95 I 409
59. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1969 i.S. Aiello gegen das Versicherungsgericht des Kantons Luzern
Regeste (de):
- Armenrechtliche Verbeiständung
- Wegen Nichtzulassung als armenrechtlicher Prozessvertreter kann sich der ausserkantonale Anwalt nicht auf die Freizügigkeit wissenschaftlicher Berufsarten berufen (Erw. 4);
- Dem im Ausland wohnhaften Ausländer darf im Prozess gegen die Suva die Bestellung eines nicht im Kanton Luzern praktizierenden Anwaltes nicht ohne hinreichende Gründe verweigert werden (Erw. 5).
Regeste (fr):
- Assistance judiciaire, défenseur d'office.
- Un avocat établi hors du canton ne peut pas se fonder sur le droit de pratiquer les professions libérales dans toute la Suisse pour attaquer la décision qui refuse de le désigner comme défenseur d'office (consid. 4).
- La faculté de choisir un avocat non domicilié dans le canton de Lucerne ne peut être refusée sans motifs suffisants à un étranger, domicilié à l'étranger, qui intente un procès à la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents à Lucerne (consid. 5).
Regesto (it):
- Assistenza giudiziaria, difensore d'ufficio.
- Un avvocato stabilito fuori cantone non può fondarsi sul diritto di praticare le professioni liberali in tutta la Svizzera per impugnare la decisione che rifiuta di designarlo come difensore d'ufficio (consid. 4).
- La facoltà di scegliere un avvocato che non pratica nel cantone Lucerna non può essere rifiutata senza sufficiente motivo a uno straniero domiciliato all'estero che promuove una causa contro l'INSAI (consid. 5).
Sachverhalt ab Seite 409
BGE 95 I 409 S. 409
Der italienische Staatsangehörige Giuseppe Aiello erlitt im September 1966 bei der Arbeit für die Bauunternehmung Zentrale Ova Spin in Zernez einen Unfall. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) erliess am 22. April und
BGE 95 I 409 S. 410
7. November 1968 Rentenverfügungen. Im November gleichen Jahres ersuchte Advokat Dr. Stein das Versicherungsgericht des Kantons Luzern, Aiello zur Anfechtung der Verfügung vom 7. November 1968 die unentgeltliche Rechtspflege mit Verbeiständung zu gewähren. Das Gericht bewilligte das Gesuch für die Gerichts- und Beweiskosten, lehnte dagegen die armenrechtliche Verbeiständung ab, weil es einen ausserkantonalen Anwalt nicht als Armenanwalt bestellen könne. Eine staatsrechtliche Beschwerde dagegen hat das Bundesgericht gutgeheissen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
|
1 | Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
2 | Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen. |
3 | Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist. |
4 | Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
|
1 | Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
2 | Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
|
1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
|
1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
Geschützt wird durch Art. 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
|
1 | Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
2 | Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
|
1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
BGE 95 I 409 S. 411
Es kann verbindlich nur durch den Kanton selbst erteilt werden, und stellt sich als Übernahme einer staatlichen Aufgabe dar. Der Anwalt tritt damit zum Staat in ein öffentlichrechtliches Dienst- oder Auftragsverhältnis (BGE 60 I 13,BGE 73 I 370). Kann sich aber der Anwalt zur Erlangung eines solchen Auftrages nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit und auf seinen Befähigungsausweis berufen, wenn er vom Prozesskanton wegen seines auswärtigen Wohnsitzes nicht als unentgeltlicher Beistand anerkannt wird, so kann es auch die Partei selbst nicht.
Auf die Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
|
1 | Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
2 | Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen. |
3 | Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist. |
4 | Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
|
1 | Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
2 | Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
|
1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
5. Aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 95 I 409 S. 412
ob andern berechtigten Wünschen der Prozesspartei Rechnung zu tragen ist. In der Tat können im Einzelfall Verhältnisse vorliegen, welche den Schutz, den Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 95 I 409 S. 413
praktizierenden Anwalt gerät mit diesen Forderungen in Konflikt. Hat der Beschwerdeführer sich während des Aufenthaltes in der Schweiz bereits an eine Berufsorganisation oder an einen Anwalt des Aufenthaltsortes gewandt, so wäre er genötigt, den Anwalt zu wechseln und die Kosten des bisherigen Vertreters zu seinen eigenen Lasten zu übernehmen. Zu bedenken ist insbesondere auch, das die Erwägungen, welche zur beanstandeten Vorschrift Anlass gegeben haben, der einheimische Anwalt kenne das eigene Prozessrecht besser und könne deshalb auch die Interessen der Partei besser wahren, für derartige Prozesse nicht von Gewicht sind. Diese sind nicht im ordentlichen Verfahren durchzuführen. Die Vorschrift, für die Prozesse gegen die SUVA ein einfaches Verfahren zur Verfügung zu stellen, hat praktisch alle Kantone veranlasst, sie im Offizialverfahren durchzuführen. Das trifft auch für die anwendbare kantonale Verfahrensordnung zu. Der Richter kann danach jederzeit die zur Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise von Amtes wegen erheben (§ 15 der Verordnung). Er würdigt die Beweise nach seinem Ermessen (§ 18) und wendet das Recht von Amtes wegen an (§ 19); er entscheidet von Amtes wegen auch über die Kosten (§ 22). Wenn er vor der Urteilsfällung findet, der Versicherte habe irrtümlich zu wenig verlangt, gibt er ihm Gelegenheit zur Änderung der Klage (§ 23). Führt daher die Anwendung von § 77 Abs. 2 der Verordnung für die Partei zu einer erheblichen Erschwerung oder Verteuerung des Prozessganges, und werden die Interessen der Partei durch die Ernennung eines ausserkantonalen Prozessvertreters ebenso gut gewahrt wie bei Ernennung eines Anwaltes des Prozesskantons, so folgt nicht bloss aus Art. 121 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 95 I 409 S. 414
seiner Sache der baslerischen Zweigstelle des Istituto Nazionale Confederale di Assistenza übertragen, für welche von Anfang an Advokat Dr. Stein handelte. Die rasche Abwicklung des Verfahrens würde durch die Pflicht, die Führung des Prozesses einem luzernischen Anwalt zu übertragen, weiter verzögert. Wenn dem Beschwerdeführer dadurch Kosten erwachsen würden, was dahingestellt bleiben mag, würde die richtige Anwendung von Art. 121 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |