S. 3 / Nr. 2 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 79 III 3

2. Entscheid vorn 21. Januar 1953 i. S. Intercontrol A.-G.

Regeste:
Kann die Arrestierung künftiger Guthaben durch Beschwerde als unzulässig
angefochten werden? Beschwerdelegitimation des Drittschuldners? Ist der
Arrestvollzug als nichtig von Amtes wegen aufzuheben?
Est-il possible d'attaquer par la voie de la plainte pour cause
d'inadmissibilité le séquestre de créances futures? Le tiers débiteur est-il
recevable à porter plainte? Le séquestre doit-il être annulé d'office?
Si può impugnare con reclamo il sequestro di crediti futuri, pel motivo
ch'esso non sarebbe ammissibile? Il terzo debitore ha veste per interporre
reclamo? Il sequestro dev'essere annullato d'ufficio?

Auf Grund der von der Arrestbehörde Basel-Stadt am 2. und 4. Dezember 1952
gegen Nandor Löwenheim in

Seite: 4
Montreal erlassenen Arrestbefehle arrestierte das Betreibungsamt Basel-Stadt
bei der Intercontrol A.G. in Basel u.a. folgende Gegenstände: "Zukünftig
entstehende Dividenden, Honorare, Verwaltungsratstantièmen, Ansprüche aus
Liquidation der Intercontrol A.G. zu Gunsten des Arrestschuldners bei der
Intercontrol A.G." Die Intercontrol A.G. führte Beschwerde mit dem Antrag, die
Arrestierung dieser künftigen Gut haben sei aufzuheben. Die kantonale
Aufsichtsbehörde hat am 30. Dezember 1952 erkannt, auf die Beschwerde werde
nicht eingetreten, weil die Intercontrol A.G. am Arrestverfahren nicht direkt
beteiligt sei und durch die Arrestlegung nicht beschwert werde, sodass sie zur
Beschwerde gegen den Arrestvollzug nicht legitimiert sei. Diesen Entscheid hat
die Intercontrol A.G. an das Bundesgericht weitergezogen. Sie anerkennt, dass
sie als Drittschuldnerin am Arrestverfahren nicht direkt beteiligt sei, macht
jedoch geltend, der Arrestvollzug sei nichtig, weil die Arrestierung künftiger
Forderungen unzulässig sei (BGE 38 I 796); gegen nichtige
Betreibungshandlungen könne sich auch der Dritte beschweren; überdies werde
sie durch die Arrestierung eventueller künftiger Ansprüche des Schuldners
gegen sie beschwert, weil leicht möglich sei, dass der Arrest bei ihr vor der
Entstehung der fraglichen Ansprüche in Vergessenheit gerate, sodass sie der
Gefahr der Doppelzahlung ausgesetzt sei.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Ob die im Streite stehenden Guthaben deswegen, weil es sich dabei bloss um
künftige Guthaben handelt, nicht der Zwangsvollstreckung unterworfen werden
dürfen, ist eine Frage des sog. materiellen Pfändungsrechts, die schon die
Arrestbehörde zu prüfen hatte. Das Betreibungsamt ist nach der neuem
Rechtsprechung als vollziehendes Organ der Arrestbehörde untergeordnet (BGE 64
III 129
, 66 III 73, 75 III 26). Bei dieser Sachlage lässt sich die

Seite: 5
Auffassung vertreten, das Betreibungsamt sei beim Arrestvollzug überhaupt
nicht befugt gewesen, jene Frage zu prüfen, sondern habe sich in dieser
Hinsicht einfach an den Arrestbefehl halten müssen. Nimmt man dies an, so
erweist es sich von vornherein als unzulässig, gegen den Arrestvollzug mit der
Begründung Beschwerde zu führen, dass das Betreibungsamt die im Arrestbefehl
genannten Guthaben im Hinblick auf ihre Bezeichnung als künftige Guthaben
nicht hätte arrestieren dürfen. Der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz
lässt sich jedoch auch dann nicht als bundesrechtswidrig beanstanden, wenn man
davon ausgeht, es sei an sich zulässig, gegen den Arrestvollzug mit der
erwähnten Begründung Beschwerde zu führen, sodass es nicht nötig ist, die
Frage der Entscheidungsbefugnis der Betreibungsbehörden abschliessend zu
beurteilen.
2.- Zur Beschwerde legitimiert ist nur, wer durch die angefochtene Verfügung
in seinen rechtlich geschützten Interessen verletzt wird. Die Rekurrentin ist
am Arrestverfahren, das eine Angelegenheit des Gläubigers und des Schuldners
ist (vgl. BGE 70 III 21, JAEGER N. 2 zu Art. 17
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
SchKG), nicht beteiligt. Die
Gründe, die sie vorbringt, um darzutun, dass sie durch den Arrestvollzug
gleichwohl beschwert werde, sind offensichtlich nicht stichhaltig. Wenn sie in
ihren Geschäften Ordnung hält, was von ihr erwartet werden darf, riskiert sie
keine Doppelzahlung. Ähnliche Diligenz wie bei der Arrestierung von künftigen
Guthaben, wie sie hier in Frage stehen, muss der Drittschuldner auch bei der
ohne Zweifel zulässigen Arrestierung oder Pfändung von Guthaben walten lassen,
die zwar bereits entstanden sind, aber erst später fällig werden, zumal wenn
die Fälligkeit nicht auf einmal, sondern sukzessiv eintritt. Die Rekurrentin
wird also durch den Arrestvollzug nicht in einem rechtlich geschützten
Interesse verletzt und ist deshalb zur Beschwerde dagegen nicht legitimiert.
3.- Ohne Rücksicht darauf, ob eine zur Beschwerde legitimierte Person
rechtzeitig Beschwerde geführt habe,

Seite: 6
wäre die angefochtene Verfügung des Betreibungsamtes von Amtes wegen
aufzuheben, wenn sie nichtig wäre. Das träfe zu, wenn sie gegen eine
Vorschrift verstiesse, die (wie z.B. die Vorschriften über die sachliche
Zuständigkeit, vgl. BGE 30 I 183 Sep. ausg. 7 S. 39, 52 III 11 oben, 76 III
50
) schlechthin zwingend ist oder durch deren Missachtung im konkreten Fall
öffentliche Interessen oder Interessen dritter, am Verfahren nicht beteiligter
Personen verletzt werden (vgl. BGE 68 III 33). Mit einem solchen Falle hat man
es hier nicht zu tun. Die angefochtene Verfügung verstösst, wenn sie auch
diskutabel sein mag, doch nicht gegen eine zwingende Vorschrift. Dass die
Interessen des Drittschuldners dadurch nicht verletzt werden, wurde bereits
dargetan. Inwiefern Interessen anderer Dritter oder gar öffentliche Interessen
verletzt sein könnten, ist nicht ersichtlich.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 III 3
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 21. Januar 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 III 3
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Kann die Arrestierung künftiger Guthaben durch Beschwerde als unzulässig angefochten werden?...


Gesetzesregister
SchKG: 17
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
BGE Register
30-I-181 • 38-I-796 • 52-III-11 • 64-III-127 • 66-III-71 • 68-III-33 • 70-III-18 • 75-III-25 • 76-III-45 • 79-III-3
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
arrestvollzug • betreibungsamt • nichtigkeit • frage • weiler • arrestbefehl • rechtlich geschütztes interesse • basel-stadt • von amtes wegen • schuldner • entscheid • begründung des entscheids • zweifel • bundesgericht • vorinstanz • schuldbetreibungs- und konkursrecht • betreibungshandlung • beschwerdelegitimation • sachliche zuständigkeit • honorar
... Alle anzeigen