S. 89 / Nr. 24 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (Zivilabteilungen) (d)

BGE 68 III 89

24. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juni 1942 i. S. Jeanneret-Suter
gegen Suter.

Regeste:
Verwirkung des Klagerechts nach Art. 83 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
SchKG.
Durch ein blosses Gesuch um Ladung zum Aussöhnungsversuch ist die Klagefrist
dann nicht gewahrt, wenn der Aussöhnungsversuch im kantonalen Prozessrecht
nach dessen verbindlicher Auslegung durch das kantonale Gericht weder
obligatorisch noch auch nur fakultativ vorgesehen ist.
Perte de l'action prévue par l'art. 83 al. 2 LP.
La simple requête en citation à une audience de conciliation ne sauvegarde
point le délai de l'action lorsque, d'après l'interprétation du tribunal
cantonal qui lie le TF, la procédure cantonale ne connaît ni tentative
obligatoire ni tentative facultative de conciliation.
Perenzione del diritto di promuovere azione ai sensi dell'art. 83 cp. 2 LEF.
La semplice domanda di citare le parti all'esperimento di conciliazione non
salvaguarda il termine per promuovere azione se, giusta l'interpretazione
vincolante del tribunale cantonale, la procedura cantonale non prevede un
esperimento di conciliazione ne obbligatorio ne facoltativo.

A. - Am 18. September 1941 erteilte der Gerichtspräsident von Neuenstadt dem
Gläubiger Rudolf Suter für einen gegen den Schuldner A. Jeanneret-Suter in
Betreibung gesetzten Betrag von Fr. 4380.80 nebst Zins und Kosten
provisorische Rechtsöffnung und stellte diesen Entscheid am 22. September 1941
dem Schuldner zu.
Am 1. Oktober 1941 gab dieser ein Gesuch um Ladung

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zum Aussöhnungsversuch über die beabsichtigte Aberkennungsklage zur Post. Der
am 31. Oktober abgehaltene Aussöhnungsversuch scheiterte, und der Betriebene
erhielt die Klagebewilligung, worauf er am 12. November 1941 die vorliegende
Klage auf Aberkennung der Betreibungsforderung einreichte.
B. - Der Appellationshof des Kantons Bern wies die Klage am 12. März 1942
gemäss Antrag des Beklagten wegen Verspätung zurück.
C. - Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt der Kläger
Gutheissung der Klage, eventuell Rückweisung der Sache zur materiellen
Beurteilung an die Vorinstanz.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Es fragt sich, ob der Betriebene durch das Gesuch um Ladung zum
Aussöhnungsversuch die Frist von zehn Tagen gewahrt hat, innert der nach Art.
83 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
SchKG auf Aberkennung zu klagen ist, oder ob er innert dieser Frist
bereits die Klage beim urteilenden Gericht hätte einreichen sollen. Da es sich
nicht um eine Verjährungs-, sondern um eine Verwirkungsfrist handelt, kann das
Ladungsgesuch nicht schon deshalb genügen, weil es nach Art. 135 Ziff. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
OR
die Verjährung unterbricht; es muss vielmehr die Merkmale der «Klageanhebung»
aufweisen.
Soweit der Begriff der Klageanhebung, wie hier, in Bundeserlassen vorkommt,
ist er nach der Praxis des Bundesgerichtes eidgenössischen Rechts. Es ist
darunter diejenige prozesseinleitende oder auch nur vorbereitende Handlung des
Klägers zu verstehen, mit der er zum ersten Mal in bestimmter Form für den von
ihm erhobenen Anspruch den Schutz des Richters anruft. Das Gesuch um Abhaltung
einer Sühneverhandlung vor dem Friedensrichter oder Gerichtspräsidenten genügt
auch dann, wenn das kantonale Prozessrecht diese Verhandlung bloss fakultativ
vorsieht (BGE 42 II 102 f., 63 II 170 ff.).
Im vorliegenden Falle stellt aber die Vorinstanz fest,

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dass nach Art. 144
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 144 Erstreckung - 1 Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden.
1    Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden.
2    Gerichtliche Fristen können aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn das Gericht vor Fristablauf darum ersucht wird.
der bernischen ZPO in Aberkennungsprozessen ein
Sühneversuch «nicht abzuhalten», also weder obligatorisch noch auch nur
fakultativ vorgesehen sei; diese Anwendung kantonalen Rechts entzieht sich der
Überprüfung des Bundesgerichtes. Dass der Sühnerichter dem Ladungsgesuch Folge
gegeben hat, ändert nichts daran, dass es für diesen Fall gesetzlich gar nicht
vorgesehen und deshalb überhaupt nicht zu stellen war, also nicht als
prozesseinleitende oder vorbereitende Vorkehr im erwähnten Sinne in Frage
kommt. Danach war das auf zehn Tage befristete Klagerecht des Art. 83 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163

SchKG längst verwirkt, als der Schuldner erst am 12. November 1941 auf
Aberkennung der Forderung klagte, obwohl er den Rechtsöffnungsentscheid
bereits am 22. September 1941 erhalten hatte.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons
Bern vom 12. März 1942 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 68 III 89
Datum : 31. Dezember 1942
Publiziert : 11. Juni 1942
Quelle : Bundesgericht
Status : 68 III 89
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Verwirkung des Klagerechts nach Art. 83 Abs. 2 SchKG.Durch ein blosses Gesuch um Ladung zum...


Gesetzesregister
OR: 135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
SchKG: 83
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
ZPO: 144
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 144 Erstreckung - 1 Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden.
1    Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden.
2    Gerichtliche Fristen können aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn das Gericht vor Fristablauf darum ersucht wird.
BGE Register
42-II-98 • 63-II-167 • 68-III-89
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • schuldner • frist • tag • vorinstanz • verwirkung • vorbereitende handlung • entscheid • einigungsverfahren • richterliche behörde • schuldbetreibungs- und konkursrecht • zins • stelle • beklagter • weiler • maler • frage • klagefrist • aberkennungsklage • klagebewilligung
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