S. 94 / Nr. 25 Verfahren (d)

BGE 70 IV 94

25. Entscheid der Anklagekammer vom 26. April 1944 i.S. Weber gegen
Generalprokurator des Kantons Bern.


Seite: 94
Regeste:
Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB, Art. 264 BStrP.
Die Gerichtsbarkeit eines Kantons kann vom Beschuldigten bei der Anklagekammer
nur solange angefochten werden, als ein Sachurteil, und sei es auch bloss ein
nicht rechtskräftig gewordenes erstinstanzliches. nicht ergangen ist.
Art. 351 CP et 264 PPF.
La compétence des autorités d'un canton ne peut être contestée par l'inculpé
devant la Chambre d'accusation qu'aussi longtemps qu'aucun jugement au fond
n'a été prononcé, fût-ce même un jugement de première instance non passé en
force.
Art. 351 CP e 264 PPF.
La competenza delle autorità d'un cantone può essere contestata davanti alla
Camera d'accusa solo fino a tanto che un giudizio di merito non sia stato
pronunciato, il quale può anche essere un giudizio di prima istanza non
diventato ancora esecutorio.

A. - Jean Weber wurde am 5. Juli 1943 vom Amtsgericht von Biel wegen Wuchers
im Sinne des Art. 236 lit. a
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 236 - 1 Wer vorsätzlich gesundheitsschädliches Futter oder gesundheitsschädliche Futtermittel einführt, lagert, feilhält oder in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Das Strafurteil wird veröffentlicht.
1    Wer vorsätzlich gesundheitsschädliches Futter oder gesundheitsschädliche Futtermittel einführt, lagert, feilhält oder in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Das Strafurteil wird veröffentlicht.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.300
3    Die Ware wird eingezogen. Sie kann unschädlich gemacht oder vernichtet werden.
und b bern. StGB verurteilt. Im
Appellationsverfahren nahm er vor der I. Strafkammer des Obergerichts des
Kantons Bern seine bereits in erster Instanz erhobene Einrede der
Unzuständigkeit der bernischen Behörden wieder auf. Durch Vorentscheid vom 10.
Februar 1944 erklärte die Strafkammer die Behörden des Kantons Bern für
zuständig. Die Hauptsache beurteilte sie nicht, da Weber sofort gestützt auf
Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB und Art. 264 BStrP die Anklagekammer des Bundesgerichts um
Bestimmung des Gerichtsstandes ersuchte und gleichzeitig im Sinne des Art. 268
BStrP die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof erklärte.
B. - Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, auf das Gesuch an die
Anklagekammer sei nicht einzutreten.
Die Anklagekammer hat erwogen:
Nach Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB in Verbindung mit Art. 264 BStrP bezeichnet die
Anklagekammer den Kanton, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und
verpflichtet ist,

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wenn der Gerichtsstand unter den Behörden mehrerer Kantone streitig ist. Nach
der Praxis der Anklagekammer darf auch der Beschuldigte, der die
Gerichtsbarkeit eines Kantons bestreitet, den Entscheid der Anklagekammer
anrufen (BGE 67 I 151, 68 IV 4), ein Recht, welches nun in dem am 1. Januar
1945 in Kraft tretenden revidierten Art. 264 BStrP (vgl. Art. 168
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
rev. OG)
gesetzlich festgelegt worden ist. Dass dieser Rechtsweg noch eingeschlagen
werden dürfe, wenn bereits ein Sachurteil ergangen ist, und sei es auch bloss
ein erstinstanzliches, verbieten aber Gründe der Prozessökonomie und die
Überlegung, dass die Parteien nicht spekulativ das Sachurteil abwarten sollen.
In Zivilsachen lässt sich das Bundesgericht von ähnlichen Erwägungen leiten,
indem es ausführt, der mit der Einrede der Unzuständigkeit abgewiesene
Beklagte, welcher das ihm hiegegen zustehende Rechtsmittel nicht ergriffen
habe, dürfe nicht nachträglich, wenn der Entscheid in der Hauptsache zu seinen
ungunsten ausgefallen ist, auf die Zuständigkeitsfrage zurückkommen und damit
das ganze bisherige Verfahren in Frage stellen; das widerspräche dem Sinn des
Gesetzes, welches diese Frage vorweg zu erledigen ermögliche (BGE 50 II 413).
Auch der Beschuldigte in Strafsachen hat kein schutzwürdiges Interesse, die
Anklagekammer erst anzurufen, wenn ein Sachurteil ergangen ist, mit der
Wirkung, dass es bei Gutheissung der Gerichtsstandseinrede hinfällig würde und
das Verfahren in einem anderen Kanton neu beginnen müsste. Das Interesse des
Staates an einer raschen Strafverfolgung litte darunter. Aus den gleichen
Überlegungen hat der Kassationshof den Parteien das Recht abgesprochen, den
Gerichtsstand durch Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Sachurteil anzufechten
(BGE 68 IV 122, 69 IV 52, 191). Er hat ihnen dagegen dieses Rechtsmittel
vorbehalten, wenn es sich gegen einen über die Gerichtsstandseinrede
befindenden Vor- oder Zwischenentscheid richtet (BGE 69 IV 191; vgl. auch BGE
68 IV 113).
Die Gerichtsbarkeit eines Kantons kann somit vom

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Beschuldigten wegen Verletzung eidgenössischen Rechts angefochten werden:
entweder gemäss Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB, Art. 264 BStrP bei der Anklagekammer, solange
ein Sachurteil, sei es auch bloss ein nicht rechtskräftig gewordenes
erstinstanzliches, nicht ergangen ist;
oder gemäss Art. 268 BStrP beim Kassationshof durch Nichtigkeitsbeschwerde
gegen einen über die Gerichtsstandseinrede befindenden Vor- oder
Zwischenentscheid, der nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen
Verletzung eidgenössischen Rechts angefochten werden kann.
Im vorliegenden Fall hat in der Sache bereits die erste kantonale Instanz
geurteilt. Die Anfechtung des Gerichtsstandes bei der Anklagekammer ist daher
nicht mehr zulässig.
Demnach hat die Anklagekammer erkannt:
Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
Vgl. auch Nr. 12. - Voir aussi no 12.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 IV 94
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 25. April 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 IV 94
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 351 StGB, Art. 264 BStrP.Die Gerichtsbarkeit eines Kantons kann vom Beschuldigten bei der...


Gesetzesregister
OG: 168
StGB: 236 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 236 - 1 Wer vorsätzlich gesundheitsschädliches Futter oder gesundheitsschädliche Futtermittel einführt, lagert, feilhält oder in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Das Strafurteil wird veröffentlicht.
1    Wer vorsätzlich gesundheitsschädliches Futter oder gesundheitsschädliche Futtermittel einführt, lagert, feilhält oder in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Das Strafurteil wird veröffentlicht.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.300
3    Die Ware wird eingezogen. Sie kann unschädlich gemacht oder vernichtet werden.
351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
BGE Register
50-II-411 • 67-I-149 • 68-IV-1 • 68-IV-113 • 68-IV-120 • 69-IV-189 • 69-IV-51 • 70-IV-94
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
anklagekammer • beschuldigter • kassationshof • hauptsache • rechtsmittel • frage • zwischenentscheid • bundesgericht • kantonales rechtsmittel • beginn • verurteilter • erste instanz • stelle • zivilsache • strafsache • strafverfolgung • wucher • beklagter • biel • leiter