixé par un contrat-type de travail ou par une convention collective.
2    Si le travailleur vit dans le ménage de l'employeur, son entretien et son logement font partie du salaire, sauf accord ou usage contraire.
OR zu qualifizieren sind, auf die tatsächlichen Bezüge in einer bestimmten Zeitperiode abstellt, in der Regel einer Jahresperiode. Diese tatsächlichen Einkünfte werden dann dem Medianlohn in diesem Jahr gegenübergestellt (siehe im Einzelnen BGE 142 III 456 E. 3, BGE 142 III 381 E. 2; BGE 141 III 407 E. 4-6). Insofern werden rein tatsächlich (vgl. BGE 142 III 456 E. 3.2 S. 460: "approche factuelle") unterschiedliche Perioden innerhalb des gleichen Arbeitsverhältnises unterschieden, die aber zu unterschiedlichen materiellen Ansprüchen führen. Ob ein Lohnanspruch (oder lediglich eine freiwillige Gratifikation) vorliegt, entscheidet sich somit pro Zeitperiode. Ob und inwieweit aus der zeitlichen Abfolge, in der mehrere Forderungen entstanden sind, generell auf das Vorliegen unterschiedlicher Lebenssachverhalte geschlossen werden kann, wurde dadurch nicht abschliessend geklärt und erscheint offen. In Erwägung 3.3.5 des bereits zitierten Urteils 4A_15/2017 vom 8. Juni 2017 hat das Bundesgericht ausgeführt, der Lohn, dessen Ausfall in diesem Fall als Schaden geltend gemacht werde, bestehe aus periodischen Leistungen, "bei welchen es sich womöglich um je eigene Streitgegenstände" handle. Der Schadenersatzanspruch werde dadurch jedoch "nicht ebenfalls zu einer periodischen Leistung". Andererseits wurde gegenüber BGE 143 III 254 etwa eingewendet, es sei nicht klar, ob es für die Beurteilung der Einheitlichkeit des Streitgegenstandes auf das Sachverhaltselement "Körperverletzung" oder auf das Sachverhaltselement "Unfallereignis'' ankomme, ob also der aus dem Unfall resultierende Sachschaden einen eigenen vom Körperschaden zu unterscheidenden Anspruch begründe (HEGETSCHWEILER, a.a.O., S. 408).
2.3.4 Im Übrigen bieten auch die Rechtsprechung und Lehre zum deutschen Zivilprozessrecht, auf welche das Bundesgericht in BGE 142 III 683 E. 5.4 S. 690 Bezug genommen hat, kaum verallgemeinerungsfähige Regeln. Wohl besteht in Deutschland eine gewisse Kasuistik dazu, wann mehrere selbständige prozessuale Ansprüche vorliegen, bei denen die klagende Partei die Reihenfolge angeben muss,
BGE 144 III 452 S. 459

in der sie diese dem Gericht zur Entscheidung stellt, und wann es sich um blosse Rechnungsposten innerhalb eines einheitlichen Ersatzanspruches handelt, bei denen keine solche Angabe erforderlich ist. So wird denn etwa angenommen, bei aus demselben Ereignis (etwa einem Verkehrsunfall) erwachsenen Schadensarten (Heilungskosten, Ersatz für Sachschäden und Schmerzensgeld) handle es sich jeweils um selbständige Streitgegenstände (siehe ROTH, in: Kommentar zur Zivilprozessordnung, Stein/Jonas [Hrsg.], Bd. III, 23. Aufl. 2016, N. 28 f. zu § 253 dZPO mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). In der deutschen Kommentarliteratur wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass sich bei der Abgrenzung des Lebenssachverhalts "vielfach Unklarheiten" ergäben (ROTH, a.a.O., N. 11 vor § 253 dZPO). Das Verbot der alternativen Klagenhäufung ist in Deutschland denn auch nicht unbestritten: Der Bundesgerichtshof hat es in seiner Rechtsprechung bejaht (Urteil des BGH vom 24. März 2011, I ZR 108/09, Rz. 12 mit Hinweis auf weitere Entscheide zur Teilleistungsklage), jedoch erwähnt, dass es von einem Teil der Lehre abgelehnt werde (Rz. 9-11). Er begründet seine Rechtsprechung mit dem Wortlaut von § 253 Abs. 2 Nr. 2 dZPO und mit dem Grundsatz der "Waffengleichheit", weil der Beklagte bei der alternativen Klagenhäufung nicht ohne weiteres wisse, "gegen welchen aus einer Vielzahl von Streitgegenständen er seine Rechtsverteidigung in erster Linie richten [müsse]" (Rz. 12-15). Im Schrifttum wurde darauf hingewiesen, dass das Verbot der alternativen Klageerhebung auch damit zusammenhängt, welcher Streitgegenstandsbegriff (eingliedrig oder zweigliedrig) zugrundegelegt wird (ROTH, a.a.O., N. 55 zu § 253 dZPO und N. 11 f. zu § 260 dZPO).
2.3.5 Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch, welche Unsicherheit die dargestellte Rechtsprechung mit sich bringt: Die Beschwerdeführerin hatte an der Hauptverhandlung geltend gemacht, ihre Klage stütze sich auf zwei massgebliche Lebenssachverhalte, nämlich eine erste Kreditgewährung durch die A. Bank (Schweiz) AG einerseits und eine Krediterhöhung andererseits. Die Vorinstanz hielt dem entgegen, dass die geltend gemachten Ansprüche zwar mit der Kreditgewährung zusammenhingen, sich jedoch nicht darauf stützten, sondern auf die behaupteten Pflichtverletzungen, die im Nachgang zu diesen Kreditgewährungen erfolgt seien. Sie knüpfte ihrerseits an die in der Klage geltend gemachten Schadensposten an. Da
BGE 144 III 452 S. 460

verschiedene Einzelschäden behauptet worden seien, die durch unterschiedliche Pflichtverletzungen der Beschwerdegegner schuldhaft verursacht worden sein sollten, ging sie von selbständigen Lebenssachverhalten und Streitgegenständen aus. Die Beschwerdeführerin meint demgegenüber, die beiden von ihr definierten Lebenssachverhalte würden sich "aufgrund normativer Wertung als einheitliche Geschehen darbieten". Überdies weist sie auf die besondere Situation im Verantwortlichkeitsprozess hin, da Art. 759 Abs. 2
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 759 - 1 Si plusieurs personnes répondent d'un même dommage, chacune d'elles est solidairement responsable dans la mesure où le dommage peut lui être imputé personnellement en raison de sa faute et au vu des circonstances.
1    Si plusieurs personnes répondent d'un même dommage, chacune d'elles est solidairement responsable dans la mesure où le dommage peut lui être imputé personnellement en raison de sa faute et au vu des circonstances.
2    Le demandeur peut actionner plusieurs responsables pour la totalité du dommage et demander au tribunal de fixer au cours de la même procédure les dommages-intérêts dus par chacun des défendeurs.
3    Le tribunal règle le recours entre plusieurs responsables en tenant compte de toutes les circonstances.
OR der klagenden Partei die Geltendmachung eines Gesamtschadens explizit erlaube.
Die Abgrenzung ist somit untrennbar damit verbunden, wie der vorgetragene Sachverhalt rechtlich gewürdigt wird. Dass aber die Meinungen hierzu auseinandergehen können, liegt in der Natur des Zivilprozesses.
2.4 Insgesamt erweist sich die in BGE 142 III 683 vorgenommene Unterscheidung zwischen Fällen, in denen mehrere Streitgegenstände gehäuft werden, und solchen, in denen verschiedene Schadensposten innerhalb eines einzigen Streitgegenstandes eingeklagt werden, als nicht praktikabel. Mangels eindeutiger Kriterien ist für die klagende Partei nicht zuverlässig vorherzusehen, ob die von ihr zur Begründung vorgetragenen Tatsachen als ein einziger, einheitlicher Lebenssachverhalt gewürdigt oder ob und gegebenenfalls wie sie vom Gericht aufgegliedert werden. Folglich hat sie keine Klarheit darüber, inwieweit sie - unter sonstiger Nichteintretensfolge - angeben muss, in welcher Reihenfolge und in welchem Umfang die einzelnen Teilbeträge geprüft werden müssen. Demgegenüber muss sich die beklagte Partei ohnehin - also auch bei Angabe der Prüfungsreihenfolge - gegen alle vorgetragenen Ansprüche verteidigen. Unter diesen Umständen kann an dieser Unterscheidung nicht festgehalten werden. Vielmehr ist in Änderung der Rechtsprechung auf das Erfordernis zu verzichten, dass, wenn mehrere Ansprüche in einer Teilklage gehäuft werden, in der Klage zu präzisieren ist, in welcher Reihenfolge und/oder in welchem Umfang die einzelnen Ansprüche geltend gemacht werden. Im Sinne der Praxis vor Inkrafttreten der ZPO ist lediglich zu verlangen, dass die klagende Partei hinreichend substanziiert behauptet, es bestehe eine den eingeklagten Betrag übersteigende Forderung (siehe die in BGE 142 III 683 E. 4 zitierten Entscheide). Dabei hat sie jeden einzelnen (Teil-) Anspruch gemäss den allgemeinen Substanziierungsanforderungen

BGE 144 III 452 S. 461

schlüssig vorzutragen, so dass das Gericht durch Subsumtion unter die einschlägigen Gesetzesbestimmungen die Begründetheit beurteilen und die beklagte Partei sich dagegen verteidigen kann (BGE 136 III 322 E. 3.4.2; BGE 127 III 365 E. 2b mit weiteren Hinweisen). Tut sie dies, ist die Klage gemäss Art. 86
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 86 Action partielle - Une prétention divisible est susceptible d'une action partielle.
ZPO zulässig und steht es grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, in welcher Reihenfolge es die verschiedenen Ansprüche prüft (in diesem Sinne bereits HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl. 1990, S. 228 Rz. 404; vgl. zum deutschen Recht derselbe, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1956, S. 255). Im Falle einer Klagegutheissung ist der Urteilsbegründung zu entnehmen, inwieweit das Gericht die alternativen Klagegründe (rechtskräftig) beurteilt hat (siehe BGE 125 III 8 E. 3b S. 13; BGE 123 III 16 E. 2a S. 18; BGE 121 III 474 E. 4a; BGE 116 II 738 E. 2a). Vorbehalten bleibt im Übrigen der Verfahrensgrundsatz des Handelns nach Treu und Glauben (Art. 52
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 52 Respect des règles de la bonne foi - Quiconque participe à la procédure doit se conformer aux règles de la bonne foi.
ZPO) und insbesondere das Rechtsmissbrauchsverbot, welches etwa dann in Frage kommt, wenn die klagende Partei aus Gründen der Schikane mehrere nicht miteinander zusammenhängende Ansprüche in einer Teilklage vereinigt und sich auch auf Nachfrage des Gerichts hin nicht dazu äussert, in welcher Reihenfolge diese geprüft werden sollen.
2.5 Auf die Klage ist somit einzutreten. Da das Urteil der Vorinstanz bereits aus dem dargelegten Grund aufzuheben ist, ist auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin nicht einzugehen. Die gegen die vorinstanzliche Kostenregelung gerichteten Eventualbegehren werden gegenstandslos.