S. 429 / Nr. 75 Obligationenrecht (d)

BGE 64 II 429

75. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7 Dezember 1938 i. S. Grob
gegen Osterwalder.

Regeste:
Versorgerschaden, Art. 45 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 45 - 1 Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
1    Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
2    Ist der Tod nicht sofort eingetreten, so muss namentlich auch für die Kosten der versuchten Heilung und für die Nachteile der Arbeitsunfähigkeit Ersatz geleistet werden.
3    Haben andere Personen durch die Tötung ihren Versorger verloren, so ist auch für diesen Schaden Ersatz zu leisten.
OR: Nichtanrechenbarkeit von
Pensionskassenleistungen (Primarlehrerwitwe).

Der Beklagte nimmt den Standpunkt ein, Witwe Osterwalder müsse sich die
Witwenpension von Fr. 2056.- anrechnen lassen; denn insoweit fehle eine
Versorgungsbedürftigkeit.
Auch diese Auffassung ist unhaltbar. Allerdings sind die Erträgnisse ererbten
Vermögens, in dessen Genuss der bisher Versorgte durch den Tod des Versorgers
gelangt, entgegen der in BGE 62 II 58 und den dort erwähnten nicht
publizierten Entscheiden geäusserten Ansicht, bei der Frage der
Versorgungsbedürftigkeit nach billigem Ermessen zu berücksichtigen, wobei
insbesondere darauf Bedacht zu nehmen ist, dass der seines Versorgers Beraubte
grundsätzlich darauf Anspruch hat, sein Leben im bisherigen Rahmen
weiterzuführen (V. TUHR OR S. 344, OSER-SCHÖNENBERGER N. 14 zu Art. 45
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 45 - 1 Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
1    Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
2    Ist der Tod nicht sofort eingetreten, so muss namentlich auch für die Kosten der versuchten Heilung und für die Nachteile der Arbeitsunfähigkeit Ersatz geleistet werden.
3    Haben andere Personen durch die Tötung ihren Versorger verloren, so ist auch für diesen Schaden Ersatz zu leisten.
OR,
STREBEL N. 39 zu Art. 41 MFG, BGE 64 II 424 und dort zitierte frühere
Entscheide). Versicherungssummen dagegen, die den Hinterbliebenen aus Lebens-
und Unfallversicherungen zufliessen, sind nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtes grundsätzlich ausser Betracht zu lassen. Eine
Vorteilsausgleichung im Sinne der Anrechnung derselben an den Schaden ist
rechtlich schon deshalb unzulässig, weil der erlangte Vermögensvorteil nicht
die adäquate

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Folge der Unfallverletzung ist, sondern auf einem besonderen Rechtsgrund
beruht. Dasselbe gilt für Pensionskassenleistungen. Auch bei solchen würde es
sodann, wie bei Versicherungssummen, dem Rechtsgefühl widersprechen, wenn man
vor allem dem schuldhaften Urheber eines Schadens zugutekommen liesse, dass
der Verunfallte während Jahren einen Teil seines Lohnes für Einzahlungen in
die Pensionskasse verwendet hat (OSER-SCHÖNENBERGER, N. 21 zu Art. 45
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 45 - 1 Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
1    Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
2    Ist der Tod nicht sofort eingetreten, so muss namentlich auch für die Kosten der versuchten Heilung und für die Nachteile der Arbeitsunfähigkeit Ersatz geleistet werden.
3    Haben andere Personen durch die Tötung ihren Versorger verloren, so ist auch für diesen Schaden Ersatz zu leisten.
OR; BGE
53 II 498, 59 II 464).
Übrigens käme man auch bei grundsätzlicher Gleichstellung der Witwenrente mit
dem Ertrag ererbten Vermögens im vorliegenden Falle zu keinem andern Ergebnis.
Denn auch Pensionskassenleistungen könnten nicht im Sinne einer
Vorteilsanrechnung im vollen Umfange in Anschlag gebracht werden, sondern auch
hier müsste das Grundprinzip gewahrt bleiben, dass der Unterstützte Anspruch
auf Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards hat. Nun liegt es aber auf der
Hand, dass die Witwenpension von Fr. 2056.- hiezu nicht ausreichen würde; denn
erfahrungsgemäss kommen die Unterhaltskosten für eine einzelne Person höher zu
stehen, als der Anteil des Einzelnen an den Kosten einer mehrköpfigen Familie.
Weiter bleibt die Auslage für Wohnungsmiete dieselbe, da der Witwe die
Preisgabe ihrer bisherigen Wohnung nicht zugemutet werden kann. Fügt man nun
zu dem Pensionsbetreffnis von Fr. 2056.- die Rente von 40% des Einkommens des
Ehemannes also Fr. 2189.20, hinzu, so ergibt sich ein Gesamtbetrag von Fr.
4245.20 pro Jahr oder rund Fr. 350.- pro Monat. Bei diesem Betrag kann aber
noch keine Rede davon sein, dass damit eine untragbare und über den Rahmen
einer standesgemässen Lebensweise offensichtlich hinausgehende Bereicherung
der Witwe eintrete.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 II 429
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 07. Dezember 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 II 429
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Versorgerschaden, Art. 45 Abs. 3 OR: Nichtanrechenbarkeit von Pensionskassenleistungen...


Gesetzesregister
OR: 45
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 45 - 1 Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
1    Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
2    Ist der Tod nicht sofort eingetreten, so muss namentlich auch für die Kosten der versuchten Heilung und für die Nachteile der Arbeitsunfähigkeit Ersatz geleistet werden.
3    Haben andere Personen durch die Tötung ihren Versorger verloren, so ist auch für diesen Schaden Ersatz zu leisten.
BGE Register
53-II-498 • 59-II-461 • 62-II-58 • 64-II-420 • 64-II-429
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