121 III 474
91. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. November 1995 i.S. Siegfried Aktiengesellschaft gegen The Wellcome Foundation Ltd. (Berufung)
Regeste (de):
- Materielle Rechtskraft eines Urteils über eine Patentverletzungsklage.
- Über eine Klage, welcher die Einrede der abgeurteilten Sache entgegensteht, ist im Bundesrecht durch Nichteintreten zu entscheiden (E. 2).
- Begriff der materiellen Rechtskraft; Bedeutung von Dispositiv und Urteilsbegründung - insbesondere von tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen - des rechtskräftigen Urteils (E. 4a).
- Anwendung der entsprechenden Grundsätze auf den patentrechtlichen Verletzungsprozess im allgemeinen (E. 4b) und auf den konkret beurteilten Fall (E. 5).
Regeste (fr):
- Autorité de la chose jugée d'un jugement rendu sur une action relative à la violation d'un brevet.
- En vertu du droit fédéral, une action fondée sur ce droit, qui viole le principe de l'autorité de la chose jugée, doit être déclarée irrecevable (consid. 2).
- Notion de l'autorité de la chose jugée; signification du dispositif et de la motivation - en particulier des constatations de fait et des considérants de droit - du jugement en force (consid. 4a).
- Application des règles correspondantes dans le cadre d'un procès relatif à la violation d'un brevet, en général (consid. 4b) et dans le cas concret (consid. 5).
Regesto (it):
- Autorità di cosa giudicata di una sentenza resa su un'azione concernente la violazione di un brevetto.
- Secondo il diritto federale, un'azione fondata su tale diritto, che viola il principio dell'autorità di cosa giudicata, deve essere dichiarata inammissibile (consid. 2).
- Nozione dell'autorità di cosa giudicata; portata del dispositivo e della motivazione - in particolare degli accertamenti di fatto e dei considerandi di diritto - della sentenza passata in giudicato (consid. 4a).
- Applicazione dei principi corrispondenti nell'ambito di una causa relativa alla violazione di un brevetto, in generale (consid. 4b) e nel caso concreto (consid. 5).
Sachverhalt ab Seite 475
BGE 121 III 474 S. 475
Die britische Pharmazeutika-Herstellerin The Wellcome Foundation Ltd. ist Inhaberin des Schweizer Patentes Nr. 507'266, dessen Schutzdauer am 3. Februar 1989 abgelaufen ist. Das Patent betrifft ein Verfahren zur Herstellung des Generikums Allopurinol, eines zur Behandlung von Gicht verwendeten Heilmittels. The Wellcome Foundation Ltd. steht seit längerer Zeit in Auseinandersetzungen mit der in Zofingen ansässigen Siegfried Aktiengesellschaft, die ebenfalls Allopurinol herstellt. Streitig ist zwischen den beiden Gesellschaften, ob die von der Siegfried Aktiengesellschaft angewandten Verfahren das Patent ihrer Konkurrentin verletzen. Am 10. Februar 1976 reichte die Siegfried Aktiengesellschaft beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen The Wellcome Foundation Ltd. Klage ein mit dem Antrag, es sei gerichtlich festzustellen, dass sie nicht in die Rechte aus dem schweizerischen Patent 507'266 der Beklagten eingreife, wenn sie den Arzneistoff Allopurinol nach einem von ihr entwickelten Verfahren in der Weise fabriziere, dass sie durch Reaktion des 2-Cyano-3-morpholino-acrylsäureäthylesters mit Hydrazinhydrat das 3-Amino-4-carbäthoxypyrazol herstelle und dieses durch Umsetzung mit Formamid in Allopurinol umwandle.
Die Beklagte erhob Widerklage mit mehreren Rechtsbegehren. Mit Begehren Ziffer 2 verlangte sie insbesondere, es sei der Klägerin gerichtlich zu verbieten, Allopurinol (...) in der Weise herzustellen, dass ein (...) 3-Morpholino-2-cyano-acrylsäureamid oder 3-Morpholino-2-cyano-acrylsäureäthylester mit Hydrazin in ein (...) 3-Aminopyrazol-4-carbonsäureamid bzw. 3-Amino-pyrazol-4-carbonsäureäthylester oder in ein Salz einer dieser Verbindungen überführt und das erhaltene Zwischenprodukt in das (...) Allopurinol überführt werde, insbesondere durch Umsetzung mit Harnstoff oder mit Formamid und/oder Ameisensäure.
Das Handelsgericht hiess mit Urteil vom 22. Mai 1979 die Klage gut und stellte fest, dass die Klägerin nicht in die Rechte aus dem Patent Nr. 507'266 der Beklagten eingreife, wenn sie den Arzneistoff Allopurinol nach einem von ihr entwickelten Verfahren in der Weise fabriziere, dass sie durch Reaktion des 2-Cyano-3-morpholino-acrylsäureäthylesters mit
BGE 121 III 474 S. 476
Hydrazinhydrat das 3-Amino-4-carbäthoxypyrazol herstelle und dieses durch Umsetzung mit Formamid in Allopurinol umwandle. Das Widerklagebegehren Ziffer 2 wies das Handelsgericht ab. Eine Berufung der Beklagten wies das Bundesgericht am 27. März 1980 unter Bestätigung des Urteils des Handelsgerichts ab. Am 12. Juni 1989 wies das Bundesgericht zudem ein Revisionsgesuch der Beklagten ab. Diese hatte zur Begründung ihres auf Art. 137 lit. b OG (neue erhebliche Tatsache) gestützten Gesuches geltend gemacht, die Klägerin verwende bei der Herstellung von Allopurinol zusätzlich Ammoniak als Reagens. Am 30. Juni 1988 erhob The Wellcome Foundation Ltd. beim Obergericht des Kantons Basel-Landschaft Klage gegen die Siegfried Aktiengesellschaft mit den folgenden Rechtsbegehren: "1. Es sei festzustellen, dass die Beklagte das Schweizer Patent Nr. 507'266 der Klägerin verletzt, indem sie den Arzneistoff Allopurinol in der Weise fabriziert, dass sie durch Reaktion des 2-Cyano-3-morpholino-acrylsäureäthylesters mit Hydrazin das 3-Amino-4-carbäthoxypyrazol herstellt und dieses durch Umsetzung mit Ammoniak und Formamid in Allopurinol umwandelt. 2. Es sei der Beklagten unter Androhung der Verzeigung ihrer zuständigen Organe an den Strafrichter wegen Verletzung von Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die materielle Rechtskraft, das heisst die Verbindlichkeit eines Urteils für spätere Prozesse, eine Frage des Bundesrechts, sofern der zu beurteilende Anspruch
BGE 121 III 474 S. 477
darauf beruht (BGE 119 II 89 E. 2a S. 90 mit Hinweisen). Die Einrede der abgeurteilten Sache betrifft nach der in der Schweiz nunmehr herrschenden formellen Rechtskrafttheorie eine Prozessvoraussetzung. Ihre Gutheissung hat daher zur Folge, dass auf die neue Klage nicht eingetreten wird (VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage, S. 213 ff., insbes. Rz. 67 und 70; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Auflage, S. 270 f., Rz. 475; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage, S. 86 und 145; POUDRET, COJ, N 4.1 zu Art. 38
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 192 Beweisaussage - 1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
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1 | Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
2 | Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB76). |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 192 Beweisaussage - 1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
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1 | Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
2 | Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB76). |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 192 Beweisaussage - 1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
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1 | Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
2 | Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB76). |
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 22 - Die Klage ist unzulässig, wenn der Anspruch bereits rechtshängig oder rechtskräftig beurteilt ist. |
4. a) Eine abgeurteilte Sache liegt vor, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu, falls der Anspruch dem Richter aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf denselben Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird (BGE 119 II 89 E. 2a S. 90). In anspruchsbezogene materielle Rechtskraft erwächst demzufolge allein das Sachurteil. Ein solches ist nur gegeben, wenn und soweit das Gericht die Sachverhaltsvorbringen der Parteien materiellrechtlich würdigt, das heisst den geltend gemachten Anspruch
BGE 121 III 474 S. 478
inhaltlich beurteilt (BGE 115 II 187 E. 3b S. 189).
Die Rechtskraftwirkung tritt folgerichtig nur soweit ein, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu welcher dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist. Zwar erwächst der Entscheid nur in jener Form in Rechtskraft, wie er im Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt, doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen, namentlich im Falle einer Klageabweisung (vgl. BGE 115 II 187 E. 3b S. 191; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, a.a.O., N 12c/aa zu Art. 192
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 192 Beweisaussage - 1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
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1 | Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
2 | Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB76). |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 192 Beweisaussage - 1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
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1 | Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
2 | Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB76). |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 192 Beweisaussage - 1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
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1 | Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
2 | Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB76). |
BGE 121 III 474 S. 479
b) Der patentrechtliche Verletzungsprozess gründet auf der Rechtsbehauptung, ein bestimmtes Verhalten liege innerhalb des Schutzbereichs des Patents und stelle damit einen unzulässigen Eingriff in das Immaterialgüterrecht dar. Das darüber ergehende Sachurteil beschränkt sich folglich auf eine vergleichende Beurteilung jener Erfindungselemente, die nach den Vorbringen des Patentberechtigten widerrechtlich benützt werden (RETO M. HILTY, Der Schutzbereich des Patents, Diss. Zürich 1990, S. 135 f. Fn 2). Das Urteil stellt nicht positiv den Inhalt des Rechts fest, sondern untersucht lediglich vom Standpunkt desjenigen aus, der dieses Recht respektieren muss, ob dessen Verhalten dazu in Widerspruch steht (KUMMER, Das Klagerecht, S. 86; BENKARD/ROGGE, N 5 zu § 139 DPatG). Der Patentberechtigte gewinnt daher mit dem Urteil im Verletzungsprozess keine rechtskräftige Entscheidung über das Recht als solches, sondern bloss über den aus der behaupteten Verletzung abgeleiteten Anspruch (KUMMER, Das Klagerecht, S. 86). Das Urteil lehnt sich an die konkrete Verletzungsform, nicht an den allgemeinen Schutzbereich des Patents an (BENKARD/ROGGE, N 32 zu § 139 DPatG). Folgerichtig erfasst seine Rechtskraft im Fall bejahter Verletzung nur gerade die dem Gericht zur Beurteilung unterbreiteten Handlungen, die besondere Art der Benützung der Erfindung, nicht aber deren Gehalt insgesamt. Daher muss ein neuer Verletzungsprozess eingeleitet werden, wenn der Patentverletzer später in eine andere Nachahmungsart ausweicht (TROLLER, Immaterialgüterrecht, 3. Auflage, Band II, S. 1083; DAVID, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Band I/2, S. 84). Dies ist vorab der Auffassung der Beklagten entgegenzuhalten, dass der Schutzbereich des Streitpatents im Berner Prozess umfassend festgelegt worden sei. Zu prüfen ist nicht, ob nach der in den Erwägungen zum damaligen Urteil zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Gerichts das heute streitige Verfahren als nicht patentverletzend erachtet worden wäre, sondern allein, ob darüber eine urteilsmässige Entscheidung ergangen ist. c) Das Schicksal der Einrede der abgeurteilten Sache hängt damit allein von der Beantwortung der Frage ab, ob das mit der Klage angegriffene Verfahren der Beklagten zur Herstellung von Allopurinol bereits in einem Sachurteil auf seine Verträglichkeit mit dem Schutzbereich des Patents Nr. 507'266 überprüft worden ist.
5. a) Massgebend für den Inhalt der früheren Streitentscheidung ist das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 22. Mai 1979. Dieses ist zwar durch den Berufungsentscheid des Bundesgerichts vom 27. März 1980
BGE 121 III 474 S. 480
ersetzt worden (vgl. POUDRET, COJ, N 5.3 zu Art. 38 und N 2 zu Chap. II vor Art. 43
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 192 Beweisaussage - 1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
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1 | Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
2 | Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB76). |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 192 Beweisaussage - 1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
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1 | Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten. |
2 | Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB76). |
b) In Ziffer 1 der Erwägungen seines Urteils vom 22. Mai 1979 hat das Handelsgericht des Kantons Bern festgestellt, die Umsetzung des von der Beklagten verwendeten Ausgangsstoffes (S-I) mittels Hydrazin in ein Zwischenprodukt (S-II) und dessen Umwandlung in Allopurinol durch Umsetzung mit Formamid verletze die Rechte der Klägerin aus deren Patent Nr. 507'266 nicht. Damit wurde nicht darüber befunden, ob eine Patentverletzung auch dann zu verneinen wäre, wenn zusätzlich Ammoniak als Reagens verwendet würde. Zwar mag richtig sein, dass sich diese Schlussfolgerung aus den Feststellungen des Handelsgerichts aufdrängt, doch ist entscheidend, dass sie im Urteilsspruch keinen Niederschlag gefunden hat. Selbst logisch zwingende Deduktionen aus den Erwägungen des Gerichts bleiben, wenn sie in der Urteilsformel nicht zum Ausdruck kommen, bestenfalls hypothetische
BGE 121 III 474 S. 481
Motive des Subsumtionsschlusses, haben aber an der materiellen Rechtskraft des Urteils nicht teil (vgl. E. 4a hievor). c) Damit bleibt zu prüfen, ob das Handelsgericht den heute streitigen Anspruch bereits mit dem Entscheid über die Widerklage materiell beurteilt hat. aa) Mit der Unterlassungs-Widerklage (Widerklagebegehren Ziffer 2) sollte der Beklagten (= Siegfried Aktiengesellschaft) Herstellung und Vertrieb von Allopurinol verboten werden, welches durch die Umwandlung eines Ausgangsstoffes (S-I) in ein Zwischenprodukt (S-II) und die Überführung dieses Zwischenproduktes in Allopurinol insbesondere durch Umsetzung mit Harnstoff oder mit Formamid und/oder Ameisensäure fabriziert wird. Das Handelsgericht hat das Begehren mit der Begründung abgewiesen, das von der Beklagten angewendete Verfahren, wie es in den Akten definiert sei, weise nicht alle Merkmale und auch nicht alle wesentlichen Merkmale des Verfahrens nach dem Streitpatent auf; zudem seien die Unterschiede der jeweiligen ersten Stufe der beiden Verfahren wesentlich, weshalb keine Patentverletzung vorliege. Die Beklagte versteht diese Abweisung im Ergebnis so, dass angesichts des im Rechtsbegehren verwendeten Wortes "insbesondere" sämtliche Umwandlungen ihres Zwischenprodukts (S-II) in Allopurinol als nicht patentverletzend beurteilt worden seien, also auch die Umsetzung unter Verwendung von Ammoniak. Richtig - und den Ausführungen der Beklagten insoweit zuzustimmen - ist, dass das Handelsgericht eine Patentverletzung im wesentlichen mit den zwei folgenden Begründungen verneint hat. Zum einen liege die geschützte Erfindung des patentgemässen Verfahrens hauptsächlich in der Verwendung des Ausgangsstoffes (W-I), welchen die Beklagte jedoch nicht benütze. Zum andern werde die Umsetzung des jeweiligen Ausgangsstoffes über ein Zwischenprodukt in Allopurinol von den Parteien unterschiedlich durchgeführt; von der Beklagten aufgrund einer eigenen, von jener des Streitpatents unabhängigen Erfindung, so dass sie insoweit nicht in dessen Schutzbereich eingreife. Daraus lässt sich zwar ableiten, dass das Handelsgericht auch die Verwendung von Ammoniak als nicht patentverletzend erachtet hätte. Dies ist indessen unter dem hier massgebenden Gesichtspunkt unerheblich. Entscheidend ist vielmehr der Umstand, dass es eine solche Feststellung nicht getroffen und mit der Abweisung der Widerklage auch nicht zum Ausdruck gebracht hat. Aus seinem Urteil geht mit keinem Wort hervor, dass sich das Handelsgericht zur Verwendung von Ammoniak als
BGE 121 III 474 S. 482
Reagens geäussert hat. Aus der ausdrücklichen Erwähnung des "aktenkundigen Verfahrens" ergibt sich im Gegenteil, dass es sich einzig mit den in den Begehren genannten Substanzen befasst hat. Hat das Handelsgericht aber die Verwendung von Ammoniak nicht in die Beurteilung einbezogen, so erging darüber auch keine Entscheidung zum Verletzungstatbestand. Damit kann offenbleiben, ob das Unterlassungsbegehren überhaupt dem prozessualen Bestimmtheitsgebot entsprach und die Beurteilung nicht ohnehin auf die ausdrücklich genannten Substanzen zur Umwandlung des Zwischen- in das Endprodukt zu beschränken war (vgl. dazu BGE 88 II 209 E. III/2 S. 239 f.; DAVID, a.a.O., S. 78 ff.). Unter dem Blickwinkel der materiellen Rechtskraft ist allein entscheidend, dass das Handelsgericht die damals zu beurteilende Rechtsbehauptung nicht auf das heute streitige Verfahren bezogen und es demzufolge mit seinem Urteil nicht erfasst hat. Die Einrede der abgeurteilten Sache ist demnach vom Obergericht des Kantons Basel-Landschaft zu Recht abgewiesen worden.