88 II 131
19. Urteil der I. Zivilabtellung vom 9. April 1962 i.S. Hoppen und Thos. Harry & Co. gegen Kanton Uri.
Regeste (de):
- 1. Art. 44 Abs. 1, 55OR. Gründe und Mass der Herabsetzung der Ersatzpflicht des Halters einer Strassenwalze, die von seinem Arbeiter geführt und von einem Motorwagen gerammt wurde.
- 2. Art. 19 Abs. 1,25Abs. 1 MFG,Art. 38Abs. 1 lit. e, 39 Abs. 1 MFV. Welche Pflichten auferlegt die in einem Tunnel herrschende Dunkelheit den Führern eines Motorwagens bzw. einer Strassenwalze?
Regeste (fr):
- 1. Art. 44 al. 1, 55 CO. Motifs et mesure de la réduction de l'indemnité due par le détenteur d'un rouleau compresseur conduit par son employé et happé par un véhicule à moteur.
- 2. Art. 19 al.2, 25al. 1 LA; Art. 38 al. 1 litt. e, 39 al. 1 RA. Devoirs du conducteur d'un véhicule à moteur, resp. d'un rouleau compresseur, en raison de l'obscurité d'un tunnel.
Regesto (it):
- 1. Art.44 cpv. 1, 55 CO. Motivi e misura della riduzione del risarcimento dovuto dal detentore, il cui rullo compressore, guidato da un operaio, è stato investito da un autoveicolo.
- 2. Art. 19 cpv. 1,25cpv. 1 LA; art. 38 cpv. 1 lett. e, 39 cpv. 1 RLA. Doveri del conducente di un autoveicolo rispett. di un rullo compressore, a motivo dell'oscurità di una galleria.
Sachverhalt ab Seite 131
BGE 88 II 131 S. 131
A.- Die Strasse von Flüelen nach Sisikon führt durch einen 280 m langen und in einer starken Linksbiegung verlaufenden Tunnel, den sogenannten grossen Axentunnel, der durch Signale den Motorfahrzeugen vorbehalten ist, während Fussgänger und Radfahrer auf die ihn umgehende alte Strasse verwiesen werden. Die Fahrbahn ist 6,9 m breit und durch eine 30 cm breite Sicherheitslinie in Hälften geteilt. Die Mitte des Tunnels liegt auch bei Tag auf eine Strecke von etwa 35 m vollständig im Dunkeln, und die Dunkelheit nimmt gegen die beiden Ausgänge nur wenig ab. Eine künstliche Beleuchtung fehlt. Am 30. Juni 1958 etwa um 17.30 Uhr führte Thomas Hoppen in Begleitung von fünf Personen einen Motorwagen von Flüelen her in den Tunnel. Er schaltete die Markierlichter des Wagens ein und richtete seinen Blick
BGE 88 II 131 S. 132
auf die Sicherheitslinie. Er will mit 30 km/Std. gefahren sein. Ungefähr in der Mitte des Tunnels stiess der Wagen mit unverminderter Geschwindigkeit unversehens auf eine Strassenwalze, die mit etwa 4 km/Std. dem rechten Rand der Fahrbahn entlang Richtung Sisikon fuhr und weder vorn noch hinten Licht führte. Die Walze gehörte dem Kanton Uri. Der Italiener Giovanni Soppe befand sich mit ihr im Auftrage des kantonalen Bauamtes, in dessen Dienst er stand, auf dem Wege zu einer Arbeitsstelle. Durch den Zusammenstoss wurde der Motorwagen stark beschädigt und Alice Russel, die sich in ihm befand, erheblich verletzt. Die Firma Gebr. Sigrist schleppte den Wagen ab und sandte ihn an seine Eigentümerin, die Firma Thos. Harry & Co. in London. Die bezüglichen Kosten von Fr. 742.40 wurde von der Schweiz. Versicherungs-Gesellschaft Helvetia-Unfall bezahlt, die den Kanton Uri gegen Haftpflicht versichert hatte. Die Helvetia-Unfall fand ferner Alice Russel vergleichsweise mit Fr. 800.-- ab.
B.- Hoppen und die Firma Thos. Harry & Co. klagten gegen den Kanton Uri auf Zahlung von Fr. 12'907.57. Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Nach der teilweisen Gutheissung der Klage durch das Landgericht Uri zogen beide Parteien die Sache an das Obergericht weiter und hielten vor diesem an ihren Anträgen fest. Das Obergericht Uri verpflichtete den Beklagten am 19. Oktober 1961, den Klägern solidarisch Fr. 2225.70 zu zahlen. Es kam zum Schluss, der Beklagte sei den Klägern auf Grund des Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
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1 | Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
2 | Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
C.- Die Kläger haben die Berufung erklärt. Sie beantragen dem Bundesgericht, den Beklagten zu verhalten, ihnen Fr. 5222.57 zu ersetzen, nämlich den vollen
BGE 88 II 131 S. 133
Schaden von Fr. 5993.77, abzüglich die Hälfte der von der Helvetia-Unfall geleisteten Zahlungen. Sie machen geltend, das Obergericht habe zu Unrecht die Ersatzpflicht des Beklagten nach Art. 44 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beklagte schuldet den Klägern unbestrittenermassen aus Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
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1 | Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
2 | Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
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die Sicht beeinträchtigen. Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen keine Ausnahme. Obschon der grosse Axentunnel nur von Motorfahrzeugen befahren werden darf und Soppe ihn mit der Walze unrechtmässig benutzte, musste Hoppen doch damit rechnen, dass er sich einem unbeleuchteten Hindernis nähern könnte, z.B. einem wegen einer Panne stehengebliebenen Motorwagen, vom Gewölbe herabgefallenen Steinen, einem verirrten Wild. Um solchen Gefahren zu entgehen, genügte es nicht, dass er rechts der Sicherheitslinie fuhr. Hätte er das bedacht und die Strassenlichter eingeschaltet oder die Geschwindigkeit genügend herabgesetzt, so wäre sein Fahrzeug mit der Walze nicht zusammengestossen. Sein pflichtwidriges Verhalten ist eine rechtserhebliche Mitursache des Unfalles. Auch in der Betriebsgefahr, die einem Motorfahrzeug innewohnt, kann ein Umstand im Sinne des Art. 44 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
2. Wie stark sich die von den Klägern zu vertretenden
BGE 88 II 131 S. 135
Herabsetzungsgründe auf die Ersatzpflicht auswirken, hängt auch von Umständen ab, die dem Beklagten zum Vorwurf gereichen. Gemäss Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
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1 | Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
2 | Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
BGE 88 II 131 S. 136
wiegen nicht so schwer, dass es sich rechtfertigen würde, die Ersatzpflicht des Beklagten um mehr als die Hälfte herabzusetzen. Anderseits besteht auch kein Anlass, den Beklagten zu verhalten, den Klägern mehr als die Hälfte ihres Schadens zu ersetzen. Das Verschulden Hoppens war nicht leicht. Er hätte ohne weiteres erkennen können, wie gefährlich es sei, mit einem bloss Markierlichter führenden Motorwagen mit 30 km/Std. in vollständiger Dunkelheit zu fahren. Die Strassenlichter hätten ohne besondere Mühe eingeschaltet werden können.
3. Die vorinstanzliche Berechnung des Schadens wird von keiner Partei angefochten. Das Bundesgericht hat sie daher als richtig hinzunehmen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung und die Anschlussberufung werden abgewiesen, und das Urteil des Obergerichts Uri vom 19. Oktober 1961 wird bestätigt.