370 civilreehtsptlege.

48. Zweit vom 27. Heutember 1902, in Sachen Gnuzburgen Kl. u. Ver.-KL,
gegen Fonäursmasse Zweiter-, Bekl. u. Ver.-Bekl.

Verzicht, Novation, Absshluss eines Vertrages unter einer Voraussetzung.

A. Durch Urteil vom 18. Juni 1902 hat das Kantonsgericht des Kantons
St. Gallen die Klage abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in richtiger Form
die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem Antrag auf Gutheissung
der Klage.

C. In der heutigen Verhandlung erneuert der Vertreter des Klägers
seinen Berufungsantrag Eventuell hat er auf Rückweisung der Sache an
die Vorinstanz zur Abnahme der von ihm beantragten Beweise über die
Willensmeinung der Parteien beim Abschlusse der Verträge vom Februar
und März 1900 angetragen.

Der Vertreter der Beklagten trägt auf Abweisung der Berufung an.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Firma Günzburger & Cie. in Basel war infolge mehrjährigen
Geschäftsverkehrs mit Viehhändler Jenas Muster in St. Gallen im Frühjahr
1900 dessen Gläubigerin für einen Betrag von 118,569 Fr. geworden. Am
22. Februar 1900 schloss nun der Kläger Salomon Günzburger mit Jonas
Muster einen Vertrag ab, laut dessen Wortlaut jener auf seine Forderung
gegen diesen im Betrage von rund 120,000 Fr. verzichtete, wogegen Muster
sich verpflichtete, an den erlittenen Verlust des Klägers den Betrag
von 10,000 Fr. zu vergüten . . . Laut Biff. 4 sollte dieser Vertrag
jedoch nur dann gelten, wenn auch die Verständigung zwischen Borasio
und den Herren Muster und Kerk definitiv zu Stande kommt. Im März 1900
wurde sodann zwischen den genannten Kontrahenten ein weiterer Vertrag
abgeschlossen, der folgende hier wesentliche Bestimmungen enthält:
Ill. Obligationenrecht. N° 48. 371

1. Herr Salomon Günzbnrger, Kaufmann, in Basel, verzichtet hiemit auf
seine Forderung an Herrn Jonas Muster in St. Gallen im Betrage von rund
120,000 Fr.

2. (Nückbürgschaft für David Keck für eine Schuld Musters an den
schweizerischen Bankverein für den Betrag von 50,000 Fr.).

3, Dagegen verpflichtet sich Jonas Muster zu nachstehenden Leistungen :

a) Er vergütet dem Herrn Salomon Günzburger an den erlittenen Schaden
den Betrag von 10,000 Fr., zahlbar in monatlichen Raten von 1000 Fr.,
erstmals Ende März 1900.

zu,

4. Mit diesem Vergleich sind alle Pendenzen und Schuldverhältnisse
zwischen den Kontrahenten geordnet und geregelt. Alle früheren
Stipulationen werden durch diese Urkunde ersetzt-i

Auch mit seinem Gläubiger Borasio schloss Jonas Muster, am 28. Februar
1900, einen Schuldentlastungsvertrag ab, wonach sich jener gegen Bezahlung
einer Summe von 34,000 Fr. wofür David Keck Bürgund Selbstzahlerschaft
übernahm für sein Guthaben gänzlich befriedigt erklärte. In diesem
Vertrage war (in Ziff. 5) bestimmt: Sollte Herr Jonas Muster in der
Folgezeit vor vollständiger Tilgung aller hier zu Gunsten der Firma
B. Borasio übernommenen Verpflichtungen in Konkurs geraten oder sonst eine
Zwangsvollstreckung (Pfändung) erfahreu, so ist die Firma Borasio Battista
berechtigt, ihre volle ursprüngliche Forderung von 68,000 Fr., soweit
solche noch nicht gedeckt wäre, geltend zu machen (mit nachträglichen
hier unwesentlichen Modifikationen). Jonas? Muster leistete an die dem
Kläger gegenüber eingegangene Schuld von 10,000 Fr. im ganzen Zahlungen
im Betrage von 8265 Fr., so dass noch 1735 Fr. nngedeckt find.

2. Am 12. Dezember 1901 wurde über Jonas Muster der Konkurs eröffnet. Der
Kläger gab in diesem Konkurs zunächst (unterm 24. Dezember) eine laufende
Forderung von 1735 Fr. ein, als Cessionar der Firma Günzburger & Cie. Am
6. Januar 1902 jedoch ersetzte er diese Konkurseingabe durch eine
andere, worin er (neben hier nicht in Betracht kommenden Forderungen)
eine laufende Forderung von 143,504 Fr. (zur Kollokation m

372 Giviirechtspflege.

der V. Klasse) anmeldete; in dieser Forderung war das ursprüngliche
Guthaben der Firma Günzburger & Cie. an Jenas Muster im Betrage von
118,569 Fr. mitenthalten. Das Konkursamt hat nur eine Forderung von 1735
Fr. zugelassen, die Mehrsorderung von 141,769 Fr. dagegen abgewiesen unter
Verweisung aus den Vertrag vom 22. Februar 1900. Daraufhin hat der Kläger
mit der gegenwärtigen Klage Zulassung dieser abgewiesenen Forderung und
deren Kollokation in V. Klasse vertaugt. Die beklagte Konkursmasse hat
den Anspruch des-Klägers gänzlich bestritten, immerhin mit der Massgabe,
dass quantitativ die Forderung an sich anerkannt wurde.

3. Die Begründung der Klage geht in ihrem Kerne dahin, der Vertrag
vom März 19-00, der als Nachlassvertrag anzusehen sei und auf den
die Bestimmungen des Schuldbetreibungs und Konkursgesetzes über den
gerichtlichen Nachlassvertrag analoge Anwendung zu finden hätten, sei
an die ausdrückliche Bedingung und jedenfalls an die Voraussetzung
geknüpft gewesen, dass der Schuldner Muster den eingegangenen
Verpflichtungen seinerseits nachkomme; das sei nun nicht geschehen. Für
diese Vertragsmänung hat der Kläger sich (vor zweiter Instaan aus Jonas
Muster als Zeugen berufen, sowie seinen Eid beantragt. Die Beklagte hat
das Vorhandensein der vom Kläger behaupteten Bedingung oder Voraussetzung
eventuell unter Berufung auf Zeugen bestritten; der Verzicht des Klägers
auf seine Forderung von circa 120,000 Fr. sei vorbehaltlos erfolgt;
im Vertrage vom März 1900 liege einerseits ein vorbehaltloser Verzicht,
anderseits die Eingehung eines neuen Schuldverhältuisses Übrigens sei
die in Biff. 4 des Vertrages vom Februar 1900 gestellte Bedingung des
Zustandekommens des neuen Rechtsverhältnisses erfüllt. Beide kantonalen
Jnstanzen haben den Standpunkt der Beklagten geteilt und die Klage,
unter Umgangnahme von den Beweisanträgen der Parteien, abgewiesen.

4. Der Entscheid des Rechtsstreites hängt von der Lösung der Frage
ab, ob der Kläger auf seine aus Geschäftsverkehr mit dem nachherigen
Gemeinschuldner Jonas Muster herrührenden Forderung von rund 120,000
Fr., deren Aufnahme in den Kollokationsplan er verlangt, endgültig und
vorbehaltlos ver-Il]. Obligationenrecht. N° 48. ' 373

zichtet habe, oder ob nicht vielmehr der vom Kläger ausgesprochene
Verzicht an gewisse Bedingungen geknüpft oder nur unter gewissen
Voraussetzungen erfolgt sei. Bei Entscheidung dieser Frage ist vorerst
festzustellen, dass der Vertrag vom Februar 1900 ersetzt worden ist durch
denjenigen vom März gleichen Jahres, wie aus dem Inhalte des letztern,
speziell aus dessen Ziffer 4, mit aller Deutlichkeit hervorgeht Der Kläger
kann sich daher jedenfalls nicht auf jenen früheren unter den Parteien
selbst aufgehoBetten Vertrag Berufen, wie denn auch das Konknrsamt den
Kläger nicht mit Berufung auf diesen Vertrag hätte abweisen sollen.
Abzustellen ist vielmehr einzig aus den Vertrag vom März 1900; dessen
rechtliche Natur und Tragweite ist zu untersuchen Hiebei ergibt sich
als die rechtliche Natur dieses Vertrages einerseits ein Verzicht
des Klägers aus seine Forderung von rund 120,000 Fr. an Jonas Muster,
anderseits die Stipulation einer Anzahl Gegenleistungen des genannten
Schuldners, speziell die Schaffung einer Schuld von 10,000 Fr. In diesen
Stipnlationen liegt nun unzweifelhaft eine Novation. Einmal war eine alte
Schuld vorhanden, die noviert werden konnte, nämlich eben jene Schuld von
rund 120,000 Fr., bezw. die durch Vertrag vom Februar 1900 geschaffene
Schuld von 10,000 Fr. Sodann spricht der Vertrag vom März 1900 mit aller
wünschbaren Deutlichkeit den Novationswillen aus in seiner Ziffer 4. Da
nun dieser neue Vertrag die Bestimmung des frühern Vertrages, wonach der
Verzicht des Klägers nur unter der Bedingung der Verständigung des Jonas
Muster mit Borasio und Keck Geltung haben solle, nicht ausgenommen hat,
so ist der Wegfall dieser Bedingung anzunehmen und hat also der Verzicht
bedingungslose Geltung, so dass unerheblich ist, ob jene Bedingung von
Jonas Muster erfüllt wurde oder nicht, wie auch, ob Jenas Muster seinen
Gegenleistungen nachgekommen ist oder nicht. Der Kläger verlegt denn auch
das Hauptgewicht der Begründung der Klage nicht aus das Vorhandensein
einer Bedingung im juristisch-technischen Sinne des Wortes, sondern er
zieht dazu die Lehre von den sogenannten Voraussetzungen heran, indem er
geltend macht, der Verzicht sei nur erfolgt unter der dein Jonas Muster
erkennbaren Voraussetzung, dass dieser seine Gegenleistungen erfülle
und dass der

xxvm, 2. 1902 25

374 Civilrechtspfiege.

Konkurs über ihn nicht eröffnet werde. Hiegegen ist jedoch folgendes zu
bemerken: Auch wenn man die Lehre von den Voraussetzungen für theoretisch
richtig und praktisch verwendbar halten und nicht so weit gehen wollte,
der bekanntlich sehr umstrittenen Kategorie der Voraussetzungen jeden
Platz im System des schweizerischen Obligationenrechtes abzusprechen
(vgl. Windscheid, Pand., I, §§ 97 100 und dort eitierte; Deraburg,
Pand. I, § 115 u. f.; Regelsberger, Pand., I, § 166 sub IV, (S. 605
ff.); Lenel, im Archiv für cid. Praxis,Bd. 79, S. 49 ff.), so kann
doch hier von einer Anwendung dieser Lehre keine Rede sein Damit ein
Vertrag wegen Nichteintrittes einerVoraussetzung hinfällig werde, ist
(nach der Lehre von den Voraussetzungen) unter allen Umständen notwendig,
dass eine auf dem Willen der Kontrahenten beruhende Selbstbeschränkung
des Vertrags-willens erkennbar sei (vgl. Windscheid a. a. Q, und
ein Urteil des Appellationsgerichtes zu Celle in Seufferts Archiv,
Bd. 34, ser. 268). Soll die Lehre von den Voraussetzungen als einer
Selbstbeschränkung der Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte überhaupt
praktische Bedeutung haben, so ist jedenfallszu erfordern, dass diese
Selbstbeschräntung nach aussen irgendwiezu Tage trete, sei es indem sie
direkt erklärt wird, sei es, indem sie aus den den Vertragsabschluss
begleitenden Umständen gefolgert werden muss. An diesem Erfordernisse
fehlt es hier. Zunächst enthält der Wortlaut des Vertrages vom März 1900
durchaus keinen Anhaltspunkt für eine derartige Selbstbeschränknng des
Vertragswillens, da? im schärfsten Gegensatze zum Vertrage des Jonas
Muster mit Borasio (vom 28. Februar 1900), in welchem ausdrücklich dem
Gläubiger das Recht, seine volle Forderung geltend zu machen, gewahrt
wurde für den Fall der Nichtoder nicht gehörigen Erfüllung seitens des
Jonas Muster, oder der Konkurserösfnung ze. über ihn. Sodann lassen auch
die Umstände nicht auf eine im Sinne einer Voraussetzungt aufzufassende
Selbstbeschränkung des Willens schliessen. Wohl mag der Kläger seinen
Verzicht erklärt haben in der Willensmeinung, Jonas Muster werde seinen
Verpflichtungen nachkommen und nicht in Konkurs geraten. Allein diese
Willensmeinung bildete eben nur einen Beweggrund für den Abschluss des
Vertrages, und derIV. Erfindungspatenie. N° 49. ' 375

Jrrtum in diesem Beweggrunde reicht nach Art. 21 O.-R. nicht hin, den
Vertrag zu einem unverbindlichen zu machen. Der Verzicht des Klägers
muss daher als vorbehaltlos erfolgt angesehen werden.

5. Der Standpunkt des Klägers endlich, der streitige Vertrag
sei als Nachlassvertrag im Sinne der Art. 293 ff. Schnldb.
u. Konk.-Ges. anzusehen, ist völlig nnbegründet. Es fehlt an allen
Ersordernissen hier, namentlich, da Jenas Muster den Vertrag nicht mit
allen seinen Gläubigern, sondern nur mit einem abgeschlossen hat.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes des
Kantons St. Gallen vom 18. Juni 1902 in allen Teilen bestätigt.

IV . Erfindung-spatente. Brevets d'invention.

49. Asirrèt du 20 septembre 1902, dans la. cause Bonnet & 0, dem. rec.,
contre Gerber, déf. int.

Session ou vent-e d'un brevet d'invention. Action en résfliation
de ce contrat, art. 17 ss. GO. et en dommages intej_ss rets. Erreur
essentielle. Eviction. Cession de

créances per une société simple, efiets. art. 544 CO.

A. Paul Segue, à Genève, a obtenu le 30 juin 1895 du Bureau fédéral de
la propriété intellectueile, à Berne, un brevet d'invention provisoire,
n° 11555, pour un velocipederéclame. II a pris également un brevet
d'invention dans divers autres pays, notamment en France. Le demande
de breitetdans ce dernier pays a, été fait-,e le 28 novembre 1895
et le brevet & été délivré le 10 mars 1896 sous n° 251 998, pour un
velocipede-reclame.

En vue de l'exploitation de ses brevets, Paul Sagne parait
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 28 II 370
Datum : 27. September 1902
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 28 II 370
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 370 civilreehtsptlege. 48. Zweit vom 27. Heutember 1902, in Sachen Gnuzburgen Kl.


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bedingung • beklagter • wille • salomonen • bundesgericht • gegenleistung • kantonsgericht • vertragsabschluss • schuldner • nachkomme • frage • beweggrund • archiv • richtigkeit • zeuge • beendigung • kollokationsplan • zahl • entscheid • forderung
... Alle anzeigen