Urteilskopf

87 I 100

16. Urteil vom 3. Mai 1961 i.S. Kraftwerke Linth-Limmern AG gegen Aebli und Glarus, Zivilgerichtspräsident und Obergericht.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 101

BGE 87 I 100 S. 101

A.- Am 30. März 1957 erteilte der Landrat des Kantons Glarus der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG zu Handen der noch zu gründenden Kraftwerke Linth-Limmern AG (KLL) die Konzession für die Ausnützung der Wasserkräfte im Quellgebiet der Linth. Art. 5 der Konzession gibt dem Konzessionär das Recht zur Enteignung des für den Bau und Betrieb der Kraftwerke nötigen Grund und Bodens, doch soll, sofern eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, vor der Einleitung des Enteignungsverfahrens eine dreigliedrige Expertenkommission beigezogen werden, welche Einigungsvorschläge zu machen hat. Die in der Folge gegründete KLL beanspruchte für vorübergehende und dauernde Anlagen sowie für die Ablagerung von Schutt auch Land auf der oberhalb von Tierfehd gelegenen, dem Hans Äbli gehörenden Alp Baumgarten. Da eine Einigung hierüber nicht zustande kam, rief die KLL die in Art. 5 der Konzession vorgesehene Expertenkommission an. Vor dieser unterzeichneten Äbli und die KLL am 2. Februar 1959 eine Übereinkunft, in welcher Äbli der KLL das Recht zur sofortigen Inanspruchnahme des Landes für die Installation und den Betrieb der Baustelle im "Schwamm" einräumte und sich bereit erklärte,

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der KLL eine Fläche von ca. 5740 m2 zu Eigentum abzutreten; ferner erklärten sich beide damit einverstanden, dass alle noch nicht durch frühere Vereinbarungen geregelten Fragen endgültig und ohne Weiterzug durch die Expertenkommission entschieden würden. Nachdem diese ihren Entscheid am 5. August 1959 gefällt hatte, scheint es zu neuen Auseinandersetzungen zwischen der KLL und Äblig ekommen zu sein, wobei letzterer die Gültigkeit der Übereinkunft vom 2. Februar 1959 und die Verbindlichkeit des Entscheids der Expertenkommission vom 5. August 1959 bestritt. Am 1. November 1960 erliess der Zivilgerichtspräsident des Kantons Glarus auf Begehren Äblis und ohne vorherige Anhörung der KLL folgendes "Spezialrechtbot. Hans Aebli-Trümpy, Käserei, Bilten, als Eigentümer der Baumgartenalp, verbietet hiermit den
Kraftwerken Linth-Limmern AG, Linthal
im Gebiet der Baumgartenalp, namentlich auch des dazu gehörenden "Schwamm", irgendwelche Arbeiten auszuführen oder ausführen zu lassen, Veränderungen an der Liegenschaft vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, überhaupt irgendwelche Servituten auszuüben, einzig vorbehalten die im Vertrag vom 20. August 1957 über den Zugangsstollen Limmern vorgese henen Rechte. Nichtbeachtung des Rechtbotes kann mit Fr. 20.- bis Fr. 500.-- gebüsst werden (§ 279 Ziff. 2 ZPO)."
B.- Gegen dieses Rechtbot reichte die KLL gleichzietig beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV (Verweigerung des rechtlichen Gehörs) und beim Obergericht des Kantons Glarus eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss § 328 glarn. ZPO ein. Mit letzterer machte sie in erster Linie geltend, das rechtliche Gehör, auf das sie nach § 281 ZPO und Art. 4
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BV Anspruch habe, sei ihr dadurch verweigert worden, dass der Zivilgerichtspräsident sie vor Erlass seiner Verfügung nicht angehört und diese nicht begründet habe (§ 328 lit. a ZPO); ferner warf sie dem Zivilgerichtspräsidenten aktenwidrige tatsächliche Annahmen (§ 328 lit. c ZPO) sowie Verletzung klaren Rechts (§ 328 lit. d ZPO) vor.
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Durch Urteil vom 29. Dezember 1960 wies das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Obwohl die ZPO von 1930 das althergebrachte Institut des Rechtbots im Abschnitt über das neu eingeführte Befehlsverfahren ordne, sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das alte Rechtbot, wie es in der ZPO von 1895 geregelt war, grundsätzlich habe aufrecht erhalten wollen. Auf das Rechtbot sei daher neben und eventuell sogar im Widerspruch zur ZPO Gewohnheitsrecht anwendbar. Das Rechtbot sei zwar eine Verfügung im Sinne von § 328 ZPO und könne daher mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden. Indessen handle es sich um eine Verfügung spezieller Natur, denn es sei von jeher ohne eigentliche richterliche Erkenntnistätigkeit auf Grund des einseitigen Begehrens des Gesuchstellers erlassen worden. Dies entspreche auch der heutigen Praxis, wobei die anderslautende Bestimmung des § 281 ZPO sich nur auf die Amtsbefehle beziehe, eventuell als durch entgegenstehendes Gewohnheitsrecht für das Rechtbotverfahren ausgeschlossen zu betrachten sei. Dieser spezielle Charakter des Rechtbots wirke sich auch auf die einzelnen Nichtigkeitsgründe des § 328 ZPO aus. Da das Rechtbot in einem Verfahren ohne richterliche Kognition ergehe, sei eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs (§ 328 lit. a) gegenüber dem Rechtbotempfänger wie auch eine aktenwidrige tatsächliche Annahme des Richters (§ 328 lit. c) von vorneherein unmöglich. Eine Verletzung klaren Rechts (§ 328 lit. d) wäre dagegen an sich denkbar. Hier könne jedoch von einer solchen nicht die Rede sein, da die in § 277 ZPO aufgeführten Voraussetzungen nicht für das Rechtbot gelten, während die Übereinkunft der Parteien vom 2. Februar 1959 mit der darin enthaltenen Schiedsklausel eine vertragliche Ordnung darstelle, deren Verletzung nicht unter § 328 lit. d falle. Die Nichtigkeitsbeschwerde sei daher vollumfänglich abzuweisen. Durch diesen Entscheid werde die Beschwerdeführerin übrigens in ihren Rechten in keiner Weise gekürzt oder gar unwiderruflich
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beschnitten. Abgesehen von der Möglichkeit des Vorgehens auf dem ordentlichen Prozessweg (§ 288 Abs. 2 ZPO) habe die ZPO das Rechtbot mit zwei speziellen Garantien versehen, indem sie in § 291 eine besondere Schadenersatzpflicht des Rechtbotgebers für ein ungerechtfertigtes Rechtbot statuiere und darüber hinaus dem Rechtbotempfänger in § 93 Ziff. 3 mit dem Institut der richterlichen Weisung einen speziellen, nicht befristeten Rechtsbehelf zur Verfügung stelle. Dass die Beschwerdeführerin von diesem Rechtsbehelf bis heute keinen Gebrauch gemacht habe, dürfe "nicht den Grund bilden, über den Umweg einer dem besondern Charakter des Rechtbotes in keiner Weise Rechnung tragenden Nichtigkeitsbeschwerde dieses althergebrachte und tief im Rechtsbewusstsein des Glarnervolks verwurzelte Rechtsinstitut auszuhöhlen bezw. für die Zukunft durch das Erfordernis einer vorgängigen richterlichen Kognition unmöglich zu machen".
C.- Gegen diesen Entscheid des Obergerichts hat die KLL beim Bundesgericht eine zweite staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, diesen Entscheid sowie das Spezialrechtbot des Zivilgerichtspräsidenten vom 1. November 1960 aufzuheben. Sie beanstandet in erster Linie, dass ihr der Zivilgerichtspräsident das rechtliche Gehör verweigert habe. Ferner macht sie weitere Verletzungen von Bestimmungen der BV und der KV geltend. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

D.- Der Beschwerdegegner Hans Äbli beantragt Nichteintreten auf beide Beschwerden, eventuell Abweisung derselben. Der Zivilgerichtspräsident des Kantons Glarus schliesst auf Abweisung. Auf die Ausführungen in ihren Vernehmlassungen wird in den Erwägungen zurückgekommen. Das Obergericht des Kantons Glarus beantragt ebenfalls die Abweisung der Beschwerden und verzichtet auf eigene Gegenbemerkungen.
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Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des von der Beschwerdeführerin in erster Linie angerufenen Art. 4
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BV ist nach Art. 87
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OG erst gegen Endentscheide zulässig, gegen Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass es sich bei dem von ihr angefochtenen Spezialrechtbot und daher auch bei dem dieses schützenden Beschwerdeentscheid des Obergerichts um Endentscheide handle, während der Beschwerdegegner darin blosse Zwischenentscheide erblickt. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben, da das Rechtbot, sofern es nur ein Zwischenentscheid sein sollte, einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil für die Beschwerdeführerin zur Folge hat. Der Beschwerdeführerin ist durch das Rechtbot unter Straffolge verboten worden, die ihr durch die Vereinbarung vom 2. Februar 1959 und den Entscheid der Expertenkommission vom 5. August 1959 eingeräumten Rechte am Grundeigentum des Beschwerdegegners auszuüben, und zwar ist dieses Verbot mit der Zustellung des Rechtbotes sofort wirrksam geworden und gilt solange, als das Rechtbot nicht durch ein im ordentlichen Prozess erwirktes Urteil (§ 288 Abs. 2 ZPO) aufgehoben oder der Beschwerdeführerin die Ausübung ihrer Rechte durch eine richterliche Weisung gemäss § 93 Ziff. 3 ZPO bewilligt wird. Es ist klar, dass diese Behinderung in der Weiterführung der begonnenen umfangreichen Bauarbeiten am Kraftwerk für die Beschwerdeführerin Nachteile zur Folge hat, die auch mit der allfälligen späteren Aufhebung des Rechtbotes oder seiner Wirkungen nicht mehr (vollständig) behoben werden können. Das Rechtbot lässt sich in dieser Beziehung mit einer für die Dauer eines Prozessverfahrens getroffenen vorsorglichen Verfügung vergleichen, der gegenüber die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
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BV stets zugelassen worden ist (BGE 71 I 386, BGE 82 I 147 /48).
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2. Die Beschwerdeführerin beanstandet insbesondere, dass sie vor dem Erlass des vom Beschwerdegegner verlangten Rechtbotes nicht angehört und ihr dadurch das rechtliche Gehör verweigert worden sei. Sollte sich diese Rüge als begründet erweisen und deshalb das Rechtbot oder der obergerichtliche Beschwerdeentscheid aufzuheben sein, so würden die übrigen Rügen gegenstandslos. Es rechtfertigt sich daher, die von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund gestellte Frage der Gehörsverweigerung zuerst zu prüfen.

3. Die Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
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BV setzt voraus, dass der Beschwerdeführer die kantonalen Rechtsmittel erschöpft hat, mit denen der behauptete Verstoss gegen Art. 4
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BV gerügt werden kann (Art. 86 Abs. 2
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und Art. 87
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OG; BGE 84 I 234 Erw. 1 mit Verweisungen). Da gegen Rechtsbote die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss § 328 ZPO zulässig ist und mit dieser die Verweigerung des rechtlichen Gehörs gerügt werden kann, musste die Beschwerdeführerin daher dieses Rechtsmittel ergreifen. Sie hat dies auch getan, und das Obergericht ist auf die Beschwerde eingetreten, hat sie aber als unbegründet abgewiesen. Die von der Beschwerdeführerin unmittelbar gegen das Rechtbot erhobene staatsrechtliche Beschwerde wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs war somit verfrüht und unzulässig. Einzutreten ist nur auf die zweite Beschwerde, mit der beanstandet wird, dass das Obergericht das Vorliegen einer Gehörsverweigerung zu Unrecht verneint habe.

4. Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Zivilprozess wird zunächst grundsätzlich durch die kantonalen Normen über das Verfahren und die Zuständigkeit umschrieben, deren Auslegung und Anwendung das Bundesgericht, soweit es sich um kantonales Gesetzesrecht handelt, nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und rechtsungleichen Behandlung überprüfen kann. Wo sich der kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4
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BV folgenden,
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also bundesrechtlichen Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz, die dem Bürger in der Auseinandersetzung mit andern Bürgern die völlige Gleichstellung gewährleisten (BGE 85 I 207 Erw. 1).
5. Das Rechtbot ist eine aus früheren Jahrhunderten stammende Einrichtung, die um 1900 in verschiedener Ausgestaltung noch in mehreren Kantonen der Ost- und Innerschweiz bestand (vgl. FRITZSCHE, Das Rechtsbot, Diss. Zürich 1905) und heute nur noch in den Kantonen Glarus und Appenzell I. Rh. erhalten ist. Was insbesondere das glarnerische Rechtbot betrifft, so ist seine Rechtsnatur umstritten. Während der Umstand, dass dagegen Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden kann, das Rechtbot als richterliche Verfügung erscheinen lässt, wird es vom Obergericht als eine von einer Privatperson auf Grund einer Delegation richterlicher Gewalt erlassene amtliche Verfügung und von HAURI (Das glarn. Rechtbot, Diss. Zürich 1944 S. 14 und 41) als eine mit richterlicher Gewalt ausgerüstete Verfügung einer Privatperson bezeichnet. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben. Fest steht jedenfalls, dass das Rechtbot erst auf Grund einer richterlichen Anordnung Geltung erlangt. Unbestritten ist auch, dass es mit der Eröffnung (Veröffentlichung im Amtsblatt bezw. Zustellung an den Empfänger) sofort rechtskräftig und vollstreckbar wird, dass diese Wirkung erst dahinfällt, wenn es auf dem Wege des ordentlichen Prozesses aufgehoben oder wenn eine richterliche Weisung gemäss § 93 Ziff. 3 ZPO erlassen wird, und dass derjenige, der das Rechtbot übertritt, sich selbst dann strafbar macht, wenn es in der Folge auf Nichtigkeitsbeschwerde hin aufgehoben wird. Und schliesslich ist nicht zweifelhaft, dass das Rechtbot dem Schutze privater Rechte dient und die einstweilige Regelung eines Zustandes inbezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis darstellt. Es fragt sich, ob eine solche Massnahme auf einseitiges Begehren ohne vorherige Anhörung des Betroffenen erlassen werden darf. Diese Frage braucht nur für das hier streitige Spezialrechtbot oder "Verbot gegen
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bestimmte Personen" (§ 279 Ziff. 2 und 288 Abs. 2 ZPO) geprüft zu werden. Das "allgemeine Rechtbot" (§ 279 Ziff. 1 und 288 Abs. 1 ZPO), bei dem die Verhältnisse nicht völlig gleich liegen, kann beiseite gelassen werden.
6. Die glarnerischen Gerichte vertreten die Auffassung, dass das Rechtbot in einem Verfahren ohne richterliche Erkenntnistätigkeit erlassen werde und dass deshalb die vorherige Anhörung des Betroffenen nicht erforderlich, ja gar nicht zulässig sei. Dass der Richter jedem beliebigen Begehren jedes beliebigen Gesuchstellers um Erlass eines beliebigen Verbotes unbesehen zu entsprechen habe, behaupten sie allerdings mit Recht nicht. Zunächst kann nicht zweifelhaft sein, dass der angerufene Richter seine Zuständigkeit zu prüfen hat (§ 278 ZPO und HAURI a.a.O. S. 46 ff.). Aus der Vernehmlassung des Zivilgerichtspräsidenten im kantonalen Beschwerdeverfahren ergibt sich sodann, dass der Richter auch die Legitimation des Gesuchstellers prüft und ein Rechtbot über Grundstücke nur bewilligt, wenn das Gesuch vom Eigentümer gestellt wird (ebenso HAURI a.a.O. S. 21/22 und 28). Dagegen behauptet der Zivilgerichtspräsident, der Richter habe nicht über die materielle Begründetheit und rechtliche Zulässigkeit des Rechtbotes zu befinden. Diese Behauptung steht indessen im Widerspruch zur gesetzlichen Ordnung. Die ZPO regelt das Rechtbot im Abschnitt über das "Befehlsverfahren" (§§ 277 ff.). Nach § 290 sollen zuwider bestehenden Gesetzen, rechtskräftigen verwaltungsrechtlichen und richterlichen Verfügungen und Urteilen keine Befehle erteilt werden, was nach der Praxis auch für Rechtbote gilt (HAURI a.a.O. S. 19) und eine materielle Prüfung erfordert. Sodann bestimmt § 281 ZPO: "Stellt sich das Gesuch sofort als unbegründet dar, so weist es der Gerichtspräsident ab; erscheint es begründet, so erlässt er sofort die geeignete Verfügung. Richtet sich das Begehren gegen eine bestimmte Person, so kann der Gerichtspräsident eine Parteiverhandlung anordnen unter der Androhung, dass bei unentschuldigtem Ausbleiben das Begehren geschützt würde."
BGE 87 I 100 S. 109

Hieraus ergibt sich vor allem, dass der Richter die Begründetheit des Rechtbotgesuchs zu prüfen, aber auch, dass er den Betroffenen nötigenfalls anzuhören hat. Obwohl die ZPO für das Rechtbot keine Ausnahmen von den für das Befehlsverfahren aufgestellten Vorschriften vorsieht, hat indessen die Praxis § 281 (und andere Bestimmungen) nicht auf das Rechtbot angewandt. Ob diese gegen den klaren Wortlaut der ZPO verstossende Praxis willkürlich und deshalb mit Art. 4
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BV unvereinbar sei, oder ob sie, da nun 30 Jahre alt, als auf derogierendem Gewohnheitsrecht beruhend vor Art. 4
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BV standhalte, braucht nicht entschieden zu werden. Selbst wenn keine Willkür vorliegen sollte, könnte diese Praxis nicht geschützt werden, das sie auf eine mit Art. 4
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BV unvereinbare Verweigerung des rechtlichen Gehörs hinausläuft.
7. Das Rechtbot stellt eine zivilprozessuale Massnahme dar, die sich nach ihrer Natur und nach ihren Wirkungen (vgl. oben Erw. 5) durchaus mit den einstweiligen oder vorsorglichen Verfügungen vergleichen lässt, wie sie wohl alle schweizerischen Zivilprozessordnungen kennen. Eine solche Massnahme, durch welche einem behaupteten privaten Rechte mit sofortiger Wirkung und unter Strafandrohung richterlicher Schutz verliehen wird, darf nicht auf einseitiges Begehren des Gesuchstellers ohne Anhörung des Betroffenen erlassen werden. Das aus Art. 4
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BV folgende Gebot für den Richter, die Parteien gleichmässig anzuhören, gilt nicht nur für den ordentlichen Zivilprozess, in dem endgültig über ein streitiges Privatrechtsverhältnis zu entscheiden ist, sondern grundsätzlich auch für das Verfahren, in dem ein privates Recht mit sofortiger Wirkung vorläufig geschützt wird; nur in Fällen besonderer Dringlichkeit, beim Erlass sogenannter superprovisorischer, lediglich bis zum Erlass der eigentlichen provisorischen Verfügung geltender Massnahmen darf von der vorgängigen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht 2. Auflage S. 388 Ziff. IV; ZIEGLER, Die vorsorgliche Massnahme in der
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Zivilprozessgesetzgebung der schweiz. Kantone, Diss. Zürich 1944 S. 67, wo zutreffend ausgeführt wird, die mit der Beschränkung der Kognition verbundene Beeinträchtigung der Parteirechte im Verfahren zum Erlass von vorsorglichen Massnahmen dürfe "nicht so weit gehen, dass die vorsorgliche Massnahme Gefahr läuft, zu einer Art staatlich autorisierter Selbsthilfe herabzusinken"). Der Umstand, dass die glarnerische ZPO gegenüber Rechtboten verschiedene Rechtsbehelfe, nämlich die Nichtigkeitsbeschwerde (§ 328), die Anfechtung auf dem ordentlichen Prozessweg (§ 288 Abs. 2) und die Bewilligung der einstweiligen Ausübung der mit dem Rechtbot belegten Rechte durch richterliche Weisung (§ 93 Ziff. 3) vorsieht, vermag die vorherige Anhörung des Betroffenen schon deshalb nicht zu ersetzen, weil das Rechtbot auf jeden Fall bis zum Entscheid über diese Rechtsbehelfe wirksam bleibt und diese zudem erst nach längerer Zeit (ordentlicher Prozess) oder nur beim Vorliegen besonderer Gründe (Nichtigkeitsgründe gemäss § 328 bzw. Voraussetzungen nach § 93 Ziff. 3) zum Erfolg führen können. Die Berufung der glarnerischen Gerichte aufBGE 67 I 10und das dort über das Rechtbot des Kantons Appenzell A.Rh. Ausgeführte geht fehl. Einmal ging es dort nicht um die Frage des rechtlichen Gehörs, sodern um die vollstreckungsrechtlichen Wirkungen des unbestrittenen Rechtbotes. Das appenzellische Rechtbot ist sodann, wie der Zahlungsbefehl des SchKG, lediglich eine amtliche Aufforderung und kann durch blosse Erhebung eines Rechtsvorschlags unwirksam gemacht werden (BGE 26 I 304), während das glarnerische Rechtbot ein sofort wirksames und unter Strafe gestelltes Verbot enthält und bis zur Aufhebung in Kraft bleibt. Angesichts dieser Wirkungen erscheint eine Anhörung des Betroffenen vor Erlass des Rechtbots als unerlässlich, wobei sich von selbst versteht, dass der Richter dem Betroffenen nicht bloss Gelegenheit zu geben hat, sich zu äussern, sondern verpflichtet ist, seine Vorbringen zu prüfen (GULDENER a.a.O. S. 153 Ziff. 7).
BGE 87 I 100 S. 111

Dass eine solche Anhörung zum Gesuch um Erlass eines Rechtbotes zwingend geboten ist, zeigt gerade auch der vorliegende Fall. Die Beschwerdeführerin bezeichnet das Rechtbot als unzulässig, weil ihr das Recht zu den Handlungen, die ihr durch das Rechtbot verboten werden, bereits durch einen rechtskräftigen Schiedsspruch eingeräumt worden sei und weil über dieses Recht zudem im Enteignungsverfahren und nicht im Zivilprozess zu entscheiden sei. Ob diese Einwendungen begründet sind, ist hier nicht zu prüfen. Wesentlich ist, dass sie an sich geeignet sind, die Zulässigkeit nicht nur des Rechtbotes, sondern auch des damit eingeleiteten Zivilprozesses in Frage zu stellen, weshalb die Beschwerdeführerin Gelegenheit haben muss, diese Einwendungen dem Richter vor dem Erlass des Rechtbotes zu unterbreiten. Der Einwand, mit dem Erfordernis vorgängiger richterlicher Überprüfung werde das althergebrachte und tief im Rechtsbewusstsein des Volkes verwurzelte Institut des Rechtbotes "unmöglich" gemacht, ist unbehelflich. Es ist nicht einzusehen, weshalb § 281 ZPO sich nicht auch auf das Rechtbot anwenden lassen und der Richter vor Erlass desselben nicht sollte prüfen können, ob das "Gesuch begründet erscheine", d.h. der Gesuchsteller seine Berechtigung glaubhaft gemacht habe. Selbst wenn dies aber auf Schwierigkeiten stossen sollte, so vermöchte es eine Verletzung des unmittelbar aus Art. 4
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BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV folgenden Anspruchs auf volles rechtliches Gehör im Zivilprozess nicht zu rechtfertigen, und eine solche Verletzung liegt vor, wenn eine dem Schutz privater Rechte dienende zivilprozessuale Massnahme mit so weittragenden Wirkungen, wie sie das Rechtbot hat, ohne vorherige Anhörung des Betroffenen erlassen wird. InBGE 24 I 569wurde ausgeführt, dass schon eine vom Richter in amtlicher Form erteilte Warnung oder Rüge auf blosse Beleidigungsklage hin ohne Verhör des Beschuldigten mit Art. 4
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BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV unvereinbar sei. Umsomehr ist es ein richterliches Verbot, das sofort rechtskräftig wird und dessen Übertretung Strafe nach sich zieht.
BGE 87 I 100 S. 112

8. Nach feststehender Rechtsprechung ist der Anspruch auf rechtliches Gehör formeller Natur, d.h. dessen Verletzung hat die Aufhebung des angefochtenen Entscheids auch dann zur Folge, wenn der Beschwerdeführer ein materielles Interesse hieran nicht nachzuweisen vermag (BGE 85 I 202 Erw. 2 und dort angeführte frühere Urteile). Der Entscheid des Obergerichts ist daher aufzuheben, wodurch mittelbar auch das damit geschützte Rechtbot dahinfällt.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Soweit auf die Beschwerde eingetreten werden kann, wird sie im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Glarus vom 29. Dezember 1960 wird aufgehoben.