S. 366 / Nr. 57 Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten (d)

BGE 73 I 366

57. Urteil vom 18. Dezember 1947 i. S. Schaffhauser und Konsorten gegen
Gerevini und Konsorten und Kassationsgericht des Kantons St. Gallen.


Seite: 366
Regeste:
Oeffentliche Beurkundung, Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten,
Gewerbefreiheit (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
, 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
, 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV und 5 Üb.-Best. z. BV).
1. Die öffentliche Beurkundung ist in allen Fällen, also auch wenn sie
(nichtbeamteten) Notaren oder Anwälten übertragen ist eine amtliche Funktion
und steht daher nicht unter dem Schutz der Garantie der Gewerbefreiheit und
der Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten (Erw. 2).
2. Das st. gallische EG z. ZGB, das zur öffentlichen Beurkundung von
letztwilligen Verfügungen und Erbverträgen neben gewissen Beamten auch den «im
Kanton wohnhaften Inhaber eines st. gallischen Anwaltspatentes» zuständig
erklärt und damit die Anwälte mit ausserkantonalem Patent ausschliesst,
verstösst nicht gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit (Erw. 3 und 4).
Rédaction des actes authentiques, libre exercice des professions libérales,
liberté de commerce (art. 4, 31, 33 Cst. et 6 Disp. trans. Cst.).
1. La rédaction des actes authentiques constitue toujours une fonction
officielle, même lorsqu'elle est confiée à des notaires (non fonctionnaires)
ou à des avocats, l'exercice de cette activité n'est donc pas au bénéfice des
garanties de la liberté du commerce et du libre exercice des professions
libérales (consid. 2).
2. La loi st-galloise d'introduction du Code civil, qui autorise à recevoir
des testaments publics et des pactes successoraux outre certains
fonctionnaires, les titulaires du brevet d'avocat st-gallois domiciliés dans
le canton, à l'exclusion des avocats porteurs d'un brevet délivré par un autre
canton, n'est pas contraire au principe de l'égalité devant la loi (consid. 3
et 4).
Redazione degli atti pubblici, libero esercizio delle professioni liberali
libertà di commercio (art. 4, 31, 33 CF e 6 delle Disp. trans. CF).
1. La redazione degli atti pubblici è sempre una funzione officiale anche se è
affidata a notai (non funzionari) o ad avvocati. Una siffatta attività non è
garantita dalla libertà di commercio nè dal libero esercizio delle professioni
liberali (consid. 2).
2. La legge sangallese di applicazione del codice civile che autorizza a
ricevere testamenti pubblici e patti successori non solo certi funzionari ma
anche i titolari della patente d'avvocato

Seite: 367
sangallese domiciliati nel cantone, esclusi gli avvocati detentori d'una
patente rilasciata da un altro cantone, non è contraria al principio
dell'eguaglianza davanti alla legge (consid. 3 e 4).

(Tatbestand gekürzt.)
A. ­ Das st. gallische EG z. ZGB vom 16. Mai 1911 bestimmte in
«Art. 36. Für die öffentliche Beurkundung ist zuständig:
.....
5. der im Kanton wohnhafte Inhaber eines st. gallischen Anwaltspatentes in den
Fällen von
ZGB 499 (öffentliche letztwillige Verfügung)
» 512 (Erbvertrag)
Art. 109. Die öffentlichen letztwilligen Verfügungen und Erbverträge können
ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Verfügenden vor jedem st. gallischen
Bezirksammann, Gemeindeammann, Gemeinderatsschreiber oder im Kanton wohnhaften
Inhaber eines st. gallischen Anwaltspatentes errichtet werden.»
Bei der Revision vom 22. Juni 1942 wurde der Ziff. 5 des Art. 36
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 36 - 1 Ist dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgestellt worden, so ist er nach dem Erlöschen der Vollmacht zur Rückgabe oder gerichtlichen Hinterlegung der Urkunde verpflichtet.
1    Ist dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgestellt worden, so ist er nach dem Erlöschen der Vollmacht zur Rückgabe oder gerichtlichen Hinterlegung der Urkunde verpflichtet.
2    Wird er von dem Vollmachtgeber oder seinen Rechtsnachfolgern hierzu nicht angehalten, so sind diese den gutgläubigen Dritten für den Schaden verantwortlich.
beigefügt:
«OR 522 Abs. 1 (Verpfründungsvertrag)». Im übrigen wurde der Wortlaut der
beiden Bestimmungen (nach der neuen Numerierung Art. 15 Ziff. 5 und Art. 78)
nicht geändert.
B. ­ Dr. X., wohnhaft in Y. (St. Gallen), besitzt das Anwaltspatent des
Kantons Schwyz. Auf sein Gesuch hat ihm das Kantonsgericht St. Gallen am 16.
Februar 1932 bescheinigt, dass er auf Grand von Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
Üb.-Best. z. BV und
Art. 1 lit. a des st. gallischen Anwaltsreglements von 1901 berechtigt sei,
den Anwaltsberuf im Kanton St. Gallen auszuüben.
Am 12. November 1937 beurkundete Dr. X. eine von Johann Schaffhauser gemäss
Art. 501
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 501 - 1 Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
1    Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
2    Die Zeugen haben auf der Urkunde mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe.
3    Es ist nicht erforderlich, dass die Zeugen vom Inhalt der Urkunde Kenntnis erhalten.
ZGB errichtete öffentliche letztwillige Verfügung. Darin setzte der
Erblasser seine Schwester Verena Schaffhauser zugunsten seiner Ehefrau Agatha
Schaffhauser-Angehrn auf den Pflichtteil, schloss die Nachkommen zweier
vorverstorbener Schwestern von der Erbfolge aus, vermachte seiner
Pflegetochter Elisabeth Keller-Angehrn Fr. 50000.­ unter

Seite: 368
Vorbehalt der Nutzniessung der Ehefrau und setzte schliesslich eine Reihe
kleinerer Vermächtnisse aus.
Nachdem Johann Schaffhauser am 11. Januar 1946 gestorben war, erhoben seine
Schwester und die Nachkommen der vorverstorbenen Schwestern gegen Agatha
Schaffhauser-Angehrn und Elisabeth Keller-Angehrn Klage auf Ungültigerklärung
der letztwilligen Verfügung. Die Beklagten verkündeten Dr. X. den Streit, und
dieser nahm auf ihrer Seite am Verfahren teil.
Durch Urteil vom 11. Juli 1946 schützte das Kantonsgericht St. Gallen die
Klage, da Dr. X. das st. gallische Anwaltspatent nicht besitze und daher nicht
befugt gewesen sei, eine öffentliche letztwillige Verfügung zu beurkunden. Den
Erwägungen dieses Urteils ist zu entnehmen: Art. 499
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 499 - Die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgt unter Mitwirkung von zwei Zeugen vor dem Beamten, Notar oder einer anderen Urkundsperson, die nach kantonalem Recht mit diesen Geschäften betraut sind.
ZGB lasse den Kantonen in
der Bezeichnung der zuständigen Urkundsperson volle Freiheit. Der Kanton St.
Gallen habe neben gewissen Beamten auch die im Kanton wohnhaften Inhaber eines
st. gallischen Anwaltspatentes zuständig erklärt. Wer Inhaber eines solchen
Patentes sei, ergebe sich aus dem Anwaltsreglement von 1901. In, diesem werde
das Anwaltspatent, das auf Grund einer im Kanton St. Gallen abgelegten Prüfung
erteilt werde, klar unterschieden von der Bewilligung zur Ausübung des
Anwaltsberufs, die nach Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
Üb.-Best. z. BV den Inhabern von
Anwaltspatenten anderer Kantone ausgestellt werde. Diese Unterscheidung sei
sachlich gerechtfertigt, weil der Kanton durch die Erteilung des Patentes eine
«vermehrte Verantwortung zum mindesten moralischer Natur übernehme, die
einzugehen ihm bei der Erteilung der blossen Bewilligung zweifellos fernlag
und auch nicht zugemutet werden könnte». Da Art. 36 Ziff. 5 bezw. Art. 109 EG
z. ZGB klar sei, bedürfe er keiner Auslegung und bestehe auch kein Grund, auf
die Entstehungsgeschichte zurückzugreifen. Aus dem gleichen Grunde seien die
Einwendungen der Beklagten gegen die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der
streitigen Regelung unbehelflich. Diese verstosse auch nicht gegen die

Seite: 369
Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
, 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV und 5 Üb.-Best. z. BV, denn gestützt hierauf könne der Anwalt
nicht mehr als die Ausübung des Anwaltsberufes beanspruchen. Wer eine
öffentliche letztwillige Verfügung beurkunde oder sonst eine öffentliche
Urkunde ausstelle, erfülle aber eine öffentliche Aufgabe, die nicht zu der
durch jene Bestimmungen allein gewährleisteten privatwirtschaftlichen
Tätigkeit des Anwalts gehöre. Dass der Kanton St. Gallen kein Notariat kenne,
wie es in andern Kantonen bestehe, sei bedeutungslos; indem er neben gewissen
Beamten auch die Inhaber des st. gallischen Anwaltspatentes zur öffentlichen
Beurkundung im Sinne von Art. 499
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 499 - Die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgt unter Mitwirkung von zwei Zeugen vor dem Beamten, Notar oder einer anderen Urkundsperson, die nach kantonalem Recht mit diesen Geschäften betraut sind.
ZGB zuständig erklärte, habe er ihnen eine
Kompetenz mit amtlichem Charakter verliehen, die Erfüllung einer dem Staate
zukommenden Aufgabe übertragen.
Eine gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom
Kassationsgericht des Kantons St. Gallen am 26. April 1947 abgewiesen.
C. ­ Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde beantragen Agatha
Schaffhauser-Angehrn und Elisabeth Keller-Angehrn sowie Dr. X., das Urteil des
Kassationsgericht sei wegen Verletzung der Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
, 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
, 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV und 5 Üb.-Best.
z. BV aufzuheben. Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht:
a) Die dem Anwalt nach Art. 36 EG z.ZGB zustehende Beurkundung öffentlicher
Testamente gehöre zur Anwaltstätigkeit. Da der Kanton St. Gallen das Notariat
nicht kenne, und die Anwälte nicht wie Beamte vereidigt werden (Art. 107 KV),
fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass es sich dabei um eine notarielle,
amtliche Tätigkeit handle. Die gegenteilige Auffassung stehe im Widerspruch
zur Entstehungsgeschichte des Art. 36 EG z. ZGB und sei willkürlich.
b) Gehöre somit die Beurkundung öffentlicher Testamente im Kanton St. Gallen
zur Anwaltstätigkeit, so verletze das angefochtene Urteil die Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV
und 5 Üb.-Best.z.BV, nach denen jeder Kanton gehalten sei,

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dem Inhaber ausserkantonaler Fähigkeitsausweise die Ausübung des Anwaltsberufs
im gleichen Umfange zu gestatten, in welchem seine Gesetze diese Berufsart
anerkennen und zulassen.
c) Das Kassationsgericht nehme an, durch die Übertragung der Zuständigkeit zur
Beurkundung öffentlicher Testamente habe der Gesetzgeber die Inhaber des st.
gallischen Anwaltspatentes privilegieren wollen. Wenn dies richtig wäre (was
bestritten werde), so würde dieses gänzlich unbegründete Privileg gegen den
Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV) verstossen. Das Kantonsgericht
übernehme bei der Erteilung des kantonalen Anwaltspatentes keineswegs eine
grössere Verantwortung als bei der Bewilligung der Berufsausübung auf Grund
von Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
Üb.-Best.z.BV. Der einzige Unterschied sei, dass der Entzug der
Bewilligung den Anwalt nicht hindere, seine Tätigkeit in einen andern Kanton
zu verlegen; doch dafür sei nicht das Kantonsgericht, sondern der andere
Kanton verantwortlich.
D. ­ Das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen hat sich zur Beschwerde
nicht geäussert.
Die Beschwerdebeklagten beantragen Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Das Eintreten auf die Beschwerde kann nicht gestützt auf Art. 84 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.

OG wegen Zulässigkeit der Berufung an das Bundesgericht (Art. 43 ff
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
. OG)
abgelehnt werden. Obwohl die Gültigkeit einer öffentlichen letztwilligen
Verfügung im Sinne von Art. 499 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 499 - Die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgt unter Mitwirkung von zwei Zeugen vor dem Beamten, Notar oder einer anderen Urkundsperson, die nach kantonalem Recht mit diesen Geschäften betraut sind.
. ZGB streitig ist und der Streitwert Fr.
4000.­ übersteigt, ist die Berufung ausgeschlossen, da die Gültigkeit der
letztwilligen Verfügung davon abhängt, ob bei der Errichtung eine dafür
zuständige Urkundsperson mitwirkte, was sich ausschliesslich nach kantonalem
Recht beurteilt (vgl. BGE 59 II 8).
2. ­ Mit der Beschwerde aus Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
, 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV und 5

Seite: 371
Üb.-Best.z.BV, zu der neben Dr. X. auch die Beschwerdeführerinnen Schaffhauser
und Keller legitimiert sind (vgl. BGE 59 I 199 Erw. 1), wird geltend gemacht,
dass die Beurkundung öffentlicher letztwilliger Verfügungen nach st.gallischem
Recht Teil der Anwaltstätigkeit sei und daher auf Grund jener
Verfassungsbestimmungen auch den (im Kanton wohnhaften) Inhabern
ausserkantonaler Anwaltspatente zustehe. Unter dem Schutz der Garantie der
Gewerbefreiheit und der Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten steht
indessen die Tätigkeit des Anwaltes nur, wenn und soweit sie eine
privatwirtschaftliche Tätigkeit darstellt und nicht als Erfüllung einer
staatlichen Aufgabe, als Amtstätigkeit zu betrachten ist (vgl. BGE 60 I 15
ff).. Entscheidend ist somit, welchen Charakter die öffentliche Beurkundung
letztwilliger Verfügungen nach den massgebenden Vorschriften hat.
Die öffentliche Beurkundung, die nach dem ZGB und OR Gültigkeitserfordernis
zahlreicher Rechtsgeschäfte ist und in der Mitwirkung einer Person
öffentlichen Glaubens bei der schriftlichen Festlegung von Willensäusserungen
besteht, gehört der sog. freiwilligen oder nicht streitigen Gerichtsbarkeit an
(BGE 23 I 487 /8, 49 II 435; EGGER, Komm. z. ZGB, Art. 9 N. 8; MUTZNER, Die
öffentliche Beurkundung im schweiz. Privatrecht, ZSR nF. 40 S. 112a). Als
solche ist sie eine staatliche Aufgabe, zu deren Erfüllung die Kantone von
Bundesrechts wegen verpflichtet und kraft ihrer staatlichen Hoheit befugt
sind. Die Bestimmung, in welcher Weise die öffentliche Beurkundung
herzustellen ist, hat das Bundesrecht weitgehend den Kantonen überlassen.
Insbesondere hat es ihnen, was die Bezeichnung der zuständigen Urkundspersonen
betrifft, sowohl bei der öffentlichen Beurkundung im allgemeinen (Art. 55
SchlT z. ZGB) als auch bei der Beurkundung letztwilliger Verfügungen (Art. 499
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 499 - Die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgt unter Mitwirkung von zwei Zeugen vor dem Beamten, Notar oder einer anderen Urkundsperson, die nach kantonalem Recht mit diesen Geschäften betraut sind.

ZGB) völlige Freiheit gelassen. Die Kantone können nach Belieben Beamte damit
betrauen oder aber (nichtbeamtete) Notare oder andere Personen, z. B. Anwälte,
als

Seite: 372
Urkundspersonen bezeichnen. Da die öffentliche Beurkundung einen Ausfluss der
staatlichen Hoheit darstellt, ist die Ausstattung einer Person mit dem
öffentlichen Glauben auch dann, wenn es sich nicht um einen Beamten handelt,
als Verleihung einer gewissen staatlichen Machtbefugnis zu betrachten, wie das
Bundesgericht bereits in BGE 23 I 488 festgestellt hat. Wenn somit der Kanton
St. Gallen die öffentliche Beurkundung letztwilliger Verfügungen Anwälten
übertragen hat, so üben diese damit nicht eine privatwirtschaftliche Tätigkeit
in ihrer Eigenschaft als Anwälte aus. Vielmehr erfüllen sie eine staatliche
Aufgabe und versehen, ohne Beamte zu sein, ein öffentliches Amt, ähnlich wie
z. B. der Vormund, dessen Aufgabe im ZGB durchwegs als «Amt» bezeichnet wird
(vgl. Art. 379 ff., 426, 441 ff.). Da dies aus dem Wesen der öffentlichen
Beurkundung folgt, deren Begriff dem Bundesrecht angehört, so kann auch nichts
darauf ankommen, dass die im Kanton St. Gallen als Urkundspersonen tätigen
Anwälte nicht vereidigt werden. Selbst wenn Art. 107 KV. die Vereidigung nicht
nur für Behörden und Beamte, sondern für jede Person, die eine staatliche
Aufgabe erfüllt, vorschreiben sollte, so würde daraus nur folgen, dass
richtigerweise auch die zur Beurkundung öffentlicher Testamente zuständigen
Anwälte zu vereidigen wären. Dagegen vermag das Unterlassen der Vereidigung
nichts zu ändern am Wesen der öffentlichen Beurkundung. Diese ist in allen
Fällen eine amtliche Funktion. Ein Anspruch auf Übertragung einer solchen
Funktion aber lässt sich aus der Gewerbefreiheit und damit auch aus der
Garantie der Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten nicht ableiten
(BGE 23 I 486 ff., 60 I 15 ff.).
3. ­ Nach Art. 36 Ziff. 5 und 109 st.gall. EG z. ZGB ist zur öffentlichen
Beurkundung letztwilliger Verfügungen auch zuständig «der im Kanton wohnhafte
Inhaber eines st.gallischen Anwaltspatentes». Der angefochtene Entscheid nimmt
an, damit seien diejenigen Anwälte, die ihren Beruf im Kanton St. Gallen
gestützt auf eine nach

Seite: 373
Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
Üb.-Best. z. BV erteilte Bewilligung ausüben, von der Beurkundung
letztwilliger Verfügungen ausgeschlossen worden. Diese Auslegung entspricht
zweifellos dem Wortlaut. Da das vom Grossen Rat genehmigte Anwaltsreglement
von 1901 einen kantonalen Fähigkeitsausweis vorsieht und diesen ausdrücklich
als «st.gallisches Anwaltspatent» bezeichnet, beziehen sich jene Bestimmungen
offenbar auf die Inhaber dieses st.gallischen Patentes und nicht auf Anwälte
mit ausserkantonalem Patent, auch wenn die beiden Patente in Art. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 1 Schweizerische Eidgenossenschaft - Das Schweizervolk und die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura bilden die Schweizerische Eidgenossenschaft.
einander
gleichgestellt sind, denn diese Gleichstellung erfolgt unter Hinweis auf Art.
5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
Ub.-Best. z. BV, erstreckt sich also nicht auf eine Tätigkeit, die wie die
öffentliche Beurkundung als amtliche zu betrachten ist. Hat aber die
angefochtene Auslegung den Wortlaut für sich, so kann sie keinesfalls als
willkürlich bezeichnet werden (BGE 31 I 19), und es braucht nicht geprüft zu
werden, ob die Entstehungsgeschichie des EG z. ZGB eine andere Auslegung
rechtfertigen würde...
4. ­ Hat demnach das Kassationsgericht Art. 36 Ziff. 5 und Art. 109 EG z. ZGB
nicht willkürlich ausgelegt, so kann sich nur noch fragen, ob diese
Bestimmungen selbst den Grundsatz der Rechtsgleichheit verletzen und deshalb
nicht hätten angewendet werden dürfen, wie die Beschwerdeführer eventuell
geltend machen.
Dass die streitige Regelung die Anwälte mit st. gallischem Patent
privilegiert, wird im angefochtenen Entscheid ausdrücklich anerkannt. Eine
solche Bevorzugung verstösst jedoch nicht notwendigerweise gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV,
sondern nur dann, wenn sich dafür keinerlei ernsthafte, sachliche Gründe
anführen lassen (BGE 38 I 372 /3, 61 I 92). Nun hat das Bundesgericht bereits
früher entschieden, dass die Kantone befugt seien, aus den Inhabern des
kantonalen Anwaltspatentes eine besondere Klasse von Anwälten zu schaffen (BGE
28 I 116). Dieser Entscheid bezog sich auf die Ausübung des Anwaltsberufes,
auf die Vertretung der Parteien im Prozess und die Führung

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des Titels. Umsomehr muss eine Sonderstellung der Inhaber des kantonalen
Patentes zulässig sein, wo die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe wie der
öffentlichen Beurkundung in Frage steht. Die Kantone sind grundsätzlich frei
in der Aufstellung von Bedingungen für den Zutritt zu öffentlichen Ämtern und
Funktionen. So können sie diesen vom Bestehen einer besonderen Prüfung
abhängig machen und Personen, die diese Bedingung nicht erfüllen, davon
ausschliessen, selbst wenn die Bewerber sich auf andere Weise, z. B. durch
eine in einem andern Kanton bestandene Prüfung, über die erforderlichen
Fähigkeiten auszuweisen vermögen. Wenn daher ein Kanton die öffentliche
Beurkundung Notaren überträgt, d. h. Personen, die ohne Beamte zu sein eine
amtliche Funktion ausüben, und für den Zutritt zum Notariat eine besondere
Prüfung vorsieht, so verstösst dies weder gegen Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
, 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV und 6 Üb.-Best.
z. BV noch gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV (BGE 23 I 489). Die Beschwerdeführer bestreiten das
nicht; sie wenden aber ein, der Kanton St. Gallen kenne kein Notariat. Das ist
zweifellos unrichtig. Der Kanton St. Gallen hat durch Art. 36 Ziff. 6 und 109
EG z. ZGB ein auf die öffentliche Beurkundung von letztwilligen Verfügungen
und Erbverträgen (und, seit 1942, von Verpfründungsverträgen) beschränktes
Notariat geschaffen und die Ausübung vom Bestehen der kantonalen
Anwaltsprüfung abhängig gemacht. Eine solche Bevorzugung der Anwälte mit
kantonalem Patent findet sich, gerade in Bezug auf das Notariat, auch in
andern Kantonen. So schliesst im Kanton Solothurn die Prüfung als Fürsprecher
die (auch für sich allein mögliche) Prüfung als Notar in sich (§ 2 des
Prüfungsreglements von 1921) und ist im Kanton Luzern dem Inhaber des
luzernischen Anwaltspatentes, ähnlich wie im Kanton St. Gallen, ein
beschränktes Notariat übertragen (§ 16 EG z. ZGB), während im Kanton
Basel-Stadt diejenigen, die das kantonale Advokaturexamen bestanden haben, von
einem Teil der Notariatsprüfung befreit sind (§ 29 des Notariatsgesetzes von
1911). Für diese Bevorzugung des Inhabers des kantonalen

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Anwaltspatentes lassen sich sachliche Gründe anführen, und zwar sowohl im
allgemeinen als auch in Bezug auf die Regelung im Kanton St. Gallen. Die
meisten Kantone logen bei den Urkundspersonen gleichermassen Gewicht auf
juristische Kenntnisse und Vertrauenswürdigkeit. Dafür, dass diese
Voraussetzungen vorliegen, besteht aber für einen Kanton grössere Gewähr bei
Anwälten, die sich der Prüfung durch seine Behörden unterziehen, als bei
solchen, denen er die Berufsausübung auf Grund von Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
Üb.-Best. z. BV
bewilligen muss. Der st.gallische Gesetzgeber scheint allerdings in erster
Linie auf die Vertrauenswürdigkeit abgestellt und aus diesem Grunde die
öffentliche Beurkundung zur Hauptsache an Beamte übertragen zu haben Wenn er
daneben für letztwillige Verfügungen und Erbverträge die Anwälte zuständig
erklärte, so ging er offenbar davon aus, dass sich bei solchen Beurkundungen
häufig schwierigere Rechtsfragen stellen und es dem Erblasser erspart werden
sollte, sowohl einen Anwalt als auch einen Urkundsbeamten beizuziehen. Die
Beschränkung auf die Anwälte mit dem st.gallischen Patent lässt sich damit
rechtfertigen, dass die kantonale Prüfungsbehörde bei diesen die Möglichkeit
hat, sich vom Vorhandensein gründlicher Rechtskenntnisse in dem in Frage
stehenden Gebiete (Erbrecht, eheliches Güterrecht, öffentliche Beurkundung) zu
überzeugen. Auch fällt, was die Vertrauenswürdigkeit betrifft, als besondere
Gewähr für einwandfreie Berufsausübung in Betracht, dass die disziplinarischen
Befugnisse eines Kantons gegenüber den Inhabern des kantonalen Patentes in
ihren Wirkungen weiter gehen als gegenüber Inhabern ausserkantonaler Patente,
indem das schärfste Disziplinarmittel, der Patententzug, die Berufsausübung in
der ganzen Schweiz ausschliesst, während sich der Entzug der Bewilligung auf
das Kantonsgebiet beschränkt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 73 I 366
Date : 01. Januar 1947
Published : 18. Dezember 1947
Source : Bundesgericht
Status : 73 I 366
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Oeffentliche Beurkundung, Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten, Gewerbefreiheit (Art...


Legislation register
BV: 1  4  5  31  33
OG: 43  84
OR: 36
ZGB: 499  501
BGE-register
23-I-481 • 28-I-111 • 31-I-19 • 38-I-341 • 49-II-431 • 59-I-197 • 59-II-7 • 60-I-12 • 61-I-86 • 73-I-366
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