88 IV 111
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Oktober 1962 i.S. Zimmermann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Regeste (de):
- Art. 397
StGB, Art. 269 Abs. 1
BStP, Art. 19 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14 2 Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15 3 Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig. - 1. Die Frage, ob der um Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 397
StGB nachsuchende Verurteilte die hiefür erforderliche Prozessfähigkeit besitze, beurteilt sich nach Bundesrecht und kann deshalb mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde zur Entscheidung gestellt werden (Erw. 1).
- 2. Die Rechte, welche der Verurteilte mit einem Revisionsgesuch geltend macht, stehen ihm um seiner Persönlichkeit willen zu, und sie können deshalb auch von einem urteilsfähigen Entmündigten selbständig ausgeübt werden (Erw. 2 und 3; Änderung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 397 CP, art. 269 al. 1 PPF, art. 19 al. 2 CC.
- 1. C'est le droit fédéral qui règle la capacité d'agir en justice du condamné qui demande la revision en vertu de l'art. 397 CP; c'est pourquoi la question peut faire l'objet d'un pourvoi en nullité (consid. 1).
- 2. Les droits que le condamné invoque par une demande de revision sont strictement personnels; un interdit capable de discernement peut donc, lui aussi, les exercer d'une façon autonome (consid. 2 et 3; changement de jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 397 CP, art. 269 cpv. 1 PPF, art. 19 cpv. 2 CC.
- 1. La questione di sapere se il condannato che chiede la revisione in virtù dell'art. 397 CP abbia la capacità di agire in giudizio è giudicata secondo il diritto federale; può pertanto essere oggetto di un ricorso per cassazione (consid. 1).
- 2. I diritti addotti dal condannato a sostegno di una domanda di revisione, sono diritti inerenti alla sua personalità; anche un interdetto capace di discernimento può dunque esercitarli in modo autonomo (consid. 2 e 3; cambiamento della giurisprudenza).
Erwägungen ab Seite 111
BGE 88 IV 111 S. 111
Erwägungen:
1. Unter welchen Voraussetzungen gegenüber einem rechtskräftigen Strafurteil die Wiederaufnahme des Verfahrens
BGE 88 IV 111 S. 112
verlangt werden kann, bestimmt grundsätzlich das kantonale Recht, dessen Anwendung der Kassationshof auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht nachzuprüfen hat (Art. 269 Abs. 1
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14 |
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1 | Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14 |
2 | Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15 |
3 | Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig. |
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2. Als Staatsgerichtshof mit der Frage der Prozessfähigkeit eines wegen Geisteskrankheit Entmündigten
BGE 88 IV 111 S. 113
befasst, vertrat der Kassationshof in zwei Urteilen vom 20. März 1953 i.S. Schwendimann den Standpunkt, dass im allgemeinen nicht urteilsfähig sei, wer wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche unter Vormundschaft stehe, sei doch der Betreffende gerade deshalb bevormundet worden, weil ihm die geistigen Fähigkeiten mangelten, um seine Angelegenheiten selber zu besorgen (Art. 369
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 369 - 1 Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen. |
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1 | Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen. |
2 | Werden dadurch die Interessen der auftraggebenden Person gefährdet, so ist die beauftragte Person verpflichtet, so lange für die Fortführung der ihr übertragenen Aufgaben zu sorgen, bis die auftraggebende Person ihre Interessen selber wahren kann. |
3 | Aus Geschäften, welche die beauftragte Person vornimmt, bevor sie vom Erlöschen ihres Auftrags erfährt, wird die auftraggebende Person verpflichtet, wie wenn der Auftrag noch bestehen würde. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 433 - 1 Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan. |
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1 | Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan. |
2 | Die Ärztin oder der Arzt informiert die betroffene Person und deren Vertrauensperson über alle Umstände, die im Hinblick auf die in Aussicht genommenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken und Nebenwirkungen, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten. |
3 | Der Behandlungsplan wird der betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet. Bei einer urteilsunfähigen Person ist eine allfällige Patientenverfügung zu berücksichtigen. |
4 | Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 99 - 1 Das Zivilstandsamt prüft, ob: |
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1 | Das Zivilstandsamt prüft, ob: |
1 | das Gesuch ordnungsgemäss eingereicht worden ist; |
2 | die Identität der Verlobten feststeht; und |
3 | die Ehevoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob keine Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass das Gesuch offensichtlich nicht dem freien Willen der Verlobten entspricht. |
2 | Sind diese Anforderungen erfüllt, so teilt es den Verlobten den Abschluss des Vorbereitungsverfahrens sowie die gesetzliche Frist für die Trauung mit.178 |
3 | Es legt im Einvernehmen mit den Verlobten im Rahmen der kantonalen Vorschriften den Zeitpunkt der Trauung fest oder stellt auf Antrag eine Ermächtigung zur Trauung in einem andern Zivilstandskreis aus. |
4 | Das Zivilstandsamt teilt der zuständigen Behörde die Identität von Verlobten mit, die ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nicht nachgewiesen haben.179 |
BGE 88 IV 111 S. 114
sei er befugt, gegen einen Entscheid, durch den auf das Wiederaufnahmegesuch nicht eingetreten oder dieses abgewiesen werde, staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde zu führen (vgl. BGE 75 IV 142). Es sei deshalb nicht nötig, in solchen Fällen trotz Geisteskrankheit oder Geistesschwäche auch das Mündel als prozessfähig zu behandeln, sofern es sich nur einigermassen Rechenschaft zu geben vermöge, worauf es im Prozess ankomme. Prozessfähig sei es nur, wenn es von seiner Geisteskrankheit oder Geistesschwäche geheilt sei. Dass das der Fall sei, könne es in einem Gesuch um Aufhebung der Vormundschaft geltend machen. Solange diese bestehe, habe der Richter, der um Wiederaufnahme eines Strafverfahrens angegangen werde, darauf abzustellen, dass die Geisteskrankheit oder Geistesschwäche andauere. An dieser Auffassung kann nach erneuter Prüfung nicht festgehalten werden. Zweifelhaft erscheint schon, ob für die Entscheidung der Frage nach der Prozessfähigkeit etwas darauf ankommt, dass - wie in den obgenannten Entscheiden gesagt wurde - "im allgemeinen" nicht urteilsfähig ist, wer wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche unter Vormundschaft steht. Geisteskrankheit und Geistesschwäche heben nicht notwendig gemeinhin die Urteilsfähigkeit auf. Auch eine geisteskranke Person kann noch urteilsfähig sein (s. EGGER, Kommentar, N. 13 zu Art. 16
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 369 - 1 Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen. |
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1 | Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen. |
2 | Werden dadurch die Interessen der auftraggebenden Person gefährdet, so ist die beauftragte Person verpflichtet, so lange für die Fortführung der ihr übertragenen Aufgaben zu sorgen, bis die auftraggebende Person ihre Interessen selber wahren kann. |
3 | Aus Geschäften, welche die beauftragte Person vornimmt, bevor sie vom Erlöschen ihres Auftrags erfährt, wird die auftraggebende Person verpflichtet, wie wenn der Auftrag noch bestehen würde. |
BGE 88 IV 111 S. 115
Feststellung jenes Zustandes selbst, wie bei der zivilrechtlichen Berufung an das Bundesgericht, Tatfrage und damit der Überprüfung durch den Kassationshof entzogen ist (BGE 76 IV 143 und dort angeführte Entscheidungen).
3. Wie die Vorinstanz feststellt, kann trotz der geistig abnormen Art des Beschwerdeführers nicht bezweifelt werden, dass er über die für die Einreichung eines Wiederaufnahmegesuches erforderliche Urteilsfähigkeit verfügt. Ist dem so, dann durfte ihm aber mit Bezug auf das gestellte Begehren auch nicht die Prozessfähigkeit abgesprochen werden. Die Rechte, welche der Verurteilte mit einem Revisionsgesuch nach Art. 397
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14 |
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1 | Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14 |
2 | Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15 |
3 | Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig. |
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 350 Bindung an die Anklage; Grundlage des Urteils - 1 Das Gericht ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden. |
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1 | Das Gericht ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden. |
2 | Es berücksichtigt die im Vorverfahren und im Hauptverfahren erhobenen Beweise. |