93 IV 20
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Februar 1967 i.S. Breitenmoser gegen Balke.
Regeste (de):
- Art. 177
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.235
1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.235 2 Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. 3 Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1 Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, 2 Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. 3 Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. 4 Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. 5 Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 3 - 1 Diesem Gesetz ist unterworfen, wer in der Schweiz ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1 Diesem Gesetz ist unterworfen, wer in der Schweiz ein Verbrechen oder Vergehen begeht. 2 Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland ganz oder teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht die vollzogene Strafe auf die auszusprechende Strafe an. 3 Ist ein Täter auf Ersuchen der schweizerischen Behörde im Ausland verfolgt worden, so wird er, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der Konvention vom 4. November 19505 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn: a das ausländische Gericht ihn endgültig freigesprochen hat; b die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist. 4 Hat der auf Ersuchen der schweizerischen Behörde im Ausland verfolgte Täter die Strafe im Ausland nicht oder nur teilweise verbüsst, so wird in der Schweiz die Strafe oder deren Rest vollzogen. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland nicht oder nur teilweise vollzogene Massnahme in der Schweiz durchzuführen oder fortzusetzen ist. - Im Vorwurf, jemand sei ein Psychopath, liegt ein beschimpfendes Werturteil. Frage der Zulassung zum Wahrheits- und Entlastungsbeweis.
Regeste (fr):
- Art. 177, 173 ch. 2 et 3 CP.
- Traiter quelqu'un de psychopathe constitue un jugement de valeur injurieux. L'inculpé peut-il être admis à faire la preuve de la vérité?
Regesto (it):
- Art. 177, 173 num. 2 e 3 CP.
- Trattare una persona di psicopatica costituisce un giudizio di valore ingiurioso. Quesito dell'ammissione alla prova della verità e dell'assenza di colpa.
Sachverhalt ab Seite 20
BGE 93 IV 20 S. 20
A.- Die Erbengemeinschaft Balke, die Eigentümerin eines Hauses in Zürich ist, kündigte Fräulein Werder die Zimmermiete, worauf diese gegen die Kündigung Einsprache erhob und am 7. Juli 1965 vor dem Mietamt der Stadt Zürich eine Sühneverhandlung stattfand, an der die Vermieterin durch die Brüder Balke, die Zimmermieterin durch lic. iur. Breitenmoser vertreten war. Im Verlaufe der Verhandlung zog der Vertreter der Mieterin die Einsprache zurück und fügte die Erklärung bei, dass es der Mieterin ohnehin nicht mehr zuzumuten sei, bei diesen Psychopathen zu wohnen.
B.- Die Brüder Balke fühlten sich durch die Bezeichnung "Psychopathen" verletzt und erhoben Ehrverletzungsklage.
BGE 93 IV 20 S. 21
Das Bezirksgericht Zürich sprach Breitenmoser am 6. Mai 1966 der Beschimpfung (Art. 177
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.235 |
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1 | Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.235 |
2 | Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. |
3 | Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. |
C.- Breitenmoser führt gegen des obergerichtliche Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung, eventuell zur Abnahme des Wahrheits- oder Entlastungsbeweises an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Die Ankläger beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshofzieht in Erwägung:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes wird durch Art. 173 ff
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
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1 | Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
2 | Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. |
3 | Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. |
4 | Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. |
5 | Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. |
BGE 93 IV 20 S. 22
(BGE 76 IV 29f.; Urteil des Kassationshofes vom 12. Jun 1953 i.S. Sennwald). Zur Frage, ob Psychopathie, wenn sie nicht in schwerer Form auftritt, eine Krankheit sei, braucht nicht Stellung genommen zu werden. Psychopathische Anlagen werden regelmässig vererbt oder angeboren, so dass der Psychopath schon aus diesem Grunde für seine abnorme Charakterveranlagung an sich nicht verantwortlich ist. Dessen ungeachtet hat er aber im allgemeinen für sein Tun und Lassen einzustehen. Es wird von ihm erwartet, dass er ebenso wie der Durchschnittsmensch seine Charakterfehler bekämpfe, seine abwegigen Gefühle, Triebe und Reaktionen beherrsche und sich gegenüber Mitmenschen sozial angepasst verhalte (BGE 73 IV 211,BGE 77 IV 216Erw. 4,BGE 78 IV 212). Erst wenn seine Abartigkeit, z.B. seine Willensschwäche, Gemütsarmut, Übererregbarkeit usw., nach Art und Grad so stark vom Durchschnitt abweicht, dass er wegen Geisteskrankheit als unzurechnungsfähig oder wegen Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit oder wegen mangelhafter geistiger Entwicklung als vermindert zurechnungsfähig betrachtet werden muss, ist der Psychopath für sein Verhalten nicht oder nicht mehr voll verantwortlich (BGE 73 IV 210Erw. 2;BGE 77 IV 64, 215 f.;BGE 78 IV 212; Urteile des Kassationshofes vom 29. November 1957 i.S. Perrucchi und vom 20. September 1960 i.S. Rütti). Diese Voraussetzungen treffen jedoch nur in Fällen besonders schwerer oder stark ausgeprägter Psychopathie zu, während der Grossteil der Psychopathen voll zurechnungsfähig ist und deshalb moralisch und strafrechtlich nach der allgemeinen Norm beurteilt wird (DUKOR, Die Zurechnungsfähigkeit der Psychopathen, ZStR 1951, 418 ff.; Forensische Psychiatrie für Gutachter, in Bulletin des Eidg. Gesundheitsamtes Nr. B - 4, 1953; BLEULER, Lehrbuch der Psychiatrie, S. 563 f.). Der Psychopath, der, anders als ein charakterlich anständiger Mensch, seine Charakterfehler nicht beherrscht und sich abwegig verhält, handelt daher im allgemeinen verwerflich. Die Bezeichnung eines Menschen als Psychopath ist infolgedessen ehrverletzend, denn im täglichen Leben wird darunter regelmässig nicht die psychopathische Veranlagung als solche verstanden, sondern der Ausdruck im abschätzigen Sinne verwendet, dass der Betroffene sich abnorm, asozial benehme.
2. Der Beschwerdeführer hat das Wort Psychopath in ehrverletzendem Sinne gebraucht. Wie das Obergericht verbindlich
BGE 93 IV 20 S. 23
feststellt, wollte er damit von den Anklägern nicht ein rein medizinisches, von jeder moralischen Wertung freies Bild zeichnen, sondern ihr soziales Verhalten als das von Psychopathen hinstellen. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz war er sich dabei bewusst, dass er durch sein Werturteil die Ankläger in ihrem Ehrgefühl kränkte. Der Tatbestand der Beschimpfung im Sinne des Art. 177
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.235 |
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1 | Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.235 |
2 | Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. |
3 | Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. |
3. Wird das beschimpfende Werturteil an bestimmte Tatsachen geknüpft, finden die Bestimmungen des Art. 173 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
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1 | Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
2 | Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. |
3 | Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. |
4 | Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. |
5 | Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
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1 | Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
2 | Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. |
3 | Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. |
4 | Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. |
5 | Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
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1 | Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
2 | Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. |
3 | Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. |
4 | Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. |
5 | Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. |