87 IV 122
29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. Oktober 1961 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen X.
Regeste (de):
- Art. 191 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Das blosse Aneinanderreiben der männlichen Geschlechtsteile ist keine beischlafsähnliche, sondern eine "andere unzüchtige Handlung" im Sinne des Art. 191 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Regeste (fr):
- Art. 191 ch. 1 CP.
- Lorsque deux personnes du sexe masculin frottent simplement l'une contre l'autre leurs parties sexuelles, elles n'accomplissent pas un acte analogue à l'acte sexuel, mais un "autre acte contraire à la pudeur" selon l'art. 191 ch. 2 CP.
Regesto (it):
- Art. 191 num. 1 CP.
- Quando due persone di sesso maschile si limitano a stropicciare l'una contro l'altra le loro parti sessuali,non compiono un atto simile alla congiunzione carnale, ma "un altro atto di libidine" di cui all'art. 191 num. 2 CP.
Sachverhalt ab Seite 123
BGE 87 IV 122 S. 123
A.- X., der homosexuell veranlagt ist, nahm im Jahre 1960 an Lehrlingen seiner Arbeitgeberfirma wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Als seine Frau in den Sommerferien weilte, bat X. den damals noch nicht sechszehn Jahre alten Y., ihm daheim bei Hausarbeiten behilflich zu sein. Zuhause sprach er mit dem Lehrling über den Geschlechtsverkehr und die Onanie, zeigte ihm ein illustriertes Buch über das Geschlechtsleben und gab ihm ein unzüchtiges Schriftstück zu lesen. Auch griff er Y. über den Kleidern an den Geschlechtsteil. Hierauf führte er den Lehrling von der Wohnstube in ein Nebenzimmer, wo X. seinen Geschlechtsteil an demjenigen des Y. rieb, bis es bei beiden zum Samenerguss kam.
B.- Am 28. Januar 1961 erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn X. wegen dieser Handlung der Unzucht im Sinne des Art. 191 Ziff. 2 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes mit Bezug auf den Fall Y. aufzuheben und die Sache zur Bestrafung nach Art. 191 Ziff. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
D.- X. beantragt Abweisung der Beschwerde.
BGE 87 IV 122 S. 124
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. (Gekürzt.) Die Unzuchtshandlungen, welche nach der Rechtsprechung des Kassationshofes als beischlafsähnlich im Sinne des Art. 191 Ziff. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2. Nach dem Sachverhalt, wie er im angefochtenen Urteil festgestellt ist, erschöpften sich die unzüchtigen Handlungen des Beschwerdegegners im Falle Y. darin, dass X. den Knaben über den Kleidern ausgriff und ihn alsdann in ein Nebenzimmer führte, wo er seinen Geschlechtsteil an demjenigen des Knaben bis zum beidseitigen Samenerguss rieb. Dass er sich etwa auf sein Opfer gelegt oder sein Glied zwischen dessen Oberschenkel gestossen hätte, ist weder dem Urteil des Obergerichtes noch den Akten zu entnehmen.
Bei dieser Sachlage kann nach der bisherigen Rechtsprechung nicht von einer beischlafsähnlichen Handlung im Sinne von Art. 191 Ziff. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 87 IV 122 S. 125
behandelt wie den Beischlaf. Nach der Rechtsprechung, auf die sich auch die Beschwerdeführerin beruft, hängt die Frage vorweg vom Grad der körperlichen Intimität ab; die Vereinigung muss an Innigkeit derjenigen beim natürlichen Beischlaf ähnlich sein. Die Beschwerdeführerin glaubt, dieses Erfordernis sei im vorliegenden Fall mit dem Aneinanderreiben der Geschlechtsteile erfüllt; denn es sei schwerlich einzusehen, wieso die gegenseitige Berührung der Geschlechtsteile zweier Personen verschiedenen Geschlechts eine beischlafsähnliche Handlung bilden solle, nicht aber die Berührung der Geschlechtsteile zweier männlicher Partner; zudem komme auch eine solche Berührung der beiden Körper an Innigkeit derjenigen beim natürlichen Beischlaf zweifellos viel näher als ein blosses gegenseitiges Abreiben. Dieser Vergleich ist nicht stichhaltig, weil er auf ein äusserliches Unterscheidungsmerkmal abstellt und den wesensmässigen Unterschied zwischen dem natürlichen Beischlaf und der geschlechtlichen Befriedigung durch gleichgeschlechtlichen Umgang ausser Acht lässt. Das Aneinanderbringen der Geschlechtsorgane von Mann und Frau stellt die erste Phase des eigentlichen, heterosexuellen Beischlafs dar. Es ist daher richtig, diese Berührung der Geschlechtsteile, namentlich wenn es der Täter auf den Beischlaf abgesehen hat (BGE 76 IV 236), als beischlafsähnlich zu bezeichnen. Der geschlechtliche Umgang zwischen zwei männlichen Personen dagegen kann nicht auf die Vereinigung der Geschlechtsteile gerichtet sein. Das Gegenstück zum natürlichen Beiwohnungsakt bildet hier in der Regel die immissio inter femora und die Einführung des männlichen Gliedes in eine natürliche Körperöffnung des Partners. Diese Betätigungsformen sind dem homosexuell veranlagten Täter Ersatz für den Beischlaf und gleichen diesem durch die Innigkeit der Vereinigung und die Vorstellung, die beim Kinde ausgelöst wird (BGE 76 IV 108; BGE 86 IV 179 f.). Das lässt sich von einem blossen Aneinanderreiben der männlichen Geschlechtsteile nicht
BGE 87 IV 122 S. 126
sagen; jedenfalls entsteht dadurch keine so innige Beziehung zwischen den Beteiligten, wie beim Beischlaf oder den nach der Rechtsprechung als beischlafsähnlich geltenden Handlungen. Insbesondere lässt es sich nicht mit dem cunnilinguus vergleichen, wie dies die Beschwerdeführerin tut, zeichnet sich doch dieser durch einen besonders hohen Grad körperlicher Intimität aus (BGE 84 IV 102). Ein Verhalten, wie es dem Beschwerdegegner zur Last gelegt wird, lässt sich viel eher, sei es nun nach den physiologischen oder psychischen Wirkungen auf das Opfer oder sei es nach dem Grad der körperlichen Intimität, mit der gegenseitigen Onanie vergleichen. Gerade diese fällt aber nach allgemeiner Auffassung nicht unter den Begriff der beischlafsähnlichen Handlungen, sondern ist zu den "andern unzüchtigen Handlungen" des Art. 191 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.