BGE 78 I 203
29. Urteil vorn 17. September 1952 i. S. Meinhardt gegen Steuerverwaltung und
Kleiner Rat des Kantons Graubünden.
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Regeste:
Revision von kantonalen Steuerentscheiden. Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Wenn das kantonale Recht die Revision von Steuerveranlagungen zeitlich
beschränkt, darf die Revision nach Ablauf der Frist selbst dann verweigert
werden, wenn damit die Berichtigung eines von der Veranlagungsbehörde
begangenen Irrtums bezweckt wird.
Revision de décisions cantonales en matière d'impôts. Art. 4 Cst.
Lorsque le droit cantonal limite dans le temps la révision des taxations
fiscales, la révision peut être refusée après l'expiration du délai, même si
elle tend à la correction d'une erreur commise par l'autorité de taxation.
Revisione di decisioni cantonali in materia d'imposte. Art. 4 CF.
Quando il diritto cantonale limita nel tempo la revisione delle tassazioni
fiscali, la revisione può essere rifiutata dopo la scadenza del termine, anche
se tende a rettificare un errore commesso dall'autorità di tassazione.
A. - Der Beschwerdeführer William Meinhardt, der nicht Schweizerbürger ist,
hat zu 20;31 Miteigentum an der Villa Ulrich in Zuoz, die einen Steuerwert von
Fr. 100000.- hat und ursprünglich mit Fr. 33500.-, später mit etwa Fr. 30000.-
belastet war. Er kam 1933 aus Deutschland in die Schweiz, siedelte 1938 nach
London über und beauftragte bei Kriegsausbruch Rechtsanwalt Dr. von Planta in
Zuoz, später dessen Kollegen Dr. Sutter mit der Wahrung seiner Interessen,
besonders in Steuersachen. Während Meinhardt bis und mit 1938 von den
bündnerischen Steuerbehörden nur für seinen Miteigentumsanteil unter Abzug der
vollen Grnndpfandschuld, d.h. für ein steuerbares Vermögen von Fr. 37000.,
eingeschätzt worden war, wurde er von 1939 bis 1946 so veranlagt, als ob er
Alleineigentümer wäre, wobei für 1943-1946 nur Fr. 10000.- Grundpfandschulden
abgezogen wurden, sodass sich für 1939-1943 ein steuerbares Vermögen von Fr.
66500.- und für 1943-1946 von Fr. 90000.- ergab.
Als der Beschwerdeführer nach Kriegsende wieder nach Zuoz gekommen war,
erreichte er in Verhandlungen mit den Behörden im Sommer 1947, dass er von
1947 an wieder für seinen Miteigentumsanteil unter Abzug der ganzen
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Grundpfandschuld eingeschätzt wurde. Die Gemeinde Zuoz soll auch bereit
gewesen sein, die Einschätzungen für 1939-1946 zu berichtigen, sofern die
kantonale Steuerverwaltung einverstanden sei. Am 9. September 1949 reichte
Meinhardt bei dieser ein Revisionsgesuch ein, mit dem er Herabsetzung der
Veranlagungen für 1939-1946 auf Fr. 37000. Vermögen verlangte. Zur Begründung
machte er im wesentlichen geltend, dass der während der Kriegsjahre mit der
Wahrung Seiner Interessen betraute Anwalt die Verhältnisse nicht gekannt und
sich bei der fast völligen Unterbrechung der Postverbindung mit England damit
begnügt habe, die Steuerrechnungen für den Beschwerdeführer entgegenzunehmen;
dass die Steuerbehörden, welche die Steuerfaktoren (Steuerwert des Hauses,
Grundpfand -belastung, Miteigentumsanteil des Beschwerdeführers) genau kannten
und den Beschwerdeführer stets danach eingeschätzt hatten, plötzlich grundlos
davon abweichen würden, habe der Anwalt nicht ahnen können.
Die kantonale Steuerverwaltung, das Finanz- und Militärdepartement und
letztinstanzlich der Kleine Rat des Kantons Graubünden lehnten das Eintreten
auf das Revisionsgesuch ab, der Kleine Rat durch Entscheid vom 2. Mai 1952 mit
im wesentlichen folgender Begründung: Nach Art. 80
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
bündnerischen Steuergesetzes vom 16. Dezember 1945 (StG) seien
Revisionsgesuche nach Ziffer 2 des Art. 80 spätestens nach Ablauf von zwei
Jahren seit der rechtskräftigen Veranlagung einzureichen. Die letzte der in
Frage gestellten Veranlagungen sei am 12. August 1947 ergangen, vom
Beschwerdeführer damals auch anerkannt worden und damit in Rechtskraft
erwachsen. Die Revisionsfrist von zwei Jahren sei also mit der Eingabe vom 8.
September 1949 nicht eingehalten worden.
B. - Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde beantragt William
Meinhardt, diesen Entscheid des Kleinen Rates wegen Willkür und
Rechtsverweigerung aufzuheben und die Sache zurückzuweisen zur Herabsetzung
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der Steuerrechnungen für 1939-1946 entsprechend einem Liegenschaftsvermögen
von Fr. 37000.-. Zur Begründung wird angebracht:
Für die Irrtümer bei den Veranlagungen für 1939-1946, die nicht bestritten
seien und die Einleitung des Revisionsverfahrens veranlasst hätten, seien
ausschliesslich die Steuerbehörden verantwortlich. In einem solchen Falle dem
Steuerpflichtigen eine Verjährungsvorschrift entgegenzuhalten, sei nicht nur
unbillig, sondern willkürlich und verstosse gegen den Grundsatz von Treu und
Glauben, der heute nach Lehre und Praxis im Steuerrecht massgebend sei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung
1.- Der Beschwerdeführer ist, obwohl nicht Schweizerbürger und im Ausland
wohnhaft, befugt zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
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BV (BGE 74 T 99).
2.- Während die beiden untern Instanzen in ihren Entscheiden ausführten, dass
und weshalb das Eintreten auf das Revisionsgesuch auch wegen Fehlens von
Revisionsgründen abgewiesen werden müsste, hat sich der Kleine Rat auf die
Feststellung beschränkt, dass das Revisionsgesuch verspätet sei, und hat die
Frage, ob ein Revisionsgrund vorliege, offen gelassen. Es ist daher lediglich
zu prüfen, ob es willkürlich war, das Revisionsgesuch als verspätet zu
betrachten.
3.- Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er sein Revisionsgesuch erst
nach Ablauf von zwei Jahren seit den rechtskräftigen Veranlagungen eingereicht
hat und dass es daher verspätet ist, sofern Art. 80
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macht aber unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben geltend, die
in dieser Bestimmung enthaltene zeitliche Beschränkung der Revision eines
Steuerentscheids verletze dann Art. 4
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Berichtigung eines von der Veranlagungsbehörde begangenen Irrtums bezweckt
werde.
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Art. 58 Abs. 1
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Steuern sind nach Treu und Glauben anzuwenden und zu erfüllen». Der Grundsatz,
auf den sich der Beschwerdeführer beruft, gilt demnach unzweifelhaft im
Steuerrecht des Kantons Graubünden. Abs. 2 des Art. 58
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den Abschluss von Rechtsgeschäften bestimmte Rechtsformen in der erkennbaren
Absicht gewählt, zur Erreichung von Steuervorteilen den wirtschaftlichen
Tatbestand zu verschleiern, so sind die Steuern nach Massgabe des letztem zu
veranlagen». Das ist offensichtlich eine Anwendung des vorausgehenden
Grundsatzes, die die auch in der Lehre vertretene Auffassung bestätigt, dass
mit dem Grundsatz im allgemeinen die Gesetzmässigkeit der Besteuerung
gesichert werden wolle (BOSSHARDT, Treu und Glauben im Steuerrecht, Archiv 13
S. 62 Ziff. 3 GEERING, Von Treu und Glauben im Steuerrecht, S. 127
WACKERNAGEL, Das Legalitätsprinzip im Steuerrecht, ZSR 71 S. 434 f.).
Ausnahmsweise kann der Grundsatz freilich auch dazu führen, dass vom
geschriebenen Rechte abgewichen werden muss (GEERING a.a.O., 137 f., HARTMANN,
SJZ 1949, S. 233 Ziff. 3, WACKERNAGEL a.a.O., S. 434 ff.). Im vorliegenden
Falle fragt sich, ob die zeitliche Beschränkung der Revisionsmöglichkeit einer
Steuerveranlagung auf zwei Jahre gemäss Art. 80
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Veranlagung auf Fehler der Steuerbehörde zurückzuführen ist, mit dem Grundsatz
von Treu und Glauben unvereinbar ist, d.h. ob aus diesem Grundsatz in
Verbindung mit Art. 4
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jederzeit bewilligt werden müsse. Das Bundesgericht hat indessen bisher für
das kantonale Steuerrecht im Gegenteil aus Art. 4
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Steuerveranlagung sei grundsätzlich für den Steuerpflichtigen wie für das
Gemeinwesen verbindlich und rechtskräftig, und nur ausnahmsweise, unter
besondern Voraussetzungen, habe der Steuerpflichtige Anspruch auf Revision
oder sei diese zu seinem Nachteil zulässig (BGE 75 I 309, 76 I 7, 78 I 200).
Diese Praxis,
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die dem Schutze insbesondere auch des Steuerpflichtigen dient, spricht
dagegen, dass eine zeitliche Beschränkung der Revisionsmöglichkeit, wie sie
Art. 80
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selbst wenn die unrichtige Veranlagung, wie in der vorliegenden Beschwerde
behauptet wird, ausschliesslich auf Fehler der Steuerbehörde zurückzuführen
ist und den Steuerpflichtigen bzw. seinen Vertreter kein Verschulden daran
trifft, dass er den Mangel bei der Entgegennahme der Veranlagung nicht
bemerkte. Nach der neuem, in BGE 76 I 7 erwähnten Rechtsprechung des
Bundesgerichts wäre es zwar mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Falle eine Revision überhaupt nicht zuzulassen; dass sie aber zeitlich
unbeschränkt möglich sein müsse, lässt sich aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
verstösst nicht gegen Treu und Glauben und bedeutet keine Rechtsverweigerung,
sondern entspricht vielmehr dem Bedürfnis aller Beteiligten nach
Rechtssicherheit im Steuerrecht, dass nach einer gewissen Zeit auch die
Revision ausgeschlossen wird, wie es denn auch oft bestimmt wird. Als
Verwaltungsbehörden mögen zwar die Steuerbehörden wohl befugt sein, im Rahmen
ihres Ermessens bei besondern Verhältnissen allfällige irrtümlich zu hohe
Veranlagungen herabzusetzen und die dafür entrichteten Steuern
zurückzuerstatten. Hier fragt sich jedoch lediglich, ob die Revision einer in
Rechtskraft erwachsenen Veranlagung in Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
worden sei, d.h. ob die Behörde auf Grund von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
wäre, auf ein Revisionsgesuch einzutreten. Das ist nach dem Gesagten nicht der
Fall.
Die Anwendung der Verwirkungsfrist gemäss Art. 80
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
rechtsmissbräuchlich und verfassungswidrig betrachtet werden, als weder
geltend gemacht wird noch ersichtlich ist, dass der Vertreter des
Beschwerdeführers, nachdem dieser im Sommer 1947 in die Schweiz zurückgekommen
war und von den unrichtigen Veranlagungen Kenntnis erhalten hatte, nicht
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der Frist von zwei Jahren seit der letzten dieser Veranlagungen das
Revisionsgesuch hätte stellen können, statt erst nach zwei Jahren und vier
Wochen.
Demnach erkennt das Bundesgericht
Die Beschwerde wird abgewiesen.