99 III 4
2. Entscheid vom 24. September 1973 i.S. Ch.
Regeste (de):
- Betreibungsfähigkeit.
- Betreibungsfähig ist nur, wer nach Massgabe des Zivilrechts handlungsfähig ist. Das Betreibungsbegehren eines Urteilsunfähigen darf der Betreibungsbeamte zurückweisen (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Capacité de poursuivre.
- Seul celui qui a l'exercice des droits civils a la capacité d'intenter une poursuite. Le préposé de l'office des poursuites peut rejeter la réquisition de poursuite émanant d'une personne incapable de discernement (consid. 3).
Regesto (it):
- Capacità per promuovere un'esecuzione.
- Ha capacità per promuovere un'esecuzione solo chi è maggiorenne e capace di discernimento a'sensi del diritto civile. L'ufficiale dell'esecuzione può respingere una domanda d'esecuzione di una persona incapace di discernimento (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 4
BGE 99 III 4 S. 4
A.- Am 2. Dezember 1972 stellte Ch. beim Betreibungsamt Bern gegen die Justizdirektion des Kantons Bern ein Betreibungsbegehren über den Betrag von Fr. 1'092,682.36 nebst Zins zu 5% seit 21. Dezember 1965. Als Forderungsgrund gab er folgendes an: "Schadenersatzforderung in Sachen gerichtlicher Nachlassbetrug und Ehescheidung, wie Drahthandel Dätwyler AG Altdorf." Mit Schreiben vom 8. Dezember 1972 teilte das Betreibungsamt Bern Ch. mit, es gebe dem Betreibungsbegehren keine Folge, da er betreibungsunfähig sei.
Hiegegen beschwerte sich Ch. bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern. Diese entschied am 27. Dezember 1972, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, da Ch. "für den gesamten Problemkreis Ehescheidung und Drahtprozess", zu dem auch das vorliegende Betreibungsbegehren gehöre, prozessunfähig und damit auch betreibungsunfähig sei. Sie stützte sich dabei auf ein Gutachten der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Bern vom 26. Juni 1972, das im Rahmen einer Strafuntersuchung gegen Ch. eingeholt worden war.
B.- Mit Eingabe vom 18. Dezember 1972 führte Ch. ferner bei der bernischen Aufsichtsbehörde Beschwerde gegen Dr. Jaberg,
BGE 99 III 4 S. 5
Justizdirektor des Kantons Bern, mit der Begründung, die Justizdirektion habe nichts unternommen, um die kriminellen Machenschaften in seinen Prozessen aufzudecken, obwohl sie von Bundesrat Furgler dazu beauftragt worden sei. Die Aufsichtsbehörde trat indessen mit Entscheid vom 27. Dezember 1972 auf diese Beschwerde ebenfalls nicht ein, da Ch. auch in dieser Hinsicht als prozessunfähig zu betrachten sei und da die Amtstätigkeit von Regierungsrat Dr. Jaberg ihrer Aufsicht ohnehin nicht unterliege.
C.- Gegen die beiden Entscheide der bernischen Aufsichtsbehörde rekurrierte Ch. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 79 Abs. 1
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2. Nach Art. 17
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.28 |
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1 | Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.28 |
2 | Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden. |
3 | Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden. |
4 | Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.29 |
BGE 99 III 4 S. 6
des Rekurrenten - offensichtlich unbegründet.
3. Betreibungsfähig ist nur, wer nach Massgabe des Zivilrechts handlungsfähig ist (FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. 1, S. 54; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 146/147; JAEGER, N. 5 zu Art. 67
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 67 - 1 Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
|
1 | Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
1 | der Name und Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, das von demselben in der Schweiz gewählte Domizil. Im Falle mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokal des Betreibungsamtes; |
2 | der Name und Wohnort des Schuldners und gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters; bei Betreibungsbegehren gegen eine Erbschaft ist anzugeben, an welche Erben die Zustellung zu erfolgen hat; |
3 | die Forderungssumme oder die Summe, für welche Sicherheit verlangt wird, in gesetzlicher Schweizerwährung; bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuss und der Tag, seit welchem der Zins gefordert wird; |
4 | die Forderungsurkunde und deren Datum; in Ermangelung einer solchen der Grund der Forderung. |
2 | Für eine pfandgesicherte Forderung sind ausserdem die in Artikel 151 vorgesehenen Angaben zu machen. |
3 | Der Eingang des Betreibungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 13 - Die Handlungsfähigkeit besitzt, wer volljährig und urteilsfähig ist. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. |
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 67 - 1 Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
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1 | Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
1 | der Name und Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, das von demselben in der Schweiz gewählte Domizil. Im Falle mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokal des Betreibungsamtes; |
2 | der Name und Wohnort des Schuldners und gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters; bei Betreibungsbegehren gegen eine Erbschaft ist anzugeben, an welche Erben die Zustellung zu erfolgen hat; |
3 | die Forderungssumme oder die Summe, für welche Sicherheit verlangt wird, in gesetzlicher Schweizerwährung; bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuss und der Tag, seit welchem der Zins gefordert wird; |
4 | die Forderungsurkunde und deren Datum; in Ermangelung einer solchen der Grund der Forderung. |
2 | Für eine pfandgesicherte Forderung sind ausserdem die in Artikel 151 vorgesehenen Angaben zu machen. |
3 | Der Eingang des Betreibungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen. |
4. Im Beschluss des Untersuchungsrichteramtes 2 von Bern und der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom lo. August 1972, der von der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern am 13. September 1972 bestätigt wurde und den die Aufsichtsbehörde ihrem Entscheid zugrundelegt, wird ausgeführt, der Rekurrent beschäftige die bernischen und schweizerischen Behörden seit fast 20 Jahren mit unzähligen Strafanzeigen, Betreibungen und andern Rechtsvorkehren, die sich auf seine im Jahre 1953 ausgesprochene Ehescheidung und
BGE 99 III 4 S. 7
auf einen Zivilprozess gegen die Firma Dätwyler AG wegen Lieferung von angeblich mangelhaftem Draht bezögen. Im Zusammenhang mit diesen beiden Prozessen bezichtige er Behörden und Anwälte, gegen ihn Stellung zu beziehen, so dass ihm fortlaufend Unrecht geschehe. Seine vielfachen Anschuldigungen habe er in mehreren Berichten und Broschüren zusammengefasst, die er an die Bevölkerung habe verteilen lassen. In seinem psychiatrischen Gutachten sei der Experte, Dr. med. Linck, zum Schluss gekommen, die Ehescheidung habe den Rekurrenten seelisch derart traumatisiert, dass bei ihm eine eigentliche querulatorische Wahnentwicklung ausgelöst worden sei, und zwar auf Grund der fixen Idee, es sei ihm damals ein Unrecht widerfahren. Auch der Drahtlieferungsprozess sei in den immer weitere Kreise ziehenden Wahn eingebaut worden. Dies habe schliesslich zu unsinnig anmutenden Schadenersatzforderungen gegen Behörden und Anwälte geführt. Alles, was mit Scheidung und Drahthandel in engerem Zusammenhang stehe, werde vom Rekurrenten auf Grund seiner krankhaften Denkweise beurteilt, und dieser handle deshalb, immer seiner wahnhaften Überzeugung folgend, in krankhaft gesteuerter Art. Soweit diese Ausführungen der bernischen Strafuntersuchungsbehörden, die sich die Aufsichtsbehörde zu eigen macht, tatsächliche Feststellungen über den Geisteszustand des Rekurrenten enthalten, sind sie für das Bundesgericht verbindlich (Art. 63 Abs. 2
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 67 - 1 Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
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1 | Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
1 | der Name und Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, das von demselben in der Schweiz gewählte Domizil. Im Falle mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokal des Betreibungsamtes; |
2 | der Name und Wohnort des Schuldners und gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters; bei Betreibungsbegehren gegen eine Erbschaft ist anzugeben, an welche Erben die Zustellung zu erfolgen hat; |
3 | die Forderungssumme oder die Summe, für welche Sicherheit verlangt wird, in gesetzlicher Schweizerwährung; bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuss und der Tag, seit welchem der Zins gefordert wird; |
4 | die Forderungsurkunde und deren Datum; in Ermangelung einer solchen der Grund der Forderung. |
2 | Für eine pfandgesicherte Forderung sind ausserdem die in Artikel 151 vorgesehenen Angaben zu machen. |
3 | Der Eingang des Betreibungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen. |
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 67 - 1 Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
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1 | Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
1 | der Name und Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, das von demselben in der Schweiz gewählte Domizil. Im Falle mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokal des Betreibungsamtes; |
2 | der Name und Wohnort des Schuldners und gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters; bei Betreibungsbegehren gegen eine Erbschaft ist anzugeben, an welche Erben die Zustellung zu erfolgen hat; |
3 | die Forderungssumme oder die Summe, für welche Sicherheit verlangt wird, in gesetzlicher Schweizerwährung; bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuss und der Tag, seit welchem der Zins gefordert wird; |
4 | die Forderungsurkunde und deren Datum; in Ermangelung einer solchen der Grund der Forderung. |
2 | Für eine pfandgesicherte Forderung sind ausserdem die in Artikel 151 vorgesehenen Angaben zu machen. |
3 | Der Eingang des Betreibungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen. |
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Forderungsgrund hervorgeht, hat daher die Vorinstanz die Betreibungsfähigkeit des Rekurrenten zu Recht verneint.
5. Hielt die Vorinstanz den Rekurrenten für betreibungsunfähig, so hätte sie keinen Nichteintretensentscheid fällen dürfen, sondern sie hätte die Beschwerde gegen die Verfügung des Betreibungsamtes materiell abweisen müssen. Wird jemand als betreibungsunfähig erklärt, so muss er dies im Beschwerde verfahren bestreiten können. Das darf ihm nicht unter Hinweis auf seinen Geisteszustand verweigert werden. Die Aufsichtsbehörde hat daher einen Entscheid in der Sache selbst zu treffen, wenn Gegenstand der Beschwerde gerade die Frage der Betreibungsfähigkeit ist. Es verhält sich hier nicht anders als im Entmündigungsverfahren. Wird jemand wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt, so muss er für den Entmündigungsprozess als prozessfähig betrachtet werden, und es ist auf eine Berufung gegen das Entmündigungsurteil trotz des anormalen Geisteszustandes des Interdizenden einzutreten, da dieser sonst keine Möglichkeit hätte, den Entmündigungsgrund zu bestreiten (BGE 88 IV 113, BGE 77 II 11, BGE 62 II 264). Der Umstand, dass die Aufsichtsbehörde nicht auf die Beschwerde eingetreten ist, ändert indessen am Ergebnis nichts. Wenn sie die Beschwerde materiell beurteilt hätte, so hätte sie sie abgewiesen. Die Verfügung des Betreibungsamtes wäre auch in diesem Fall bestätigt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.