84 I 232
33. Urteil vom 12. November 1958 i.S. Dinten gegen Dowideit und Obergericht des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Art. 86 Abs. 2 , Art. 87 OG.
- Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs; Verhältnis der staatsrechtlichen Beschwerde zu den ausserordentlichen kantonalen Rechtsmitteln.
- Rügen, die mit einem ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel erhoben werden können, können nicht auch mit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen das Sachurteil geltend gemacht werden.
- Ausnahme, wenn die Ergreifung des ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels eine leere Formalität bliebe.
Regeste (fr):
- Art. 86 al. 2, art. 87 OJ.
- Epuisement des instances cantonales; rapports du recours de droit public avec les moyens extraordinaires du droit cantonal.
- Les griefs, qui peuvent être soulevés dans un recours cantonal extraordinaire, ne sauraient être présentés en même temps dans un recours de droit public dirigé contre le jugement qui fait l'objet du recours cantonal extraordinaire.
- Exception lorsque le dépôt du recours cantonal extraordinaire serait une formalité vide de sens.
Regesto (it):
- Art. 86 cp. 2, art. 87 OG.
- Esaurimento delle istanze cantonali; relazioni del ricorso di diritto pubblico con i rimedi straordinari del diritto cantonale.
- Le censure che possono essere allegate in un ricorso cantonale straordinario non possono essere fatte valere contemporaneamente in un ricorso di diritto pubblico diretto contro la sentenza che forma oggetto del ricorso cantonale straordinario.
- Eccezione quando l'inoltro del ricorso cantonale straordinario sarebbe una formalità priva di senso.
Sachverhalt ab Seite 232
BGE 84 I 232 S. 232
A.- Während der Sommermonate der Jahre 1954 und 1955 arbeitete der Maler Kurt Dowideit, der mit seiner Familie in Waldshut (Deutschland) wohnt, bei Friedrich
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Dinten, der in Zürich ein Malergeschäft betrieb. Dowideit wurde zunächst vorübergehend in Wettingen und hierauf in Kreuzlingen beschäftigt. Während er in Kreuzlingen arbeitete, wohnte er in einem Zimmer, das er im benachbarten Konstanz gemietet hatte. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses klagte Dowideit gegen Dinten auf Zahlung von Fr. 2444.30. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Differenz zwischen dem bezahlten und dem nach den Ansätzen des Gesamtarbeitsvertrages (GAV) für das Malergewerbe der Stadt Zürich geschuldeten Lohn sowie aus der im GAV vorgesehenen Entschädigung für auswärtige Arbeit von Fr. 8.- im Tage. Das Bezirksgericht Zürich und das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab. Gegen das Urteil des Obergerichts führte Dowideit Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich. Dieses hob am 25. Mai 1957 das angefochtene Urteil auf und wies die Sache zur Beweisergänzung im Sinne der Erwägungen und zur Ausfällung eines neuen Urteils an das Obergericht zurück. In den Erwägungen führte das Kassationsgericht aus, die Annahme des Obergerichts, das Vertragsverhältnis der Parteien unterstehe nicht dem GAV für das Malergewerbe der Stadt Zürich vom 17. Juni 1953, sondern dem allgemeinverbindlich erklärten GAV für das Malergewerbe der Ostschweiz vom 1. Juli 1953, sei unangefochten geblieben, und es sei daher davon auszugehen. Dowideit habe indes einen höheren Lohn bezogen, als ihn der GAV für das Malergewerbe der Ostschweiz vorsehe, weshalb ihm unter diesem Titel nichts zustehe. Dagegen könne er allenfalls aus Ziff. 6 dieses GAV einen Anspruch ableiten. Nach dieser Bestimmung seien dem Arbeitnehmer, der ausserhalb des Geschäftssitzes des Arbeitgebers arbeitet, die tatsächlichen Auslagen für Unterkunft und Verpflegung sowie die Fahrkosten zu vergüten. Bisher sei aber nicht festgestellt worden, ob Dowideit infolge der Arbeit in Kreuzlingen Auslagen gehabt habe, die ihm nicht erwachsen wären, wenn er während
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dieser Zeit am Geschäftssitze Dintens in Zürich gearbeitet hätte. Die Vorinstanz habe darüber ergänzend Beweis abzunehmen. Das Obergericht gab den Parteien Gelegenheit, sich zum streitigen Punkt zu äussern. Es schützte hierauf am 16. Januar 1958 die Klage im Teilbetrag von Fr. 1008.65.
B.- Friedrich Dinten führte gegen dieses Urteil staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Am 26. September 1958 wies das Kassationsgericht die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
C.- Nach Fällung das Entscheids des Kassationsgerichts, den die Beschwerdeführerin nicht angefochten hat, ist das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wieder aufgenommen worden. Diese richtet sich auf Aufhebung des Urteils des Obergerichts vom 16. Januar 1958. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich. Kurt Dowideit schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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Gebrauch machen, mit denen die gerügte Verfassungsverletzung geltend gemacht werden kann (BGE 72 I 95, BGE 81 I 147 Erw. 2). Ergreift er eines dieser Rechtsmittel auf prozessual unzulässige (nicht form- oder fristgerechte) Weise, so ist es gleich zu halten, wie wenn er das Rechtsmittel überhaupt nicht benützt hätte (nicht veröffentlichte Urteile vom 10. November 1954 i.S. Sax und vom 17. Mai 1955 i.S. Grob. Erw. 2; BIRCHMEIER, Handbuch, S. 348 lit. d). Wenn die Ausgestaltung des kantonalen Rechtsmittelverfahrens es gestattet, die Rügen zu prüfen, die in der staatsrechtlichen Beschwerde erhoben werden können, so stellt sich mithin der Rechtsmittelentscheid als letzter kantonaler Entscheid im Sinne des Art. 87 OG dar. Daraus folgt, dass die staatsrechtliche Beschwerde diesfalls in erster Linie den Rechtsmittelentscheid zum Gegenstand haben muss, dass also mit der Beschwerde geltend gemacht werde, der Rechtsmittelrichter habe willkürlich das Vorhandensein des Rechtsmittelgrundes verneint. Dem Beschwerdeführer bleibt es aber unbenommen, ausserdem auch das Sachurteil in die Anfechtung einzubeziehen (BGE 81 I 148); er darf dabei indes keine Einwendungen erheben, die er auch mit dem kantonalen ausserordentlichen Rechtsmittel hätte vorbringen können, die er damit jedoch nicht geltend gemacht hat (nicht veröffentlichte Urteile vom 19. Oktober 1955 i.S. Sibold, Erw. 5, und vom 1. Oktober 1958 i.S. Luder, Erw. 2). Beschränkt er sich in einem solchen Falle dagegen auf die Anfechtung des Sachurteils ohne auch den Rechtsmittelentscheid darin einzubeziehen, so kann auf die Beschwerde überhaupt nicht eingetreten werden (BGE 81 I 149).
2. Die vorliegende Beschwerde richtet sich allein gegen das Sachurteil des Obergerichts. Nach dem Gesagten könnte sie deshalb nur an Hand genommen werden, falls die Rügen, die mit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen dieses Urteil erhoben werden, nicht auch mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde dem Kassationsgericht hätten
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unterbreitet werden können. Im Folgenden ist zu prüfen, wieweit das der Fall war. a) In der staatsrechtlichen Beschwerde wird dem Obergericht vorgeworfen, es habe in Missachtung des § 317 zürch. ZPO nach Ablauf der Novenfrist neue tatsächliche Behauptungen des Beschwerdegegners entgegengenommen und stelle ohne Beweisverfahren auf bestrittene Vorbringen des Genannten ab. Der Beschwerdeführer macht damit geltend, es sei ihm das rechtliche Gehör verweigert worden, und das Gericht habe seinen Entscheid auf aktenwidrige tatsächliche Annahmen gestützt. Diese Rügen konnte er mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde erheben (§ 344 Ziff. 6 und 8 zürch. ZPO); er hat es denn auch tatsächlich (wenn auch nicht durchwegs in formgerechter Weise) getan. Unter diesen Umständen kann nach der in Erw. 1 dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichts auf die nur das Sachurteil des Obergerichts anfechtende Beschwerde in diesem Punkt nicht eingetreten werden. b) Der Beschwerdeführer bezeichnet es im weiteren als willkürlich, dass das Obergericht das Vertragsverhältnis der Parteien dem GAV für das Malergewerbe der Ostschweiz, insbesondere dessen Ziff. 6, unterstellt hat, und dass es den Grundsatz des Handelns nach Treu und Glauben (Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
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schützte und die Sache zur Feststellung der Höhe der Auslagen an das Obergericht zurückwies. Dieser Entscheid unterlag jedoch als blosser Zwischenentscheid ohne nicht wiedergutzumachende Folgen der staatsrechtlichen Beschwerde nicht (Art. 87 OG). Die Beschwerde war deshalb, unter Vorbehalt des in Erw. 1 Gesagten, erst gegen das zweite Sachurteil des Obergerichts gegeben, und als solche ist sie rechtzeitig, das heisst innert der in Art. 89
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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die Regeln eines allgemeinverbindlich erklärten GAV gelte, wurde, soweit ersichtlich, noch nie entschieden. Die Frage kann indes offen bleiben, da der mit der staatsrechtlichen Beschwerde gerügte Mangel jedenfalls in anderer Weise mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde hätte geltend gemacht werden können. Mit der Behauptung, der GAV für das Malergewerbe der Ostschweiz sei offensichtlich zu Unrecht auf das Dienstverhältnis der Parteien angewandt und Ziff. 6 des Vertragswerks sei zudem unrichtig ausgelegt worden, rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der in Art. 19 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 19 - 1 Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden. |
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1 | Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden. |
2 | Von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen sind nur zulässig, wo das Gesetz nicht eine unabänderliche Vorschrift aufstellt oder die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst. |
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Nichtigkeitsbeschwerde hätten unterbreitet werden können. Da es in seinem ersten Entscheid nicht materiell dazu Stellung genommen hat, liesse sich auch nicht etwa einwenden, die Anrufung des Kassationsgerichts wäre eine leere Formalität geblieben; sie sei darum unter dem Gesichtswinkel der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht erforderlich gewesen (BIRCHMEIER, a.a.O., S. 349 lit. aa). Auch in diesem Punkt liegt demgemäss kein letztinstanzlicher Entscheid vor, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
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Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.