S. 163 / Nr. 38 Strafgesetzbuch (d)

BGE 75 IV 163

38. Urteil des Kassationshofes vom 12. September 1949 i. S. K. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

Regeste:
Art. 191 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB. Die immissio inter femora stellt eine
beischlafsähnliche Handlung auch dann dar, wenn sie von hinten ausgeführt
wird.
Art. 191 ch. 1 CP. L'immissio inter femora constitue aussi un acte analogue à
l'acte sexuel lorsqu'elle est accomplie par derrière.
Art. 191, cifra 1 CP. L'immissio inter femora è un atto analogo all'atto
sessuale anche quando è compiuto di dietro.

A. - Am 9. Oktober 1948 nachmittags schloss sich K. mit seinem Kinde Jeanette,
geb. 1940, im

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Gartenhäuschen ein, welches sich in seiner Gemüsepflanzung in O. befindet. Er
stellte das Töchterchen auf die zweite oder dritte Sprosse einer an die Wand
gelehnten Leiter, zog dem gegen die Wand gekehrten Kinde die Höschen herunter
und liess selbst seine Hosen fallen. Dann stiess er sein erregtes Glied von
hinten zwischen die obern Teile der Oberschenkel des Mädchens und rieb es bis
zum Samenerguss.
B. - Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte K. am 17. Juni 1949 wegen
beischlafsähnlicher Handlung im Sinne von Art. 191 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB, unter Annahme
einer leichten Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, zu zweieinhalb Jahren
Zuchthaus, stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein
und entzog ihm die elterliche Gewalt. Die erste Instanz hatte bloss eine
«andere unzüchtige Handlung» (Art. 191 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB) angenommen und eine
bedingt vollziehbare Gefängnisstrafe von einem Jahre ausgesprochen.
a. - K. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts aufzuheben und den Fall zur Beurteilung nach Art. 191 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.

StGB an die kantonale Instanz zurückzuweisen. Er bestreitet, dass die immissio
inter femora überhaupt eine beischlafsähnliche Handlung im Sinne von Art. 191
Ziff. 1 sei, und macht weiter geltend, jedenfalls sei sie es hier nicht, weil
er sein Glied nicht « in der Richtung auf die Scheide » (BGE 71 IV 191)
zwischen die Oberschenkel des Mädchens gestossen habe.
D. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung der
Beschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Der Begriff der dem Beischlaf ähnlichen Handlung im Sinne von Art. 191 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.

StGB ist in der Rechtsprechung des Kassationshofes noch nicht abschliessend
umschrieben worden. Der Gerichtshof hat aber erkannt, dass darunter jedenfalls
nicht nur der an der ungenügenden Entwicklung

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des Mädchens scheiternde Beischlafsversuch fällt, sondern auch die immissio
inter femora, gleichgültig ob das Opfer ein Mädchen oder ein Knabe ist (BGE 71
IV 191
und dort zitiertes Urteil vom 14. Juli 1944 i. S. Peter; Urteile vom
13. November 1945 i. S. Willemin, vom 7. Juni 1946 i. S. Clementi und vom 23.
Dezember 1946 i. S. Clément). Ein Grund, von dieser Praxis abzugehen, besteht
nicht. Das angefochtene Urteil entspricht ihr und ist daher nicht zu
beanstanden.
Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe sein Glied nicht « in der Richtung
auf die Scheide » eingeführt. Darauf kann aber nichts ankommen. Freilich wurde
diese Wendung in BGE 71 IV 191 und im Urteil i. S. Peter gebraucht. Sie hat
aber nicht den Sinn einer Einschränkung, den ihr der Beschwerdeführer beilegen
will. Vielmehr wollte der Kassationshof einfach feststellen, dass jedenfalls
auch dann eine beischlafsähnliche Handlung vorliegt, wenn der Täter, wie es in
den damals zu beurteilenden Fällen zutraf, eine immissio inter femora von
vorne ausführt, auf diese Weise mit seinem Glied in die Nähe der Scheide
gelangt. Diesem Sachverhalt ist indes der hier gegebene gleichzustellen. In
der Tat läuft es auf dasselbe hinaus, ob das Glied von vorne oder, wie es hier
geschah, von hinten zwischen die Oberschenkel des Opfers gestossen wird. Auch
im zweiten Falle wird es in die Nähe der Scheide (oder des Geschlechtsteils
des Knaben) gebracht. Beide Ausführungsarten kommen dem natürlichen
Beiwohnungsakte so nahe, dass sie unter Art. 191 Ziff. 1 gezogen werden
müssen, auch dann, wenn das Glied nicht geradezu auf die Scheide (oder den
Geschlechtsteil des Knaben) gerichtet wird.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 75 IV 163
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 11. September 1949
Quelle : Bundesgericht
Status : 75 IV 163
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 191 Ziff. 1 StGB. Die immissio inter femora stellt eine beischlafsähnliche Handlung auch dann...


Gesetzesregister
StGB: 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
BGE Register
71-IV-190 • 75-IV-163
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