87 I 100
16. Urteil vom 3. Mai 1961 i.S. Kraftwerke Linth-Limmern AG gegen Aebli und Glarus, Zivilgerichtspräsident und Obergericht.
Regeste (de):
- Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Anspruch auf rechtliches Gehör. Glarnerisches Rechtbot.
- Verhältnis des bundesrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör zu den kantonalen Verfahrensvorschriften (Erw. 4). Rechtsnatur und Wirkungen des glarnerischen Rechtbots (Erw. 5). Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (und des kantonalen Zivilprozessrechts?) durch Erlass eines Spezialrechtbots (Verbot gegen bestimmte Personen, § 288 Abs. 2 glar. ZPO) auf einseitiges Begehren einer Partei ohne Anhörung der Gegenpartei (Erw. 6 und 7). Formelle Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Erw. 8).
Regeste (fr):
- Recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst. Conditions prévues par l'art. 87 OJ. Epuisement des moyens de droit cantonal (consid. 1 et 3).
- Droit d'être entendu. Sommation judiciaire (Rechtbot) du droit glaronnais.
- Rapport entre le droit d'être entendu (tel qu'il est consacré par le droit fédéral) et les règles cantonales de procédure (consid. 4). Nature juridique et effets de la sommation judiciaire (Rechtbot) du droit glaronnais (consid. 5). Violation du droit d'être entendu(et du droit cantonal de procédure civile?) par la promulgation d'une sommation judiciaire spéciale (Spezialrechtbot) (interdiction dirigée contre des personnes déterminées, par. 288 al. 2 CPC glar.) sur requête unilatérale d'une partie sans audition de la partie adverse (consid. 6 et 7). Nature formelle du droit d'être entendu (consid. 8).
Regesto (it):
- Ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF. Presupposti secondo l'art. 87
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Diritto di essere sentito. Diffida giudiziaria (Rechtbot) del diritto glaronese.
- Relazione tra il diritto di essere sentito (cosi com'è consacrato dal diritto federale) e le regole cantonali di procedura (consid. 4). Natura giuridica ed effetti della diffida giudiziaria (Rechtbot) prevista del diritto glaronese (consid. 5). Violazione del diritto di essere sentito (e del diritto cantonale di procedura civile?) mediante l'emanazione di una diffida giudiziaria speciale (Spezialrechtbot) (divieto diretto contro determinate persone, § 288 cp. 2 CPC glar.) su istanza unilaterale di una parte senza sentire la parte avversa (consid. 6 e 7). Natura formale del diritto di essere sentito (consid. 8).
Sachverhalt ab Seite 101
BGE 87 I 100 S. 101
A.- Am 30. März 1957 erteilte der Landrat des Kantons Glarus der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG zu Handen der noch zu gründenden Kraftwerke Linth-Limmern AG (KLL) die Konzession für die Ausnützung der Wasserkräfte im Quellgebiet der Linth. Art. 5 der Konzession gibt dem Konzessionär das Recht zur Enteignung des für den Bau und Betrieb der Kraftwerke nötigen Grund und Bodens, doch soll, sofern eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, vor der Einleitung des Enteignungsverfahrens eine dreigliedrige Expertenkommission beigezogen werden, welche Einigungsvorschläge zu machen hat. Die in der Folge gegründete KLL beanspruchte für vorübergehende und dauernde Anlagen sowie für die Ablagerung von Schutt auch Land auf der oberhalb von Tierfehd gelegenen, dem Hans Äbli gehörenden Alp Baumgarten. Da eine Einigung hierüber nicht zustande kam, rief die KLL die in Art. 5 der Konzession vorgesehene Expertenkommission an. Vor dieser unterzeichneten Äbli und die KLL am 2. Februar 1959 eine Übereinkunft, in welcher Äbli der KLL das Recht zur sofortigen Inanspruchnahme des Landes für die Installation und den Betrieb der Baustelle im "Schwamm" einräumte und sich bereit erklärte,
BGE 87 I 100 S. 102
der KLL eine Fläche von ca. 5740 m2 zu Eigentum abzutreten; ferner erklärten sich beide damit einverstanden, dass alle noch nicht durch frühere Vereinbarungen geregelten Fragen endgültig und ohne Weiterzug durch die Expertenkommission entschieden würden. Nachdem diese ihren Entscheid am 5. August 1959 gefällt hatte, scheint es zu neuen Auseinandersetzungen zwischen der KLL und Äblig ekommen zu sein, wobei letzterer die Gültigkeit der Übereinkunft vom 2. Februar 1959 und die Verbindlichkeit des Entscheids der Expertenkommission vom 5. August 1959 bestritt. Am 1. November 1960 erliess der Zivilgerichtspräsident des Kantons Glarus auf Begehren Äblis und ohne vorherige Anhörung der KLL folgendes "Spezialrechtbot. Hans Aebli-Trümpy, Käserei, Bilten, als Eigentümer der Baumgartenalp, verbietet hiermit den
Kraftwerken Linth-Limmern AG, Linthal
im Gebiet der Baumgartenalp, namentlich auch des dazu gehörenden "Schwamm", irgendwelche Arbeiten auszuführen oder ausführen zu lassen, Veränderungen an der Liegenschaft vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, überhaupt irgendwelche Servituten auszuüben, einzig vorbehalten die im Vertrag vom 20. August 1957 über den Zugangsstollen Limmern vorgese henen Rechte. Nichtbeachtung des Rechtbotes kann mit Fr. 20.- bis Fr. 500.-- gebüsst werden (§ 279 Ziff. 2 ZPO)."
B.- Gegen dieses Rechtbot reichte die KLL gleichzietig beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
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BGE 87 I 100 S. 103
Durch Urteil vom 29. Dezember 1960 wies das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Obwohl die ZPO von 1930 das althergebrachte Institut des Rechtbots im Abschnitt über das neu eingeführte Befehlsverfahren ordne, sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das alte Rechtbot, wie es in der ZPO von 1895 geregelt war, grundsätzlich habe aufrecht erhalten wollen. Auf das Rechtbot sei daher neben und eventuell sogar im Widerspruch zur ZPO Gewohnheitsrecht anwendbar. Das Rechtbot sei zwar eine Verfügung im Sinne von § 328 ZPO und könne daher mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden. Indessen handle es sich um eine Verfügung spezieller Natur, denn es sei von jeher ohne eigentliche richterliche Erkenntnistätigkeit auf Grund des einseitigen Begehrens des Gesuchstellers erlassen worden. Dies entspreche auch der heutigen Praxis, wobei die anderslautende Bestimmung des § 281 ZPO sich nur auf die Amtsbefehle beziehe, eventuell als durch entgegenstehendes Gewohnheitsrecht für das Rechtbotverfahren ausgeschlossen zu betrachten sei. Dieser spezielle Charakter des Rechtbots wirke sich auch auf die einzelnen Nichtigkeitsgründe des § 328 ZPO aus. Da das Rechtbot in einem Verfahren ohne richterliche Kognition ergehe, sei eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs (§ 328 lit. a) gegenüber dem Rechtbotempfänger wie auch eine aktenwidrige tatsächliche Annahme des Richters (§ 328 lit. c) von vorneherein unmöglich. Eine Verletzung klaren Rechts (§ 328 lit. d) wäre dagegen an sich denkbar. Hier könne jedoch von einer solchen nicht die Rede sein, da die in § 277 ZPO aufgeführten Voraussetzungen nicht für das Rechtbot gelten, während die Übereinkunft der Parteien vom 2. Februar 1959 mit der darin enthaltenen Schiedsklausel eine vertragliche Ordnung darstelle, deren Verletzung nicht unter § 328 lit. d falle. Die Nichtigkeitsbeschwerde sei daher vollumfänglich abzuweisen. Durch diesen Entscheid werde die Beschwerdeführerin übrigens in ihren Rechten in keiner Weise gekürzt oder gar unwiderruflich
BGE 87 I 100 S. 104
beschnitten. Abgesehen von der Möglichkeit des Vorgehens auf dem ordentlichen Prozessweg (§ 288 Abs. 2 ZPO) habe die ZPO das Rechtbot mit zwei speziellen Garantien versehen, indem sie in § 291 eine besondere Schadenersatzpflicht des Rechtbotgebers für ein ungerechtfertigtes Rechtbot statuiere und darüber hinaus dem Rechtbotempfänger in § 93 Ziff. 3 mit dem Institut der richterlichen Weisung einen speziellen, nicht befristeten Rechtsbehelf zur Verfügung stelle. Dass die Beschwerdeführerin von diesem Rechtsbehelf bis heute keinen Gebrauch gemacht habe, dürfe "nicht den Grund bilden, über den Umweg einer dem besondern Charakter des Rechtbotes in keiner Weise Rechnung tragenden Nichtigkeitsbeschwerde dieses althergebrachte und tief im Rechtsbewusstsein des Glarnervolks verwurzelte Rechtsinstitut auszuhöhlen bezw. für die Zukunft durch das Erfordernis einer vorgängigen richterlichen Kognition unmöglich zu machen".
C.- Gegen diesen Entscheid des Obergerichts hat die KLL beim Bundesgericht eine zweite staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, diesen Entscheid sowie das Spezialrechtbot des Zivilgerichtspräsidenten vom 1. November 1960 aufzuheben. Sie beanstandet in erster Linie, dass ihr der Zivilgerichtspräsident das rechtliche Gehör verweigert habe. Ferner macht sie weitere Verletzungen von Bestimmungen der BV und der KV geltend. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
D.- Der Beschwerdegegner Hans Äbli beantragt Nichteintreten auf beide Beschwerden, eventuell Abweisung derselben. Der Zivilgerichtspräsident des Kantons Glarus schliesst auf Abweisung. Auf die Ausführungen in ihren Vernehmlassungen wird in den Erwägungen zurückgekommen. Das Obergericht des Kantons Glarus beantragt ebenfalls die Abweisung der Beschwerden und verzichtet auf eigene Gegenbemerkungen.
BGE 87 I 100 S. 105
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des von der Beschwerdeführerin in erster Linie angerufenen Art. 4
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BGE 87 I 100 S. 106
2. Die Beschwerdeführerin beanstandet insbesondere, dass sie vor dem Erlass des vom Beschwerdegegner verlangten Rechtbotes nicht angehört und ihr dadurch das rechtliche Gehör verweigert worden sei. Sollte sich diese Rüge als begründet erweisen und deshalb das Rechtbot oder der obergerichtliche Beschwerdeentscheid aufzuheben sein, so würden die übrigen Rügen gegenstandslos. Es rechtfertigt sich daher, die von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund gestellte Frage der Gehörsverweigerung zuerst zu prüfen.
3. Die Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
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4. Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Zivilprozess wird zunächst grundsätzlich durch die kantonalen Normen über das Verfahren und die Zuständigkeit umschrieben, deren Auslegung und Anwendung das Bundesgericht, soweit es sich um kantonales Gesetzesrecht handelt, nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und rechtsungleichen Behandlung überprüfen kann. Wo sich der kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4
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BGE 87 I 100 S. 107
also bundesrechtlichen Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz, die dem Bürger in der Auseinandersetzung mit andern Bürgern die völlige Gleichstellung gewährleisten (BGE 85 I 207 Erw. 1).
5. Das Rechtbot ist eine aus früheren Jahrhunderten stammende Einrichtung, die um 1900 in verschiedener Ausgestaltung noch in mehreren Kantonen der Ost- und Innerschweiz bestand (vgl. FRITZSCHE, Das Rechtsbot, Diss. Zürich 1905) und heute nur noch in den Kantonen Glarus und Appenzell I. Rh. erhalten ist. Was insbesondere das glarnerische Rechtbot betrifft, so ist seine Rechtsnatur umstritten. Während der Umstand, dass dagegen Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden kann, das Rechtbot als richterliche Verfügung erscheinen lässt, wird es vom Obergericht als eine von einer Privatperson auf Grund einer Delegation richterlicher Gewalt erlassene amtliche Verfügung und von HAURI (Das glarn. Rechtbot, Diss. Zürich 1944 S. 14 und 41) als eine mit richterlicher Gewalt ausgerüstete Verfügung einer Privatperson bezeichnet. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben. Fest steht jedenfalls, dass das Rechtbot erst auf Grund einer richterlichen Anordnung Geltung erlangt. Unbestritten ist auch, dass es mit der Eröffnung (Veröffentlichung im Amtsblatt bezw. Zustellung an den Empfänger) sofort rechtskräftig und vollstreckbar wird, dass diese Wirkung erst dahinfällt, wenn es auf dem Wege des ordentlichen Prozesses aufgehoben oder wenn eine richterliche Weisung gemäss § 93 Ziff. 3 ZPO erlassen wird, und dass derjenige, der das Rechtbot übertritt, sich selbst dann strafbar macht, wenn es in der Folge auf Nichtigkeitsbeschwerde hin aufgehoben wird. Und schliesslich ist nicht zweifelhaft, dass das Rechtbot dem Schutze privater Rechte dient und die einstweilige Regelung eines Zustandes inbezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis darstellt. Es fragt sich, ob eine solche Massnahme auf einseitiges Begehren ohne vorherige Anhörung des Betroffenen erlassen werden darf. Diese Frage braucht nur für das hier streitige Spezialrechtbot oder "Verbot gegen
BGE 87 I 100 S. 108
bestimmte Personen" (§ 279 Ziff. 2 und 288 Abs. 2 ZPO) geprüft zu werden. Das "allgemeine Rechtbot" (§ 279 Ziff. 1 und 288 Abs. 1 ZPO), bei dem die Verhältnisse nicht völlig gleich liegen, kann beiseite gelassen werden.
6. Die glarnerischen Gerichte vertreten die Auffassung, dass das Rechtbot in einem Verfahren ohne richterliche Erkenntnistätigkeit erlassen werde und dass deshalb die vorherige Anhörung des Betroffenen nicht erforderlich, ja gar nicht zulässig sei. Dass der Richter jedem beliebigen Begehren jedes beliebigen Gesuchstellers um Erlass eines beliebigen Verbotes unbesehen zu entsprechen habe, behaupten sie allerdings mit Recht nicht. Zunächst kann nicht zweifelhaft sein, dass der angerufene Richter seine Zuständigkeit zu prüfen hat (§ 278 ZPO und HAURI a.a.O. S. 46 ff.). Aus der Vernehmlassung des Zivilgerichtspräsidenten im kantonalen Beschwerdeverfahren ergibt sich sodann, dass der Richter auch die Legitimation des Gesuchstellers prüft und ein Rechtbot über Grundstücke nur bewilligt, wenn das Gesuch vom Eigentümer gestellt wird (ebenso HAURI a.a.O. S. 21/22 und 28). Dagegen behauptet der Zivilgerichtspräsident, der Richter habe nicht über die materielle Begründetheit und rechtliche Zulässigkeit des Rechtbotes zu befinden. Diese Behauptung steht indessen im Widerspruch zur gesetzlichen Ordnung. Die ZPO regelt das Rechtbot im Abschnitt über das "Befehlsverfahren" (§§ 277 ff.). Nach § 290 sollen zuwider bestehenden Gesetzen, rechtskräftigen verwaltungsrechtlichen und richterlichen Verfügungen und Urteilen keine Befehle erteilt werden, was nach der Praxis auch für Rechtbote gilt (HAURI a.a.O. S. 19) und eine materielle Prüfung erfordert. Sodann bestimmt § 281 ZPO: "Stellt sich das Gesuch sofort als unbegründet dar, so weist es der Gerichtspräsident ab; erscheint es begründet, so erlässt er sofort die geeignete Verfügung. Richtet sich das Begehren gegen eine bestimmte Person, so kann der Gerichtspräsident eine Parteiverhandlung anordnen unter der Androhung, dass bei unentschuldigtem Ausbleiben das Begehren geschützt würde."
BGE 87 I 100 S. 109
Hieraus ergibt sich vor allem, dass der Richter die Begründetheit des Rechtbotgesuchs zu prüfen, aber auch, dass er den Betroffenen nötigenfalls anzuhören hat. Obwohl die ZPO für das Rechtbot keine Ausnahmen von den für das Befehlsverfahren aufgestellten Vorschriften vorsieht, hat indessen die Praxis § 281 (und andere Bestimmungen) nicht auf das Rechtbot angewandt. Ob diese gegen den klaren Wortlaut der ZPO verstossende Praxis willkürlich und deshalb mit Art. 4
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7. Das Rechtbot stellt eine zivilprozessuale Massnahme dar, die sich nach ihrer Natur und nach ihren Wirkungen (vgl. oben Erw. 5) durchaus mit den einstweiligen oder vorsorglichen Verfügungen vergleichen lässt, wie sie wohl alle schweizerischen Zivilprozessordnungen kennen. Eine solche Massnahme, durch welche einem behaupteten privaten Rechte mit sofortiger Wirkung und unter Strafandrohung richterlicher Schutz verliehen wird, darf nicht auf einseitiges Begehren des Gesuchstellers ohne Anhörung des Betroffenen erlassen werden. Das aus Art. 4
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BGE 87 I 100 S. 110
Zivilprozessgesetzgebung der schweiz. Kantone, Diss. Zürich 1944 S. 67, wo zutreffend ausgeführt wird, die mit der Beschränkung der Kognition verbundene Beeinträchtigung der Parteirechte im Verfahren zum Erlass von vorsorglichen Massnahmen dürfe "nicht so weit gehen, dass die vorsorgliche Massnahme Gefahr läuft, zu einer Art staatlich autorisierter Selbsthilfe herabzusinken"). Der Umstand, dass die glarnerische ZPO gegenüber Rechtboten verschiedene Rechtsbehelfe, nämlich die Nichtigkeitsbeschwerde (§ 328), die Anfechtung auf dem ordentlichen Prozessweg (§ 288 Abs. 2) und die Bewilligung der einstweiligen Ausübung der mit dem Rechtbot belegten Rechte durch richterliche Weisung (§ 93 Ziff. 3) vorsieht, vermag die vorherige Anhörung des Betroffenen schon deshalb nicht zu ersetzen, weil das Rechtbot auf jeden Fall bis zum Entscheid über diese Rechtsbehelfe wirksam bleibt und diese zudem erst nach längerer Zeit (ordentlicher Prozess) oder nur beim Vorliegen besonderer Gründe (Nichtigkeitsgründe gemäss § 328 bzw. Voraussetzungen nach § 93 Ziff. 3) zum Erfolg führen können. Die Berufung der glarnerischen Gerichte aufBGE 67 I 10und das dort über das Rechtbot des Kantons Appenzell A.Rh. Ausgeführte geht fehl. Einmal ging es dort nicht um die Frage des rechtlichen Gehörs, sodern um die vollstreckungsrechtlichen Wirkungen des unbestrittenen Rechtbotes. Das appenzellische Rechtbot ist sodann, wie der Zahlungsbefehl des SchKG, lediglich eine amtliche Aufforderung und kann durch blosse Erhebung eines Rechtsvorschlags unwirksam gemacht werden (BGE 26 I 304), während das glarnerische Rechtbot ein sofort wirksames und unter Strafe gestelltes Verbot enthält und bis zur Aufhebung in Kraft bleibt. Angesichts dieser Wirkungen erscheint eine Anhörung des Betroffenen vor Erlass des Rechtbots als unerlässlich, wobei sich von selbst versteht, dass der Richter dem Betroffenen nicht bloss Gelegenheit zu geben hat, sich zu äussern, sondern verpflichtet ist, seine Vorbringen zu prüfen (GULDENER a.a.O. S. 153 Ziff. 7).
BGE 87 I 100 S. 111
Dass eine solche Anhörung zum Gesuch um Erlass eines Rechtbotes zwingend geboten ist, zeigt gerade auch der vorliegende Fall. Die Beschwerdeführerin bezeichnet das Rechtbot als unzulässig, weil ihr das Recht zu den Handlungen, die ihr durch das Rechtbot verboten werden, bereits durch einen rechtskräftigen Schiedsspruch eingeräumt worden sei und weil über dieses Recht zudem im Enteignungsverfahren und nicht im Zivilprozess zu entscheiden sei. Ob diese Einwendungen begründet sind, ist hier nicht zu prüfen. Wesentlich ist, dass sie an sich geeignet sind, die Zulässigkeit nicht nur des Rechtbotes, sondern auch des damit eingeleiteten Zivilprozesses in Frage zu stellen, weshalb die Beschwerdeführerin Gelegenheit haben muss, diese Einwendungen dem Richter vor dem Erlass des Rechtbotes zu unterbreiten. Der Einwand, mit dem Erfordernis vorgängiger richterlicher Überprüfung werde das althergebrachte und tief im Rechtsbewusstsein des Volkes verwurzelte Institut des Rechtbotes "unmöglich" gemacht, ist unbehelflich. Es ist nicht einzusehen, weshalb § 281 ZPO sich nicht auch auf das Rechtbot anwenden lassen und der Richter vor Erlass desselben nicht sollte prüfen können, ob das "Gesuch begründet erscheine", d.h. der Gesuchsteller seine Berechtigung glaubhaft gemacht habe. Selbst wenn dies aber auf Schwierigkeiten stossen sollte, so vermöchte es eine Verletzung des unmittelbar aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 87 I 100 S. 112
8. Nach feststehender Rechtsprechung ist der Anspruch auf rechtliches Gehör formeller Natur, d.h. dessen Verletzung hat die Aufhebung des angefochtenen Entscheids auch dann zur Folge, wenn der Beschwerdeführer ein materielles Interesse hieran nicht nachzuweisen vermag (BGE 85 I 202 Erw. 2 und dort angeführte frühere Urteile). Der Entscheid des Obergerichts ist daher aufzuheben, wodurch mittelbar auch das damit geschützte Rechtbot dahinfällt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Soweit auf die Beschwerde eingetreten werden kann, wird sie im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Glarus vom 29. Dezember 1960 wird aufgehoben.