93 I 390
50. Auszug aus dem Urteil vom 23. Juni 1967 i.S. Mühle X. gegen Eidg. Getreidekommission.
Regeste (de):
- Übernahme von Brotgetreide des Bundes.
- 1. Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid der Eidg. Getreidekommission: Streitwert (Erw. 1).
- 2. Eine formell rechtskräftige Zuteilung inländischen Getreides für eine bestimmte Periode darf zu Ungunsten des Müllers abgeändert werden, wenn er die Verwaltung durch unrichtige Meldungen irregeführt hat (Erw. 2).
- 3. Verjährung des Anspruchs des Bundes auf Zuteilung: Art. 57 des Getreidegesetzes ist analog anwendbar (Erw. 3).
- 4. Verweigerung des rechtlichen Gehörs im Verfahren vor der Eidg. Getreidekommission? (Erw. 5).
Regeste (fr):
- Reprise de blé de la Confédération.
- 1. Recours de droit administratif contre une décision de la Commission fédérale des blés: Valeur litigieuse (consid. 1).
- 2. L'attribution de blé indigène pour une certaine période, lorsqu'elle a force de chose jugée, peut être modifiée au détriment du meunier s'il a induit l'administration en erreur par des déclarations inexactes (consid. 2).
- 3. Prescription du droit de la Confédération à imposer une quote de reprise: l'art. 57 de la loi sur le blé s'applique par analogie (consid. 3).
- 4. Violation du droit d'être entendu dans la procédure devant la Commission fédérale des blés? (consid. 5)
Regesto (it):
- Ritiro dei cereali della Confederazione.
- 1. Ricorso di diritto amministrativo contro una decisione della Commissione federale dei cereali: valore litigioso (consid. 1).
- 2. L'attribuzione di cereali indigeni per un certo periodo, quand'è cresciuta in giudicato, puo essere modificata a svantaggio dell'esercente del mulino se questi ha indotto l'amministrazione in errore mediante dichiarazioni inesatte (consid. 2).
- 3. Prescrizione del diritto della Confederazione di imporre il ritiro di una determinata quantità di cereali: l'art. 57 della legge sui cereali si applica per analogia (consid. 3).
- 4. Violazione del diritto di essere sentito nella procedura innanzi alla Commissione federale dei cereali? (consid. 5).
Sachverhalt ab Seite 390
BGE 93 I 390 S. 390
A.- Die Beschwerdeführerin, Mühle X., erzeugt ein als Raviolidunst bezeichnetes Spezialmehl, das sie einer Konservenfabrik für die Herstellung von Ravioli liefert.
BGE 93 I 390 S. 391
In einer von der Eidg. Getreideverwaltung im Jahre 1962 gegen die Beschwerdeführerin und ihre verantwortlichen Organe eingeleiteten Strafuntersuchung sagten der Obermüller und der Verwaltungsratspräsident aus, dass die Mühle in den Jahren 1960 und 1961 für die Herstellung des Raviolidunstes eine 10 - 15 Gewichtsprozente Inlandweizen enthaltende Getreidemischung verwendet habe. Indessen hatte die Beschwerdeführerin der Getreideverwaltung früher gemeldet, dass sie für diese Fabrikation in der Regel - abgesehen vom ersten Semester 1960 - ausschliesslich Auslandgetreide verarbeitet habe. Sie hatte durch diese Meldungen erwirkt, dass die Verwaltung sie in periodisch getroffenen Verfügungen gestützt auf Art. 21 Abs. 1
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B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Mühle, der Entscheid der Getreidekommission und die durch ihn bestätigte Verfügung der Getreideverwaltung seien vollumfänglich aufzuheben; eventuell sei die Sache zur neuen Untersuchung und Beurteilung an die Getreidekommission zurückzuweisen. Es wird geltend gemacht, die Verwaltung sei nicht berechtigt gewesen, ihre früheren Verfügungen, in denen sie die von der Beschwerdeführerin in den Jahren 1960 und 1961 zu übernehmenden Mengen inländischen Getreides festgesetzt hatte, nachträglich abzuändern. Überdies sei der streitige Anspruch der Verwaltung mindestens zum Teil verjährt. Sodann beruhe der angefochtene Entscheid auf einer unrichtigen Feststellung des Sachverhalts... Die Getreidekommission habe der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör verweigert,
BGE 93 I 390 S. 392
indem sie ihr nicht Gelegenheit gegeben habe, zu der Vernehmlassung der Verwaltung Stellung zu nehmen.
C.- Die Getreidekommission beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 61 Abs. 1 lit. c
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Art; es handelt sich um einen Fall mit einem Streitwert, dessen Festsetzung allerdings, mangels eines auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme gehenden Begehrens, dem Ermessen des Richters anheimgegeben ist (Art. 36 Abs. 2
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BGE 93 I 390 S. 394
in Betracht, die zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Verfügung der Getreideverwaltung und der Einreichung der dagegen gerichteten Beschwerde bestanden haben, oder die Verhältnisse unmittelbar vor der Entscheidung der Getreidekommission. Nach der einen wie nach der anderen Lösung ergibt sich auf Grund der Darlegungen der Parteien mit Sicherheit, dass die Differenz zwischen den Preisen des einheimischen und des französischen Getreides für die in Frage stehende Menge den Betrag von Fr. 8 000.-- überschritten hat. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit nach Art. 61 Abs. 1 lit. c
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2. Die Getreideverwaltung hat mit der Verfügung vom 25. März 1966 die Mühle X. zum Nachbezug von 1491,53 q inländischen Getreides auf Grund der Annahme verpflichtet, dass die der Mühle in früheren Verfügungen für die Jahre 1960 und 1961 zur Übernahme zugeteilten Mengen solchen Getreides im Umfange jenes Quantums zu niedrig gewesen seien. Die Verwaltung hat also durch die neue Verfügung - wenn nicht der Form, so doch der Wirkung nach - die früheren, formell rechtskräftig gewordenen Verfügungen abgeändert.
Die Beschwerdeführerin hält dieses Vorgehen für unzulässig; sie macht geltend, weder sei es im Gesetz vorgesehen, noch liege einer der Gründe vor, aus denen die Rechtsprechung eine Revision rechtskräftiger Verwaltungsverfügungen zulässt, wenn gesetzliche Vorschriften hierüber fehlen. In der Tat enthält die Gesetzgebung über die Getreideversorgung des Landes keine Bestimmung darüber, ob formell rechtskräftige Verfügungen, in denen die von den Handelsmüllern zu übernehmenden Quoten einheimischen Getreides festgelegt sind, nachträglich wegen materieller Unrichtigkeit abgeändert werden dürfen oder nicht, so dass es Sache der zur Anwendung des Gesetzes berufenen Behörde ist, über diese Frage in Abwägung der Interessen, die einerseits an der Verwirklichung des objektiven Rechts und anderseits an der Vermeidung von Rechtsunsicherheit bestehen, zu befinden (BGE 91 I 95 f.). Es mag zutreffen, dass hier dem Postulat der Rechtssicherheit der Vorrang zuzuerkennen, eine formell rechtskräftig gewordene Zuteilungsverfügung also grundsätzlich
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als unabänderlich zu betrachten ist. Indessen darf in solchen Fällen die Verwaltung ausnahmsweise auf die rechtskräftige Verfügung zurückkommen, wenn einer der Revisionsgründe besteht, welche die Rechtsprechung anerkennt (BGE 78 I 201, BGE 86 I 173). Die Beschwerdeführerin bestreitet dies nicht, erhebt jedoch unter Berufung auf IMBODEN (Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 2. Aufl., Nr. 46 IV a) den Einwand, hier sei die Revision ausgeschlossen, weil die Verwaltung aus Unachtsamkeit oder Irrtum unrichtig verfügt habe. Es trifft allerdings zu, dass eine formell rechtskräftige Verfügung, welche für den Bürger deshalb zu günstig ausgefallen ist, weil die Verwaltung aus Unachtsamkeit oder Irrtum den massgeblichen Sachverhalt nicht richtig festgestellt hat, nicht nachträglich zu Ungunsten des Bürgers abgeändert werden darf, wenn der Fehler von der Behörde zu verantworten ist. In diesem Sinne sind die Ausführungen in BGE 78 I 202 zu verstehen, auf die sich IMBODEN an der von der Beschwerdeführerin zitierten Stelle stützt. Anders verhält es sich jedoch dann, wenn der Fehler, welcher der Behörde unterlaufen ist, nicht von ihr zu vertreten, sondern einem Verhalten des Bürgers zuzuschreiben ist, das es ausschliesst, dass dieser sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben und das Postulat der Rechtssicherheit berufen kann. In einem solchen Falle muss die Revision zu Ungunsten des Bürgers zugelassen werden (vgl. BGE 88 I 227 f.), wie denn anderseits die Revision zu seinen Gunsten statthaft ist, wenn einer ihm nachteiligen Verfügung eine von ihm vorgetragene unrichtige Sachdarstellung, die auf unzutreffenden Auskünften der Behörde beruht, zugrunde liegt (BGE 75 I 311, BGE 76 I 7). Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Steuerrecht geht fehl; bestimmen doch gerade die Steuergesetze regelmässig, dass der Fiskus auf eine rechtskräftige Veranlagung zurückkommen darf, wenn sich herausstellt, dass sie infolge Verschuldens des Steuerpflichtigen zu niedrig ausgefallen ist. Die Beschwerdeführerin legt Gewicht darauf, dass sie der Verwaltung seinerzeit in den Meldungen für die Monate Januar bis Juni 1960 wahrheitsgemäss die teilweise Verwendung inländischen Getreides bei der Herstellung des Raviolidunstes mitgeteilt habe. Sie leitet daraus ab, dass für die Unrichtigkeit der früheren Zuteilungen einheimischen Getreides die Verwaltung einzustehen habe. Dieser Standpunkt ist abwegig. Die Verwaltung hat jene Meldungen berücksichtigt. Sie hat aber auch auf
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die Meldungen der Beschwerdeführerin für die späteren Monate abgestellt, nach denen die Mühle damals für die Raviolidunstmahlungen ausschliesslich ausländisches Getreide verarbeitet hätte. Diese Meldungen waren unrichtig. Die Beschwerdeführerin war jedoch verpflichtet, der Verwaltung in den monatlichen Rapporten durchweg wahrheitsgetreue Angaben zu machen (Art. 20
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3. Nach Art. 43 der vom Bundesrat am 10. November 1959 erlassenen Vollziehungsverordnung I zum Getreidegesetz bestimmt die Verwaltung periodisch (in der Regel für ein Jahr) den Prozentsatz an Inlandgetreide, den ein Handelsmüller monatlich zu kaufen hat. Die Getreidegesetzgebung enthält keine Bestimmung über die Verjährung des Rechts der Verwaltung, diese Quote für eine bestimmte Periode zuzuteilen. Art. 57
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BGE 93 I 390 S. 397
einen gemischten Charakter habe, kann offen gelassen werden. Auf jeden Fall müssen Ansprüche des Gemeinwesens auf Leistungen des Bürgers mit vermögensrechtlichem Einschlag nach einem allgemeinen Grundsatz einer Verjährung auch dann unterworfen sein, wenn das Gesetz hierüber nichts bestimmt; das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Rechtsunsicherheit und unbilliger Belästigung des Bürgers durch Ansprüche vermögensrechtlichen Charakters aus lange zurückliegender Zeit schliessen eine andere Auffassung aus (BGE 78 I 89 Erw. 4; BGE 85 I 183 Erw. 3). Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass die Verjährungsfrist für den vorliegenden Fall in Anlehnung an die in Art. 128
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SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 128 - Se prescrivent par cinq ans: |
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1 | les loyers et fermages, les intérêts de capitaux et toutes autres redevances périodiques; |
2 | les actions pour fournitures de vivres, pension alimentaire et dépenses d'auberge; |
3 | les actions des artisans, pour leur travail; des marchands en détail, pour leurs fournitures; des médecins et autres gens de l'art, pour leurs soins; des avocats, procureurs, agents de droit et notaires, pour leurs services professionnels; ainsi que celles des travailleurs, pour leurs services. |
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SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 130 - 1 La prescription court dès que la créance est devenue exigible. |
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1 | La prescription court dès que la créance est devenue exigible. |
2 | Si l'exigibilité de la créance est subordonnée à un avertissement, la prescription court dès le jour pour lequel cet avertissement pouvait être donné. |
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Diese Lösung erlaubt es, den Gründen Rechnung zu tragen,
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aus denen im Gebiete des Zivilrechts die Verjährungsfrist, die mangels anderer Bestimmung zehn Jahre beträgt (Art. 127
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SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 127 - Toutes les actions se prescrivent par dix ans, lorsque le droit civil fédéral n'en dispose pas autrement. |
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SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 128 - Se prescrivent par cinq ans: |
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1 | les loyers et fermages, les intérêts de capitaux et toutes autres redevances périodiques; |
2 | les actions pour fournitures de vivres, pension alimentaire et dépenses d'auberge; |
3 | les actions des artisans, pour leur travail; des marchands en détail, pour leurs fournitures; des médecins et autres gens de l'art, pour leurs soins; des avocats, procureurs, agents de droit et notaires, pour leurs services professionnels; ainsi que celles des travailleurs, pour leurs services. |
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SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 130 - 1 La prescription court dès que la créance est devenue exigible. |
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1 | La prescription court dès que la créance est devenue exigible. |
2 | Si l'exigibilité de la créance est subordonnée à un avertissement, la prescription court dès le jour pour lequel cet avertissement pouvait être donné. |
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SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 60 - 1 L'action en dommages-intérêts ou en paiement d'une somme d'argent à titre de réparation morale se prescrit par trois ans à compter du jour où la partie lésée a eu connaissance du dommage ainsi que de la personne tenue à réparation et, dans tous les cas, par dix ans à compter du jour où le fait dommageable s'est produit ou a cessé.35 |
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1 | L'action en dommages-intérêts ou en paiement d'une somme d'argent à titre de réparation morale se prescrit par trois ans à compter du jour où la partie lésée a eu connaissance du dommage ainsi que de la personne tenue à réparation et, dans tous les cas, par dix ans à compter du jour où le fait dommageable s'est produit ou a cessé.35 |
1bis | En cas de mort d'homme ou de lésions corporelles, elle se prescrit par trois ans à compter du jour où la partie lésée a eu connaissance du dommage ainsi que de la personne tenue à réparation et, dans tous les cas, par vingt ans à compter du jour où le fait dommageable s'est produit ou a cessé.36 |
2 | Si le fait dommageable résulte d'un acte punissable de la personne tenue à réparation, elle se prescrit au plus tôt à l'échéance du délai de prescription de l'action pénale, nonobstant les alinéas précédents. Si la prescription de l'action pénale ne court plus parce qu'un jugement de première instance a été rendu, l'action civile se prescrit au plus tôt par trois ans à compter de la notification du jugement.37 |
3 | Si l'acte illicite a donné naissance à une créance contre la partie lésée, celle-ci peut en refuser le paiement lors même que son droit d'exiger la réparation du dommage serait atteint par la prescription. |
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BGE 93 I 390 S. 399
den Anspruch mit der Verfügung vom 25. März 1966, also noch vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist, geltend gemacht. Die Einrede der Verjährung ist daher im vollen Umfange unbegründet.
4. (Bemessung der nachzubeziehenden Menge inländischen Getreides.)
5. Die Beschwerdeführerin erblickt eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs darin, dass die Getreidekommission ihr nicht Gelegenheit gegeben hat, zu der von dieser Instanz eingeholten Vernehmlassung der Getreideverwaltung und zu den damit eingereichten Akten, insbesondere einer "Neuberechnung der Pflichtquoten", Stellung zu nehmen. Der Einwand ist unbegründet. Das gerügte Vorgehen der Getreidekommission verstösst nicht gegen die Verfahrensordnung, die in Art. 9 der vom Bundesrat am 10. November 1959 erlassenen Vollziehungsverordnung IV zum Getreidegesetz aufgestellt ist. Ebensowenig lässt sich unmittelbar aus Art. 4
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SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche. |