S. 299 / Nr. 52 Beamtenrecht (d)

BGE 66 I 299

52. Urteil vom 13. Dezember 1940 i. S. Kanton Bern gegen Schweiz.
Eidgenossenschaft.


Seite: 299
Regeste:
1. Direkter verwaltungsrechtlicher Prozess:
a) Forderungen an den Bund aus einem verwaltungsrechtlichen Vertrag werden vom
Bundesgericht als einziger Instanz in dem Verfahren nach Art. 17 VDG (nicht
nach Art. 48 , Ziff. 1 OG) beurteilt.
b) Unter «Bundesgesetzgebung» im Sinne von Art. 17 VDG ist das Bundesrecht
überhaupt, auch das ungeschriebene, zu verstehen.
2. Freizügigkeitsvertrag zwischen Beamtenversicherungskassen. Frage, ob das
Deckungskapital, das der Bund für den Einkauf von Versicherungszeit bei der
eidgenössischen Beamtenversicherungskasse einbezahlt hat, um eine
«hervorragende Arbeitskraft» für den Bundesdienst zu gewinnen (Art. 5, Abs. 3,
letzter Satz der Statuten der eidg. Beamtenversicherungskasse), auf Grund
eines Freizügigkeitsvertrages mit einer kantonalen Beamtenversicherungskasse
an diese Kasse zu überweisen ist, wenn die Arbeitskraft den Bundesdienst nach
kurzer Zeit verlässt, um eine Stellung im Dienste des Kantons zu übernehmen.
1. Procès administratif direct:
a) Le Tribunal fédéral connaît, en instance unique, selon l'art. 17 JAD (et
non pas selon l'art. 48 ch. 1 OJ), des prétentions dérivées, à l'égard de la
Confédération, d'un contrat de droit administratif.
b) A l'art. 17 JAD, le législateur a désigné par le terme «Législation
fédérale» l'ensemble du droit fédéral, fût-il non écrit.
2. Contrat de libre passage entre des caisses d'assurance pour fonctionnaires.
Lorsque la Confédération a fait des versements complémentaires à la Caisse
d'assurance des fonctionnaires en faveur d'une personne «particulièrement
qualifiée» qu'elle voulait s'attacher (art. 5 al. 3 i. f. des statuts de cette
caisse) doit-elle remettre le capital ainsi versé à la Caisse d'assurance des
fonctionnaires cantonaux, en vertu du contrat de libre passage qu'elle a
conclu avec cette caisse, dans le cas où le fonctionnaire qu'elle a engagé
quitte son service au bout de peu de temps et entre dans l'administration
cantonale?
1. Processo amministrativo diretto:
a) Le pretese contro la Confederazione derivanti da un contratto di diritto
amministrativo sono giudicate dal Tribunale federale come istanza unica
secondo la procedura prevista dall'art. 17 GAD (e non dall'art. 48 cifra 1
OGF).
b) Col termine «legislazione federale» usato nell'art. 17 GAD si deve
intendere l'insieme del diritto federale, anche quello non scritto.
2. Contratto concernente il libero passaggio tra casse di assicurazione per
funzionari: Allorchè la Confederazione, per assumere al proprio servizio una
persona di «particolare valore», ha effettuato versamenti suppletivi alla
Cassa di assicurazione dei funzionari (art. 5 cp. 3 i. f. degli statuti), deve
rimettere il capitale costituito da questi versamenti alla Cassa di
assicurazione dei funzionari cantonali in virtù del contratto di libero
passaggio concluso con essa qualora il funzionario in questione lasci il
servizio federale dopo breve tempo ed entri nell'amministrazione cantonale?


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A. - Zwischen der «Versicherungskasse für die eidgenössischen Beamten,
Angestellten und Arbeiter» (im folgenden «eidg. Beamtenversicherungskasse»
genannt), und der «Hülfskasse für die Beamten, Angestellten und Arbeiter der
Staatsverwaltung des Kantons Bern» (im folgenden «bernische Beamtenhülfskasse»
genannt) besteht eine Vereinbarung vom 27. Mai 1931 betreffend «den Übertritt
von Versicherten der einen Kasse zur andern». Darin wird bestimmt, dass bei
Übertritten von Versicherten der einen Kasse in die andere die Bestimmungen
über Gesundheitsausweis und Altersgrenze nicht angewendet werden (§ 2). «Dem
Übertretenden wird die in der Kasse, aus der er austritt, angerechnete
Versicherungszeit voll angerechnet, sofern der Beginn der Versicherungszeit in
der neuen Kasse dadurch nicht weiter als bis zum 22. Altersjahr zurückverlegt
wird» (Art. 3). «Die Kasse, aus welcher der Versicherte austritt, entrichtet
der neuen Kasse für jeden anrechenbaren Monat der Prämienzahlung vor dem
Übertritte 0,6% des anrechenbaren Jahresverdienstes. Ein angefangener Monat
wird voll berechnet. - Als Jahresverdienst für die Berechnung dieser Zahlungen
gilt vorbehältlich der Bestimmungen von Absatz 3 hienach der unmittelbar vor
dem Übertritt versichert gewesene Jahresverdienst. Die Ordnung der Beiträge
für eine allfällige mit dem Übertritt verbundene Besoldungserhöhung durch den
Versicherten und den neuen Arbeitgeber richtet sich nach den betreffenden
Vorschriften der neuen Kasse. - Ist der versicherte Jahresverdienst nach dem
Übertritte niedriger als vorher, so ist der Zahlung der Verdienst nach dem
Übertritte zu Grunde zu legen» (Art. 4). Art. 5 und 6 betreffen Inkrafttreten
und Kündigung der Vereinbarung.
B. - Der Bundesrat wählte am 9. November 1937 Vet. Oberstlt. Dr. Hans
Neuenschwander, geb. am 9. August 1892, als Adjunkten des eidgenössischen
Oberpferdearztes mit Amtsantritt auf den 1. November 1937 und verfügte
gleichzeitig, dass derselbe - gemäss der von ihm

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bei der Anmeldung gestellten Bedingung - bis zum 35. Altersjahr zurück in die
eidgenössische Beamtenversicherungskasse einzukaufen sei unter Übernahme der
vollen Einkaufssumme durch den Bund. In der Folge zahlte auch die
Finanzverwaltung diese Summe im Betrage von Fr. 9991.70 bei der eidg.
Beamtenversicherungskasse ein.
Am 12. Januar 1939 teilte Dr. Neuenschwander dem Chef des eidg.
Militärdepartementes mit, dass er mit dem Regierungsrat des Kantons Bern in
Unterhandlungen stehe betreffend Übernahme des Amtes eines Kantonstierarztes.
Der bernische Regierungsrat wählte dann auch am 20. Januar 1939 Dr.
Neuenschwander als Kantonstierarzt mit Amtsantritt auf. 1. Februar 1939.
Hiervon machte letzterer am 20. Januar 1939 dem eidg. Oberpferdearzt zu Handen
des eidg. Militärdepartementes Mitteilung und ersuchte um Entlassung aus dem
Bundesdienste auf den 1. Februar 1939. Mit Beschluss vom 26. Januar 1939
entsprach der Bundesrat diesem Gesuche unter Verdankung der geleisteten
Dienste.
Mit Schreiben vom 8. Februar 1939 machte die bernische Beamtenhülfskasse der
eidg. Beamtenversicherungskasse Mitteilung vom Übertritt Neuenschwander's in
die bernische Staatsverwaltung und ersuchte um Überweisung des diesen
Versicherten betreffenden Deckungskapitals gemäss dem Gegenseitigkeitsvertrag
vom 27. Mai 1931.
Die eidg. Finanzverwaltung besprach die Angelegenheit am 3. März 1939 mündlich
mit dem Verwalter der bernischen Beamtenhülfskasse und legte hernach in einem
Schreiben vom 6. März die Gründe dar, aus denen sie sich für berechtigt hielt,
bei der Bemessung des zu überweisenden Deckungskapitals jene Dienstjahre nicht
zu berücksichtigen, für die der Bund Dr. Neuenschwander in die eidg.
Beamtenversicherungskasse eingekauft hatte.
Die bernische Beamtenhülfskasse verlangte jedoch mit Schreiben vom 20. April
1939, dass ihr das Deckungskapital für Tierarzt Neuenschwander, auch soweit es
sich

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auf die aus Bundesmitteln eingekaufte Versicherungszeit beziehe, überwiesen
werde.
In einem an Tierarzt Neuenschwander gerichteten Schreiben vom 2. August 1939
führte die eidg. Finanzverwaltung aus: «Durch Bundesratsbeschluss vom 9.
November 1937... wurde bestimmt, Sie seien bis zum 35. Altersjahr zurück in
die eidg. Versicherungskasse einzukaufen unter Übernahme der vollen
Einkaufssumme... durch den Bund. Dieses Entgegenkommen hat der Bundesrat Ihnen
gegenüber gezeigt unter der Voraussetzung, dass sie im Bundesdienste
verbleiben. Ihre anrechenbare Versicherungszeit wurde denn auch auf das 35.
Altersjahr zurückverlegt, um Ihnen auf das 65. Altersjahr hin die volle
Invalidenrente zu sichern. Leider gingen die Erwartungen, die der Bund an Ihre
Gewinnung geknüpft hat, nicht in Erfüllung, indem Sie nach einer 15 monatigen
Tätigkeit in den kantonalen Dienst übergetreten sind. Damit fallen die
Voraussetzungen, unter denen der Einkauf Ihrer Versicherungszeit erfolgt ist,
ohne weiteres dahin und der Bund muss deshalb die für Sie durch den Einkauf
erbrachte Leistung zurückziehen».
Am 18. August 1939 erwiderte Dr. Neuenschwander: «Am 9. November 1937 erfolgte
die Wahl (zum Adjunkten des eidg. Oberpferdearztes) und die von mir gestellten
Bedingungen wurden ohne Einschränkung erfüllt. Es wurde damals von der
Wahlbehörde unterlassen, mich für eine bestimmte Zeit für den Bund zu
verpflichten. Es wurde auch unterlassen, mir für den Fall meines Austrittes
aus der Bundesverwaltung irgendwelche besondern Bedingungen zu stellen...
Falls ich vom Bunde weg in die Privatbetätigung zurückgekehrt wäre, hätte ich
Anspruch auf die Rückzahlung der von mir selbst in die Versicherungskasse
gemachten Einzahlungen gehabt. Es ist selbstverständlich, dass ich
diesfalls... auch keine anderen Ansprüche gestellt hätte... Bei einer
Besprechung mit Hrn. Regierungsrat Stähli... und Reg.präsident Guggisberg
machte ich darauf aufmerksam, dass mir in Sachen Hülfs- und

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Pensionskasse hinsichtlich Versicherungszeit die gleichen Bedingungen gewährt
werden müssten, wie ich sie bei der Eidgenossenschaft habe, d. h. dass meine
Pensionsberechtigung vom 35. Lebensjahr an berechnet werde. Ich machte darauf
aufmerksam, dass mich der Bund in die Eidg. Versicherungskasse eingekauft habe
und dass daraus Schwierigkeiten entstehen könnten. Hr. Regierungsrat
Guggisberg... erklärte mir, dass zwischen Bund und Kanton ein Vertrag bestehe,
wonach beim Übertritt von Beamten und Angestellten vom Bund zum Kanton und
umgekehrt die Deckungskapitalien der respektiven Versicherungskassen ohne
weiteres übertragen würden, gleichviel, woher diese Kapitalien stammen. Da ich
annehmen durfte, dass auch der Bund einem Kanton gegenüber die Bestimmungen
eines schriftlichen Vertrages erfüllen würde, gab ich mich beruhigt und
erklärte, mich dem Kanton Bern zur Verfügung zu stellen...».
Auch die erneuten Begehren der bernischen Beamtenhülfskasse um Bezahlung des
Deckungskapitals auf Grundlage der vollen angerechneten Versicherungszeit
wurden von der eidg. Finanzverwaltung mit Schreiben vom 25. September und 15.
Dezember 1939 abgewiesen.
C. - Am 4. Januar 1940 reichte die bernische Beamtenhülfskasse, als Klägerin,
gegen die eidgenössische Beamtenversicherungskasse, als Beklagte, beim
Bundesgericht die vorliegende Klage ein mit dem Rechtsbegehren:
«Die Beklagte... sei der Klägerin... gegenüber zur Bezahlung eines Betrages
von Fr. 8280.- nebst Zins zu 4 % seit 31. Januar 1939 zu verurteilen, unter
Kosten- und Entschädigungsfolgen.»
Da Dr. Neuenschwander auf das 35. Altersjahr, d. h. den 6. August 1927, in die
eidg. Versicherungskasse eingekauft worden und am 31. Januar 1939 aus dem
Bundesdienst ausgeschieden sei, so falle nach der Vereinbarung vom 27. Mai
1931 für die Berechnung des von der eidg. Beamtenversicherungskasse an die
bernische Beamtenhülfskasse zu vergütenden Deckungskapitals eine

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Zeitspanne von 138 Prämienmonaten in Betracht. Unter Zugrundelegung des bei
der bernischen Beamtenhülfskasse versicherten Jahresverdienstes
Neuenschwander's im Betrage von Fr. 10000.- ergebe sich, dass die eidg.
Beamtenversicherungskasse der bernischen Beamtenhülfskasse zu vergüten habe:
Fr. 10000.- x 0,006 x 138 = Fr. 8280.-.
Dieser Betrag sei seit dem Übertritt Neuenschwander's in die bernische
Beamtenhülfskasse, also seit 31. Januar 1939, fällig und daher von diesem
Zeitpunkt an, eventuell seit der mit Schreiben vom 8./9. Februar 1939
erfolgten Inverzugsetzung, zu verzinsen.
D. - Die schweiz. Eidgenossenschaft bezw. die eidg. Beamtenversicherungskasse
beantragt die kostenfällige Abweisung des Klagebegehrens.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Sofern die vorliegende Streitigkeit nicht unter Art. 17 VDG fällt, ist das
Bundesgericht zu deren Beurteilung auf Grund von Art. 48 OG zuständig. Da
weder die bernische Beamtenhülfskasse noch die eidg. Beamtenversicherungskasse
eine eigene juristische Persönlichkeit besitzt, sondern die erstere ein Zweig
der bernischen Staatsverwaltung und die letztere ein Zweig der
Bundesverwaltung ist, so liegt eine Streitigkeit zwischen dem Kanton Bern und
dem Bund vor. Eine solche aber hat das Bundesgericht gemäss Art. 48 Ziff. 1 OG
- ohne Rücksicht auf den Streitwert - zu beurteilen, wenn sie zivilrechtlicher
Natur ist. Dieser Charakter aber steht einem auf Grund einer Vereinbarung
erhobenen Geldanspruch nicht nur dann zu, wenn diese Vereinbarung nach der
heutigen Doktrin dem Privatrecht angehört. Auch der auf Grund einer
öffentlichrechtlichen Vereinbarung erhobene Geldanspruch fällt nach der Praxis
unter den Begriff der zivilrechtlichen Streitigkeit im Sinne von Art. 48 OG,
sofern sich die Parteien beim Abschluss der Vereinbarung als gleichwertige,
selbständige Rechtssubjekte gegenüber

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standen, also kraft freier Willensübereinstimmung das Verhältnis so geordnet
haben, aber auch anders hätten ordnen können (BGE 58 II E3. 473; 63 II S. 50;
nicht publizierter Entscheid i. S. Aargau Staat c. Aarau, Einwohnergemeinde
vom 21. Juni 1929, Erw. 2). Diese Voraussetzung liegt aber im vorliegenden
Falle vor. Wenn auch der Kanton Bern als Gliedstaat dem Bunde untergeordnet
ist, so sind doch die beiden Gemeinwesen bei Abschluss der Vereinbarung vom
27. Mai 1931, auf die die eingeklagte Geldforderung gestützt wird, sich als
gleichberechtigte Parteien gegenüber getreten; die Vereinbarung regelt das
Verhältnis zwischen zwei Versicherungskassen, von denen die eine der
Souveränität des Bundes und die andere der Souveränität des Kantons Bern
untersteht.
2.- Gleichwohl hat den vorliegenden Rechtsstreit das Bundesgericht nicht als
Zivilgericht gemäss Art. 48 OG, sondern als Verwaltungsgericht gemäss Art. 17
VDG zu beurteilen, wenn seine Zuständigkeit auch auf Grand dieser letzteren
Bestimmung gegeben ist, also wenn «ein in der Bundesgesetzgebung begründeter
streitiger vermögensrechtlicher Anspruch aus öffentlichem Recht» geltend
gemacht wird; denn die Zuständigkeitsnorm des Art. 17 VDG erscheint gegenüber
derjenigen des Art. 48 OG als die spezielle und geht daher vor (KIRCHHOFER,
Die Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht S. 81; RUCK, Schweiz.
Verwaltungsrecht Bd. I S. 35).
a) Der eingeklagte Anspruch ist nun jedenfalls ein solcher «aus öffentlichem
Recht». Bei der Handhabung von Art. 17 VDG ist nicht auf die veraltete, bei
der Auslegung von Art. 48 OG aus praktischen Gründen des Rechtsschutzes
beibehaltene Auffassung über die Abgrenzung von privatem und öffentlichem
Recht abzustellen, sondern auf die inbezug auf diese Abgrenzung heute in der
Doktrin herrschende Auffassung (vgl. hierüber die überzeugenden Ausführungen
bei KIRCHHOFER, 1. c. S. 80). Nach dieser Auffassung liegt ein publizistischer
und zwar verwaltungsrechtlicher Vertrag vor, wenn zwei oder

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mehrere Korporationen des öffentlichen Rechts eine Vereinbarung zwecks
Erfüllung, Sicherung oder Förderung einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung
abschliessen (RUCK, 1. c. S. 84; JEDLICKA, Der öffentliche Vertrag im
Verwaltungsrecht, S. 94 ff.; KORMANN, System der rechtsgeschäftlichen
Staatsakte S. 30). Einen solchen Zweck verfolgt aber die Vereinbarung vom 27.
Mai 1931. Sie sucht den Beamten, die aus dem Dienste des einen Gemeinwesens in
den Dienst des andern übertreten, nach Möglichkeit die ihnen bisanhin als
Versicherten zustehenden Rechte ohne ihr Zutun zu erhalten (GRÜTTER in der
Festschrift für MOSER, S. 266). Die auf diese Weise geförderte
Beamtenversicherung aber ist im Bund und im Kanton Bern eine Aufgabe der
öffentlichen Verwaltung (FLEINER, Bundesstaatsrecht S. 262; Bundesblatt 1925
II S. 203).
b) Fraglicher ist, ob mit der vorliegenden Klage «ein in der
Bundesgesetzgebung begründeter Anspruch» gegen den Bund erhoben wird. Da der
Kanton Bern den eingeklagten Anspruch auf die Vereinbarung vom 27. Mai 1931
stützt und diese Vereinbarung - jedenfalls soweit hieraus Verpflichtungen des
Bundes, bezw. der eidg. Versicherungskasse abgeleitet werden - nicht dem
bernischen, sondern nur dem eidgenössischen Recht unterstehen kann, so stützt
sich die Klage auf einen Rechtssatz des Bundes, nämlich auf den
ungeschriebenen, auch für die verwaltungsrechtlichen Verträge des Bundes
geltenden Satz pacta sunt servanda, d. h. den Satz: die vertragsschliessenden
Parteien bleiben nach Massgabe der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen an
den Vertragszweck gebunden und unterliegen der Verpflichtung, alles zur
Verwirklichung des Vertragsinhaltes zu tun, was für sie im Bereiche des
Möglichen und Erlaubten liegt (RUCK, 1. c. S. 86; JEDLICKA, 1. c. S. 1 15;
APELT, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, S. 41 ff., 206). Ein in der
Bundesgesetzgebung begründeter Anspruch im Sinne von Art. 17 VDG liegt daher
im vorliegenden Falle dann vor, wenn bei Auslegung dieses Artikels unter
Bundesgesetzgebung

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- wie dies KIRCHHOFER (1. c. S. 81) annimmt - das Bundesrecht überhaupt, auch
das ungeschriebene, zu verstehen ist. In dem Entscheide i. S. Gschwind vom 14.
Oktober 1932 (BGE 58 II S. 474) hat das Bundesgericht diese Frage aufgeworfen,
aber offen gelassen.
Der Ausdruck «über in der Bundesgesetzgebung begründete streitige
vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus öffentlichem
Recht» ist von den eidgenössischen Räten unverändert aus der bundesrätlichen
Vorlage übernommen worden. Für die Auslegung dieses Ausdruckes fällt daher aus
den Gesetzesmaterialien nur die Botschaft des Bundesrates vom 27. März 1925 in
Betracht. Aus dieser ergibt sich, dass mit der Beifügung der Worte «in der
Bundesgesetzgebung begründet» ein doppelter Zweck verfolgt wurde. Einmal
wollte damit zum Ausdruck gebracht werden, dass auf dem Wege der
verwaltungsrechtlichen Klage nur im Bundesrecht und nicht auch im kantonalen
Recht begründete Ansprüche geltend gemacht werden können. Weiterhin wollte
damit auch noch gesagt werden, dass das VDG ein blosses Prozessgesetz sei und
daher nur das Verfahren regle, in dem ein im materiellen Bundesrecht
begründeter Anspruch im Streitfalle geltend zu machen und zu beurteilen sei
(Schweiz. Bundesblatt 1925 II S. 202/3). Der Gesetzgeber wollte demnach die
verwaltungsrechtliche Klage nicht auf Ansprüche beschränken, die sich auf
Sätze des geschriebenen Bundesrechtes stützen, sondern gebrauchte den Ausdruck
«Bundesgesetzgebung» im Sinne von Bundesrecht. Wenn nun auch die
Gesetzesmaterialien für den Richter nicht bindend sind, so besteht doch im
vorliegenden Falle keine Veranlassung, dem Gesetze einen andern Sinn
beizulegen. Die Anordnung eines verschiedenen Prozessverfahrens, je nachdem
sich der vermögensrechtliche Anspruch aus öffentlichem Recht auf einen Satz
des geschriebenen oder des ungeschriebenen Bundesrechts stützt, lässt sich
nicht rechtfertigen; in beiden Fällen entspricht das in den Art. 20 und 21 VDG
vorgesehene Verfahren der

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Natur der Klage besser, als das für den direkten Zivilprozess beim
Bundesgericht gemäss BZP massgebende Verfahren.
3.- Für den Fall, dass ein Bundesbeamter, der der eidg.
Beamtenversicherungskasse als Versicherter angehört, in die bernische
Staatsverwaltung, oder ein kantonalbernischer Beamter, der der bernischen
Beamtenhülfskasse als Versicherter angehört, in den Bundesdienst übertritt und
auch in seiner neuen Stellung zum Eintritt in die Versicherungs- bezw.
Hülfskasse verpflichtet oder berechtigt ist, stellt die Vereinbarung vom 27.
Mai 1931 für die neue Kasse die Verpflichtung auf, den übertretenden Beamten -
ohne Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand und sein Alter und unter voller
Anrechnung der ihm bisanhin angerechneten Versicherungszeit - aufzunehmen,
sofern ihr von der frühern Kasse das gemäss Art. 4 der Vereinbarung berechnete
Deckungskapital überwiesen wird.
Die Vereinbarung stellt aber auch umgekehrt für die Kasse, aus der der Beamte
austritt, die Verpflichtung auf, das gemäss Art. 4 berechnete Deckungskapital
an die Kasse, in die der Beamte übertritt, zu überweisen, falls diese den
Übertretenden - ohne Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand und sein Alter
und unter voller Anrechnung der ihm bei der frühern Kasse angerechneten
Versicherungszeit - aufnimmt.
4.- Bei Feststellung der in der frühern Kasse angerechneten Versicherungszeit
ist es - jedenfalls in der Regel - bedeutungslos, ob diese Zeit durch
Prämienzahlungen während der Anstellung oder durch Einkauf zustande gekommen
ist. Art. 4 der Vereinbarung, der die Berechnung des zu vergütenden
Deckungskapitals festlegt, stellt freilich auf die Zeit «der Prämienzahlungen»
ab; denn er bestimmt, dass die Kasse, aus der der Versicherte austritt, «für
jeden anrechenbaren Monat der Prämienzahlung vor dem Übertritt» 0,6 % des
anrechenbaren Jahresverdienstes an die neue Kasse zu vergüten

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hat. Doch unter «Prämienzahlung» muss auch die vom Beamten oder der Verwaltung
oder von beiden gemeinschaftlich einbezahlte Einkaufssumme - die ja nichts
anderes als eine nachträgliche Prämienzahlung für die eingekaufte
Versicherungszeit ist - verstanden werden, nachdem in Art. 3 der Vereinbarung
«die volle Anrechnung der in der frühern Kasse angerechneten
Versicherungszeit» (mit der einzigen - im vorliegenden Falle bedeutungslosen -
Einschränkung, dass die Versicherungszeit in der neuen Kasse dadurch nicht
weiter als bis zum 22. Altersjahr zurückgelegt wird) vorgesehen ist, ohne dass
hiebei ein Unterschied gemacht wird, je nachdem die Versicherungszeit durch
Prämienzahlung während der Anstellung oder durch Einkauf zustande gekommen
ist. Für die gegenteilige Auffassung bildet auch keine Stütze die Tatsache,
dass in den Vereinbarungen, die die eidg. Versicherungskasse einige Jahre
später mit der bernischen Lehrerversicherungskasse (20. März 1933), der
stadt-bernischen Pensionskasse (8. Mai 1933) und der Pensionskasse der
Kantonalbank von Bern und Hypothekarkasse des Kantons Bern (17. Januar 1935)
abschloss, bei Art. 4 der Zusatz angebracht wurde: «Hat der Übertretende in
der Kasse, aus der er austritt, durch Einkauf oder sonstige Bezahlung
Versicherungszeit erworben, so gilt diese Zeit als Prämienzeit». Damit wurde
nicht nur, wie die eidg. Versicherungskasse anzunehmen scheint, die durch
Selbsteinkauf des Beamten, sondern ausserdem die durch sonstige Bezahlung
erworbene Versicherungszeit der Prämienzeit gleichgestellt. Damit könnte wohl
auch die durch Einkauf der Verwaltung erworbene Versicherungszeit gemeint
sein. Die Beifügung dieser Bestimmung konnte daher auch nur der Abklärung
dienen. Nur wenn in den spätern Vereinbarungen ausschliesslich die durch
Selbsteinkauf erworbene Versicherungszeit der Prämienzeit gleichgestellt und
damit die durch Einkauf der Verwaltung erworbene Versicherungszeit
ausgeschlossen werden wäre, läge hierin ein gewisses Indiz dafür, dass die
einige Jahre

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früher abgeschlossene Vereinbarung, deren Auslegung heute in Frage steht, sich
über die durch Einkauf erworbene Versicherungszeit nicht aussprechen wollte,
also in dieser Hinsicht eine Lücke aufweise.
5.- Doch die frühere Kasse muss der neuen Kasse das Deckungskapital für jene
Versicherungszeit, die die bisherige Verwaltung dem übertretenden Beamten
durch Einkauf erworben hatte, dann nicht überweisen, wenn die Verwaltung den
Einkaufsbetrag unter der Bedingung geleistet hat, dass dieser Betrag an sie
zurückfalle, wenn der Beamte aus ihrem Dienste ausscheide. Dies nimmt auch die
bernische Beamtenhülfskasse an; denn sie gibt zu, dass die eidg.
Beamtenversicherungskasse im vorliegenden Falle die Überweisung des
Deckungskapitals für die durch Einkauf erworbene Versicherungszeit verweigern
dürfte, wenn der Bundesrat bei der Anstellung Neuenschwanders die
Einkaufssumme unter der Bedingung geleistet hätte, dass Neuenschwander längere
Zeit im Bundesdienste verbleibe. Diese Auffassung ist auch richtig. Die
Vereinbarung vom 27. Mai 1931 schliesst die Anbringung eines solchen
Vorbehaltes nicht aus. Da sie die Verwaltungen denen die beiden
vertragsschliessenden Kassen angegliedert sind, nicht verpflichtet, für ihre
Beamten durch Einkauf Versicherungszeit zu erwerben, so dürfen diese
Verwaltungen, wenn sie sich zu einem Einkauf entschliessen, ihn an beliebige
Bedingungen knüpfen, also auch an die Bedingung, dass der Beamte, überhaupt
oder wenigstens während einer gewissen Zeit, in ihrem Dienste verbleibe.
Verlässt dann der Beamte vor Ablauf der vereinbarten Zeit die Stelle, so steht
ihm die durch den Einkauf der Verwaltung erworbene Versicherungszeit beim
Eintritt in die neue Kasse nicht mehr zu. Diese hat infolgedessen dem
Übertretenden nur die noch verbleibende Versicherungszeit anzurechnen und kann
auch nur die Überweisung des auf diese Zeit entfallenden Deckungskapitals
verlangen.
6.- Als der Bundesrat im Jahre 1937 Dr.

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Neuenschwander zum Adjunkten des eidg. Oberpferdearztes wählte, wurde in den
Anstellungsakt, der dem Gewählten den Einkauf in die eidg.
Beamtenversicherungskasse zusicherte, keine Bedingung aufgenommen. Das
Schicksal der vorliegenden Klage hängt daher davon ab, ob nicht aus den
Umständen, insbesondere aus den Gesetzes- bezw. Reglementsvorschriften,
gestützt auf welche die Einkaufssumme bezahlt wurde, gefolgert werden muss,
dass die Bundesverwaltung bei einem vorzeitigen Ausscheiden Neuenschwanders
aus dem Bundesdienste berechtigt ist, den einbezahlten Betrag zurückzuziehen.
7.- Über den Erwerb von Versicherungszeit durch Einkauf in die eidg.
Beamtenversicherungskasse bestimmt Art. 5 Abs. 3 der Statuten vom 6. Oktober
1920:
«Bei ihrem Dienstantritt können Beamte, Angestellte und Arbeiter, die die
Altersgrenze von vierzig Jahren überschritten haben, als Versicherte
aufgenommen werden, wenn sowohl sie als auch der Bund der Kasse Nachzahlungen
leisten. Dabei sind in den bei der Anstellung zu bestimmenden Fristen so viele
ordentliche Jahresbeiträge (Art. 47 a und Art. 45 a) nachzuzahlen, als seit
Überschreitung der Altersgrenze Jahre verflossen sind. Diese Zeit zählt
alsdann bei der Anrechnung der Dienstjahre mit. Zur Gewinnung hervorragender
Kräfte kann der Bundesrat beschliessen, dass die gesamten Nachzahlungen durch
den Bund übernommen werden».
Es wird also neben dem gewöhnlichen Einkauf, bei dem die Einkaufssumme zu 7/12
vom Bund und zu 5/12 vom Beamten geleistet wird, auch noch ein
ausserordentlicher - der Gewinnung hervorragender Kräfte dienender - Einkauf
vorgesehen, bei dem ausschliesslich der Bund die Nachzahlungen leistet. Da die
ganze Einkaufssumme für Dr. Neuenschwander vom Bund bestritten wurde, so lag
im vorliegenden Fall ein ausserordentlicher Einkauf gemäss dem letzten Satz
von Art. 5 Abs. 3 der Statuten für die eidg. Beamtenversicherungskasse vor,
wie dies auch die bernische Beamtenhülfskasse anerkennt. Die Leistungen des
Bundes gingen im vorliegenden Falle sogar in

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doppelter Beziehung über die von ihm bei einem gewöhnlichen Einkauf zu
erbringenden Leistungen hinaus; er leistete nämlich nicht nur die beim
gewöhnlichen Einkauf vom Beamten zu erbringenden 5/12 der Nachzahlungen,
sondern nahm auch den Einkauf auf das 35. und nicht bloss auf das 40.
Altersjahr zurück vor.
8.- Hat aber der Bundesrat bei der Anstellung Neuenschwanders, um diese
«hervorragende Kraft» für den Bundesdienst «zu gewinnen», bei der eidg.
Versicherungskasse für denselben eine Einzahlung von ca. Fr. 10000.-
geleistet, so kann diese Zahlung nur erfolgt sein in der Annahme, dass
Neuenschwander dauernd (d. h. bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses
infolge Invalidität, Alter oder Tod) oder doch mehrere Jahre im Bundesdienste
verbleibe. Es muss als ausgeschlossen gelten, dass auch für den Fall seines
baldigen Ausscheidens aus dem Bundesdienste der Bundesrat einen Betrag von Fr.
10000.- für denselben oder gar zu Gunsten jener kantonalen Verwaltung, in
deren Dienst er übertreten sollte, aufwenden wollte. Die «Voraussetzung»,
unter der der Bund die Einkaufssumme bezahlt hat, hat sich somit nicht
verwirklicht.
9.- Die von Windscheid begründete Voraussetzungslehre, die der «unentwickelten
Bedingung» rechtliche Bedeutung beilegte, wird heute in der privatrechtlichen
Literatur und Praxis allgemein abgelehnt. (In BGE 28 II S. 374 wurde die
Frage, ob die Windscheid'sche Lehre im modernen Privatrecht verwendbar sei,
offen gelassen.) Voraussetzungen, unter denen ein Vertrag abgeschlossen wurde,
sind - wie heute allgemein angenommen wird - nur rechtserheblich, wenn sie
nach den Grundsätzen über wesentlichen Irrtum (Art. 23 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
. OR; vgl. BGE 43 II
S. 779
ff.) oder nach denen über die Bedingung (Art. 151 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 151 - 1 Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
1    Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
2    Für den Beginn der Wirkungen ist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Bedingung in Erfüllung geht, sofern nicht auf eine andere Absicht der Parteien geschlossen werden muss.
. OR) beachtlich
sind (vgl. STIEFEL, Über den Begriff der Bedingung S. 162/3). Nach den
Grundsätzen über den wesentlichen Irrtum kann nur eine Voraussetzung
beachtlich sein, die sich auf die Gegenwart oder die Vergangenheit

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bezieht (condicio in praesens vel praeteritum relata; vgl. OSER-SCHÖNENBERGER,
Kommentar zu OR Art. 23, Note 4). Eine Voraussetzung, die sich auf die Zukunft
bezieht, ist nur rechtserheblich, wenn sie zur Bedingung gemacht wurde. Eine
Bedingung ist jedoch nicht nur dann rechtswirksam, wenn sie der
Willenserklärung ausdrücklich, sondern auch wenn sie ihr «stillschweigend», d.
h. durch ein schlüssiges konkludentes Verhalten beigefügt wird (BGE 12 S. 741
E. 3). Bei einem Vertrag muss jedoch der Bedingungswille beider Parteien
irgendwie zum Ausdruck kommen; die Bedingung muss zum Vertragsbestandteil
geworden sein (STIEFEL 1. c. S. 92 ff., BECKER, Kommentar, Vorbem. zu Art.
151/157 Note 18). Um aus dem Vertragszweck die Vereinbarung einer Bedingung
kraft ergänzender Auslegung folgern zu können, reicht die Willensrichtung nur
einer Partei nicht aus; die Beifügung muss im Sinne des objektiven
Vertragszweckes liegen (OERTMANN, Rechtsordnung und Verkehrssitte S. 197 ff.).
Die Beamtenernennung ist aber kein Vertrag, sondern eine einseitige
hoheitliche Verfügung des Staates, deren Wirksamkeit im Bunde durch die
Einwilligung des Beamten bedingt ist (MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht, 2.
Aufl. Bd. II S. 262; FLEINER, Institutionen, 8. Aufl. S. 192; FLEINER,
Bundesstaatsrecht, S. 250; RUCK, 1. c. S. 84). Grundsätzlich sind die den
Beamten zukommenden Rechte und ihnen obliegenden Pflichten durch Rechtsnormen
geregelt. Ob ein dem Beamten eingeräumtes Recht bedingt ist, ist daher
-jedenfalls in der Regel - nicht eine Frage der Vertragsauslegung, sondern
eine solche der Gesetzesauslegung (APELT, 1. c. S. 102 ff., insbesondere 105);
eine Ausnahme ist höchstens für den Fall zu machen, dass bei der
Beamtenernennung eine Vereinbarung getroffen wird, bei der es sich nicht um
die Anwendung einer gesetzlichen Bestimmung handelt (APELT, 1. c. S. 107).
Dieser Ausnahmefall liegt heute nicht vor. Der Bundesrat hat die Einkaufssumme
von ca. Fr. 10000. -

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- was unbestritten ist - in Anwendung von Art. 5 Abs. 3 letzter Satz der
Statuten für die eidg. Beamtenversicherungskasse - welche Statuten den
Charakter einer Verordnung besitzen (vgl. BGE 63 I S. 116 ff.) - bezahlt. Es
bedarf daher im vorliegenden Falle nicht des Nachweises, dass auch der Wille
Neuenschwanders auf eine bloss bedingte Einzahlung der Einkaufssumme gerichtet
war. Entscheidend ist, ob sich die Bedingung in einer für Neuenschwander
erkennbaren Weise aus Art. 5 Abs. 3 letzter Satz der Statuten für die eidg.
Versicherungskasse ergibt. Diese Frage ist aber zu bejahen. Es würde dem in
dieser Bestimmung erwähnten Zwecke widersprechen, wenn die gestützt auf diese
Vorschrift geleistete Einkaufssumme einem Beamten, der nur etwas mehr als ein
Jahr im Bundesdienste geblieben ist, zur Verfügung gestellt würde, auf dass er
sich damit bei der Versicherungskasse einer andern Verwaltung einkaufen
könnte. Dieser Widerspruch besteht, auch wenn die Organe des Bundes die
vorzeitige Demission genehmigen und wenn der Gehalt der kantonalen Beamtung,
die dem frühern Bundesbeamten übertragen wird, vom Bund subventioniert wird.
Die Statuten der eidg. Beamtenversicherangskasse haben wohl nur deshalb das
Schicksal der gemäss Art. 5 Abs. 3 letzter Satz einbezahlten Einkaufssumme bei
einem vorzeitigen Ausscheiden des Beamten nicht dem verfolgten Zwecke
entsprechend ausdrücklich geregelt, weil damals noch keine
Freizügigkeitsvereinbarungen bestanden. Da der Beamte selbst bei einem
vorzeitigen Ausscheiden keinen Anspruch auf die Einkaufssumme erheben kann
(Art. 8 der Statuten), konnte sich vor dem Abschluss von
Freizügigkeitsvereinbarungen nur die Frage stellen, ob die Einkaufssumme der
eidg. Beamtenversicherungskasse verbleibe oder an die Kasse der allgemeinen
Bundesverwaltung zurückzuvergüten sei. Eine Entscheidung dieser Frage aber
durfte als überflüssig betrachtet werden, da die eidg.
Beamtenversicherungskasse nur ein Zweig der Bundesverwaltung, eine statio
fisci, ist und der Bund ein eventuelles Defizit

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dieser Kasse zu tragen hat (Art. 45 Abs. 2 der Statuten). Auch Dr.
Neuenschwander betrachtete die Überweisung der Einkaufssumme an die bernische
Beamtenhülfskasse nicht als selbstverständlich; er hat - wie er in seinem
Schreiben an die eidg. Finanzverwaltung vom 18. August 1939 bemerkt hat - die
bernischen Regierungsräte, mit denen er vor seiner Wahl zum Kantonstierarzt
unterhandelte, darauf aufmerksam gemacht, dass der Bund möglicherweise diese
Überweisung verweigern werde. Es wäre Sache des bernischen Regierungsrates
gewesen, diese Frage abzuklären, bevor er Dr. Neuenschwander die Zusicherung
gab, dass er bei der bernischen Beamtenhülfskasse die gleichen Rechte
geniessen werde, die ihm bis anhin bei der eidg. Beamtenversicherungskasse
zustanden. Aus dem Umstand, dass der Bundesrat, als er dem Demissionsgesuch
Neuenschwanders entsprach, keinen Vorbehalt bezüglich der Einkaufssumme
angebracht hat, kann nicht gefolgert werden, dass er auf die dem Bunde
bezüglich dieser Summe zustehenden Rechte verzichten wollte. Bedeutungslos ist
auch, dass seit dem Bekanntwerden des vorliegenden Streitfalles der Bundesrat,
wenn er einen Einkauf gemäss Art. 5 Abs. 3 letzter Satz der Statuten der eidg.
Beamtenversicherungskasse beschloss, den Rückzug der Einkaufssumme bei einem
vorzeitigen Ausscheiden aus dem Bundesdienste sich vorbehielt; denn wer sich
durch Anbringung eines Vorbehaltes gegen eine für ihn ungünstige Auslegung zu
schützen sucht, gibt damit nicht zu, dass ohne diesen Vorbehalt eine für ihn
günstige Auslegung nicht möglich sei.
10.- Offengelassen wird die in den Prozessschriften nicht aufgeworfene Frage,
ob sich die Bedingung, die sich aus Art. 5 Abs. 3, letzter Satz der Statuten
der eidg. Beamtenversicherungskasse folgern lässt, auf die ganze Einkaufssumme
bezieht oder nur auf jenen Teil der Einkaufssumme, der den Betrag übersteigt,
den der Bund bei einem gewöhnlichen Einkauf (vgl. oben Erwägung 7) gemäss Art.
5 Abs. 3, Sätze 1 und 2, einbezahlt hätte, und

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ob sich daraus oder aus einem andern, bis dahin nicht geltend gemachten
Gesichtspunkt ein Anspruch auf Überweisung wenigstens eines Teils der
geforderten Prämienzahlungen herleiten liesse. Die weitere Prüfung dieser
Fragen soll den Parteien vorbehalten bleiben, weshalb die Klage nur im Sinne
der Erwägungen abgewiesen wird.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird, soweit mit derselben mehr als der anerkannte Betrag von Fr.
900.- gefordert wird, im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 66 I 299
Datum : 01. Januar 1940
Publiziert : 12. Dezember 1940
Quelle : Bundesgericht
Status : 66 I 299
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : 1. Direkter verwaltungsrechtlicher Prozess:a) Forderungen an den Bund aus einem...


Gesetzesregister
OG: 48
OR: 23 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
151
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 151 - 1 Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
1    Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
2    Für den Beginn der Wirkungen ist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Bedingung in Erfüllung geht, sofern nicht auf eine andere Absicht der Parteien geschlossen werden muss.
BGE Register
28-II-370 • 43-II-775 • 58-II-1 • 58-II-463 • 63-I-115 • 66-I-299
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
einkaufssumme • bedingung • deckungskapital • frage • bundesrat • bundesgericht • austritt • regierungsrat • stelle • monat • nachzahlung • eidgenossenschaft • entscheid • altersgrenze • verwaltungsrechtlicher vertrag • verhältnis zwischen • doktrin • bewilligung oder genehmigung • gesundheitszustand • verwaltungsrechtliche klage
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