97 II 221
32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Juli 1971 i.S. Traber gegen Steckborn Kunstseide AG.
Regeste (de):
- Haftung des Geschäftsherrn, Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 2 Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist. - Anforderungen an den Entlastungsbeweis. Unterbrechung des Kausalzusammenhanges durch das Verhalten Dritter (Erw. 1-4).
- Keine Herabsetzung der Ersatzpflicht des Geschäftsherrn, wenn sein Verschulden wegen des Verhaltens eines Dritten oder aus andern Gründen nur leicht ist (Erw. 5).
- Keine Pflicht des Geschädigten nach Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat. 1bis Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27 2 Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.
1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. 2 Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen.
Regeste (fr):
- Responsabilité de l'employeur, art. 55 CO.
- Exigences relatives à la preuve libératoire. Interruption du lien de causalité par le comportement de tiers (consid. 1-4).
- Pas de réduction de la responsabilité de l'employeur, lorsqu'en raison du comportement d'un tiers ou pour d'autres motifs sa faute n'apparaît que légère (consid. 5).
- Pas d'obligation du lésé selon les art. 43 et 44 CO de se prémunir contre la possibilité abstraite d'atteintes illicites à son patrimoine (consid. 6).
Regesto (it):
- Responsabilità del padrone d'azienda, art. 55 CO.
- Requisiti per la prova liberatoria. Interruzione del nesso causale per il comportamento di terzi (consid. 1-4).
- Nessuna riduzione della responsabilità del padrone d'azienda, quando la sua colpa, a causa del comportamento di un terzo o per altri motivi, appare lieve (consid. 5).
- Nessun obbligo della parte lesa giusta gli art. 43 e 44 CO di premunirsi contro la possibilità astratta di illeciti pregiudizi al suo patrimonio (consid. 6).
Sachverhalt ab Seite 221
BGE 97 II 221 S. 221
A.- Baumeister Traber hatte im Auftrage der Ortsgemeinde Steckborn von der Bächlistrasse aus durch die spitzwinklig
BGE 97 II 221 S. 222
davon abzweigende Eichholzstrasse einen Graben zu erstellen, in den die Bestellerin eine zum Neubau der Bernina AG führende Wasserleitung legen lassen wollte. Vor Beginn der Arbeit will sich Traber bei Seibert, dem Leiter des Gemeindewasserwerkes, nach Leitungen erkundigt haben, auf die er stossen könnte. Seibert wandte sich an das Geometerbüro Ringger. Dieses stellte ihm durch einen Angestellten, den Tiefbautechniker Grimm, drei Exemplare eines Planes im Massstab 1: 500 zu, der durch pantographische Vergrösserung eines Originalplanes l: 1000 entstanden war. Es war daraus zu ersehen, dass in der Eichholzstrasse dem östlichen Rande entlang "2 NOK-Kabel 4500 V" und dem westlichen Rande entlang ein Telephonkabel verliefen und dass alle drei die Strassengabel in südwestlicher Richtung überquerten. Anhand dieses Planes, von dem Traber ein Exemplar erhielt, bestimmte Grimm am 19. Juni 1968 in Anwesenheit Seiberts und Trabers an Ort und Stelle die Lage des zu erstellenden Grabens und liess dessen Achse kennzeichnen und die Ränder ankreiden. Der Graben sollte in der Strassengabel zwischen den Elektrokabeln und dem Telephonkabel rechtwinklig zu der in der Bächlistrasse liegenden Hauptwasserleitung beginnen und dann, nach rechts abbiegend, parallel zu den erwähnten Kabeln verlaufen. Beim Knie des Grabens wurde festgelegt, wo nach dem Plan vermutlich die Elektrokabel lagen. Grimm verlangte von Traber, dass er vor der Erstellung des parallel zu den Kabeln verlaufenden Grabenstückes durch Sondierschlitze die Lage des Elektrokabels ermittle. Traber versprach, das zu tun. Seibert seinerseits wies ihn an, beim Knie des Grabens sehr sorgfältig ohne Maschinen zu arbeiten. Traber liess die Grabarbeiten von seinen Handlangern Durtschi und Castriotto noch am gleichen Tage, den 19. Juni, beginnen und am folgenden Tage fortsetzen. Er war während ihres Verlaufes grösstenteils persönlich anwesend. Am 20. Juni, etwa um 10.50 Uhr, durchschlug Castriotto mit dem Presslufthammer im Knie des geplanten Grabens ein Zementrohr und beschädigte das darin liegende Elektrokabel, das unter 45 000 V Spannung stand. Dadurch fiel im Betriebe der Steckborn Kunstseide AG während 13 1/2 Stunden der Strom aus und entstand dieser Firma ein Schaden von Fr. 143 946.50. Es stellte sich heraus, dass der Plan, über den Traber verfügte,
BGE 97 II 221 S. 223
insofern ungenau war, als nicht nur zwei, sondern drei Elektrokabel zur Fabrik der Steckborn Kunstseide AG führten und dass sie in der Strassengabel etwas weiter westlich lagen, als im erwähnten Plane angedeutet war. Ihre genaue Lage hätte aus einem anderen Plane 1: 500 ersehen werden können, von dem Traber jedoch keine Kenntnis hatte. Die Steckborn Kunstseide AG hatte diesen Plan am 25. März 1968 der Bernina AG mit folgender Mitteilung zugesandt: "45 KV-Leitung Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass längs der Nord-Grenze Ihrer Grundstücke 1022 und 1021 die elektrische Speiseleitung Hasli-Steckborn für unser Werk als Kabelleitung im Boden verlegt ist. Die Leitungen durchstossen Ihre Parzelle 1021 im spitzen Winkel. Die Leitungsführung ist aus dem Plan Sl/5247 rot eingezeichnet ersichtlich. Wir bitten Sie, bei den Bauarbeiten diese Leitungen zu beachten."
B.- Die Steckborn Kunstseide AG klagte gegen Traber auf Ersatz des Schadens. Das Bezirksgericht Steckborn und auf Berufung des Beklagten auch das Obergericht des Kantons Thurgau, dieses mit Urteil vom 29. Januar 1971, sprachen ihr Fr. 143 946.50 nebst 5% Zins seit 20. Juni 1968 zu.
C.- Der Beklagte hat die Berufung erklärt. Er beantragt, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Klage abzuweisen, eventuell den Ersatzanspruch der Klägerin in Anwendung von Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat. |
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1 | Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat. |
1bis | Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27 |
2 | Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
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1 | Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
2 | Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist. |
BGE 97 II 221 S. 224
95 II 97, 96 II 31). Sie entfällt jedoch, wenn der Schaden auch bei Anwendung der erwähnten Sorgfalt eingetreten wäre. Der Geschäftsherr trägt die Last des Beweises, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt zur Verhütung eines Schadens der betreffenden Art getroffen habe oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
2. Es ist unbestritten, dass der Beklagte der Gefahr der Beschädigung elektrischer Kabel nur dadurch begegnete, dass er sich bei Seibert nach allfällig vorhandenen Leitungen erkundigte, worauf er die mit dem Pantographen auf den Massstab 1: 500 vergrösserte Wiedergabe eines alten Situationsplanes 1: 1000 erhielt und der Tiefbautechniker Grimm vom Geometerbüro Ringger auf Grund der gleichen Vergrösserung den zur Schonung der Elektrokabel einerseits und des Telephonkabels anderseits mutmasslich günstigsten Verlauf des Grabens auf der Strasse kennzeichnen liess. Der Schaden trat ein, weil die Elektrokabel ein wenig weiter westlich lagen als der Plan vermuten liess. Frage ist, ob nach den Umständen weitere Massnahmen geboten waren, um einen Schaden dieser Art zu verhüten.
3. a) Dem Plane konnte nicht entnommen werden, zwischen dem geplanten Graben und den Elektrokabeln bleibe ein freier Raum von 1 m, wie der Beklagte geltend macht. Wie der Gutachter Vogler ausführt, entsprach diese Entfernung dem Abstand zwischen den Achsen der Kabelanlage einerseits und der Wasserleitung anderseits. Elektrokabel aber pflegen in Zement- oder anderen Röhren zu liegen. Selbst unter der Voraussetzung, dass nur zwei solche vorhanden seien, wie der Plan angab, musste daher mit einer gewissen Breite der Kabelanlage gerechnet werden. Die Breite des Wasserleitungsgrabens sodann hat der Beklagte im kantonalen Verfahren mit 80 cm angegeben. Der Rand des Grabens konnte daher selbst unter der Voraussetzung, dass der Plan genau sei, vom Rande der Kabelanlage nur wenige Dezimeter entfernt sein. Der Aufschluss über die Lage der Kabel, den der Plan gab, durfte nun aber nicht als genau und zuverlässig gelten. Der Plan enthielt keine Zahlen über die Entfernung der Kabel von bestimmten im Gelände feststellbaren Fixpunkten. Diese Entfernungen mussten ausschliesslich auf Grund der Zeichnung und des Massstabes des Planes errechnet werden. Sie hingen also von der Genauigkeit der Zeichnung ab. Ein Plan kann
BGE 97 II 221 S. 225
umso genauer sein, je grösser sein Massstab ist. Im vorliegenden Falle war dieser mit 1:500 angegeben. Unter dieser Angabe war aber vermerkt, es handle sich um eine pantographische Vergrösserung. Daraus musste geschlossen werden, der Originalplan weise einen kleineren Massstab auf, vielleicht 1:1000 oder noch kleiner. Ein Massstab 1:1000, den er in Wirklichkeit hatte, liess aber nicht erwarten, dass die Entfernungen bis auf wenige Dezimeter genau stimmten, entspricht doch 1 m im Gelände 1 mm auf dem Papier, so dass eine Ungenauigkeit von 1/10 mm in der Zeichnung im Gelände 1 dm ausmacht. Die pantographische Vergrösserung des Originalplanes sodann konnte Quelle weiterer Ungenauigkeiten sein. Das ist die Auffassung des Sachverständigen Vogler und leuchtet ein, wenn man sich die Natur dieses Vergrösserungsverfahrens vergegenwärtigt. Ein sorgfältiger Baumeister durfte sich daher nicht auf den Plan verlassen, zumal ohne grossen Aufwand weitere Massnahmen zur Verhütung eines Schadens möglich waren. b) In erster Linie drängte sich die Nachforschung nach einem zuverlässigeren Plane auf. Dass das Geometerbüro Ringger anscheinend einen solchen nicht besass, durfte nicht beruhigen. Geometer pflegen die Grundstücke und die auf ihnen sichtbaren Anlagen zu vermessen und auf einem Plan festzuhalten, nicht Leitungen in den Boden zu verlegen. Über die genaue Lage vergrabener Leitungen wissen vorabjene Stellen Bescheid, die sie errichtet haben oder denen sie dienen. Der Beklagte hätte sich daher an das Elektrizitätswerk oder an die Klägerin wenden sollen. Er hat nicht bewiesen, dass dies nutzlos gewesen wäre. Im Gegenteil ist sicher, dass er jedenfalls durch eine Anfrage bei der Klägerin vom Plane Sl/5247 Kenntnis erhalten hätte, sei es, dass sie ihm eine Kopie davon übergeben oder ihn an die Bernina AG gewiesen hätte, der sie eine solche hatte zukommen lassen. Im Plane Sl/5247 sind die Elektrokabel in der Gabelung der Eichholzstrasse und der Bächlistrasse weiter westlich eingezeichnet als in der pantographischen Vergrösserung des Planes Ringger. Das springt sogar einem Laien und umso mehr auch einem im Lesen von Plänen bewanderten Baumeister in die Augen. Auch enthält der Plan Sl/5247 längs der die Leitung kennzeichnenden roten Linie die Angabe "3 Al. Kabel 45 KV je 95 mm2" und auf der erwähnten Strassengabel die Angabe "3 Zem. R 12 O". Auch einer Aufschrift am Fusse des Planes
BGE 97 II 221 S. 226
ist zu entnehmen, dass drei Einleiter-Kabel verlegt seien. Das hätte wahrscheinlich sogar mühelos im Gelände festgestellt werden können, dort wo die Kabel in eine "Freileitung 45 KV" übergehen (s. linke untere Ecke des Planes Sl/5247). c) Eine weitere zumutbare Massnahme zur Bestimmung der genauen Lage der Kabel wäre die Freilegung der im Bereiche der Arbeitsstelle liegenden Kabelschächte gewesen. Der Besitz des Planes Sl/5247 war dazu nicht nötig; die Schächte sind auch im Plane Ringger eingezeichnet. Sie befanden sich unter den Strassenbelägen, der eine unter der Kiesschicht der Eichholzstrasse, der andere unter der Asphaltdecke der Bächlistrasse. Da anzunehmen war, die Kabel verliefen geradlinig (sie sind dort in beiden Plänen durch eine Gerade angegeben), hätte ihre Lage ohne weiteres ermittelt werden können. Die Abdeckung der Schächte hätte zudem den Vorteil gehabt, dass auch hätte fetgestellt werden können, wie tief die Kabel lagen. Die Schächte wurden erst nach dem Eintritt des Schadens freigelegt. d) Wer als Bauunternehmer weder sich nach einem genaueren Plane erkundigen noch die Kabelschächte freilegen wollte, hatte mit aller Vorsicht, ohne Verwendung eines Presslufthammers, Sondierschlitze erstellen zu lassen, um die Lage der Kabel zu ermitteln. Das ist die Auffassung des Sachverständigen Vogler und leuchtet auch einem Laien ein. Grimm war gleicher Auffassung. Er wies den Beklagten an, beim Knie des Grabens Sondierschlitze zu machen, was der Beklagte denn auch zu tun versprach. Das ergibt sich aus den Aussagen Grimms und Seiberts, die vom Obergericht, für das Bundesgericht verbindlich, als glaubwürdig erachtet werden. Die Behauptung des Beklagten, der Gutachter Vogler habe die Aussage Grimms unrichtig ausgelegt, nach der Weisung dieses Zeugen hätten erst nach der Erstellung des Stichgrabens Sondierschlitze ausgehoben werden müssen, ist nicht zu hören. Eine solche Empfehlung hätte übrigens den Geboten der Sorgfalt widersprochen, denn die Lage der Kabel war vernünftigerweise zu ermitteln, bevor man sich ihnen bei der Aushebung des Stichgrabens mit dem Presslufthammer zu sehr näherte. Das hätte sich der Beklagte selber sagen sollen, denn er war der Ersteller des Werkes, nicht Grimm oder Ringger. Es ist nicht zu verstehen, dass er seinen Arbeitern nicht befohlen hat, Sondierschlitze zu erstellen. e) Beim Fehlen von Sondierschlitzen hätte ein sorgfältiger
BGE 97 II 221 S. 227
Unternehmer seine Arbeiter zum mindesten darauf aufmerksam machen müssen, dass sie beim Graben möglicherweise auf Elektrokabel stossen würden und daher sehr vorsichtig vorzugehen hätten, insbesondere den Presslufthammer nur dort gebrauchen dürften, wo es unumgänglich sei. Der Beklagte hat diese Instruktion nicht erteilt, obschon ihn Seibert ausdrücklich angewiesen hatte, beim Knie des Grabens sehr sorgfältig ohne Maschinen zu arbeiten. Dass sie den Schaden nicht verhütet hätte, steht nicht fest. Die Behauptung des Beklagten, Castriotto müsse mit dem Presslufthammer vom Sandsteinfels auf die tiefer liegende Kabelleitung abgeglitten sein, findet weder im angefochtenen Urteil noch in den Akten eine Stütze. Castriotto hat als Zeuge erklärt, er habe das Rohr mit dem Kabel als ein Stück Fels angesehen. Dieser Irrtum war bei gehöriger Aufklärung seitens des Beklagten vermeidbar. Der Sandsteinfels, zu dessen Abbau der Presslufthammer verwendet wurde, hörte am Rande des Kabelbettes auf, weil er seinerzeit bei der Aushebung des Kabelgrabens notwendigerweise entfernt worden war. Diese tatsächliche Feststellung des Obergerichtes kann im Berufungsverfahren nicht angefochten werden. Der Einwand des Beklagten, das Obergericht berufe sich offensichtlich irrtümlich auf den Sachverständigen Vogler, hält nicht stand, denn Vogler hat in der Tat ausgeführt, der Sandstein habe an der Wand des Kabelgrabens aufgehört, was sofort zur genauen Feststellung der Kabellage geführt hätte, und aus der Veränderung des Grabenmaterials hätte der Beklagte sogleich die Lage der Hochspannungsleitung erkannt. Diese Auffassung leuchtet übrigens ein. Die Rüge, die Klägerin habe im kantonalen Verfahren nicht behauptet, das Abbaumaterial habe auf die unmittelbare Nähe der Kabel hingewiesen, ist ebenfalls nicht zulässig. Es ist eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, ob das Obergericht die erwähnte Feststellung von Amtes wegen oder nur auf Behauptung einer Partei hin treffen durfte (BGE 78 II 97, BGE 87 II 141, BGE 89 II 121). Im übrigen verkennt der Beklagte, dass nicht die Klägerin die Wirksamkeit der gebotenen Instruktionen zu beweisen hatte, sondern er selber deren Nutzlosigkeit.
4. Der Beklagte meint, wegen der Angaben und Weisungen der Bauleitung hafte er nicht. Unter der Bauleitung versteht er Seibert und Grimm. Deren "Angaben und Weisungen" bestanden in der Übergabe der
BGE 97 II 221 S. 228
Vergrösserung des Planes Ringger, in der Anzeichnung des Grabens auf der Strasse und in den Geboten, Sondierschlitze zu erstellen und beim Knie des Grabens sehr sorgfältig ohne Maschinen zu arbeiten. Der Beklagte hat diese Gebote missachtet, weshalb sie ihn von vornherein nicht entlasten können. Dass sodann die erwähnten anderen Anordnungen nicht genügten, um den Schaden zu verhüten, wurde bereits dargetan. Dem Beklagten, dessen Arbeiter ihn verursacht hat, oblag es, die nötigen weiteren Sorgfaltsmassnahmen zu treffen. Hiezu verpflichtete ihn im Verhältnis zu der Klägerin Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
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1 | Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
2 | Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist. |
5. Das Verhalten Dritter kann unter Umständen ein Grund zur Herabsetzung der Ersatzpflicht sein, wenn es das Verschulden des Belangten als nur leicht erscheinen lässt (s. die soeben erwähnte Rechtsprechung). Voraussetzung ist jedoch, dass der Belangte bloss wegen seines Verschuldens hafte. Die Ersatzpflicht des kausal Haftenden kann nie mit der Begründung herabgesetzt werden, sein Verschulden sei wegen des Verhaltens eines Dritten oder aus anderen Gründen nur leicht (BGE 45 II 85f.,BGE 55 II 88,BGE 60 II 155; vgl. auchBGE 57 II 45). Da die Haftung des Beklagten aus Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
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1 | Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
2 | Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist. |
6. Der Beklagte beantragt subsidiär, ihn nur für die Hälfte des Schadens ersatzpflichtig zu erklären, weil die Klägerin den Betrieb trotz der Beschädigung des Kabels ohne Unterbruch
BGE 97 II 221 S. 229
mindestens teilweise hätte aufrecht halten können, wenn sie von vornherein eine zweite Stromzuleitung hätte erstellen lassen, um sich gegen einen allfälligen Ausfall der anderen zu sichern. Von 1942 bis 1952 habe sie einen Notanschluss an das 8-KV-Netz der Gemeinde besessen, doch habe sie ihn bei der Reorganisation der Stromversorgung der Gemeinde der Kosten wegen den neuen Verhältnissen nicht angepasst, obwohl sie gewusst habe, dass ein auch nur kurzer Stromunterbruch sie erheblich schädigen würde. Durch dieses Verhalten habe die Klägerin die Risiken unvorhergesehener Stromunterbrüche erheblich vergrössert und den Schaden selber verschuldet. Sie habe gemäss Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat. |
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1 | Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat. |
1bis | Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27 |
2 | Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
BGE 97 II 221 S. 230
sich gegen bloss abstrakte Möglichkeiten rechtswidriger Eingriffe in sein Vermögen zu sichern. Sonst müsste man z.B. dem Fussgänger, der sich in den öffentlichen Verkehr begibt, vorhalten, er habe die damit verbundenen abstrakten Gefahren in Kauf genommen und daher einen Teil des Schadens selber zu tragen, den er im Verkehr durch rechtswidriges Verhalten anderer erleidet. Oder der Dieb könnte dem Bestohlenen ein Selbstverschulden vorwerfen, weil er seine Sachen nicht sicher verwahrte. Das Fehlen einer zweiten Stromzuleitung ist auch nicht ein Umstand, für den die Klägerin unabhängig von einem Selbstverschulden einzustehen hätte, z.B. wie der Halter eines Motorfahrzeuges für dessen Betriebsgefahr (BGE 88 II 134, 460) oder der Besitzer eines Werkes für dessen Mangelhaftigkeit (BGE 90 II 13 f. Erw. 6). Dass nur eine einzige Stromzuleitung bestand, war kein Mangel in der Anlage oder im Unterhalt der Fabrik. Der Beklagte hat daher der Klägerin den ganzen Schaden zu ersetzen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 29. Januar 1971 bestätigt.