87 II 137
20. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. März 1961 i.S. Felder gegen Bangerter.
Regeste (de):
- Grundlagenirrtum. Ungerechtfertigte Bereicherung, Art. 24 Ziff. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: 1 wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat; 2 wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat; 3 wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war; 4 wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde. 2 Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich. 3 Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten. 2 Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste.
- Unverbindlichkeit eines Kaufvertrages über Bauland, weil die Bodenbeschaffenheit eine Überbauung praktisch unmöglich macht (Erw. 2, 3).
- Rückerstattung der gegenseitigen Leistungen nach Bereicherungsgrundsätzen. Verminderung der Bereicherung des Verkäufers um den von diesem ausgelegten Mäklerlohn? (Erw. 7).
Regeste (fr):
- Erreur sur les éléments nécessaires du contrat. Enrichissement illégitime, art. 24 ch. 4, 62 et 64 CO.
- Annulabilité d'un contrat de vente portant sur un terrain à bâtir, parce que la nature du sol interdit pratiquement des constructions (consid. 2 et 3).
- Restitution des prestations réciproques selon les règles de l'enrichissement illégitime. L'enrichissement du vendeur est-il diminué dans la mesure du salaire payé au courtier? (Consid. 7).
Regesto (it):
- Errore sugli elementi necessari del contratto. Indebito arricchimento, art. 24 num. 4, 62 e 64 CO.
- Annullabilità di un contratto di compravendita, relativo a un terreno edilizio, perchè la natura del suolo rende praticamente impossibile delle costruzioni (consid. 2 e 3).
- Restituzione delle prestazioni reciproche secondo le regole dello indebito arricchimento. Devesi dedurre dall'arricchimento del venditore la mercede pagata al mediatore? (Consid. 7).
Erwägungen ab Seite 137
BGE 87 II 137 S. 137
2. Ob eine Partei beim Vertragsschluss in einem Irrtum befangen gewesen sei, ist entgegen der Meinung des Beklagten gemäss ständiger Rechtsprechung Tatfrage (BGE 81 II 52), weshalb die hierüber vom kantonalen Richter getroffenen Feststellungen das Bundesgericht nach Art. 63 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. |
Das Bundesgericht hat somit davon auszugehen, dass der Kläger das streitige Grundstück als Bauland erwerben wollte, wobei er der Meinung war, der Baugrund sei von mindestens durchschnittlicher Qualität und gestatte die Erstellung von 21/2-3-geschossigen Wohnhäusern ohne
BGE 87 II 137 S. 138
weiteres. Diese Meinung war irrtümlich; denn wie die Vorinstanz gestützt auf das Gutachten des Bauingenieurs Oberhänsli und des Geologen Dr. Tschachtli verbindlich festgestellt hat, ziehen sich unter der Oberfläche des Grundstücks bis auf die Tiefe von 15-17 m nicht tragfähige Torf-, Lehm- und Sandschichten hin, die für eine Bebauung mit mehrgeschossigen Miethäusern oder auch nur mit Einfamilienhäusern die Erstellung von Ortsbetonpfählen bis auf eine Tiefe von 16-18 m unerlässlich machen. Die Kosten hiefür würden sich auf ca. Fr. 17.- pro m2 belaufen, so dass sich bei dem im Vertrag vorgesehenen Kaufpreis von ungefähr Fr. 23.- zusammen mit den Erschliessungskosten von Fr. 2.- pro m2 ein Gesamtbodenpreis von Fr. 42.- ergäbe. Bei diesem Preis käme aber die Erstellung von Ein- oder Mehrfamilienhäusern so teuer zu stehen, dass zur Zeit kaum an eine vernünftige Realisierung gedacht werden kann; insbesondere wären Wohnungen in dreistöckigen Mehrfamilienhäusern wegen des durch die Fundationskosten bedingten hohen Mietzinses sehr schwer vermietbar.
3. Vom Bundesgericht zu prüfende Rechtsfrage ist dagegen, ob der geschilderte Irrtum des Klägers einen rechtserheblichen Grundlagenirrtum im Sinne des Art. 24 Ziff. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
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1 | Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
1 | wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat; |
2 | wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat; |
3 | wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war; |
4 | wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde. |
2 | Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich. |
3 | Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen. |
BGE 87 II 137 S. 139
Land erwerbe, das eine Pfählung mindestens für Einfamilienhäuser und kleinere Mehrfamilienhäuser nicht erfordert. Der Irrtum bezüglich dieser Voraussetzung betrifft somit eine in der fraglichen Gegend allgemein als unerlässliches Element eines Kaufvertrages über Bauland betrachtete Vorbedingung; er ist daher auch objektiv gesehen wesentlich. Aber auch in seinen Auswirkungen erweist sich der Irrtum des Klägers von so gewichtiger Art, dass er nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als wesentlich erscheint. Denn es steht fest, dass die schlechte Baugrundqualität des streitigen Grundstücks mit der sich daraus ergebenden Notwendigkeit der Pfählung beim Bau von gewöhnlichen Mehr- und Einfamilienhäusern eine vernünftige Realisierung, d.h. eine wirtschaftlich gewinnbringende Überbauung praktisch unmöglich macht. Es widerspräche aber selbst bei der heutigen schwunghaften Bodenspekulation jeder Lebenserfahrung, wenn man annehmen wollte, ein Käufer hätte für ein Grundstück von 18'756 m2 Halt einen Betrag von Fr. 430'000.-- ausgelegt, auch wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass dieses Land wegen seiner schlechten Baugrundqualität und der dadurch bedingten hohen Fundierungskosten nicht in gewinnversprechender Weise überbaut werden könne. Die Möglichkeit einer solchen Überbaubarkeit musste daher nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr auch für den Verkäufer eine unerlässliche Grundlage für das abgeschlossene Geschäft bilden. ....
7. a) Die Unverbindlichkeit des Kaufvertrages hat zur Folge, dass die von den Parteien in dessen Erfüllung vorgenommenen Leistungen zurückzuerstatten sind. Das Begehren des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten zur Rückgabe der erhaltenen Anzahlung von Fr. 50'000.-- ist daher grundsätzlich berechtigt. Die Rückleistung hat nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung zu erfolgen (BGE 83 II 24 Erw. 7, BGE 82 II 428); denn die Zahlung des Klägers beruht auf einem nachträglich weggefallenen Grunde, so
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dass der Beklagte durch den Empfang der Anzahlung von Fr. 50'000.-- ungerechtfertigt bereichert wurde. b) Von dieser zutreffenden Überlegung ist auch die Vorinstanz a;usgegangen. Sie hat dann aber angenommen, die Bereicherung des Beklagten habe dadurch eine Verminderung erfahren, dass er im Vertrauen auf die Gültigkeit des Kaufvertrages von der erhaltenen Anzahlung einen Teilbetrag von Fr. 20'000.-- zur Ausrichtung einer Mäklerprovision an Eder verwendet habe; wegen der Unverbindlichkeit des vermittelten Kaufgeschäfts stehe zwar dem Beklagten gegenüber Eder ein Rückforderungsrecht zu. Angesichts der Vermögensverhältnisse Eders, gegen den in den Jahren 1952-1957 insgesamt 26 Verlustscheine im Betrage von rund Fr. 20'000.-- ausgestellt wurden, bestehe jedoch erhebliche Unsicherheit darüber, ob die ausbezahlte Provision eingetrieben werden kÖnne. Im Hinblick auf diese Unsicherheit hat die Vorinstanz ex aequo et bono den Wert des Rückforderungsanspruches des Beklagten gegen Eder auf Fr. 10 000.-- geschätzt und demgemäss angenommen, die Bereicherung des Beklagten habe sich um Fr. 10'000.-- vermindert, so dass der Rückerstattungsanspruch des Klägers in Anwendung von Art. 64
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 87 II 137 S. 141
war, trotz fehlenden Tatsachenbehauptungen und Beweisanträgen des Beklagten von Amtes wegen die Frage eines Bereicherungswegfalls zu prüfen, beurteilt sich nach dem kantonalen Prozessrecht, in dessen Handhabung sich das Bundesgericht nicht einzumischen hat. Eine Verletzung von Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 87 II 137 S. 142
Fr. 20'000.-- zu. Die Bereicherung braucht nicht notwendigerweise in Bargeld zu bestehen; sie kann vielmehr auch in der Befreiung von einer Schuld liegen (OSER/SCHÖNENBERGER OR Art. 64 N. 5; VON TUHR/SIEGWART OR I S. 422 bei N. 20); denn massgebend ist der Vermögensstand, und dieser wird nicht nur durch die Vermehrung von Aktiven, sondern auch durch eine Verminderung der Passiven beeinflusst. Daraus folgt aber weiter, dass die Bereicherung auch in einer Forderung bestehen kann, die dem Bereicherten an Stelle des erhaltenen Bargeldes zugekommen ist. Massgebend ist, dass sein durch den Empfang der grundlos erhaltenen Zahlung herbeigeführter Vermögensstand trotz der Geldausgabe derselbe geblieben ist. Ob der Beklagte seine Forderung gegenüber Eder wieder einbringen kann, ist entgegen der Meinung der Vorinstanz unerheblich. Denn nach Art. 64
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. |
BGE 87 II 137 S. 143
der Rückerstattungsanspruch des Klägers sei auf Fr. 30'000.-- herabzusetzen, weil bei Eder überhaupt nichts zu holen sei. e) Selbst wenn übrigens die Einbringlichkeit der Forderung gegenüber Eder grundsätzlich eine Rolle zu spielen vermöchte, käme man zu keinem anderen Ergebnis. Nach Art. 64
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. |
Mangels des gemäss Art. 64
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. |